URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

6. September 2012 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage — Verordnung (EU, Euratom) Nr. 617/2010 — Mitteilung von Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur in der Europäischen Union an die Kommission — Wahl der Rechtsgrundlage — Art. 337 AEUV und Art. 187 EA — Art. 194 AEUV“

In der Rechtssache C-490/10

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 8. Oktober 2010,

Europäisches Parlament, vertreten durch M. Gómez-Leal, J. Rodrigues und L. Visaggio als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und A. Lo Monaco als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und A. Adam als Bevollmächtigte,

Europäische Kommission, vertreten durch P. Oliver und O. Beynet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. April 2012

folgendes

Urteil

1

Mit seiner Klage beantragt das Europäische Parlament, die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 617/2010 des Rates vom 24. Juni 2010 über die Mitteilung von Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur in der Europäischen Union an die Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 736/96 (ABl. L 180, S. 7, im Folgenden: angefochtene Verordnung) für nichtig zu erklären und deren Wirkungen im Fall der Nichtigerklärung bis zum Erlass einer neuen Verordnung aufrechtzuerhalten.

Rechtlicher Rahmen

2

Die Erwägungsgründe 1 bis 5, 7, 8, 11 und 15 der angefochtenen Verordnung lauten:

„(1)

Die Erstellung eines umfassenden Bildes von der Entwicklung der Investitionen in Energieinfrastrukturen in der Union ist eine Voraussetzung dafür, dass die Kommission ihre Aufgaben im Energiebereich erfüllen kann. Die Verfügbarkeit regelmäßig eingehender und aktueller Daten und Informationen sollte es der Kommission ermöglichen, auf der Grundlage geeigneter Zahlen und Analysen, insbesondere in Bezug auf das künftige Verhältnis zwischen Energieangebot und -nachfrage, die nötigen Vergleiche anzustellen und Bewertungen vorzunehmen oder die einschlägigen Maßnahmen vorzuschlagen.

(2)

Die Energielandschaft innerhalb und außerhalb der Union hat sich in den letzten Jahren stark verändert; Investitionen in Energieinfrastrukturen sind daher von entscheidender Bedeutung für die Sicherung der Energieversorgung der Union, für das Funktionieren des Binnenmarkts und für den von der Union eingeleiteten Übergang zu einem Energiesystem mit geringem CO2-Ausstoß.

(3)

Die neue Situation auf dem Energiemarkt erfordert erhebliche Investitionen in alle Arten von Infrastrukturen in allen Energiesektoren sowie die Entwicklung neuer Arten von Infrastrukturen und neuer Technologien, die vom Markt aufzunehmen sind. Aufgrund der Liberalisierung des Energiesektors und der weiteren Integration des Binnenmarktes gewinnt die Rolle der Wirtschaftsbeteiligten für Investitionen an Bedeutung; gleichzeitig werden neue politische Anforderungen wie Zielvorgaben, die sich auf den Energieträgermix auswirken, zu einer geänderten Politik der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Neubau und/oder die Modernisierung von Energieinfrastruktur führen.

(4)

In diesem Zusammenhang sollte mehr auf Investitionen in Energieinfrastruktur in der Union geachtet werden, insbesondere mit Blick darauf, Probleme vorherzusehen, bewährte Verfahren zu fördern und für größere Transparenz bei der Weiterentwicklung des Energiesystems der Union zu sorgen.

(5)

Die Kommission und insbesondere ihre Energiemarktbeobachtungsstelle sollten daher über genaue Daten und Informationen über Investitionsvorhaben, einschließlich geplanter Stilllegungen, verfügen, die die wichtigsten Komponenten des Energiesystems der Union betreffen.

(7)

Gemäß den Artikeln 41 [EA] und 42 [EA] müssen Unternehmen ihre Investitionsvorhaben anzeigen. Diese Informationen müssen insbesondere durch regelmäßige Berichte über die Durchführung von Investitionsvorhaben ergänzt werden. Die Artikel 41 bis 44 [EA] bleiben von diesen zusätzlichen Berichten unberührt.

(8)

Damit die Kommission ein zusammenhängendes Bild von den künftigen Entwicklungen des Energiesystems der Union als Ganzes erhält, muss ein einheitlicher Rahmen für die Übermittlung von Angaben zu Investitionsvorhaben geschaffen werden, der sich auf aktualisierte Kategorien der von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden amtlichen Daten und Informationen stützt.

(11)

Um einen unangemessenen Verwaltungsaufwand zu vermeiden und die Kosten für die Mitgliedstaaten und die Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, möglichst gering zu halten, sollte in dieser Verordnung die Möglichkeit vorgesehen sein, Mitgliedstaaten und Unternehmen von der Meldepflicht auszunehmen, sofern der Kommission bereits entsprechende Angaben gemäß von den Organen der Union erlassenen energiesektorspezifischen Rechtsakten übermittelt werden, die den Zielen dienen, vom Wettbewerb geprägte Energiemärkte in der Union zu schaffen, die Nachhaltigkeit des Energiesystems der Union zu gewährleisten und die Energieversorgung für die Union zu sichern. Daher sollte eine Überschneidung der Meldepflichten vermieden werden, die im Rahmen des dritten Binnenmarktpakets für Elektrizität und Gas festgelegt wurden.

(15)

Die Kommission und insbesondere ihre Energiemarktbeobachtungsstelle sollten eine regelmäßige sektorübergreifende Analyse der strukturellen Entwicklung und Perspektiven des Energiesystems der Union und gegebenenfalls eine gezieltere Analyse bestimmter Aspekte dieses Energiesystems erstellen. Diese Analyse sollte vor allem zur Ermittlung möglicher Infrastruktur- und Investitionslücken im Hinblick auf eine Angleichung von Energieangebot und -nachfrage beitragen. Sie sollte zudem zu einer Debatte auf Unionsebene über Energieinfrastrukturen beitragen und deshalb an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss weitergeleitet und den interessierten Kreisen zugänglich gemacht werden.“

3

In Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der angefochtenen Verordnung ist bestimmt:

„(1)   Durch diese Verordnung wird ein gemeinsamer Rahmen für die Übermittlung von Daten und Informationen zu Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur in den Sektoren Erdöl, Erdgas, Elektrizität, einschließlich Elektrizität aus erneuerbaren Quellen, und Biokraftstoff und zu Investitionsvorhaben im Zusammenhang mit der Abscheidung und Speicherung des in diesen Sektoren erzeugten Kohlendioxids an die Kommission festgelegt.

(2)   Diese Verordnung gilt für die im Anhang aufgeführten Arten von Investitionsvorhaben, für die die Bau- oder Stilllegungsarbeiten bereits begonnen haben oder für die eine endgültige Investitionsentscheidung getroffen wurde.

…“

4

Nach Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der angefochtenen Verordnung gilt für deren Zwecke u. a. folgende Begriffsbestimmung:

„10.

