2.4.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 85/1


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 30. März 2004

über die Beihilferegelung, die das Vereinigte Königreich im Rahmen der Körperschaftssteuerreform der Regierung von Gibraltar beabsichtigt

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 929)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2005/261/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a),

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1) und gestützt auf deren Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Das Vereinigte Königreich hat bei der Kommission mit Schreiben vom 12. August 2002, Eingangsvermerk vom 19. August (SG(2002) A/8328), die Körperschaftssteuerreform der Regierung von Gibraltar (nachfolgend „die Reform“ genannt) gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag angemeldet.

(2)

Am 16. Oktober 2002 beschloss die Kommission bezüglich der Reform die Einleitung des in Artikel 88 Absatz 2 des EG-Vertrags geregelten Verfahrens (K(2002) 3734). Diese Entscheidung wurde dem Vereinigten Königreich am 18. Oktober 2002 mitgeteilt (SG(2002) D/232221). Nach einer Fristverlängerung antwortete das Vereinigte Königreich mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 (A/39214).

(3)

Die Entscheidung der Kommission, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften mit der Aufforderung an die Beteiligten zur Stellungnahme veröffentlicht (2). Bei der Kommission gingen daraufhin folgende Stellungnahmen ein vom spanischen Unternehmerverband (Confederación Española de Organizaciones Empresariales) am 30. Dezember 2002 (A/39469), von der Exekutive von Åland, Finnland (Ålands Landskapsstyrelse) am 2. Januar 2003 (A/30002), von der spanischen Regierung am 2. und 3. Januar 2003 (A/30003 und A/30018) und von der Regierung von Gibraltar am 3. Januar 2003 (A/30011). Diese Stellungnahmen wurden an das Vereinigte Königreich weitergeleitet, das mit Schreiben vom 13. Februar 2003 antwortete (A/31313).

II.   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

(4)

In der folgenden Beschreibung werden die Änderungen der Reformvorschläge berücksichtigt, die die Regierung von Gibraltar aufgrund der Eröffnung des förmlichen Verfahrens zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe vorgenommen hat. Diese Änderungen wurden im Schreiben des Vereinigten Königreichs vom 16. Dezember 2002 dargelegt. Sie sind in den Absätzen 27 - 30 zusammengefasst.

(5)

Das erklärte Ziel der Reform ist die Einführung neuer allgemeiner Körperschaftssteuerregelungen ohne jegliche staatliche Beihilfe, um in Gibraltar wirtschaftlich tätigen Unternehmen Rechtssicherheit zu geben und der Regierung von Gibraltar ausreichende Einnahmen aus der Unternehmensbesteuerung zu gewährleisten. Mit der Reform soll auch die Einhaltung des EU-Verhaltenskodexes für Unternehmensbesteuerung (3) (nachfolgend „Verhaltenskodex“ genannt) und des OECD-Berichts über schädlichen Steuerwettbewerb (4) erreicht werden. Nach Angabe der Regierung von Gibraltar ist ein wesentliches Element der Reform die allgemeine Abschaffung der Besteuerung von Unternehmensgewinnen, mit Ausnahme der zusätzlichen Steuern, die von Versorgungsunternehmen und Finanzdienstleistungsunternehmen erhoben werden. Die Reformvorschläge sehen eine vollständige Abschaffung der Unterscheidung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden oder nationaler und internationaler Wirtschaftstätigkeit vor, d. h. die Beseitigung der Abschottung (das so genannte „ring fencing“). Die Rechtsvorschriften für steuerbefreite (exempt) und anerkannte (qualifying) Unternehmen werden abgeschafft. Damit wird die formale Unterscheidung zwischen der so genannten Offshore- und Onshore-Wirtschaft beseitigt.

(6)

Das mit der Reform eingeführte allgemeine Steuersystem sieht eine Lohnsummensteuer, eine Gewerbegrundbenutzungssteuer und eine Eintragungsgebühr vor, die für alle Unternehmen in Gibraltar gelten. Nach Einschätzung der Regierung von Gibraltar werden die derzeitigen sehr beschränkten, aber wichtigen Einnahmen aus der Körperschaftssteuer in Höhe von 13,7 Mio. GBP (ca. 20 Mio. EUR), die 9,25 % der staatlichen Gesamteinnahmen ausmachen, bei dem neuen System mit den drei allgemeinen, für alle gibraltarischen Unternehmen geltenden Steuern im Wesentlichen erhalten bleiben. Dem steht die private Einkommenssteuer von 53,6 Mio. GBP (ca. 77 Mio. EUR) gegenüber, die 36,3 % der Steuereinnahmen erbringen. Die Einnahmen aus zusätzlichen Steuern für Finanzdienstleistungen und Versorgungsunternehmen werden begrenzt, aber sie werden wahrscheinlich Mindereinnahmen bei den Körperschaftssteuern im allgemeinen System wettmachen.

(7)

Die Reform wird umgesetzt durch die

Companies (Payroll Tax) Ordinance,

Companies (Annual Registration Fee) Ordinance.

Rates Ordinance,

Companies (Taxation of Designated Activities) Ordinance.

(8)

Die Rechtsvorschriften werden von der Regierung von Gibraltar nach Verabschiedung durch das Parlament von Gibraltar (dem House of Assembly) umgesetzt. Im Zuge der Reform werden die „Companies Taxation and Concessions Ordinance“ (über die steuerbefreiten Unternehmen) und die „Income Tax (Qualifying Companies) Regulations“ (über die „qualifying“ Unternehmen) mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Körperschaftsteuerverordnung wird dahingehend geändert, dass alle Vorschriften über die Körperschaftsteuerpflicht der Unternehmen aufgehoben oder ordnungsgemäß geändert werden.

(9)

Für die Regelungen ist der Commissioner for Income Tax von Gibraltar verantwortlich. Alle Unternehmen in Gibraltar müssen sich gemäß den Bestimmungen der Vierten und Siebten Gesellschaftsrichtlinie der EU im Gesellschaftsregister eintragen lassen. Alle steuerpflichtigen Unternehmen in Gibraltar müssen beim Commissioner steuerliche Ergebnisrechnungen vorlegen, und es werden außerdem strikte Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Verpflichtungen eingeführt. Zum ersten Mal in Gibraltar wird ein Gericht geschaffen, das speziell für Fragen der Unternehmensbesteuerung zuständig ist (das so genannte Taxation of Designated Activities Tribunal) und das befugt ist, über Anträge und andere Angelegenheiten, die sich aus der Anwendung der neuen Rechtsvorschriften ergeben, zu entscheiden. Zu diesen Befugnissen gehört das Recht, von einem Unternehmen zur Prüfung durch das Gericht die Herausgabe von allen Büchern, Konten, Personalunterlagen oder anderen Dokumenten zu verlangen, die nach Ansicht des Gerichts Informationen zum Gegenstand des Verfahrens enthalten oder enthalten können.

(10)

Die gewinnbezogene Steuer wird durch eine allgemeine Lohnsummensteuer ersetzt, bei der alle Unternehmen in Gibraltar für jeden Mitarbeiter jährlich 3 000 GBP zu entrichten haben. Jeder „Arbeitgeber“ in Gibraltar muss die Lohnsummensteuer für die Gesamtzahl seiner Vollzeit- und Teilzeit-„Arbeitnehmer“ zahlen, die „in Gibraltar beschäftigt“ sind. Die wichtigsten Begriffe sind wie folgt definiert:

„Arbeitgeber“ ist jedes Unternehmen, das nach dem in Gibraltar geltenden Recht eingetragen oder registriert ist und Vergütungen an sich selbst oder Zahlungen an Personen für einen Dienst oder Dienste leistet, die diese Personen in der Eigenschaft als Arbeitnehmer leistet.

„Arbeitnehmer“ ist jede Person, die Vergütungen erhält oder der Vergütungen zustehen; dazu gehören auch solche Directors, die keine Directors sind, die ausschließlich die Funktion eines Directors ausüben, sowie Teilzeit- und Aushilfskräfte.

„in Gibraltar beschäftigt“ ist jeder in Gibraltar beschäftigte Arbeitnehmer, der in oder von Gibraltar aus arbeitet oder in Gibraltar ansässig ist.

(11)

Die Regierung von Gibraltar führt detaillierte Regelungen zur Verhinderung der Steuerumgehung ein, um alle Missbrauchsmöglichkeiten zu beseitigen. Dazu gehört die Einführung des Konzepts eines „anerkannten (deemed) Arbeitnehmers“ und von Regelungen, die für Arbeitnehmer gelten, die außerhalb von Gibraltar tätig werden können. Die Bedeutung der Begriffe „Arbeitnehmer“ kombiniert mit „beschäftigt in Gibraltar“ deckt im Grunde alle Arbeitnehmer, die tatsächlich in Gibraltar sind. Nach Angabe des Vereinigten Königreichs sind von insgesamt 14 000 Arbeitnehmern in Gibraltar 10 100 im Privatsektor tätig.

