8.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 205/59


VERORDNUNG (EU) 2017/1432 DER KOMMISSION

vom 7. August 2017

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf die Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen mit geringem Risiko

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (1), insbesondere auf Artikel 22 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 Buchstabe a,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Mit der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 soll das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die Wirkstoffe mit geringem Risiko enthalten, erleichtert werden, indem Kriterien zur Identifizierung von Wirkstoffen mit geringem Risiko festgelegt wurden und das Verfahren zur Zulassung von Produkten mit geringem Risiko beschleunigt wurde.

(2)

Mit der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (2) wird der integrierte Pflanzenschutz gefördert, wobei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und sonstigen nichtchemischen Methoden der Vorzug zu geben ist, die die geringsten Nebenwirkungen für die menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt haben. Gemäß Artikel 12 ist insbesondere bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in bestimmten Gebieten wie solchen, die von der Allgemeinheit genutzt werden, der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit geringem Risiko der Vorzug zu geben.

(3)

Gemäß Artikel 22 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 findet auf die Identifizierung von Wirkstoffen mit geringem Risiko, die die Kriterien des Artikels 4 der genannten Verordnung erfüllen, Anhang II Nummer 5 der genannten Verordnung Anwendung.

(4)

In Anhang II Nummer 5 wird auf mehrere der in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) festgelegten Gefahrenkategorien Bezug genommen. Im Interesse der Klarheit und um der gleichzeitigen Anwendung der genannten Verordnung Rechnung zu tragen, sollten diese Gefahrenkategorien näher spezifiziert werden.

(5)

Gemäß Artikel 16 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4) sind Wirkstoffe, die ein erhebliches Risiko für bzw. durch die aquatische Umwelt darstellen, auf Unionsebene als prioritäre Stoffe definiert und in Anhang X der genannten Richtlinie aufgeführt. Daher sollten diese aufgelisteten prioritären Stoffe nicht als Wirkstoffe mit geringem Risiko gelten.

(6)

Die Kriterien in Bezug auf Persistenz und Biokonzentration könnten angesichts des derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstands verhindern, dass bestimmte auf natürliche Weise vorkommende Stoffe, die ein wesentlich geringeres Risiko darstellen als andere Wirkstoffe, wie bestimmte pflanzliche Stoffe oder Mineralstoffe, als Wirkstoffe mit geringem Risiko genehmigt werden. Daher sollten solche Stoffe als Wirkstoffe mit geringem Risiko genehmigt werden dürfen, wenn sie den Bestimmungen des Artikels 22 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genügen.

(7)

Semiochemikalien, d. h. von Pflanzen, Tieren oder sonstigen Organismen ausgesandte Stoffe, die der Kommunikation innerhalb einer bzw. zwischen verschiedenen Arten dienen, wirken zielspezifisch und nichttoxisch und kommen auf natürliche Weise vor. Sie wirken im Allgemeinen in sehr geringen Dosen, die häufig mit natürlich vorkommenden Mengen vergleichbar sind (5). Angesichts des derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstands sollte vorgeschrieben werden, dass auch Semiochemikalien als Wirkstoffe mit geringem Risiko gelten.

(8)

Wirkstoffe im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 umfassen Mikroorganismen, deren Eigenschaften sich von denjenigen chemischer Stoffe unterscheiden. Die auf Mikroorganismen anzuwendenden Kriterien für die Einstufung als Wirkstoff mit geringem Risiko sollten auf der Grundlage des derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstands festgelegt werden.

(9)

Mikroorganismen zur Verwendung in Pflanzenschutzmitteln werden in Übereinstimmung mit den spezifischen Datenanforderungen in Teil B des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission (6) auf Stammebene bewertet. Daher sollten Mikroorganismen bei der Bewertung der Erfüllung der Kriterien für die Einstufung als Wirkstoffe mit geringem Risiko auch auf Stammebene identifiziert und charakterisiert werden, da sich die toxikologischen Eigenschaften verschiedener Stämme derselben Mikroorganismus-Art stark voneinander unterscheiden können. Ein Mikroorganismus kann als Wirkstoff mit geringem Risiko gelten, sofern er nicht auf Stammebene multiple Resistenzen gegenüber antimikrobiellen Mitteln zur Verwendung in der Human- oder Tiermedizin aufweist.

(10)

Es sollte klargestellt werden, dass Baculoviren, eine wirtsspezifische Familie von Viren, die ausschließlich Arthropoden befallen und hauptsächlich in Insekten der Ordnung der Lepidopteren vorkommen, als Wirkstoffe mit geringem Risiko gelten sollten, da wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, dass sich Baculoviren in irgendeiner Weise nachteilig auf Mensch oder Tier auswirken (7). Ein Baculovirus sollte als Wirkstoff mit geringem Risiko gelten, sofern auf Stammebene keine schädlichen Auswirkungen auf Nichtzielinsekten bei ihm nachgewiesen wurden.