‚Energieträger‘ sind

i)

Primärenergieträger wie Erdöl, Erdgas oder Kohle;

ii)

umgewandelte Energieträger wie Elektrizität;

iii)

erneuerbare Energieträger einschließlich Strom aus Wasserkraft, Biomasse, Biogas, Windkraft, Sonnenenergie, Gezeitenenergie, Wellenenergie und Erdwärme; und

iv)

Energieerzeugnisse wie raffinierte Erdölerzeugnisse und Biokraftstoffe.“

5

In Art. 3 („Übermittlung von Daten“) der angefochtenen Verordnung ist bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten oder die Einrichtungen, denen sie diese Aufgabe übertragen, erfassen ab dem 1. Januar 2011 und ab dann alle zwei Jahre alle in dieser Verordnung festgelegten Daten und Informationen; dabei muss der Aufwand für Erhebung und Meldung angemessen sein.

Sie übermitteln der Kommission erstmals 2011 und ab dann alle zwei Jahre die in dieser Verordnung angegebenen Daten und relevanten Informationen über Vorhaben. …

(2)   Die Mitgliedstaaten oder die von ihnen beauftragten Einrichtungen werden von den Pflichten des Absatz 1 ausgenommen, sofern und soweit aufgrund energiesektorspezifischen Unionsrechts oder des Euratom-Vertrags

a)

der betroffene Mitgliedstaat oder die von ihm beauftragte Einrichtung den Anforderungen dieser Verordnung entsprechende Daten oder Informationen der Kommission bereits übermittelt und das Datum der Mitteilung und den betreffenden spezifische[n] Rechtsakt angegeben hat;

b)

eine spezielle Stelle mit der Erarbeitung eines Mehrjahres-Investitionsplans für Energieinfrastruktur auf Unionsebene beauftragt wird und zu diesem Zweck den Anforderungen dieser Verordnung entsprechende Daten und Informationen erfasst. In diesem Fall übermittelt die spezielle Stelle der Kommission für die Zwecke dieser Verordnung alle relevanten Daten und Informationen.“

6

In Art. 4 („Datenquellen“) der angefochtenen Verordnung ist bestimmt:

„Die betroffenen Unternehmen teilen den Mitgliedstaaten, auf deren Gebiet sie Investitionsvorhaben durchführen wollen, oder der von diesen beauftragten Einrichtung bis zum 1. Juni des Jahres, in dem die Angaben zu übermitteln sind, die in Artikel 3 genannten Daten oder Informationen mit. …

Absatz 1 gilt nicht für Unternehmen, für die der betreffende Mitgliedstaat beschließt, der Kommission die in Artikel 3 genannten Daten oder Informationen auf andere Weise zu übermitteln.“

7

Art. 5 („Inhalt der Meldung“) der angefochtenen Verordnung lautet:

„(1)   Bei der Übermittlung von Angaben gemäß Artikel 3 ist zu den im Anhang aufgeführten Arten von Investitionsvorhaben gegebenenfalls Folgendes anzugeben:

a)

Volumen der geplanten oder im Bau befindlichen Kapazitäten;

b)

Art und wesentliche Merkmale der geplanten oder im Bau befindlichen Infrastruktur oder Kapazitäten, gegebenenfalls einschließlich des Standorts grenzüberschreitender Übertragungsvorhaben;

c)

voraussichtliches Jahr der Inbetriebnahme;

d)

Art der verwendeten Energieträger;

e)

die zur Reaktion auf Krisenfälle bei der Versorgungssicherheit geeigneten Anlagen, beispielsweise Ausrüstungen, die die Gegenläufigkeit oder die Umstellung auf andere Brennstoffe ermöglichen; und

f)

vorhandene Systeme für die Abscheidung von Kohlendioxid oder Nachrüstungssysteme für die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung.

(2)   Für jede vorgeschlagene Stilllegung von Kapazitäten ist in der Meldung gemäß Artikel 3 Folgendes anzugeben:

a)

Art und Kapazität der betroffenen Infrastruktur, und

b)

voraussichtliches Jahr der Stilllegung.

(3)   In jeder Meldung gemäß Artikel 3 ist gegebenenfalls das Gesamtvolumen der installierten Erzeugungs-, Übertragungs- und Lagerungs-/Speicherungskapazitäten anzugeben, die zu Beginn des Jahres, in dem die Angaben zu übermitteln sind, bestehen oder deren Betrieb für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren unterbrochen wird.

Die Mitgliedstaaten, die von ihnen beauftragten Einrichtungen oder die in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b genannte spezielle Stelle können den Meldungen relevante Anmerkungen anfügen, beispielsweise Anmerkungen in Bezug auf Fristen oder Hemmnisse für die Durchführung von Investitionsvorhaben.“

8

Art. 6 („Qualität und Öffentlichkeit der Daten“) der angefochtenen Verordnung lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten, die von ihnen beauftragte Einrichtung oder gegebenenfalls die speziellen Stellen sind bestrebt, Qualität, Relevanz, Genauigkeit, Eindeutigkeit, rechtzeitige Übermittlung und Kohärenz der Daten und Informationen, die sie der Kommission mitteilen, zu gewährleisten.

Werden Daten und Informationen von den speziellen Stellen übermittelt, so können ihnen entsprechende Anmerkungen der Mitgliedstaaten beigefügt werden.

(2)   Die Kommission kann Daten und Informationen veröffentlichen, die aufgrund dieser Verordnung übermittelt wurden und insbesondere in den in Artikel 10 Absatz 3 genannten Analysen enthalten sind, sofern dies in aggregierter Form geschieht und keine Einzelheiten in Bezug auf bestimmte Unternehmen und Anlagen preisgegeben werden und auch keine Rückschlüsse auf diese möglich sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten, die Kommission oder die von ihnen beauftragten Einrichtungen wahren jeweils die Vertraulichkeit der in ihrem Besitz befindlichen sensiblen Geschäftsdaten oder Informationen.“

9

Nach Art. 7 der angefochtenen Verordnung erlässt die Kommission bis zum 31. Oktober 2010 die zur Durchführung der Verordnung erforderlichen Vorschriften, insbesondere in Bezug auf die Form und andere Einzelheiten der Übermittlung von Daten und Informationen gemäß den Art. 3 und 5 der Verordnung.

10

Art. 8 („Datenverarbeitung“) der angefochtenen Verordnung lautet:

„Die Kommission ist zuständig für die Entwicklung, Unterbringung, Verwaltung und Wartung der EDV-Ressourcen, die für die Erfassung, Speicherung und jedwede Form der Verarbeitung der Daten oder Informationen in Bezug auf Energieinfrastruktur erforderlich sind, die der Kommission aufgrund dieser Verordnung mitgeteilt werden.“

11

Art. 9 („Schutz natürlicher Personen bei der Datenverarbeitung“) der angefochtenen Verordnung lautet:

„Diese Verordnung gilt unbeschadet der Bestimmungen des Unionsrechts und berührt insbesondere nicht die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß der Richtlinie 95/46/EG oder die Verpflichtungen der Organe und Einrichtungen der Union in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen ihrer Aufgaben gemäß der Verordnung (EG) Nr. 45/2001.“

12

Art. 10 („Überwachung und Berichterstattung“) Abs. 1 der angefochtenen Verordnung lautet:

„Auf der Grundlage der übermittelten Daten und Informationen sowie gegebenenfalls anderer Datenquellen einschließlich der von der Kommission erworbenen Daten übermittelt die Kommission – unter Berücksichtigung der relevanten Analysen wie etwa der mehrjährigen Netzentwicklungspläne für Erdgas und Elektrizität – dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss alle zwei Jahre eine sektorübergreifende Analyse der strukturellen Entwicklung und Perspektiven des Energiesystems der Union und veröffentlicht diese. Diese Analyse dient insbesondere

a)

der Ermittlung potenzieller künftiger Diskrepanzen zwischen Energienachfrage und -angebot, sofern diese mit Blick auf die Energiepolitik der Union von Bedeutung sind;

b)

der Ermittlung von Investitionshemmnissen und der Förderung bewährter Verfahren zur ihrer Beseitigung und

c)

der Erhöhung der Transparenz für die Marktteilnehmer und potenzielle neue Marktteilnehmer.