(12)

Alle Unternehmen mit Geschäftsräumen in Gibraltar zahlen eine Gewerbegrundbenutzungssteuer in Höhe eines bestimmten Prozentanteils des allgemein für sie geltenden Steuersatzes für Gewerbeeigentum in Gibraltar (derzeit liegt er anscheinend bei 100 %).

(13)

Die Gesamtsteuerschuld für die Lohnsummensteuer zusammen mit der Gewerbegrundbenutzungssteuer wird auf höchstens 15 % der Gewinne begrenzt. Somit zahlen Unternehmen nur dann Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer, wenn sie Gewinn machen, und dann liegt der Höchstsatz bei 15 % der Gewinne.

(14)

Die große Mehrheit der Unternehmen in Gibraltar unterliegt nur der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer. Laut Aussage der Regierung von Gibraltar ist eine Schätzung der Unternehmen in Gibraltar unmöglich, deren geschätzte Steuerschuld für Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer 15 % der Gewinne übersteigen wird und die aufgrund des festgelegten Höchstsatzes eine Steuer von 15 % ihrer Gewinne zahlen, da sich die Zahlen in jedem Jahr ändern und von den jeweiligen Umständen der Unternehmen abhängen.

(15)

Die Regierung von Gibraltar ersetzt die heute von Unternehmen in Gibraltar gezahlten Gebühren (in Höhe von ca. 40 GBP jährlich) durch eine Eintragungsgebühr von jährlich 150 GBP für nicht gewinnorientierte Unternehmen und 300 GBP für gewinnorientierte Unternehmen.

(16)

Für bestimmte Tätigkeitsbereiche, d. h. Finanzdienstleistungen und Versorgungsunternehmen, werden zusätzliche Steuern bzw. Steuerzuschläge auf Gewinne erhoben, die in diesen Tätigkeitsbereichen erzielt werden. Diese zusätzlichen Steuern gelten nur für Gewinne, die diesen bestimmten Tätigkeitsbereichen zugerechnet werden können. Nach Schätzungen des Vereinigten Königreichs unterliegen von den ca. 29 000 Unternehmen in Gibraltar 179 der zusätzlichen Steuer auf Finanzdienstleistungen, und 23 der zusätzlichen Steuer für Tätigkeiten der Versorgungsunternehmen.

(17)

Unter den Begriff „Finanzdienstleistungsunternehmen“ fallen unter anderem:

Kreditinstitute,

Geldverleiher,

im Finanzanlagebereich tätige Firmen, Händler, Makler, Berater oder Verwalter,

Lebensversicherungen und Investmentfondsvermittler,

Investmentfondsbetreiber oder -verwalter,

Versicherungsmakler, -agenten oder -manager,

professionelle Treuhänder,

Unternehmensleiter,

Wechselstuben,

Wirtschaftsprüfer.

Unter den Begriff der Finanzdienstleister fallen auch Unternehmen, die als Berater oder Dienstleister in den Bereichen Finanzierung, Recht, Steuern oder Buchhaltung tätig sind.

(18)

Der Begriff Dienstleistungen von „Versorgungsunternehmen“ umfasst die Bereitstellung von Diensten, Einrichtungen oder Räumlichkeiten für

Telekommunikation (Sprach-Telefondienst, Faxkommunikation, Datenkommunikation und -übertragung, Rückruf- und Durchschaltdienste),

Strom (Erzeugung, Verteilung und Bereitstellung),

Wasser (Erzeugung, Einfuhr/Ausfuhr, Bereitstellung von Trink- oder Salzwasser),

Abwasser (Bereitstellung, Betrieb, Verwaltung, Wartung, Reparatur, Austausch, Änderung, Renovierung, Erneuerung von Abwasserkanälen sowie Entsorgung/Aufbereitung von Abwasser),

Erdöl (Beschaffung, Produktion, Einfuhr/Ausfuhr, Raffination, Pumpen, Lagerung, Verteilung und Lieferung von Heizöl).

(19)

Abgesehen von der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer zahlen Finanzdienstleistungsunternehmen eine zusätzliche Steuer auf Gewinne aus Finanzdienstleistungen in Höhe von 8 % des Gewinns (berechnet gemäß den international anerkannten Bilanzierungsrichtlinien). Die jährliche Gesamtsteuerschuld von Finanzdienstleistungsunternehmen für Lohnsummensteuer, Gewerbegrundbenutzungssteuer und zusätzliche Steuer beläuft sich auf höchstens 15 % des Gewinns.

(20)

Abgesehen von der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer zahlen Versorgungsunternehmen eine zusätzliche Steuer auf Gewinne aus Versorgungsdienstleistungen in Höhe von 35 % des Gewinns (berechnet gemäß den international anerkannten Bilanzierungsrichtlinien). Diese Unternehmen dürfen die Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer von der von ihnen zu zahlenden zusätzlichen Steuer abziehen. Auch wenn für die jährlich zu zahlende Lohnsummensteuer zusammen mit der Gewerbegrundbenutzungssteuer ein Höchstsatz von 15 % des Gewinns gilt, ist mit der von Versorgungsunternehmen zu entrichtenden zusätzlichen Steuer sichergestellt, dass diese Unternehmen immer eine Steuer in Höhe von 35 % des Gewinns entrichten.

(21)

Die Höhe der zusätzlichen Steuern richtet sich nach den relevanten Tätigkeitsbereichen. Für Finanzdienstleistungen und Versorgungsleistungen gelten dieselben Regeln. Daher gilt für „hybride“ Unternehmen:

bei Unternehmen, die Versorgungsdienstleistungen und allgemeine Dienstleistungen anbieten, werden die aus den Versorgungsdienstleistungen erzielten Gewinne mit 35 % besteuert;

bei Unternehmen, die Finanzdienstleistungen und allgemeine Dienstleistungen anbieten, werden die aus den Finanzdienstleistungen erzielten Gewinne mit 8 % besteuert;

bei Unternehmen, die Versorgungsdienste und Finanzdienstleistungen anbieten, werden die aus den Versorgungsdienstleistungen erzielten Gewinne mit 35 % und die aus den Finanzdienstleistungen erzielten Gewinne mit 8 % besteuert;

(22)

Dieselbe Unterscheidung gilt für Kapitalgewinne, insbesondere alle von einem hybriden Unternehmen aus Mieteinkünften, Lizenzgebühren, Aufschlägen, anderen Gewinnen aus Immobilienbesitz in Gibraltar, Dividenden, Zinsen oder Diskontierungen erzielten Gewinne. Auf diese Kapitalgewinne wird die zusätzliche Steuer von 8 % bzw. 35 % bezogen auf die Gewinne und Erträge aus den Finanzdienstleistungen bzw. Versorgungsdienstleistungen im Verhältnis zu deren Anteil am gesamten Betriebsgewinn oder -ertrag des Unternehmens erhoben.

(23)

Nach der Tarifverordnung sind bestimmte Grundstücke und Häuser von der Steuer befreit. Zu diesen steuerbefreiten Grundstücken und Häusern gehören Gerichte, Kirchen, Friedhöfe, öffentliche Parkanlagen, unbewohnbares Militärgelände, Zivilschutzgelände, Leuchttürme und das Gibraltar Museum. Diese Grundstücke und Häuser sind daher von der zusätzlichen Steuer, der Gewerbegrundbenutzungssteuer, befreit. Die Behörden von Gibraltar können außerdem die Zahlung von allgemeinen Steuern verringern oder erlassen, wenn dies „im Interesse der Entwicklung von Gibraltar ist“.

(24)

Die Companies (Payroll Tax) Ordinance wie auch die Companies (Taxation of Designated Activities) Ordinance enthalten Regeln für die Berechnung von Gewinnen oder Erträgen. Diese Regeln sind für die Anwendung des Höchstsatzes von 15 % auf Gewinne bei der zu entrichtenden Lohnsummensteuer und für die Berechnung der anfallenden zusätzlichen Steuer auf Finanzdienstleistungen und Versorgungsleistungen erforderlich. Die Gewinne werden von den Gibraltar Society of Chartered and Certified Accountancy Bodies entsprechend den Bilanzierungsrichtlinien im Vereinigten Königreich in der für Gibraltar geltenden abgeänderten Fassung berechnet.

(25)

Bei der Feststellung der Gewinne werden Kapitalgewinne und -verluste nicht berücksichtigt.

