31991L0412

Richtlinie 91/412/EWG der Kommission vom 23. Juli 1991 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Tierarzneimittel

Amtsblatt Nr. L 228 vom 17/08/1991 S. 0070 - 0073
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 3 Band 38 S. 0156
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 3 Band 38 S. 0156


RICHTLINIE DER KOMMISSION vom 23. Juli 1991 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Tierarzneimittel (91/412/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Richtlinie 81/851/EWG des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (1), zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/676/EWG (2), insbesondere auf Artikel 27a,

gestützt auf die Richtlinie 90/677/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 81/851/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel sowie zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für immunologische Tierarzneimittel (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Alle in der Gemeinschaft hergestellten oder in die Gemeinschaft eingeführten Tierarzneimittel, einschließlich der Arzneimittel, die für die Ausfuhr vorgesehen sind, sollten in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis hergestellt werden.

In Übereinstimmung mit ihrer nationalen Gesetzgebung können die Mitgliedstaaten verlangen, daß diese Grundsätze der Guten Herstellungspraxis auch bei der Herstellung von Arzneimitteln, die für klinische Prüfungen vorgesehen sind, eingehalten werden.

Die in Artikel 27a der Richtlinie 81/851/EWG genannten ausführlichen Leitlinien wurden von der Kommission nach Beratung mit den für die pharmazeutische Überwachung zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten in Form eines "Leitfadens einer Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel" veröffentlicht.

Es ist notwendig, daß alle Hersteller eine wirksame Qualitätssicherung der Herstellungsvorgänge gewährleisten und folglich ein pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem einführen und betreiben.

Die Beauftragten der zuständigen Behörden sollten in einem Bericht festhalten, ob sich der Hersteller an die Regeln der Guten Herstellungspraxis hält ; diese Berichte sollten auf begründete Nachfrage den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates übermittelt werden.

Die Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis sollten sich hauptsächlich mit dem Personal, den Räumlichkeiten und der Ausrüstung, der Dokumentation, der Produktion, der Qualitätskontrolle, der Auftragsherstellung, den Beanstandungen und dem Produktrückruf sowie den Selbstinspektionen befassen.

Die Grundsätze und Leitlinien dieser Richtlinie entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für die Anpassung der Richtlinien zur Beseitigung der technischen Handelshemmnisse auf dem Gebiet der Tierarzneimittel an den technischen Fortschritt, der durch Artikel 2b der Richtlinie 81/852/EWG des Rates vom 28. September 1981 über die analytischen, toxikologischpharmakologischen und tierärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Tierarzneimitteln (4), zuletzt geändert durch die Richtlinie 87/20/EWG (5), eingesetzt wurde -

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I ALLGEMEINES

Artikel 1

Diese Richtlinie regelt die Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Tierarzneimittel, für deren Herstellung eine Erlaubnis nach Artikel 24 der Richtlinie 81/851/EWG erforderlich ist.

Artikel 2

Die Definition für Arzneimittel gemäß Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates (6) sowie die Definition für Tierarzneimittel gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 81/851/EWG finden Anwendung. Darüber hinaus gelten folgende Begriffsbestimmungen: - "Hersteller" : jeder Inhaber einer Erlaubnis nach Artikel 24 der Richtlinie 81/851/EWG;

- "sachkundige Person" : Person im Sinne von Artikel 29 der Richtlinie 81/851/EWG; (1) ABl. Nr. L 317 vom 6.11.1981, S. 1. (2) ABl. Nr. L 373 vom 31.12.1990, S. 15. (3) ABl. Nr. L 373 vom 31.12.1990, S. 26. (4) ABl. Nr. L 317 vom 6.11.1981, S. 16. (5) ABl. Nr. L 15 vom 17.1.1987, S. 34. (6) ABl. Nr. 22 vom 9.2.1965, S. 369/65.