Darüber hinaus kann die Kommission auf der Grundlage dieser Daten und Informationen jede spezifische Analyse erstellen, die sie für erforderlich oder zweckmäßig hält.“

13

Nach Art. 13 der angefochtenen Verordnung ist diese am zwanzigsten Tag nach ihrer am 15. Juli 2010 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten.

14

Im Anhang („Investitionsvorhaben“) der angefochtenen Verordnung heißt es u. a.:

„3.

Elektrizität

3.1.

Erzeugung

Wärmekraftwerke und Kernkraftwerke (Maschinensätze mit einer Leistung von 100 MWe oder mehr);

…“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

15

Am 17. Juli 2009 legte die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung vor, die an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 736/96 des Rates vom 22. April 1996 über die Mitteilung der Investitionsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse auf dem Erdöl-, Erdgas- und Elektrizitätssektor an die Kommission (ABl. L 102, S. 1) treten sollte. Der Vorschlag war auf Art. 284 EG und auf Art. 187 EA gestützt. Obwohl diese Bestimmungen keine Beteiligung des Parlaments am Beschlussverfahren vorsehen, holte der Rat wie beim Erlass der Verordnung Nr. 736/96 die Stellungnahme des Parlaments ein.

16

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 bat der Vorsitzende des Ausschusses „Industrie, Forschung und Energie“ des Parlaments mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 das für den Energiebereich zuständige Mitglied der Kommission, die Wahl der Rechtsgrundlage für den genannten Vorschlag zu überprüfen; dieser sei nun auf Art. 194 AEUV zu stützen. Das Mitglied der Kommission antwortete, Art. 284 EG, jetzt Art. 337 AEUV, und Art. 187 EA seien durch den Vertrag von Lissabon nicht berührt worden und daher, wenn es um die Mitteilung von Informationen gehe, immer noch die richtige Rechtsgrundlage.

17

Am 25. Februar 2010 nahm das Parlament eine Entschließung mit einer Stellungnahme zu dem genannten Vorschlag an, deren Änderungsantrag Nr. 1 darauf gerichtet war, Art. 337 AEUV und Art. 187 EA durch Art. 194 Abs. 1 und 2 als Rechtsgrundlage zu ersetzen.

18

Der Rat änderte den Vorschlag für die Verordnung in diesem Punkt nicht und erließ die streitige Verordnung am 24. Juni 2010 auf der Grundlage von Art. 337 AEUV und Art. 187 EA.

19

Nach Auffassung des Parlaments hätte die angefochtene Verordnung nur auf der Grundlage von Art. 194 Abs. 1 und 2 AEUV erlassen werden dürfen; es hat daher die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben.

Anträge der Parteien

20

Das Parlament beantragt,

die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

21

Der Rat beantragt,

die Klage abzuweisen;

dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

22

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. April 2011 sind die Französische Republik und die Kommission als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

Zur Klage

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

23

Das Parlament macht als einzigen Nichtigkeitsgrund die fehlerhafte Wahl der Rechtsgrundlage der angefochtenen Verordnung geltend; diese sei zu Unrecht auf der Grundlage von Art. 337 AEUV erlassen worden, obwohl der Unionsgesetzgeber die entsprechenden Befugnisse nach Art. 194 Abs. 2 AEUV gehabt hätte. Dieser Fehler müsse zur Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung führen; das Parlament sei an deren Erlass nur im Rahmen einer bloßen Anhörung beteiligt gewesen, während nach Art. 194 Abs. 2 AEUV das ordentliche Gesetzgebungsverfahren hätte zur Anwendung kommen müssen.

24

Mit der angefochtenen Verordnung solle in erster Linie ein Beitrag zur Verwirklichung der in Art. 194 Abs. 1 AEUV genannten Ziele der Energiepolitik der Union, insbesondere der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit, geleistet werden.

25

Zum Inhalt der angefochtenen Verordnung macht das Parlament geltend, nach deren Art. 10 Abs. 1 habe die Kommission die Aufgabe, auf der Grundlage der gemäß der Verordnung übermittelten Informationen in regelmäßigen Abständen eine sektorübergreifende Analyse der strukturellen Entwicklung und Perspektiven des Energiesystems der Union zu erstellen, u. a. um potenzielle künftige Diskrepanzen zwischen Energienachfrage und -angebot zu ermitteln, sofern diese mit Blick auf die Energiepolitik der Union von Bedeutung seien, und die Transparenz für die Marktteilnehmer und potenzielle neue Marktteilnehmer zu erhöhen. Das Funktionieren des Energiemarkts, die Energieversorgungssicherheit und die Energieeffizienz zählten aber zu den in Art. 194 Abs. 1 AEUV genannten Zielen. Die durch die angefochtene Verordnung organisierte Erhebung von Informationen stelle lediglich ein Mittel zur Verwirklichung dieser Ziele dar.

26

Das Parlament bestreitet nicht, dass Art. 337 AEUV als allgemeine Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Erhebung von Informationen herangezogen werden kann. Unter Bezug auf die Urteile vom 6. Juli 1982, Frankreich u. a./Kommission (188/80 bis 190/80, Slg. 1982, 2545), und vom 9. November 1995, Deutschland/Rat (C-426/93, Slg. 1995, I-3723), macht es aber geltend, dass, falls die Erhebung von Informationen speziell den Zielen einer bestimmten Politik der Union diene, die zielspezifische Rechtsgrundlage Vorrang vor einer solchen allgemeinen Rechtsgrundlage habe.

27

Selbst wenn im vorliegenden Fall Art. 337 AEUV ebenso wie Art. 194 Abs. 2 AEUV als Rechtsgrundlage in Betracht käme, wäre nach der Rechtsprechung der letztgenannten Bestimmung der Vorzug zu geben, da das Parlament dabei enger in das Verfahren des Erlasses des betreffenden Rechtsakts einbezogen sei; das Parlament beruft sich insoweit auf das Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Rat (C-300/89, Slg. 1991, I-2867, Randnr. 20).

28

Ein zusätzlicher Rückgriff auf Art. 187 EA sei nicht erforderlich. Anders als bei Art. 40 EA diene der mit der angefochtenen Verordnung eingeführte Mechanismus der Erhebung von Informationen nämlich nicht der Förderung oder Koordinierung von Investitionen im Bereich der Kernenergie. Nach Art. 3 Abs. 2 der angefochtenen Verordnung sei die Mitteilung von Daten, die den Bereich der Kernenergie beträfen, nur erforderlich, wenn diese der Kommission noch nicht nach dem EAG-Vertrag übermittelt worden seien. Die angefochtene Verordnung betreffe also nicht den Erlass von Maßnahmen, die speziell auf die Entwicklung des Kernenergiesektors abzielten.