(26)

Bei der Feststellung der Gewinne sind u. a. die folgenden Abzüge aufgrund von Aufwendungen für Anlagegüter zulässig:

für Freizeitzentren, Werkstätten, Fabriken und andere Grundstücke und Gebäude: 4 % pro Jahr,

für technische Anlagen und Maschinen bis zu 30 000 GBP im ersten Jahr, in dem die Ausgaben getätigt werden (bis zu 50 000 für Rechenanlagen) und 33 1/3 % des Restbetrags in den darauf folgenden Jahren.

(27)

Aufgrund der Einleitung des förmlichen Verfahrens zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe nahm die Regierung von Gibraltar die folgenden Änderungen an den Steuerreformvorschlägen vor.

(28)

Die Bestimmungen zur Begrenzung der Lohnsummensteuer, Gewerbegrundbenutzungssteuer und, soweit zutreffend, der zusätzlichen Steuer von 8 % auf Finanzdienstleistungen auf den steuerpflichtigen Betrag von insgesamt 500 000 GBP wurden gestrichen. Neben dieser Maßnahme wird die zusätzliche Steuer für Finanzdienstleistungsunternehmen von 8 % auf den Gewinn auf einen einzigen, noch festzulegenden Prozentsatz zwischen 4 und 6 % gesenkt.

(29)

Die Bestimmung, die eine Steuerbefreiung (und damit eine Befreiung von der Gewerbegrundbenutzungssteuer) für bestimmte Grundstücke und Häuser auf dem Oberen Felsen von Gibraltar vorsieht, wurde gestrichen.

(30)

Die Bestimmungen, die die folgenden Einkommensgruppen bei der Gewinnfeststellung ausnehmen würden, wurden gestrichen:

alle Zinseinnahmen von steuerpflichtigen Unternehmen aus Darlehen, die einer Person für Investitionen in Entwicklungsprojekte zur Förderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung von Gibraltar gewährt wurden, wobei die Darlehensbedingungen für diesen Zweck von den Behörden von Gibraltar schriftlich genehmigt wurden;

Zinszahlungen auf Darlehen aus dem allgemeinen Staatshaushalt (d. h. dem Finanzhaushalt der Regierung von Gibraltar) ab dem Datum und in der Höhe, die in der Bewilligung der Behörden von Gibraltar angegeben sind.

III.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES PRÜFVERFAHRENS

(31)

Bei der Auswertung der vom Vereinigten Königreich in der Meldung unterbreiteten Informationen kam die Kommission zu dem Schluss, dass verschiedene Merkmale der Reformvorschläge gibraltarische Unternehmen begünstigen würden. Insbesondere ist anzuführen:

Das gesamte System würde gibraltarische Unternehmen gegenüber Unternehmen aus dem Vereinigte Königreich begünstigen (regionale Selektivität);

die Forderung, dass Gewinne erzielt werden müssen, bevor Lohnsummensteuern und Gewerbegrundbenutzungssteuern anfallen, würde unprofitablen Unternehmen einen Vorteil gewähren;

die Begrenzung der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer auf 15 % wäre ein Vorteil für die Unternehmen, für die dies gilt;

die Begrenzung auf 500 000 GBP bei der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer wäre ein Vorteil für die Unternehmen, für die dies gilt;

einige formale Merkmale der Reform wären wahrscheinlich Anlass für staatliche Beihilfe (manche Befreiungen von Abgaben/Vermögenssteuern und Befreiungen für bestimmte Zinserträge bei der Feststellung von Gewinnen).

(32)

Die Kommission vertrat außerdem die Ansicht, dass diese Vorteile aus staatlichen Mitteln gewährt und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen würden, und dass sie selektiv seien. Die Kommission vertrat außerdem die Ansicht, dass keine der Ausnahmen vom allgemeinen Verbot der staatlichen Beihilfe in Artikel 87 Absatz 2 und Artikel 87 Absatz 3 des EG-Vertrags zutreffen. Aus diesen Gründen bezweifelte die Kommission die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt und beschloss daher die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens.

IV.   STELLUNGNAHME DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS

(33)

Die Anmerkungen des Vereinigten Königreichs lassen sich wie folgt zusammenfassen.

(34)

Die Einwände der Kommission gegen die Reformvorschläge in der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe sind in sechs Bereiche unterteilt, die sich alle auf spezifische Aspekte beziehen:

aufgrund der Tatsache, dass Unternehmen nur dann steuerpflichtig sind, wenn sie Gewinne erzielen, werden unprofitable Unternehmen gegenüber profitablen Unternehmen bevorzugt;

die Anwendung des gewinnbezogenen Höchstsatzes von 15 % begünstigt die betroffenen Unternehmen, weil die von ihnen zu entrichtende Lohnsummensteuer, Gewerbegrundbenutzungssteuer und zusätzliche Steuern für Finanzdienstleistungen, soweit zutreffend, reduziert würden;

die Anwendung der Obergrenze von 500 000 GBP begünstigt die betroffenen Unternehmen, weil die von ihnen zu entrichtenden Lohnsummensteuer, Gewerbegrundbenutzungssteuer und zusätzliche Steuer für Finanzdienstleistungen, soweit zutreffend, reduziert würden;

die Steuerbefreiung für bestimmte Immobilien auf dem Oberen Felsen bedeutet Steuervorteile für Unternehmen im Besitz solcher Immobilien;

die beiden Regelungen, die Zinsen auf bestimmte Darlehen bei der Gewerbegrundbenutzungssteuer aus der Berechnung von Gewinnen ausnehmen, bevorzugen bestimmte Unternehmen;

mehrere Merkmale der vorgesehenen Steuerregelungen bringen eine geringere steuerliche Belastung für Unternehmen in Gibraltar im Vergleich zu Unternehmen im Vereinigten Königreich und begünstigen deshalb Unternehmen in Gibraltar („regionale Spezifizität“).

(35)

Weder das Vereinigte Königreich, noch die Regierung von Gibraltar teilen die Zweifel der Kommission, dass möglicherweise bei bestimmten Elementen der Reformen staatliche Beihilfe vorliegt. Aber ungeachtet der Überlegung, ob die ursprünglichen Reformvorschläge Elemente staatlicher Beihilfe enthalten, wird die Regierung von Gibraltar

der Höchstsatz von 500 000 GBP in dem geplanten neuen Steuerkonzept nicht mehr vorsehen;

die Regelung zur Befreiung von Steuern (und damit von der Gewerbegrundbenutzungssteuer) bestimmter Immobilien auf dem Oberen Felsen von Gibraltar entfernen;

die Regelung zur Steuerbefreiung von bestimmten Zinserträgen bei der Feststellung der Gewinne entfernen.

(36)

Die drei übrigen Einwände betreffen keine staatlichen Beihilfen.

(37)

Es liegt keine Selektivität vor, wenn bei fehlenden Gewinnen keine Steuern erhoben werden. Es trifft zu, dass weder die Lohnsummensteuer noch die Gewerbegrundbenutzungssteuer anfällt, wenn das steuerpflichtige Unternehmen keinen Gewinn erzielt. Gewinn ist eine unerlässliche Voraussetzung für Steuerschuld. Es ist aber nicht die Bemessungsgrundlage. Es ist eine Vorbedingung für die betreffende Steuerschuld. Das ist nur natürlich, da die Besteuerung eines Unternehmens, das keinen Gewinn erwirtschaftet, zu einer Besteuerung des Kapitals des Unternehmens wird. Entgegen der Behauptung der Kommission ist der „Tatbestand“ bei der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer nicht der Gewinn. „Tatbestände“ sind die gewinnbringende Beschäftigung eines Arbeitnehmers und die gewinnbringende Nutzung von Gewerbeeigentum. Es ist nicht so, dass Personal oder Nutzung von Geschäftsräumen sekundäre Faktoren sind. Das vorgesehene System hat eine zweifache Logik — Beschäftigung und Nutzung von Geschäftsräumen bilden die Bemessungsgrundlage, wohingegen die Profitabilität eine niedrigere quantitative Schwelle für die Steuerschuld darstellt. Die Bemessungsgrundlage wie auch die quantitative Begrenzung sind allgemeiner Natur, sie gelten in gleicher Weise für alle Unternehmen unabhängig von deren Größe oder dem Sektor, in dem sie tätig sind.