- "pharmazeutische Qualitätssicherung" : Gesamtheit aller vorgesehenen Maßnahmen, die getroffen werden, um sicherzustellen, daß die Tierarzneimittel die für den beabsichtigten Gebrauch erforderliche Qualität aufweisen;

- "Gute Herstellungspraxis" : der Teil der Qualitätssicherung, der gewährleistet, daß Produkte gleichbleibend nach den Qualitätsstandards produziert und geprüft werden, die der vorgesehenen Verwendung entsprechen.

Artikel 3

Die Mitgliedstaaten gewährleisten durch wiederholte Besichtigungen nach Artikel 34 der Richtlinie 81/851/EWG, daß die Hersteller die Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis, wie sie in dieser Richtlinie festgelegt sind, beachten.

Zur Auslegung dieser Grundsätze und Leitlinien beziehen sich die Hersteller und die Beauftragten der zuständigen Behörden auf die ausführlichen Leitlinien nach Artikel 27a der Richtlinie 81/851/EWG. Diese sind von der Kommission in dem "Leitfaden einer Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel" und dessen Anhängen veröffentlicht worden (Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. Die Regelung der Arzneimittel in der Europäischen Gemeinschaft, Band IV).

Artikel 4

Die Hersteller sorgen dafür, daß alle Herstellungsvorgänge in Übereinstimmung mit den Regeln der Guten Herstellungspraxis und der Herstellungserlaubnis durchgeführt werden.

Bei aus Drittländern eingeführten Tierarzneimitteln vergewissern die Einführer sich, daß die Hersteller dieser Arzneimittel über eine ordnungsgemässe Herstellungserlaubnis verfügen und hinsichtlich der Guten Herstellungspraxis Anforderungen unterliegen, die den in der Gemeinschaft festgelegten mindestens gleichwertig sind.

Artikel 5

Die Hersteller tragen dafür Sorge, daß alle Herstellungsvorgänge, soweit sie Gegenstand eines Zulassungsverfahrens waren, in Übereinstimmung mit den Angaben im Zulassungsantrag, so wie er von den zuständigen Behörden gebilligt wurde, durchgeführt werden.

Die Hersteller müssen ihre Herstellungsverfahren regelmässig unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts überprüfen. Falls sich die Notwendigkeit einer Änderung der Zulassungsunterlagen ergibt, ist die vorgesehene Änderung den zuständigen Behörden vorzulegen.

KAPITEL II GRUNDSÄTZE UND LEITLINIEN DER GUTEN HERSTELLUNGSPRAXIS

Artikel 6

Qualitätssicherungssystem

Jeder Hersteller muß ein funktionstüchtiges pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem, das die aktive Beteiligung der Geschäftsführung und des Personals der verschiedenen betroffenen Bereiche einbezieht, einführen und betreiben.

Artikel 7

Personal

(1) In jedem Betrieb muß dem Hersteller sachkundiges und angemessen qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, damit die Ziele der Qualitätssicherung erreicht werden.

(2) Die Aufgaben der Mitarbeiter in leitender oder verantwortlicher Stellung, einschließlich der sachkundigen Person(en), die für die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis zuständig sind, müssen in Arbeitsplatzbeschreibungen festgelegt werden. Die hierarchischen Beziehungen sind in einem Organisationsschema zu beschreiben. Organisationsschemata und Arbeitsplatzbeschreibungen sind nach den betriebsinternen Verfahren zu genehmigen.

(3) Dem in Absatz 2 genannten Personal sind ausreichende Befugnisse einzuräumen, damit es seiner Verantwortung gerecht werden kann.

(4) Die Mitarbeiter müssen zu Anfang und danach fortlaufend geschult werden. Die Schulung sollte sich auf Theorie und Anwendung der Qualitätssicherung und der Guten Herstellungspraxis erstrecken.

(5) Es müssen Hygieneprogramme erstellt und befolgt werden, die den durchzuführenden Tätigkeiten angepasst sind. Diese Programme müssen Vorschriften zur Gesundheitspflege, über hygienisches Verhalten und über die Bekleidung des Personals enthalten.

Artikel 8

Räumlichkeiten und Ausrüstung

(1) Räumlichkeiten und Ausrüstung müssen so angeordnet, ausgelegt, ausgeführt, nachgerüstet und instandgehalten sein, daß sie sich für die beabsichtigten Zwecke eignen.