29

Selbst wenn der Rückgriff auf Art. 187 EA im Hinblick auf das mit der angefochtenen Verordnung verfolgte Ziel und deren Inhalt erforderlich wäre, könne gleichzeitig auf Art. 187 EA und Art. 194 Abs. 2 AEUV zurückgegriffen werden, da diese beiden Bestimmungen hinsichtlich des Verfahrens miteinander vereinbar seien. Nach dem Urteil vom 6. November 2008, Parlament/Rat (C-155/07, Slg. 2008, I-8103, Randnr. 79), wäre dann das ordentliche Gesetzgebungsverfahren anwendbar, da Art. 194 Abs. 2 eine stärkere Beteiligung des Parlaments vorsehe. Der Fehler, der dem Rat insofern unterlaufen sei, wirke sich folglich nicht auf die Wahl des anwendbaren Beschlussverfahrens aus und stelle somit einen reinen Formfehler dar.

30

Schließlich weist das Parlament darauf hin, dass es sich nicht dagegen wende, dass der Gerichtshof im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung deren Wirkungen gemäß Art. 264 Abs. 2 AEUV aufrechterhalte; es habe nämlich weder etwas gegen das mit der Verordnung verfolgte Ziel einzuwenden, noch insgesamt betrachtet gegen die Mittel, die für dessen Verwirklichung vorgesehen seien.

31

Der Rat bestreitet, unterstützt durch die Französische Republik und die Kommission, dass mit der angefochtenen Verordnung die Ziele der Energiepolitik der Union verwirklicht werden sollen. Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 solle mit der angefochtenen Verordnung ein gemeinsamer Rahmen für die Übermittlung von Daten und Informationen zu Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur festgelegt werden. Mit der Verordnung solle also gewährleistet werden, dass die Kommission in regelmäßigen Abständen über aktualisierte Daten verfüge, um ihre Aufgaben zu erfüllen, wofür zuverlässige Daten unerlässlich seien. Das Parlament verwechsle insofern das mit der angefochtenen Verordnung verfolgte Ziel mit demjenigen, das später durch Maßnahmen verfolgt werde, die möglicherweise von der Kommission auf der Grundlage der Analyse der auf diese Weise zusammengetragenen Informationen vorgeschlagen würden. Für die Wahl der Rechtsgrundlage der angefochtenen Verordnung sei das Ziel dieser zukünftigen Vorschläge nicht maßgeblich.

32

Die Kommission macht insofern geltend, die Erhebung von Informationen über Investitionen für Energieinfrastruktur könne nicht unmittelbar zur Verwirklichung der Ziele der Energiepolitik und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der Union beitragen. Hierzu seien viel weiter reichende Maßnahmen erforderlich als eine bloße Erhebung von Informationen, z. B. die Organisation von Investitionen in bestimmte Infrastrukturen, die Erschließung von Finanzierungsquellen oder die Schaffung von Anreizen für solche Investitionen.

33

Zum Inhalt der angefochtenen Verordnung macht der Rat geltend, aus deren Art. 3 bis 10 gehe eindeutig hervor, dass es einzig und allein um die Mitteilung von Informationen gehe; die Verordnung verpflichte die Mitgliedstaaten und die Unternehmen nämlich dazu, die erforderlichen Daten zu erfassen und der Kommission in aggregierter Form zu übermitteln. Insbesondere definiere Art. 10 der angefochtenen Verordnung hierzu die besonderen Aufgaben der Kommission und die Modalitäten der Verwendung und der Verbreitung dieser Daten.

34

Der Rückgriff auf Art. 337 AEUV sei unter drei Voraussetzungen zulässig: Es müsse die Verpflichtung bestehen, die Informationen der Kommission zu übermitteln, die Grenzen und die Bedingungen müssten vom Rat festgelegt werden, und die Informationen müssten für die Erfüllung der Aufgaben der Kommission erforderlich sein. Betrachte man die Art. 3 und 4 der angefochtenen Verordnung, so sei die erste dieser Voraussetzungen offensichtlich erfüllt. Auch die zweite Voraussetzung sei erfüllt, da die Verordnung in ihren Art. 5 bis 9 die Grenzen hinsichtlich der Art der betreffenden Informationen, der Öffentlichkeit und der Verarbeitung der Daten und in ihrem Art. 10 die spezifischen Aufgaben der Kommission und die Modalitäten der Verwendung und Verbreitung dieser Daten durch die Kommission festlege. Außerdem müssten die Informationen, die die Kommission verlangen dürfe, für die Erfüllung ihrer speziell in Art. 10 der Verordnung und allgemein in Art. 17 EUV genannten Aufgaben erforderlich sein.

35

Der Gerichtshof habe bereits in Randnr. 19 des Urteils Deutschland/Rat entschieden, dass Art. 337 AEUV die richtige Rechtsgrundlage für die Erhebung von Informationen durch die Kommission sei; dieser werde durch diese Bestimmung nämlich eine allgemeine Zuständigkeit für die Einholung jeder zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskunft übertragen.

36

Der Rat und die Französische Republik widersprechen der Ansicht, dass Art. 337 AEUV nicht als Rechtsgrundlage in Betracht komme, wenn die Erhebung von Informationen mit einer bestimmten Politik der Union zusammenhänge. Art. 194 AEUV sei nämlich nicht bereits deshalb anwendbar, weil ein Rechtsakt einen Bezug zum Energiebereich aufweise. So könne im vorliegenden Fall die angefochtene Verordnung zwar dem Energiebereich zugeordnet werden; ihre Auswirkungen auf die Energiepolitik der Union seien aber nur mittelbar und gegenüber dem Hauptziel der Verordnung von untergeordneter Bedeutung.

37

Nach Auffassung des Rates, der Französischen Republik und der Kommission würde die Auslegung, für die sich das Parlament ausspricht, Art. 337 AEUV letztlich jegliche praktische Wirksamkeit nehmen, da diese Bestimmung nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung nur bei einer Zuständigkeit der Union Anwendung fände.

38

Die Möglichkeit, dass unabhängig von der Aufnahme einer Rechtsgrundlage für die Energiepolitik in den AEU-Vertrag andere Bestimmungen dieses Vertrags im Energiebereich weiterhin Anwendung finden könnten, sei in Art. 194 AEUV selbst vorgesehen, der „unbeschadet der Anwendung anderer Bestimmungen der Verträge“ Anwendung finde. Das gelte nicht nur für Art. 337 AEUV hinsichtlich der Erhebung von Informationen durch die Kommission, sondern insbesondere auch für Art. 122 AEUV, nach dem der Rat bei Versorgungsengpässen im Energiebereich angemessene Maßnahmen beschließen könne, sowie für Art. 170 AEUV hinsichtlich des Ausbaus transeuropäischer Netze im Bereich der Energieinfrastruktur und für Art. 338 AEUV im Statistikbereich.