(38)

Selbst wenn die quantitative Begrenzung selektiv wäre, ergibt sich aus der Art und der Logik des geplanten Körperschaftssteuerkonzepts, dass Unternehmen nur dann besteuert werden, wenn sie Einnahmen haben, aus denen sie dann Steuern zahlen. Die Kommission selbst hat in Ziffer 25 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (5) (nachfolgend „die Mitteilung“ genannt) eingeräumt, dass diese Selektivität aufgrund der Art des Steuersystems gerechtfertigt ist. Dies gilt sowohl für ein Steuersystem, das auf dem gewinnbringenden Einsatz von Arbeitskräften und Gewerbeeigentum basiert als auch für ein „reines“ gewinnbasiertes System, bei dem Unternehmen, die keine Gewinne erzielen, auch nicht besteuert werden. Es kann keine Parallele zu Sozialversicherungsbeiträgen gezogen werden, weil sie einem anderen Zweck dienen, der nichts damit zu tun hat, ob ein Unternehmen Gewinn erzielt.

(39)

Die vorgesehene Begrenzung ist nicht selektiv. Um als staatliche Beihilfe eingestuft zu werden, muss eine steuerliche Maßnahme dahingehend selektiv sein, dass bestimmte Unternehmen und/oder Sektoren gegenüber anderen bevorzugt werden. Die Anwendung des Höchstsatzes von 15 % hängt vom Verhältnis zwischen Gewinn und der Anzahl der Beschäftigten in einem bestimmten Jahr ab. Das kommt potenziell allen Unternehmen zugute, die groß oder klein, und in allen Wirtschaftssektoren aktiv sein können und die in einem bestimmten Jahr einen gewissen Gewinn im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl erwirtschaften. Es ist nicht möglich, bestimmte Unternehmensgruppen zu definieren, auf die die Begrenzung der Steuerschuld zutrifft, und die Gruppe wird sich ohnehin jedes Jahr ändern. Die Regelungen gelten allgemein für alle gibraltarischen Unternehmen. Die Kommission selbst erklärt in Ziffer 14 der Mitteilung, dass die Tatsache, dass bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige mehr als andere in den Genuss steuerlicher Maßnahmen gelangen, nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass diese in den Anwendungsbereich der für staatliche Beihilfen relevanten Vorschriften fallen.

(40)

Die Regierung von Gibraltar hat ein allgemeines Steuerkonzept erarbeitet, das sowohl auf den einfachen Faktoren Nutzung von Gewerbeeigentum und Personalbestand als auch der Erwirtschaftung von Gewinnen basiert. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Steuer regressiv anzuwenden. Eigentlich gibt es zwei parallele Steuern, die auf dem Gesamtgewinn basieren. Wenn die Steuerschuld unter 15 % der Gesamtgewinne liegt, fällt die volle Steuer an. Ist die Steuerschuld höher als 15 % der Gesamtgewinne, gilt für den darüber hinausgehenden Gewinn ein Prozentsatz von Null. Eine solche Entscheidung ist auch ganz im Einklang mit dem Recht der Regierung von Gibraltar, das eigene Steuersystem ohne Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen zu gestalten.

(41)

Die Regierung von Gibraltar möchte im neuen System die steuerliche Belastung für Unternehmen begrenzen. Wenn es unterschiedliche Steuersätze mit unterschiedlichen „Spannen“ gibt (mit unterschiedlicher Größe der Bemessungsgrundlage), ist ein Steuersatz immer niedriger als der andere, und das begünstigt in gewisser Weise die Steuerzahler, die das Glück haben — oder ihre Geschäfte entsprechend organisieren können —, dass sie den niedrigeren Satz bezahlen. Das ist aber kein Anlass für staatliche Beihilfe.

(42)

Selbst wenn der Höchstsatz von 15 % einen bestimmten Vorteil für die Unternehmen bringt, auf die er zutrifft, wäre diese Begrenzung immer noch durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems, das diese Begrenzung vorsieht, gerechtfertigt. Alle direkten Steuern in Gibraltar müssen das optimale Gleichgewicht finden zwischen der Maximierung der Steuereinnahmen und der Begrenzung der maximalen steuerlichen Belastung der einzelnen Steuerzahler, damit ihre Zahlungsfähigkeit nicht überschritten wird. Daher kann es nötig werden, die direkten Steuern in einer gewissen Höhe regressiv zu gestalten. Eine gewisse Begrenzung dieser Art ist wegen der besonderen Umstände der Wirtschaft von Gibraltar, wie die Beschränkungen in der Geografie und der Zahl der Arbeitskräfte, unerlässlich. Die Wirtschaft von Gibraltar ist klein und reagiert empfindlicher als die meisten anderen auf Erschütterungen infolge des natürlichen und fairen Steuerwettbewerbs zwischen Rechtsgebieten. Unternehmen können es sich vielleicht nicht leisten, einen großen Mitgliedstaat zu verlassen, wie sie es bei einer ganz kleinen Volkswirtschaft wie Gibraltar können. Wenn in der Bemessungsbasis keine quantitativen Begrenzungen eingeführt werden, könnte der Hauptzweck eines jeden Steuersystems — nämlich die Sicherstellung der für die öffentlichen Ausgaben erforderlichen Einnahmen — durch Marktschwankungen gefährdet sein.

(43)

Arbeit ist in Gibraltar ein knappes steuerpflichtiges Gut. Aber bei der Besteuerung von Arbeit können nicht dieselben Progressionsgrundsätze und dieselbe Logik wie bei der Besteuerung von Gewinnen angewandt werden. Jede Besteuerung der Arbeit muss die Fähigkeit eines Unternehmens berücksichtigen, versteuerbares Einkommen zu erzielen, und gleichzeitig die Notwendigkeit, die nötige Stabilität auf dem Arbeitsmarkt sicherzustellen. Angesichts der Abhängigkeit der Wirtschaft und der Unternehmensprofitabilität von der Konjunktur könnte eine Lohnsteuer, die kein regressives Element enthält, bei konjunkturellen Marktschwankungen oder in einer Depressionsphase Massenentlassungen und Instabilität bewirken. In einer sehr kleinen Volkswirtschaft können sich zufällige Schwankungen aufgrund von Fluktuationen in der Gesamtwirtschaft in Gibraltar relativ gesehen viel stärker auswirken als in einer großen Volkswirtschaft. Die innere Logik des vorgesehenen Lohnsummensteuersystems rechtfertigt daher die Begrenzung der zu entrichtenden Lohnsummensteuer im Verhältnis zu Gewinnen.

(44)

Dagegen hätten Versorgungsunternehmen eine Körperschaftssteuer von 35 % auf ihre Gewinne zu zahlen. Dies lässt sich durch die Art und Logik des Steuersystems begründet, denn die Arbeitsmarktstabilität ist gesichert, weil die Versorgungsunternehmen mit dem versorgten Gebiet eng verknüpft sind und weil sie als direkte Folge der geringen Größe von Gibraltar die Stellung eines natürlichen Monopols oder Halb-Monopols innehaben, die ihre Geschäfte höchst profitabel macht. Daher ist nicht die Notwendigkeit eines regressiven Elements in der Besteuerung von Versorgungsunternehmen gegeben.

(45)

Es gibt keine rechtliche Grundlage für die Behauptung, dass bei Vorhandensein von zwei separaten, wirklich autonomen Steuergebieten in einem Mitgliedstaat die Steuersätze in den beiden Gebieten vergleichbar sind und dass der niedrigere Steuersatz als staatliche Beihilfe zu betrachten ist, nur weil er niedriger ist als der andere. Dies würde bedeuten, dass es sich immer um staatliche Beihilfe handelt, wenn eine autonome regionale Steuerbehörde, die für die Verwaltung der öffentlichen Ausgaben in der Region zuständig ist, aufgrund von demokratisch zum Ausdruck gebrachten Präferenzen beschließt, die Ausgaben zu kürzen und Steuern zu senken. Der Generalanwalt (6) ist auf das Problem eingegangen, aber das Gericht wurde nie damit befasst, weil die betreffenden Fälle zurückgezogen wurden. In einem Fall aus einer Reihe von Fällen der letzten Zeit, die die baskischen Provinzen betreffen, stellte das Gericht erster Instanz fest, dass die angefochtene Entscheidung keine Auswirkung auf die Befugnis von Álava hat, allgemeine Steuermaßnahmen zu treffen, die für die gesamte Region gelten (7).

(46)

Solche Unterschiede zwischen autonomen Rechtsgebieten stellen keine staatliche Beihilfe gemäß Artikel 87 des EG-Vertrags dar. Eine staatliche Beihilfemaßnahme liegt nur dann vor, wenn aufgrund von Steuerverzicht staatliche Mittel eingesetzt werden. Bei dieser Einschätzung wird davon ausgegangen, dass es einen im gesamten Mitgliedstaat geltenden Steuersatz für eine bestimmte Tätigkeit gibt; das ist aber nicht der Fall, wenn bei den Steuern territoriale Autonomie besteht, im Gegensatz zu der Situation, wo Steuern einheitlich festgelegt und dann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Entsprechend geht die Analyse der selektiven Begünstigung von der Annahme aus, dass es eine Besteuerung gibt, die sonst für eine bestimmte Tätigkeit im betreffenden Gebiet gilt.