(2) Sie müssen so ausgelegt, gestaltet und genutzt werden, daß das Risiko von Fehlern minimal und eine gründliche Reinigung und Wartung möglich ist, um Verunreinigungen, Kreuzkontamination und ganz allgemein jeden die Qualität des Produkts beeinträchtigenden Effekt zu vermeiden.

(3) Räumlichkeiten und Ausrüstung, die zur Verwendung für hinsichtlich der Produktqualität kritische Herstellungsvorgänge bestimmt sind, müssen hinsichtlich ihrer Eignung überprüft werden (Qualifizierung).

Artikel 9

Dokumentation

(1) Jeder Hersteller muß über ein Dokumentationssystem mit Spezifikationen, Herstellungsvorschriften, Verarbeitungs- und Verpackungsanweisungen sowie Verfahrensbeschreibungen und Protokollen über die jeweils ausgeführten Herstellungsvorgänge verfügen. Die Unterlagen müssen klar und deutlich, fehlerfrei und auf dem neuesten Stand sein. Neben den speziellen Unterlagen über die Herstellung jeder Charge müssen vorher erstellte Vorschriften für allgemeine Herstellungsvorgänge und -bedingungen schriftlich vorliegen. Die Gesamtheit dieser Unterlagen muß die Rückverfolgung des Werdegangs jeder Charge ermöglichen. Die chargenbezogenen Unterlagen müssen mindestens ein Jahr über das Verfalldatum der Chargen und mindestens fünf Jahre über das Ausstellen der Bescheinigung gemäß Artikel 30 Absatz 2 der Richtlinie 81/851/EWG hinaus aufbewahrt werden.

(2) Werden Daten nicht schriftlich, sondern mit elektronischen, photographischen oder anderen Datenverarbeitungssystemen aufgezeichnet, muß der Hersteller das System vorher validieren, indem er nachweist, daß die Daten während des voraussichtlichen Aufbewahrungszeitraums ordnungsgemäß gespeichert werden. Die mit solchen Systemen gespeicherten Daten müssen schnell in lesbarer Form verfügbar gemacht werden können. Elektronisch gespeicherte Daten müssen gegen Verlust oder Beschädigung geschützt werden (beispielsweise durch Vervielfältigung oder Übertragung auf ein anderes Aufbewahrungssystem).

Artikel 10

Produktion

Die verschiedenen Produktionsvorgänge müssen nach vorher erstellten Anweisungen und Verfahrensbeschreibungen und in Übereinstimmung mit der Guten Herstellungspraxis durchgeführt werden. Es müssen angemessene und ausreichende Mittel für die Durchführung der Inprozeßkontrollen zur Verfügung stehen.

Es müssen die erforderlichen technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, um Kreuzkontamination und Verwechslungen zu vermeiden.

Jedes neue Herstellungsverfahren und jede wesentliche Änderung eines bestehenden Verfahrens müssen validiert werden. Kritische Phasen eines Herstellungsverfahrens müssen regelmässig revalidiert werden.

Artikel 11

Qualitätskontrolle

(1) Jeder Hersteller muß eine Qualitätskontrollabteilung einrichten und unterhalten. Sie soll von einer Person mit der erforderlichen Qualifikation geleitet werden und von anderen Abteilungen unabhängig sein.

(2) Die Qualitätskontrollabteilung muß über ein oder mehrere Kontrollaboratorien mit ausreichender personeller Besetzung und angemessener Ausstattung verfügen, um die erforderlichen Untersuchungen und Prüfungen von Ausgangsstoffen, Verpackungsmaterialien und von Zwischen- und Fertigprodukten vornehmen zu können. Eine Beauftragung externer Laboratorien ist entsprechend Artikel 12 dieser Richtlinie zulässig, sofern die Genehmigung nach Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie 81/851/EWG vorliegt.