39

Der Rat, die Französische Republik und die Kommission vertreten die Auffassung, bei den zu den allgemeinen und Schlussbestimmungen des Vertrags gehörenden Art. 337 AEUV und 338 AEUV handele es sich um allgemeine Bestimmungen in dem Sinne, dass sie auf alle Zuständigkeitsbereiche der Union anwendbar seien. Sie seien daher im Hinblick auf ihre Ziele, nämlich die Erstellung von Statistiken und das Recht der Kommission auf Informationen, gegenüber jeder anderen Bestimmung des AEU-Vertrags, die eine Politik in einem bestimmten Bereich betreffe, die spezielleren Bestimmungen. Die Auslegung des Urteils Deutschland/Rat durch das Parlament sei somit falsch.

40

Der Rat und die Kommission machen insoweit geltend, die aufgrund der angefochtenen Verordnung erhobenen Daten beträfen zwar die Energieinfrastruktur, könnten von der Kommission gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung aber nicht nur im Rahmen der Energiepolitik, sondern auch für alle ihre anderen Politiken, wie z. B. den Ausbau transeuropäischer Netze im Bereich der Energieinfrastruktur, den Wettbewerb, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr verwendet werden.

41

Der Rat macht, auch in diesem Punkt unterstützt durch die Französische Republik und die Kommission, geltend, der Rückgriff auf Art. 187 EA als zusätzliche Rechtsgrundlage der angefochtenen Verordnung sei ebenfalls gerechtfertigt, da Kernkraftwerke in den Anwendungsbereich der Verordnung fielen. Nach Art. 41 EA seien die Unternehmen verpflichtet, der Kommission ihre Vorhaben mitzuteilen, um es dieser zu ermöglichen, jedes konkrete Vorhaben einzeln zu beurteilen; Art. 187 EA sei hingegen die Rechtsgrundlage, aufgrund deren die Kommission die Auskünfte verlangen könne, die sie für die Erfüllung aller ihrer Aufgaben für erforderlich erachte. Die Verfahren gemäß Art. 337 AEUV und Art. 187 EA seien aber miteinander vereinbar; und die Vorrechte des Parlaments würden nicht beeinträchtigt, wenn ein Rechtsakt gleichzeitig auf diese beiden Bestimmungen gestützt werde.

42

Der Rat ergänzt, der Umfang der Beteiligung eines Organs an der Ausgestaltung eines Rechtsakts sei für die Wahl der Rechtsgrundlage unerheblich, die ausschließlich vom Ziel und Inhalt des Rechtsakts abhänge. Das Verfahren zur Entscheidung über einen bestimmten Rechtsakt richte sich nach der gewählten Rechtsgrundlage, und nicht umgekehrt.

43

Hilfsweise, nämlich für den Fall, dass der Gerichtshof die angefochtene Verordnung für nichtig erklären sollte, beantragt der Rat, deren Wirkungen bis zum Erlass eines neuen Rechtsakts aufrechtzuerhalten.

Würdigung durch den Gerichtshof

44

Nach ständiger Rechtsprechung muss die Wahl der Rechtsgrundlage für einen Unionsrechtsakt auf objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Umständen beruhen, zu denen das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören, und nicht auf der für den Erlass anderer Unionshandlungen, die gegebenenfalls ähnliche Merkmale aufweisen, herangezogenen Rechtsgrundlage. Im Übrigen ist der betreffende Rechtsakt, wenn der Vertrag eine spezifischere Bestimmung enthält, die als Rechtsgrundlage für ihn dienen kann, auf diese Bestimmung zu stützen (Urteil Parlament/Rat, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45

Ergibt die Prüfung einer Maßnahme, dass sie zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine dieser Zielsetzungen oder Komponenten als die hauptsächliche ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist die Maßnahme auf nur eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf diejenige, die die hauptsächliche oder vorherrschende Zielsetzung oder Komponente erfordert (Urteil Parlament/Rat, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46

Zu einer Maßnahme, die mehrere Zielsetzungen zugleich hat oder mehrere Komponenten umfasst, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen von untergeordneter Bedeutung ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass sie, wenn somit verschiedene Vertragsbestimmungen anwendbar sind, ausnahmsweise auf diese verschiedenen Rechtsgrundlagen gestützt werden muss (Urteil Parlament/Rat, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage jedoch ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen (Urteil Parlament/Rat, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Zur Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Klage sind somit in einem ersten Schritt das Ziel und der Inhalt der angefochtenen Verordnung zu ermitteln, um sodann in einem zweiten Schritt zu entscheiden, ob die Verordnung, wie der Rat, die Französische Republik und die Kommission geltend machen, anstatt auf Art. 194 Abs. 2 AEUV, der vom Parlament als geeignete Rechtsgrundlage angeführt wird, zu Recht auf Art. 337 AEUV gestützt werden konnte, und schließlich in einem dritten Schritt zu prüfen, ob der zusätzliche Rückgriff auf Art. 187 EA auch erforderlich war, was vom Parlament ebenfalls bestritten wird.

Zum Ziel der angefochtenen Verordnung

49

Mit der angefochtenen Verordnung soll nach ihrem ersten Erwägungsgrund gewährleistet werden, dass die Kommission über genaue Informationen über die Entwicklung der Investitionen in Energieinfrastrukturen in der Union verfügt, damit sie in der Lage ist, ihre Aufgaben im Energiebereich zu erfüllen, nämlich alle sachdienlichen Maßnahmen in Bezug auf das künftige Verhältnis zwischen Energieangebot und -nachfrage zu erlassen.

50

In den Erwägungsgründen 2 bis 5 und 8 bis 15 der angefochtenen Verordnung heißt es hierzu, dass mit dieser das Ziel verfolgt wird, es der Kommission zu ermöglichen, eine Analyse der strukturellen Entwicklung und Perspektiven des gesamten Energiesystems der Union zu erstellen, um u. a. mögliche Infrastruktur- und Investitionslücken im Hinblick auf eine Angleichung von Energieangebot und -nachfrage zu ermitteln und somit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und dessen weitere Integration zu gewährleisten, um die Energieversorgung der Union zu sichern, insbesondere, indem für größere Transparenz bei der Weiterentwicklung des Energiesystems der Union gesorgt wird, und um die Energieeffizienz und Energieeinsparungen zu fördern, insbesondere durch Gewährleistung des Übergangs zu einem Energiesystem mit geringem CO2-Ausstoß und durch Entwicklung neuer Technologien.

51

Im Übrigen führt die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Mitteilung von Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft an die Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 736/96 des Rates (KOM[2009] 361 endg.) in dem die Begründung der angefochtenen Verordnung betreffenden Teil zu den Gründen und Zielen ihres Vorschlags aus, dass er im Rahmen der neuen Energiepolitik, die u. a. darauf ausgerichtet ist, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Klimaänderungen abzuschwächen, erfolgt.

52

Daraus ergibt sich eindeutig, dass die angefochtene Verordnung zwar, wie der Rat, die Französische Republik und die Kommission geltend machen, auf die Erhebung von Daten abzielt, diese durch die Verordnung aber eingeführt wird, damit die Union bestimmte, ihr im Energiebereich gesetzte Ziele verwirklichen kann.

Zum Inhalt der angefochtenen Verordnung

53

Zunächst ist festzustellen, dass mehrere Bestimmungen der angefochtenen Verordnung für sich genommen offenbar nicht mit der Durchführung der Ziele der Energiepolitik der Union zusammenhängen.