(47)

Bei den Kriterien für staatliche Beihilfe wird davon ausgegangen, dass die angenommene Beihilfe sich mit einem Standard- oder Normalsteuersatz vergleichen lässt. Eine angenommene staatliche Beihilfemaßnahme kann nur vorliegen, wenn sie in gewisser Weise eine Ausnahme oder Befreiung von einer Standardsteuer ist, die ansonsten für das empfangende Unternehmen gelten würde. Ein Steuersatz, der für den Empfänger der angenommenen Beihilfemaßnahme nicht gelten würde — selbst dann nicht, wenn der derzeit geltende Satz, der angeblich eine Beihilfe darstellt, abgeschafft würde — kann kein gültiger Vergleichsmaßstab sein, um festzustellen, ob „Beihilfe“ vorliegt oder nicht. Der einzige mögliche Vergleichsmaßstab zur Feststellung von Selektivität ist die Steuersituation, die sonst in demselben Steuergebiet gegeben ist. Wenn solche Regelungen lokal geschaffen werden, wie in Gibraltar, ist dies ohne Bedeutung.

(48)

Die Haltung der Kommission macht es allem Anschein nach unmöglich für Steuergebiete, die nur einen Teil des Mitgliedstaats abdecken, einen anderen Steuersatz als den im anderen Steuergebiet des Staats geltenden einzuführen. Sie könnten keinen niedrigeren Satz einführen, weil dies allein aufgrund des Vergleichs eine staatliche Beihilfe darstellen würde. Das Steuergebiet könnte aber auch keinen höheren Steuersatz einführen, weil dann der Steuersatz im übrigen Staat automatisch zur staatlichen Beihilfe würde. Damit würde fast jede Maßnahme fiskalischer Autonomie eine staatliche Beihilfemaßnahme, entweder im betreffenden Gebiet oder, was noch absurder ist, im übrigen Mitgliedstaat. Es gibt aufgrund der territorialen Untergliederung in verschiedene Ebenen selbst auf unterster kommunaler Ebene häufig Unterschiede in der direkten Unternehmensbesteuerung innerhalb von Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang lässt sich eine Parallele ziehen zum WHO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, wo es ganz klar heißt, dass „die Festsetzung und Änderung allgemein geltender Steuersätze durch alle dazu befugten Regierungsebenen nicht als spezifische Subvention“ im Sinne der Regelungen, die die Gewährung solcher Subventionen verbietet, anzusehen ist (Artikel 2 Absatz 2).

(49)

Wenn das Vereinigte Königreich und Spanien eine Vereinbarung über die gemeinsame Souveränität über Gibraltar abschließen würden, hätte die Haltung der Kommission zum spezifischen regionalen Charakter den unsinnigen Effekt, dass der geltende Steuersatz in Gibraltar sowohl dem geltenden Steuersatz im Vereinigten Königreich als auch dem geltenden Steuersatz in Spanien entsprechen müsste. Wenn nicht, läge staatliche Beihilfe in dem Steuergebiet mit dem niedrigeren Steuersatz vor.

(50)

Die Kommission scheint die Ansicht zu vertreten, dass bei Steuern in zwei separaten Steuergebieten in demselben Staat, auch wenn der Prozentsatz formal derselbe ist, die Anwendung von unterschiedlichen Befreiungsregeln oder unterschiedlichen Absetzungsmöglichkeiten bedeutet, dass die Unternehmen, die in deren Genuss kommen, Beihilfen erhielten, wenn sie unter sonst gleichen Bedingungen in dem anderen Steuergebiet einen höheren Steuersatz gezahlt hätten. Die Theorie der Kommission verkennt die Fakten von Gibraltar. Die Bemessungsgrundlage oder Struktur einer Besteuerung von Unternehmensgewinnen lässt sich manchmal mit der entsprechenden Steuer in einem anderen Steuergebiet vergleichen. Es ist aber einfach unmöglich, brauchbare oder aussagefähige Vergleiche zwischen Steuersystemen anzustellen, die völlig unterschiedlich sind, weil die Bemessungsgrundlage nicht dieselbe ist.

(51)

Wenn die Kommission bei ihrer Schlussfolgerung zur regionalen Spezifizität bleibt, wäre das eine Missachtung des grundlegenden Prinzips der Subsidiarität im EU-Recht und könnte einen Missbrauch ihrer Befugnisse darstellen. Wenn der betreffende Mitgliedstaat mit zwei oder mehr autonomen Steuergebieten, die miteinander um Körperschaftssteuereinnahmen in ihrem Bereich konkurrieren, ohne deutliche Verzerrungen des Wettbewerbs funktionieren kann, ergibt sich aufgrund des Subsidiaritätsprinzips des EU-Vertrags daraus nicht eine Aufgabe der Gemeinschaft, in die verfassungsmäßige Ordnung des Mitgliedstaats einzugreifen. Es hat sogar den Anschein, dass die Kommission die Regelungen der staatlichen Beihilfe einsetzen will, um einheitliche Steuern in den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen.

(52)

Die Kommission könnte vorbringen, dass ein Staat sich nicht auf sein nationales Recht — auch nicht auf sein Verfassungsrecht — berufen kann, um seine Verpflichtungen aufgrund des Gemeinschaftsrechts zu umgehen. Dieses Prinzip ist aber irrelevant, wenn es um die Selektivität geht. Die Frage der Selektivität taucht auf, weil vorgebracht wird, dass eine bestimmte Steuervorschrift günstiger ist als eine allgemeinere Steuervorschrift, die sonst gelten würde. Das kann nichts am fundamentalen Recht eines Mitgliedstaats ändern, sein Steuersystem so zu gestalten, dass autonome Steuerregionen in unabhängiger und diskriminierungsfreier Weise die erforderlichen Einnahmen für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erzielen können. Es kann keine staatliche Beihilfe aufgrund regionaler Spezifizität vorliegen, wo es, wie in Gibraltar, ein wirklich autonomes Steuergebiet gibt, in dem das Steuersystem selbstständig festgelegt wird und in dem die Steuern der anderen Steuergebiete nicht gelten.

(53)

Die Haltung der Kommission bedeutet einen schweren Eingriff in die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, ihre Befugnisse zu dezentralisieren und dadurch die nötige fiskalische Autonomie in den Regionen zu schaffen, damit diese ihre aufgrund der dezentralisierten Befugnisse entstehenden Ausgaben decken können. Es würde für die Regionen oder Steuergebiete unmöglich, Steuern zu erhöhen oder zu senken, ohne dass in der eigenen Region (bei Steuersenkungen) oder woanders (bei Steuererhöhungen) staatliche Beihilfe vorliegt. Es wäre auch absurd zu behaupten, die Regelungen der staatlichen Beihilfe seien so auszulegen, dass es für einen Mitgliedstaat unmöglich würde, Steuererhebungsbefugnisse bei einer Änderung der Verfassung wirksam zu dezentralisieren.

(54)

Die Kommission erklärt, dass bei fehlenden spezifischen Unternehmenssteuerregelungen in Gibraltar die Unternehmen in Gibraltar den Standardsteuervorschriften im Vereinigten Königreich unterliegen würden. Damit wird aber die verfassungsmäßige Position von Gibraltar eindeutig missverstanden. Das britische Standardsteuersystem gilt im Vereinigten Königreich. In anderen Steuergebieten gilt es nicht. Es handelt sich nicht um normale oder allgemeine Regelungen, die mangels spezieller Bestimmungen gelten. Dass das Vereinigte Königreich für die Außenbeziehungen von Gibraltar zuständig ist, bedeutet nicht, dass Bestimmungen britischer Gesetze jemals automatisch für Gibraltar gelten.