(3) Bei der abschließenden Kontrolle der Fertigprodukte vor ihrer Freigabe für den Verkauf oder Vertrieb muß die Qualitätskontrollabteilung zusätzlich zu den analytischen Ergebnissen als wichtige Informationen insbesondere die Produktionsbedingungen, die Ergebnisse der Inprozeßkontrollen, die Überprüfung der Herstellungsunterlagen und die Übereinstimmung der Produkte mit ihren Spezifikationen (einschließlich der Endverpakkung) mit berücksichtigen.

(4) Rückstellmuster von jeder Charge eines Fertigprodukts müssen mindestens ein Jahr über den Ablauf des Verfalldatums hinaus aufbewahrt werden. Sofern im Herstellungsland keine längeren Aufbewahrungszeiten verlangt werden, müssen Proben von Ausgangsstoffen (ausser Lösungsmitteln, Gasen und Wasser) mindestens zwei Jahre nach Freigabe des Produkts aufbewahrt werden, es sei denn, in der entsprechenden Spezifikation ist eine kürzere Haltbarkeit angegeben. Diese Rückstellmuster müssen den zuständigen Behörden zur Verfügung stehen.

Bei bestimmten Arzneimitteln, die für den Einzelfall oder in kleinen Mengen hergestellt werden oder deren Lagerung besondere Probleme bereiten könnte, können mit Zustimmung der zuständigen Behörde andere Festlegungen über die Rückstellmuster und ihre Aufbewahrung getroffen werden.

Artikel 12

Auftragsherstellung

(1) Für jeden Herstellungsvorgang oder jeden mit der Herstellung verbundenen Vorgang, der im Auftrag ausgeführt wird, muß ein schriftlicher Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehen.

(2) In dem Vertrag müssen die Verantwortlichkeiten jeder Seite klar festgelegt und die Einhaltung der Regeln der Guten Herstellungspraxis durch den Auftragnehmer sowie die Art und Weise, wie die sachkundige Person, die für die Freigabe jeder Charge zuständig ist, ihrer Verantwortung voll gerecht wird, geregelt sein.

(3) Ein Auftragnehmer darf keine ihm vertraglich übertragene Arbeit ohne schriftliche Genehmigung des Auftraggebers an Dritte weitergeben.

(4) Der Auftragnehmer muß die Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis einhalten und sich den in Artikel 34 der Richtlinie 81/851/EWG vorgesehenen Inspektionen durch die zuständigen Behörden unterwerfen.

Artikel 13

Beanstandungen und Produktrückruf

Der Hersteller muß Beanstandungen systematisch aufzeichnen und überprüfen und wirkungsvolle systematische Vorkehrungen treffen, damit die Arzneimittel jederzeit schnell vom Markt zurückgerufen werden können. Jede Beanstandung wegen eines Qualitätsmangels muß vom Hersteller aufgezeichnet und untersucht werden. Der Hersteller muß die zuständige Behörde über jeden Qualitätsmangel, der möglicherweise zu einem Rückruf oder einer ungewöhnlichen Einschränkung des Vertriebs führt, unterrichten. Soweit möglich, müssen dabei auch die Empfängerländer angegeben werden, in die das Arzneimittel geliefert wurde. Bei jedem Rückruf sind die in Artikel 42 der Richtlinie 81/851/EWG genannten Vorschriften zu beachten.

Artikel 14

Selbstinspektion

Die Selbstinspektion ist Teil des Qualitätssicherungssystems und muß regelmässig vorgenommen werden, um die Anwendung und Beachtung der Regeln der Guten Herstellungspraxis zu überwachen und um Vorschläge für eventuell notwendige Korrekturmaßnahmen zu machen. Über die Selbstinspektionen und die anschließend ergriffenen Korrekturmaßnahmen müssen Aufzeichnungen geführt und aufbewahrt werden.

KAPITEL III SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 15

Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie bis spätestens zwei Jahre nach Annahme des Textes nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in diesen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Sie regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

Artikel 16

Diese Richtlinie ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 23. Juli 1991

Für die Kommission

Martin BANGEMANN

Vizepräsident