54

Dies gilt für Art. 4 der angefochtenen Verordnung, der lediglich die Quellen der der Kommission mitzuteilenden Daten bestimmt, nämlich die Unternehmen, die beabsichtigen, in Energieinfrastrukturen zu investieren, und für die Art. 8 und 9, die die Verarbeitung dieser Daten durch die Kommission und den Schutz natürlicher Personen bei der Datenverarbeitung betreffen, aber auch für Art. 7, der den Erlass von Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung regelt. Solche allgemeinen Bestimmungen können in jedem Unionsrechtsakt enthalten sein, der ein System der Erhebung von Informationen vorsieht.

55

Die anderen Bestimmungen der angefochtenen Verordnung hingegen hängen inhaltlich eng mit der Energiepolitik der Union zusammen.

56

Aus Art. 1 der angefochtenen Verordnung in Verbindung mit den Begriffsbestimmungen in Art. 2 geht nämlich hervor, dass die Verordnung einen gemeinsamen Rahmen für die Übermittlung von Daten und Informationen zu Investitionsvorhaben für Infrastruktur in praktisch allen Energiesektoren einschließlich Elektrizität aus erneuerbaren Quellen und Biokraftstoff festlegt, woraus folgt, dass mit der angefochtenen Verordnung das reibungslose Funktionieren des Energiemarkts, die Energieversorgungssicherheit in der Union und die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen gewährleistet werden sollen.

57

Ebenso heißt es in Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung, dass die Daten und relevanten Informationen über die genannten Investitionsvorhaben außer bei grenzüberschreitenden Übertragungsvorhaben in aggregierter Form zu übermitteln sind, was bedeutet, dass die Informationen für eine Planung bestimmt sind, mit der eine Angleichung von Energieangebot und -nachfrage gewährleistet werden soll. Diese Auslegung wird bestätigt durch Art. 3 Abs. 2 der angefochtenen Verordnung, der – wie sich dem elften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung entnehmen lässt – zur Vermeidung von Überschneidungen mit Maßnahmen in Bezug auf den Binnenmarkt im Bereich Elektrizität und Gas die Mitgliedstaaten von der genannten Pflicht zur Erhebung der Daten ausnimmt, wenn eine Stelle, die nach dem Unionsrecht mit der Erarbeitung eines Mehrjahres-Investionsplans beauftragt ist, zu diesem Zweck bereits den Anforderungen der angefochtenen Verordnung entsprechende Informationen erfasst hat.

58

Überdies geht aus Art. 5 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung hervor, dass diese die Mitgliedstaaten verpflichtet, genaue und detaillierte Angaben über ihre Investitionsvorhaben im Energiesektor zu machen. Unter anderem müssen sie das Volumen, die Art und die wesentlichen Merkmale der geplanten oder im Bau befindlichen Kapazitäten, das voraussichtliche Jahr der Inbetriebnahme, die Art der verwendeten Energieträger und die zur Reaktion auf Krisenfälle bei der Versorgungssicherheit geeigneten Anlagen angeben. Im Übrigen sind die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 3 der angefochtenen Verordnung gehalten, ihren Meldungen relevante Anmerkungen anzufügen, beispielsweise in Bezug auf Fristen oder Hemmnisse für die Durchführung von Investitionsvorhaben. Solche Verpflichtungen zielen darauf ab, die Energieversorgungssicherheit in der Union zu gewährleisten.

59

Schließlich sieht insbesondere Art. 10 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung vor, dass die Kommission alle zwei Jahre auf der Grundlage der übermittelten Informationen sowie gegebenenfalls anderer Datenquellen eine sektorübergreifende Analyse der strukturellen Entwicklung und Perspektiven des Energiesystems der Union zu veröffentlichen hat, die insbesondere der Ermittlung potenzieller künftiger Diskrepanzen zwischen Energienachfrage und -angebot, sofern diese mit Blick auf die Energiepolitik der Union von Bedeutung sind, und der Erhöhung der Transparenz für die Marktteilnehmer und potenzielle neue Marktteilnehmer dient. Nach Art. 6 Abs. 2 der angefochtenen Verordnung kann die Kommission im Rahmen dieser Analyse in aggregierter Form übermittelte Daten und Informationen veröffentlichen, wobei sie gewährleistet, dass keine Einzelheiten in Bezug auf bestimmte Unternehmen und Anlagen preisgegeben werden und auch keine Rückschlüsse auf diese möglich sind. Auch diese Bestimmungen zeigen, dass die durch die angefochtene Verordnung eingeführte Erhebung von Informationen dazu dienen soll, eine Planung durchzuführen, mit der das Funktionieren des Energiemarkts und die Energieversorgungssicherheit in der Union gewährleistet werden sollen.

60

Somit ist festzustellen, dass die in den vorstehenden Randnrn. 56 bis 59 untersuchten Bestimmungen, da sie die Tragweite und den genauen Inhalt der Verpflichtung zur Erhebung von Informationen festlegen, die wesentlichen Elemente der angefochtenen Verordnung definieren, während die Art. 4 und 7 bis 9 der Verordnung, die bestimmte technische und allgemeinere Gesichtspunkte dieser Erhebung regeln, eher von untergeordneter Bedeutung sind.

61

Die angefochtene Verordnung hat daher inhaltlich im Wesentlichen die Einführung eines Systems der Erhebung von Informationen zu Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur zum Gegenstand, das der Union die Verwirklichung von Zielen im Energiebereich, insbesondere in Bezug auf das Funktionieren des Energiebinnenmarkts, die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in der Union und die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen, ermöglichen soll.

Zur Wahl der richtigen Rechtsgrundlage nach dem AEU-Vertrag

62

Nach Art. 337 AEUV, der zum siebten Teil („Allgemeine und Schlussbestimmungen“) des AEU-Vertrags gehört, „… kann die Kommission [zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben] alle erforderlichen Auskünfte einholen und alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen“. Im Rahmen dieser Bestimmung beschließt der Rat mit einfacher Mehrheit ohne Anhörung des Parlaments, auch wenn eine solche Anhörung im vorliegenden Fall durchgeführt worden ist.

63

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, überträgt diese Bestimmung der Kommission eine allgemeine Zuständigkeit für die Einholung jeder zur Erfüllung der ihr vom AEU-Vertrag übertragenen Aufgaben erforderlichen Auskunft, so dass der Rat nicht verpflichtet ist, die Rechtsakte, die sich auf diese Tätigkeit der Erhebung von Informationen beziehen, auf andere Bestimmungen dieses Vertrags zu stützen, die der Kommission besondere Aufgaben übertragen (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutschland/Rat, Randnrn. 19 und 20).

64

Art. 337 AEUV stellt somit die Rechtsgrundlage für Rechtsakte dar, die die von der Kommission ausgeübte allgemeine Tätigkeit der Erhebung von Informationen betreffen, und verlangt nicht, dass diese Erhebung für die Verwirklichung der Ziele einer bestimmten Politik der Union erforderlich ist.