(55)

Gibraltar ist ein Überseegebiet des Vereinigten Königreichs. Es gehört zu den Dominions ihrer Majestät, ist aber kein Teil des Vereinigten Königreichs. Gibraltar ist in keinerlei Hinsicht eine Region des Vereinigten Königreichs. Es hat seine eigene verfassungsmäßige Ordnung, einschließlich eigener Institutionen, die von denen des Vereinigten Königreichs getrennt sind. Gibraltar beschließt auch seine eigenen Gesetze. Bei konkreten nationalen Angelegenheiten ist Gibraltar autonom und verwaltet sich selbst. Gibraltar ist ein wirtschaftlich autarkes autonomes Steuergebiet. Es erhält keine finanzielle Unterstützung vom Vereinigten Königreich, und die britischen Steuergesetze gelten nicht in Gibraltar. Die Regierung von Gibraltar muss aus Steuern ausreichende Einnahmen erzielen, um seine Ausgaben eigenständig zu finanzieren, und ist befugt, der Legislative von Gibraltar Unternehmenssteuergesetze zu unterbreiten und diese in Gibraltar geltend zu machen. Die Volkswirtschaften des Vereinigten Königreichs und von Gibraltar sind völlig unabhängig voneinander und getrennt. Daher ist Gibraltar in jeder in Frage kommenden Hinsicht völlig getrennt vom Vereinigten Königreich, insbesondere in Bezug auf die Verfassung, Politik, Gesetzgebung, Wirtschaft, Steuern, Einnahmen und Geografie.

(56)

Gibraltar ist also kein Teil des Vereinigten Königreichs, und aus denselben Gründen ist Gibraltar auch kein Teil des Vereinigten Königreichs im Sinne des Gemeinschaftsrechts. Das Gemeinschaftsrecht gilt für Gibraltar aufgrund der Bestimmungen in Artikel 299 Absatz 4 des EG-Vertrags und nicht Artikel 299 Absatz 1. Die folgenden Punkte verdeutlichen den speziellen, separaten Status von Gibraltar und die Tatsache, dass Gibraltar nicht als Region des Vereinigten Königreichs angesehen werden kann, wenn es um die Frage der staatlichen Beihilfe geht:

Der Umfang der Mitgliedschaft von Gibraltar in der Gemeinschaft unterscheidet sich von dem des Vereinigten Königreichs. Insbesondere gehört Gibraltar nicht zu dem einzigen Steuergebiet, das auf Gemeinschaftsebene festgelegt wurde (d. h. das Mehrwertsteuergebiet der Gemeinschaft).

Das Gemeinschaftsrecht wird in Gibraltar aufgrund der Primärgesetzgebung des Parlaments von Gibraltar gemäß der Verordnung von 1972 umgesetzt, und nicht aufgrund des Gemeinschaftsgesetzes von 1972, das Gemeinschaftsrecht im Vereinigten Königreich in Kraft setzt.

Die Legislative von Gibraltar setzt EG-Richtlinien in Gibraltar unabhängig von der Umsetzung im Vereinigten Königreich eigenständig um.

Wenn das Gemeinschaftsrecht die Einrichtung von zuständigen Behörden verlangt, schafft Gibraltar seine eigenen zuständigen Behörden, die getrennt von den Behörden im Vereinigten Königreich sind, die für denselben Zweck eingerichtet werden.

Bis zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Matthews war Gibraltar von der Teilnahme an Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen, obwohl dieser Ausschluss gemäß Anhang II des Gesetzes von 1976 über Direktwahlen geregelt und wie folgt formuliert war: „Das Vereinigte Königreich wendet die Bestimmungen dieses Gesetzes nur in Bezug auf das Vereinigte Königreich an.“

(57)

Die Kommission scheint zu befürchten, dass das vorgesehene neue Körperschaftssteuersystem schädlichen Steuerwettbewerb festschreiben könnte. Die Regierungen des Vereinigten Königreichs wie auch von Gibraltar sind überzeugt, dass die beabsichtigte Steuerreform mit dem Verhaltenskodex für Unternehmensbesteuerung und dem OECD-Bericht über schädlichen Steuerwettbewerb vereinbar ist. Zu den schädlichen Steuermaßnahmen gehören typischerweise mangelnde Transparenz, mangelnder Informationsaustausch und eine Bevorzugung bei der steuerlichen Behandlung von gebietsfremden Unternehmen gegenüber den gebietsansässigen. Mit der vorgesehenen Reform beseitigt Gibraltar alle schädlichen Aspekte der heute geltenden Regelungen für steuerbefreite und anerkannte Unternehmen. Selbst wenn Gibraltar als günstiges Steuergebiet betrachtet würde, kann dieser Besorgnis nicht über die Anwendung der Regelungen der staatlichen Beihilfe Rechnung getragen werden, wenn gar keine staatliche Beihilfe vorliegt.

V.   STELLUNGNAHMEN VON BETEILIGTEN

(58)

Die Regierung von Gibraltar, Spanien, der spanische Unternehmerverband und die Exekutive von Åland gaben Stellungnahmen ab.

(59)

Die Regierung von Gibraltar kennt die Argumente des Vereinigten Königreichs und unterstützt sie uneingeschränkt (8). Die ergänzenden Anmerkungen der Regierung von Gibraltar in der separaten Stellungnahme lassen sich wie folgt zusammenfassen:

(60)

Die Regierung von Gibraltar ist nicht befugt, Unternehmen des Vereinigten Königreichs zu besteuern. Entsprechend ist die Regierung des Vereinigten Königreichs nicht befugt, Unternehmen von Gibraltar zu besteuern. Die Steuergesetze von Gibraltar werden ausschließlich von Behörden von Gibraltar angewandt.

(61)

Das Ziel der Reform ist die Umsetzung eines Körperschaftssteuersystems, das sowohl den Regelungen der staatlichen Beihilfe als auch dem Verhaltenskodex entspricht. Die Reform ist auch Teil des umfassenderen Ziels, die Einhaltung internationaler für Haushaltsordnung und Finanzaufsicht geltender Normen zu sichern und einen guten Ruf in der internationalen Finanzwelt zu erringen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die Financial Action Task Force (FATF) und die OECD hatten Gibraltar früher als „Steuerparadies“ bezeichnet. Die Berichte des IWF und der FATF über Gibraltar (9) bestätigen, dass Gibraltar die wichtigsten internationalen Normen für Haushaltsordnung und Finanzaufsicht einhält. Die Verpflichtungserklärung der Regierung von Gibraltar gegenüber der OECD (10) ist Garant für die Einhaltung der Forderungen nach Informationsaustausch und Transparenz. Die Steuerreform von Gibraltar in der abgeänderten Form stellt faktisch die Übereinstimung mit dem Verhaltenskodex her. Die Reform entspricht auch den Regelungen der staatlichen Beihilfe. Die Unbedenklichkeitsfeststellung nach den Regelungen der staatlichen Beihilfe bleibt das letzte Hindernis für Gibraltar, entsprechend der Forderung der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass jetzt alle als solche erkannten Übel eines Steuerparadieses angegangen wurden.

(62)

Zwei von Gibraltar getroffene Maßnahmen, die Regelungen für steuerbefreite und anerkannte Unternehmen, gehörten zu den elf Maßnahmen, für die die Kommission am 11. Juli 2001 förmliche Verfahren zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe einleitete. Alle elf gehörten zu der großen Zahl fiskalischer Maßnahmen, die die Gruppe „Verhaltenskodex“ als schädlich einstufte (11). Sie wurden aufgrund der Befugnisse der Kommission, Regelungen der staatlichen Beihilfe durchzusetzen, ausgewählt; manchmal geschah dies aufgrund neuer Auslegungen des Kriteriums der Selektivität, die von wesentlicher Bedeutung für den Begriff der staatlichen Beihilfe ist. Allein die Tatsache, dass ein Steuersystem nach dem Verhaltenskodex als schädlich eingestuft wird, bedeutet aber nicht unbedingt, dass auch staatliche Beihilfe beteiligt ist (Ziffer 30 der Mitteilung). Mit dieser Vorgehensweise verfolgte die Kommission eine Strategie, die für die Wettbewerbspolitik leicht die ungewollte Konsequenz haben kann, dass Steuermaßnahmen, die den Wettbewerb zum Nachteil des erfolgreichen Funktionierens des Binnenmarktes deutlich verzerren, aus politischen Gründen unangetastet bleiben — die Kommission wendet keine angemessenen Steuerharmonisierungsmaßnahmen an —, während weniger schädliche Steuersysteme von der Kommission beständig in einer Weise verfolgt werden, die nicht als Gleichbehandlung bezeichnet werden kann. Um zu einem gemeinsamen Unternehmensbesteuerungsniveau in der gesamten Europäischen Union zu gelangen, wenn es denn das Ziel ist, muss die Kommission Steuerharmonisierungsmaßnahmen anwenden. Wenn nicht, kann ein Machtmissbrauch vorliegen. Ziffer 15 der Mitteilung bestätigt, dass Unterschiede zwischen Steuersystemen als solche nicht unter die Regelungen der staatlichen Beihilfe fallen, sondern vielmehr nach den Artikeln 95 bis 97 EG-Vertrag zu regeln sind.