(11)

Daher sollte Anhang II Nummer 5 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entsprechend geändert werden.

(12)

Die Änderungen entsprechen dem derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstand und präzisieren die bestehenden Kriterien unter Nummer 5. Daher sollten die neuen Kriterien so rasch wie möglich gelten, es sei denn, der zuständige Ausschuss hat über den Entwurf der ihm vorgelegten Verordnung abgestimmt, ohne dass diese Verordnung bis zum 28. August 2017 von der Kommission angenommen worden ist.

(13)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert.

Artikel 2

Die mit der vorliegenden Verordnung geänderte Nummer 5 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gilt ab dem 28. August 2017; davon ausgenommen sind Verfahren, bei denen der Ausschuss über den Entwurf der ihm vorgelegten Verordnung abgestimmt hat, ohne dass dieser Entwurf einer Verordnung bis zum 28. August 2017 angenommen worden ist.

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 7. August 2017

Für die Kommission

Der Präsident

Jean-Claude JUNCKER


(1)  ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1.

(2)  Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 71).

(3)  Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

(4)  Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1).

(5)  OECD Report of the 5TH Biopesticides Steering Group Seminar on application techniques for microbial pest control products and semiochemicals: use scenarios and associated risks ENV/JM/MONO(2015)38.

(6)  Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 93 vom 3.4.2013, S. 1).

(7)  EFSA BIOHAZ Panel (EFSA-Gremium für biologische Gefahren), 2013. Scientific Opinion on the maintenance of the list of QPS biological agents intentionally added to food and feed (Aktualisierung 2013). EFSA Journal 2013;11(11):3449, 107 S. doi:10.2903/j.efsa.2013.3449.


ANHANG

Anhang II Nummer 5 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erhält folgende Fassung:

„5.   Wirkstoffe mit geringem Risiko

5.1.   Wirkstoffe, die keine Mikroorganismen sind

5.1.1.   Ein Wirkstoff, der kein Mikroorganismus ist, gilt nicht als Wirkstoff mit geringem Risiko, wenn eines der folgenden Kriterien auf ihn zutrifft:

a)

er ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in eine der folgenden Klassen eingestuft oder einzustufen:

karzinogen, Kategorien 1A, 1B oder 2,

mutagen, Kategorien 1A, 1B oder 2,

reproduktionstoxisch, Kategorien 1A, 1B oder 2,

Hautallergen, Kategorie 1,

schwer augenschädigend, Kategorie 1,

Inhalationsallergen, Kategorie 1,

akut toxisch, Kategorien 1, 2 oder 3,

spezifisch zielorgantoxisch, Kategorien 1 oder 2,

giftig für Wasserorganismen, akut oder chronisch, Kategorie 1, auf der Grundlage geeigneter Standardprüfungen,

explosiv,

hautätzend, Kategorien 1A, 1B oder 1C;

b)

er wurde gemäß der Richtlinie 2000/60/EG als prioritärer Stoff bestimmt;

c)

er gilt als endokriner Disruptor;

d)

er hat neurotoxische oder immuntoxische Wirkungen.

5.1.2.   Ein Wirkstoff, der kein Mikroorganismus ist, gilt nicht als Wirkstoff mit geringem Risiko, wenn er persistent ist (Halbwertszeit im Boden über 60 Tage) oder sein Biokonzentrationsfaktor höher ist als 100.

Ein auf natürliche Weise vorkommender Wirkstoff, auf den keines der unter Nummer 5.1.1 Buchstaben a bis d genannten Kriterien zutrifft, kann dagegen als Wirkstoff mit geringem Risiko gelten, selbst wenn er persistent ist (Halbwertszeit im Boden über 60 Tage) oder sein Biokonzentrationsfaktor höher ist als 100.

5.1.3.   Ein Wirkstoff, der kein Mikroorganismus ist und der von Pflanzen, Tieren oder sonstigen Organismen zu Kommunikationszwecken abgegeben und genutzt wird, gilt als Wirkstoff mit geringem Risiko, wenn keines der unter Nummer 5.1.1 Buchstaben a bis d genannten Kriterien auf ihn zutrifft.

5.2.   Mikroorganismen

5.2.1.   Ein Wirkstoff, der ein Mikroorganismus ist, kann als Wirkstoff mit geringem Risiko gelten, sofern er nicht auf Stammebene multiple Resistenzen gegenüber antimikrobiellen Mitteln zur Verwendung in der Human- oder Tiermedizin aufweist.

5.2.2.   Baculoviren gelten als Wirkstoffe mit geringem Risiko, sofern auf Stammebene keine schädlichen Auswirkungen auf Nichtzielinsekten bei ihnen nachgewiesen wurden.“