65

Art. 194 AEUV, der zum dritten Teil „Die internen Politiken und Maßnahmen der Union“ gehört und den einzigen Artikel des Titels XXI („Energie“) dieses Teils darstellt, sieht in seinem Abs. 1 vor, dass die Energiepolitik der Union im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarkts und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt folgende Ziele verfolgt: Sicherstellung des Funktionierens des Energiemarkts; Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in der Union; Förderung der Energieeffizienz und von Energieeinsparungen sowie Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und Förderung der Interkonnektion der Energienetze. Nach Art. 194 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV erlassen das Parlament und der Rat „[u]nbeschadet der Anwendung anderer Bestimmungen der Verträge“ gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV, bei dem das Parlament in vollem Umfang am Verfahren beteiligt ist, die Maßnahmen, die erforderlich sind, um diese Ziele zu verwirklichen.

66

Mit dem durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Art. 194 AEUV ist somit eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Energiepolitik der Union in den AEU-Vertrag aufgenommen worden. Wie aus ihrem Wortlaut, insbesondere aus ihrem Abs. 2 hervorgeht, stellt diese Bestimmung die Rechtsgrundlage für Rechtsakte der Union dar, die „erforderlich“ sind, um die in Abs. 1 dieser Bestimmung genannten Ziele dieser Politik zu verwirklichen.

67

Art. 194 AEUV stellt die Rechtsgrundlage für alle von der Union im Energiebereich erlassenen Rechtsakte dar, mit denen die genannten Ziele verwirklicht werden können, sofern nicht, wie aus dem Ausdruck „unbeschadet der Anwendung anderer Bestimmungen der Verträge“ am Anfang von Abs. 2 von Art. 194 AEUV hervorgeht, speziellere Bestimmungen über Energie im AEU-Vertrag bestehen. Wie der Rat ausgeführt hat, sind u. a. die Art. 122 AEUV und 170 AEUV gemeint, die das Auftreten gravierender Schwierigkeiten in der Versorgung mit Energieerzeugnissen bzw. die transeuropäischen Netze betreffen, sowie die Befugnisse der Union aufgrund von anderen Bestimmungen des AEU-Vertrags, auch wenn mit den in Rede stehenden Maßnahmen zusätzlich eines der in Art. 194 Abs. 1 AEUV genannten Ziele der Energiepolitik verfolgt wird.

68

Um zu bestimmen, ob Art. 337 AEUV oder Art. 194 Abs. 2 AEUV Rechtsgrundlage für einen Unionsrechtsakt ist, mit dem, wie im vorliegenden Fall, Informationen im Energiebereich erhoben werden sollen, ist folglich zu prüfen, ob der Rechtsakt nach seinem Ziel und seinem Inhalt für die Verwirklichung der speziellen Ziele der Energiepolitik der Union gemäß Art. 194 Abs. 1 AEUV erforderlich ist. Wenn dies der Fall ist, die Erhebung der Informationen also einem Bestandteil dieser Politik gleichgesetzt werden kann, ist der Rechtsakt, mit dem sie eingeführt wird, auf Art. 194 Abs. 2 AEUV zu stützen. Ein Unionsrechtsakt fällt demnach nicht bereits deshalb unter Art. 337 AEUV, weil mit ihm ein System der Erhebung von Informationen eingeführt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Rat, Randnr. 22).

69

Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 49 und 61 dieses Urteils hervor, dass Ziel und Inhalt der angefochtenen Verordnung eng mit den in Art. 194 Abs. 1 AEUV speziell genannten Zielen der Energiepolitik der Union zusammenhängen.

70

Entgegen dem Vorbringen des Rates, der Französischen Republik und der Kommission kann nicht angenommen werden, dass die angefochtene Verordnung insoweit nur eine mittelbare und untergeordnete Auswirkung auf die Energiepolitik der Union hat und allein deshalb deren „Hintergrund“ bildet, weil für deren Verwirklichung weiter reichende Maßnahmen als die bloße Erhebung von Informationen erforderlich sind.

71

Bei dem mit der angefochtenen Verordnung eingerichteten System der Erhebung von Informationen geht es nämlich nicht um allgemeine Informationen, sondern um genaue Daten und Informationen über die Energieinfrastruktur der Union, die es der Kommission ermöglichen sollen, potenzielle Diskrepanzen zwischen Energienachfrage und -angebot in der Union zu ermitteln.

72

Die Erhebung dieser Information ist somit Voraussetzung für jegliche sachdienliche Maßnahme, die von der Union erlassen wird, um das reibungslose Funktionieren des Energiebinnenmarkts und die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten und die Energieeffizienz zu fördern sowie neue und erneuerbare Energiequellen zu entwickeln.

73

Die durch die angefochtene Verordnung eingeführte Erhebung von Informationen ist folglich nur durch das Ziel gerechtfertigt, bestimmte der besonderen Aufgaben zu erfüllen, die der Union gemäß Art. 194 Abs. 1 AEUV in der Energiepolitik übertragen sind (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Januar 2006, Kommission/Rat, C-533/03, Slg. 2006, I-1025, Randnr. 52).

74

Diese Erhebung trägt somit unmittelbar zur Verwirklichung der Ziele der Energiepolitik der Union gemäß Art. 194 Abs. 1 AEUV bei und ist daher, wie es im Übrigen im achten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt, „erforderlich“ im Sinne von Art. 194 Abs. 2 AEUV, um diese Ziele zu verwirklichen.

75

Entgegen dem Vorbringen des Rates und der Kommission ist es insofern unerheblich, dass die nach der angefochtenen Verordnung erhobenen Informationen gemäß deren Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 zu anderen Zwecken als der Energiepolitik verwendet werden können. Denn auch wenn die Kommission die nach der angefochtenen Verordnung erhobenen Informationen zu anderen Zwecken als der Energiepolitik gemäß Art. 194 Abs. 1 AEUV verwenden könnte, sind Ziel und Inhalt dieser Verordnung, wie oben in den Randnrn. 49 bis 61 ausgeführt, Bestandteil dieser Politik.

76

Auch die vom Rat und der Französischen Republik vorgenommene Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren Ziel der angefochtenen Verordnung, nämlich der Erhebung von Informationen, und dem späteren Ziel, das von der Kommission aufgrund der so erlangten Informationen verfolgt werden kann, überzeugt nicht. Wie sich nämlich rechtlich hinreichend aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, zielt die durch die angefochtene Verordnung eingeführte Erhebung von Daten gerade darauf ab, es der Kommission zu ermöglichen, die speziellen Ziele der Energiepolitik der Union gemäß Art. 194 Abs. 1 AEUV zu verwirklichen. Im Rahmen der genannten Verordnung sind die Erhebung der Informationen und das damit verfolgte Ziel also wesensnotwendig untrennbar miteinander verbunden.

77

Im Übrigen bedeutet die vorstehende Analyse entgegen dem Vorbringen des Rates, der Französischen Republik und der Kommission keineswegs, dass Art. 337 AEUV für Unionsrechtsakte zur Einführung eines Systems der Erhebung von Informationen im Rahmen einer Politik der Union in einem bestimmten Bereich unter keinen Umständen mehr eine gültige Rechtsgrundlage sein könnte, so dass er völlig ausgehöhlt würde. Wie nämlich oben in den Randnrn. 65 bis 68 ausgeführt, wäre der Rückgriff auf diese Bestimmung z. B. erforderlich, wenn die angefochtene Verordnung nicht erforderlich wäre, um die speziellen Ziele der Energiepolitik der Union gemäß Art. 194 Abs. 1 AEUV zu verwirklichen.