(63)

Das neue System berücksichtigt die Besorgnisse bezüglich des möglichen schädlichen Steuerwettbewerbs. Erstens beseitigt die Reform jegliche Unterscheidung zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Unternehmen (das so genannte „ring-fencing“, die Abschottung gegen Inlandsvorschriften), die ein zentrales Problem für den Verhaltenskodex, den OECD-Bericht über schädlichen Steuerwettbewerb und den Selektivitätsaspekt der Rechtsvorschriften für steuerbefreite und anerkannte Unternehmen war. Die Reform gilt einheitlich für alle in Gibraltar eingetragene Unternehmen. Zweitens wird dadurch die Transparenz des Systems hergestellt, weil alle Unternehmen steuerliche Ergebnisrechnungen vorlegen müssen. Und schließlich werden Finanzdienstleistungsunternehmen in Gibraltar nicht von der Steuer befreit, sondern zahlen zusätzliche Steuern auf die diesen Tätigkeiten zuzurechnenden Gewinne.

(64)

Der gewinnbezogene Höchstsatz von 15 % und die Nichtbesteuerung von Unternehmen, die keinen Gewinn erzielen, gelten allgemein und stellen keine relevante Selektivität dar. Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen im Vergleich zu einem anderen Unternehmen in demselben Steuergebiet von einer allgemeinen Regelung in einem bestimmten Jahr profitieren kann, kann kein ausreichendes Argument sein, dass staatliche Beihilfe nach den Bestimmungen des EG-Vertrags vorliegt. Dieses Ergebnis ist eindeutig nicht in den Punkten 13-14 der Mitteilung vorgesehen.

(65)

Regionale Selektivität könnte vorliegen, wenn eine Steuer im gesamten Staat gilt, aber Regionalparlamente oder -behörden befugt wären, in ihrer Region die Höhe dieser Steuer zu senken (oder Befreiungen zuzulassen). Daher kann Selektivität vorliegen, wenn die Steuerbefugnisse der angeblich Beihilfe gewährenden Region in gewisser Weise sekundäre oder ergänzende Befugnisse sind, Standard- oder Allgemeinregelungen zu ändern. Dies mag in einigen anderen Mitgliedstaaten der Fall sein, nicht aber in Gibraltar. Die Situation ist völlig anders, wenn das Steuergebiet, das angeblich Beihilfe gewährt, ein wirklich autonomes Steuergebiet ist und in allen relevanten Zeiten immer war, das sein Steuersystem selbstständig in eigener Haushaltszuständigkeit festlegt und in dem von anderen Steuergebieten in dem Staat auferlegte Steuern nicht gelten.

(66)

Unabhängig davon, ob allgemein zutreffende Abweichungen von einer nationalen Norm, die von einer voll autonomen Region eingeführt wird (nicht von einer Region, die aufgrund einer Ad-hoc-Delegierung von Befugnissen handelt) ohne Verbindung zum zentralen Haushalt staatliche Beihilfe darstellen würden oder nicht, ist die Steuerreform von Gibraltar auch in dieser Hinsicht grundlegend anders. Die Region ist nicht nur sui generis tatsächlich autonom, sondern diese Autonomie wird genutzt, um selbstständig ein völlig anderes und separates System zu schaffen, das in keiner Weise auf den Regelungen oder Normen im Vereinigten Königreich basiert. Es ist daher völlig ungerechtfertigt und irrelevant, die Steuervorschriften von Gibraltar mit den Vorschriften zu vergleichen, die gelten würden, wenn derselbe Steuerzahler im Vereinigten Königreich ansässig wäre.

(67)

Das Gericht erster Instanz hat kürzlich die Entscheidungen der Kommission geprüft, förmliche Prüfverfahren in Fällen von Steuermaßnahmen zu eröffnen, die aufgrund einer gewissen, nach der spanischen Verfassung eingeräumten regionalen Autonomie für baskische Provinzen eingeführt worden waren. Die baskischen Provinzen setzten aber in Abweichung vom nationalen Steuersystem ihre Steuerbefugnisse so ein, dass sie entgegen den sonst geltenden Vorschriften Steuererleichterungen gewährten. In ihren vorläufigen Schlussfolgerungen, dass die betreffenden Steuermaßnahmen selektiv seien und eine unzulässige staatliche Beihilfe sein könnten, stützte sich die Kommission nicht darauf, dass sie nur für einen Teil des spanischen Hoheitsgebiets gelten. Das Gericht erster Instanz stellte speziell in einem Fall fest (12), dass die Entscheidung der Kommission, Prüfverfahren zu eröffnen „keinen Einfluss auf die Befugnis des Territorio Histórico de Álava hat, allgemeine Steuermaßnahmen zu beschließen, die für die gesamte betroffene Region gelten“.

(68)

Im Sinne der Regelungen der staatlichen Beihilfe ist der Geltungsbereich der Reform nicht regional, weil die betreffenden Steuermaßnahmen, die das gesamte und ausschließliche Körperschaftssteuersystem bilden, in gleicher Weise im gesamten betreffenden Steuergebiet gelten würden.

(69)

Die Stellungnahme der Exekutive von Åland lässt sich wie folgt zusammenfassen.

(70)

In der Entscheidung, ob bei der Reform wahrscheinlich staatliche Beihilfe vorliegt, erklärt die Kommission, dass sie das mögliche Vorhandensein regionaler Selektivität bei den Schlussfolgerungen berücksichtigt. Die Kommission zitiert frühere Entscheidungen, darunter auch die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe für konzerneigene (captive) Versicherungsgesellschaften auf den Åland-Inseln. Diese Aufforderung zur Stellungnahme bezieht sich auf die Möglichkeit, dass regionale Spezifizität vorliegt. Dieser Bezug wurde aber aus der abschließenden Entscheidung der Kommission herausgenommen. Daher kann der Fall der Åland-Inseln nicht als Beispiel für regionale Spezifizität oder regionale Selektivität herangezogen werden. Die Anführung früherer Praxis der Kommission sollte sich nur auf die endgültige Entscheidung der Kommission beziehen.

(71)

Wenn eine Region mit Selbstverwaltung die alleinige Gesetzgebungsbefugnis für Angelegenheiten der direkten Besteuerung von Kapitalgesellschaften hat und diese Region eine Steuermaßnahme einführt, muss diese Maßnahme nach denselben Grundsätzen geprüft und genehmigt werden, die gelten würden, wenn diese Maßnahme von einem Mitgliedstaat getroffen würde. Die Region mit Selbstverwaltung ist in den Bereichen, wo die Gesetzgebungsbefugnisse ausschließlich bei ihren Gesetzgebungsorganen liegen, als separates Rechtsgebiet zu betrachten. Das heißt, dass die Vereinbarkeit einer Steuermaßnahme mit den Regelungen der staatlichen Beihilfe einheitlich zu beurteilen ist, ob sie nun von einem Mitgliedstaat oder einer Region mit Selbstverwaltung getroffen wird. Jeder andere Schluss würde es für eine Region mit Selbstverwaltung unmöglich machen, ihre Gesetzgebungsbefugnisse anders auszuüben als im übrigen Mitgliedstaat. Dementsprechend ist eine Steuermaßnahme, die eindeutig eine allgemeine Maßnahme in einer Region mit Selbstverwaltung ist, nicht als selektiv zu betrachten, und sie ist nach Artikel 87 Absatz 1 des EG-Vertrags keine staatliche Beihilfe, sofern die Region die ausschließliche Befugnis in Steuerangelegenheiten hat, unabhängig davon, ob die in der Region erhobene Steuer sich von der in dem Mitgliedstaat, zu dem die Region gehört, unterscheidet. Jede andere Auslegung würde die Amtshoheit der Region in Steuerangelegenheiten gefährden.

(72)

Spanien stimmt im Wesentlichen der vorläufigen Analyse der Reform zu, die die Kommission in der Aufforderung zur Stellungnahme dargelegt hat (13). Die ergänzenden Anmerkungen von Spanien lassen sich wie folgt zusammenfassen.