78

Schließlich können der Rat und die Kommission ihre Auslegung von Art. 337 AEUV auch nicht auf Art. 338 AEUV stützen, der die erforderlichen Maßnahmen für die Erstellung von Statistiken betrifft. Diese Bestimmung gehört zwar wie Art. 337 AEUV zum siebten Teil des AEU-Vertrags mit dem Titel „Allgemeine und Schlussbestimmungen“, ist aber nicht die Rechtsgrundlage der angefochtenen Verordnung und kann auch keinen Einfluss auf die Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Klage haben. Unabhängig von seiner eigenen Tragweite kann Art. 338 AEUV die Tragweite der Art. 337 AEUV und 194 AEUV, wie sie sich jeweils aus deren Wortlaut ergibt, nicht in Frage stellen.

79

Folglich ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung nicht unter Art. 337 AEUV, sondern unter Art. 194 AEUV fällt, da sie erforderlich ist, um die in Abs. 1 dieser Bestimmung genannten Ziele zu erreichen. Sie hätte daher auf der Grundlage von Art. 194 Abs. 2 AEUV erlassen werden müssen.

Zum zusätzlichen Rückgriff auf Art. 187 EA als Rechtsgrundlage der angefochtenen Verordnung

80

Nach Art. 187 EA, der zu Titel V („Allgemeine Bestimmungen“) des EAG-Vertrags gehört, kann die Kommission zur Erfüllung der ihr durch diesen Vertrag übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Auskünfte einholen und alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen. Im Rahmen dieser Bestimmung beschließt der Rat nach Art. 106a Abs. 1 EA und Art. 16 Abs. 3 EUV mit qualifizierter Mehrheit, ohne Anhörung des Parlaments, auch wenn im vorliegenden Fall eine solche Anhörung durchgeführt worden ist.

81

In Anbetracht der ähnlichen Formulierung des sachlichen Anwendungsbereichs der Art. 337 AEUV und 187 EA ist Art. 187 EA aus den oben in den Randnrn. 62 bis 64 dargelegten Gründen die allgemeine Rechtsgrundlage, die die allgemeine Tätigkeit der Erhebung von Informationen durch die Kommission zur Erfüllung der ihr vom EAG-Vertrag übertragenen Aufgaben betrifft.

82

Im vorliegenden Fall geht aus Art. 1 der angefochtenen Verordnung in Verbindung mit Nr. 3.1 ihres Anhangs zwar hervor, dass sie auch für die Mitteilung von Investitionsvorhaben für bestimmte Kernenergieinfrastruktur an die Kommission gilt; wie oben in den Randnrn. 49 bis 61 ausgeführt, betrifft die angefochtene Verordnung nach ihrem Ziel und ihrem Inhalt aber nicht die Durchführung der speziellen Politik der Union im Bereich der Kernenergie gemäß dem EAG-Vertrag, sondern die Durchführung der Energiepolitik der Union allgemein.

83

Die Informationen über die Kernenergieinfrastruktur sind also nur einige von vielen erheblichen Informationen über das Energiesystem der Union als Ganzes, über die die Kommission verfügen muss, um, wie es im achten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt, eine Gesamtbewertung von Energieangebot und -nachfrage durchführen zu können, insbesondere zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in der Union.

84

Im Übrigen zielt die angefochtene Verordnung, wie aus ihrem siebten Erwägungsgrund hervorgeht, unstreitig nicht auf die Förderung und Koordinierung der Investitionen im Bereich der Kernenergie gemäß den Art. 40 EA bis 44 EA ab, die insbesondere die Anzeige von konkreten Investitionsvorhaben in diesem Bereich für neue Anlagen sowie Ersatzanlagen oder Umstellungen eines bestimmten Umfangs durch die Unternehmen dieses Sektors betreffen. Die angefochtene Verordnung hingegen betrifft die Mitteilung von aggregierten Daten und Informationen durch alle Mitgliedstaaten zu allen Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur.

85

Sie fällt somit nicht unter Art. 187 EA.

86

Folglich ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung, soweit sie auf Art. 187 EA gestützt ist, auf der Grundlage einer falschen Rechtsgrundlage erlassen worden ist; sie hätte allein auf Art. 194 Abs. 2 AEUV gestützt werden müssen.

87

Nach alledem ist die angefochtene Verordnung insoweit für nichtig zu erklären, als sie auf die Art. 337 AEUV und 187 EA gestützt ist.

Zum Antrag auf Aufrechterhaltung der Wirkungen der angefochtenen Verordnung

88

Das Parlament beantragt, insoweit unterstützt durch den Rat, für den Fall, dass der Gerichtshof die angefochtene Verordnung für nichtig erklären sollte, deren Wirkungen bis zum Erlass einer neuen Verordnung aufrechtzuerhalten.

89

Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach Art. 264 Abs. 2 AEUV, falls er dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen einer für nichtig erklärten Verordnung bezeichnen kann, die als fortgeltend zu betrachten sind.

90

Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Verordnung nach ihrem Art. 13 am zwanzigsten Tag nach ihrer am 15. Juli 2012 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten.

91

Die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung ohne Aufrechterhaltung ihrer Wirkungen könnte sich in der Tat negativ auf die Verwirklichung der Energiepolitik der Union auswirken, da die angefochtene Verordnung die Erhebung der für die Verwirklichung der Ziele dieser Politik erforderlichen Informationen ermöglicht und auf diese Weise eine unerlässliche Voraussetzung für jede sachdienliche Maßnahme der Unionsorgane darstellt. Das Parlament beantragt die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung wegen der Wahl der falschen Rechtsgrundlage, wendet sich aber weder gegen das Ziel noch gegen den Inhalt der Verordnung.

92

Es liegen somit gewichtige Gründe der Rechtssicherheit vor, die es rechtfertigen, dem Antrag der Parteien auf Aufrechterhaltung der Wirkungen der angefochtenen Verordnung stattzugeben.

93

Folglich sind die Wirkungen der angefochtenen Verordnung aufrechtzuerhalten, bis innerhalb angemessener Frist eine neue, auf die richtige Rechtsgrundlage, nämlich Art. 194 Abs. 2 AEUV, gestützte Verordnung in Kraft getreten ist.

Kosten

94

Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag des Parlaments die Kosten aufzuerlegen. Die Französische Republik und die Kommission, die dem Rechtsstreit als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates beigetreten sind, tragen nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 617/2010 des Rates vom 24. Juni 2010 über die Mitteilung von Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur in der Europäischen Union an die Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 736/96 wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Wirkungen der Verordnung Nr. 617/2010 werden aufrechterhalten, bis innerhalb angemessener Frist eine neue, auf die richtige Rechtsgrundlage, nämlich Art. 194 Abs. 2 AEUV, gestützte Verordnung in Kraft getreten ist.

 

3.

Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten mit Ausnahme der Kosten der Französischen Republik und der Europäischen Kommission.

 

4.

Die Französische Republik und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.