(73)

Das Steuersystem von Gibraltar ist für Spanien aufgrund der geografischen Verbindung der beiden Territorien und der starken negativen Auswirkungen auf die Staatsfinanzen Spaniens von außerordentlich großer Bedeutung. Der unlautere Wettbewerb von Gibraltar kann als schädlich bezeichnet werden, weil nach dem heutigen System ebenso wie nach den vorgesehenen neuen Regelungen die steuerliche Belastung von Unternehmen und Investitionen viel niedriger ist als in Spanien. Die Reform wäre weiterhin schädlich für das spanische Steuersystem, weil die Steuersätze in Gibraltar deutlich niedriger blieben als in Spanien, wo der Standardsatz der Körperschaftssteuer bei 35 % liegt, und sie würden erheblich vom Steuersystem im Vereinigten Königreich abweichen, mit der Gefahr, dass Unternehmen ihren Sitz nach Gibraltar verlegen, um von den günstigeren Steuerbedingungen zu profitieren. Es ist wahrscheinlich, dass die meisten Firmen in Gibraltar weniger als den höchsten Steuersatz von 15 % zahlen, das sind 15-20 % weniger als in Spanien oder auch dem Vereinigten Königreich.

(74)

Für die 28 000 Unternehmen, für die die zusätzlichen Steuern für Versorgungsdienste und Finanzdienstleistungen nicht gelten, ist das vorgesehene Steuersystem eigentlich keine Gesamtsteuer auf Unternehmensgewinne, sondern eine Kombination von verschiedenen einzelnen Steuern, für die es Höchstsätze gibt, die bewirken, dass die zu zahlenden Steuern entweder extrem gering sind oder erst gar nicht anfallen (die Reform wird in Gibraltar als „Nullsteuer“ bezeichnet). Die meisten dieser Unternehmen können als Briefkasten- oder Vermögensverwaltungsfirmen betrachtet werden, und sofern sie Gewinne erzielen, müssten sie pro Jahr pro Mitarbeiter 3 000 GBP zahlen. Da bei den meisten von ihnen nur eine Person gewöhnlich als Teilzeitkraft beschäftigt sein wird (Buchhalter oder -prüfer), zahlen sie maximal nur 3 000 GBP an Steuern jährlich, wenn sie keine Geschäftsräume belegen, was gewöhnlich der Fall ist.

(75)

Die Einführung der Eintragungsgebühr würde steuerlich die Unternehmen bevorzugen, die im Vergleich zu aktiven Firmen (300 GBP) keine Gewinne erwirtschaften (150 GBP), wie Briefkasten- und Vermögensverwaltungsfirmen. Dies wäre ein eindeutiges Beispiel für die Beibehaltung des Status Quo zugunsten dieses Unternehmenstyps.

(76)

Der Finanzdienstleistungssektor erwirtschaftet 30 % des Bruttoinlandsprodukts. Die Besteuerung der Gewinne von Finanzdienstleistern wäre keine echte Körperschaftssteuer, denn die kombinierte Steuerschuld dieser Firmen bestehend aus Lohnsummensteuer, Gewerbegrundbenutzungssteuer und zusätzlicher Steuer läge bei höchstens 15 % oder 500 000 GBP.

(77)

Offshore-Unternehmen würden von zwei der neuen Steuern überhaupt nicht erfasst: etwa 8 000 Unternehmen, die keine tatsächliche Niederlassung in Gibraltar haben, wären damit von Steuern befreit. Die Reform lässt die steuerliche Situation von Firmen ohne Personal oder Geschäftsräume in Gibraltar unangetastet.

(78)

Gibraltar ist eine Region, die alles andere als abhängig von Beihilfen oder Anreizen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung ist und die finanziell beneidenswert gesund ist.

(79)

Was den selektiven Charakter von Beihilfen anbelangt, so würde die zusätzliche Steuer auf Gewinne nur von den Unternehmen erhoben, die bestimmte Finanz- und Versorgungsleistungen anbieten. Diese Berücksichtigung des spezifischen Charakters lässt sich nicht aus der Art oder allgemeinen Anlage des Systems ableiten oder damit begründen (14). Unternehmen in Sektoren mit außerordentlich beweglichem Kapital, in denen sehr wenig Personal beschäftigt ist, müssten im Wesentlichen nur die Lohnsummensteuer zahlen, und damit wäre ihre Steuerschuld begrenzt. Damit würden ausschließlich diese Firmen begünstigt, deren Kosten gesenkt würden bei gleichzeitiger Erhöhung der Profitabilität gegenüber ihren Konkurrenten.

(80)

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs erklärte (15), dass alle Maßnahmen, die einen Wettbewerbsvorteil, einschließlich eines finanziellen Vorteils, bringen, der „auf Unternehmen beschränkt ist, die in einem bestimmten Gebiet des Mitgliedstaats investieren, dem betreffenden Staat zuzuschreiben sind und daher laut Definition im Rahmen des Steuersystems des Staats nicht als Maßnahme allgemeiner Art verstanden werden können“. Er vertrat außerdem die Ansicht, dass „die Tatsache, dass die fragliche Maßnahme von Regionalbehörden mit ausschließlicher Befugnis nach nationalem Recht beschlossen wurde, nur eine Formsache“ ist und dass sie „nicht zur Rechtfertigung einer Vorzugsbehandlung der Unternehmen im Geltungsbereich regionaler Gesetze ausreicht“.

(81)

Auch wenn das erklärte Ziel der geplanten Reform die Einführung neuer Körperschaftssteuerregelungen ohne jedes Element staatlicher Beihilfe ist, kann sie nicht vom Geltungsbereich des Artikels 87 mit der Begründung ausgenommen werden, es handele sich um eine steuerliche Maßnahme oder es würden Ziele des Gesellschaftsrechts verfolgt. Die spürbarste unmittelbare Folge der Reform wäre die Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen in dem Gebiet und der Anreiz für Firmen, ihren Geschäftssitz zu verlegen. Von diesen Steuerregelungen würden Firmen mit Sitz in Gibraltar erheblich profitieren, da die effektive Besteuerung in dem Gebiet im Vergleich zum Steuersatz im Vereinigten Königreich viel niedriger wäre (wenn überhaupt Steuern zu zahlen sind). Durch die Einführung einer deutlichen Verringerung der Steuerschuld von betroffenen Firmen würde diese regionale Selektivität den Wettbewerb verzerren und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

(82)

Das Instrument der Lohnsummensteuer kann im Sinne des Buchstaben B des Verhaltenskodexes als schädlich betrachtet werden, ganz abgesehen von der Tatsache, dass das Steuersystem von Gibraltar, so wie es jetzt ist, eine Steuerschuld vorsieht, die deutlich unter den allgemein im Vereinigten Königreich zu entrichtenden Steuern liegt. Die Reform würde die deutliche wirtschaftliche Präsenz in Gibraltar verhindern und damit das Kriterium für schädliche Steuermaßnahmen gemäß Buchstabe B Absatz 3 des Verhaltenskodexes erfüllen. Das Vereinigte Königreich hat bisher nicht die Zusagen im Rahmen der OECD eingehalten, Gibraltar von der Liste der nicht kooperationswilligen Steuerparadiese zu entfernen.

(83)

Die wirtschaftliche Vorgehensweise von Gibraltar schadet auch Gibraltar selbst, weil damit eine Volkswirtschaft aufgebaut wurde, die keine soliden Grundlagen hat und mittel- oder langfristig unhaltbar ist. Außerdem werden für die Nachbarregion Campo de Gibraltar potenzielle Entwicklungschancen verhindert. Campo de Gibraltar gehört heute zu den am wenigsten entwickelten Regionen Spaniens. Der relative Wohlstand von Gibraltar ist in erheblichem Umfang der Unterentwicklung der umgebenden Region zuzuschreiben.

(84)

Das Steuersystem ist nicht nur diskriminierend und ungerecht, sondern es fördert auch Steuerflucht und Geldwäsche. Die durch die Geldwäschemöglichkeiten in Gibraltar veranlasste Steuerflucht führt den öffentlichen Finanzen Spaniens erheblichen Schaden zu, und diese Geldwäsche erleichtert die Aktivitäten des organisierten Verbrechens. Der schon erwähnte IWF-Bericht weist darauf hin, dass es in Gibraltar keine zwingenden Vorschriften gegen Geldwäsche gibt.

(85)

Der spanische Unternehmerverband stimmt der vorläufigen Analyse der Reform zu, die die Kommission in ihrer Aufforderung zur Stellungnahme dargelegt hat, und weist darauf hin, dass die Reform den Interessen der spanischen Geschäftswelt erheblich schaden kann. Die ergänzenden Anmerkungen lassen sich wie folgt zusammenfassen.

(86)

Die steuerliche Belastung wäre viel geringer als die der Firmen in den Mutterländern Vereinigtes Königreich und Spanien. Der Höchstsatz für Steuern in Gibraltar läge bei 15 %, während der Steuersatz im Vereinigten Königreich und in Spanien mindestens 30 % beträgt und sogar noch höher sein kann. Nach den neuen Regelungen würden viele Firmen in Gibraltar überhaupt keine Steuern mehr zahlen. Die Kosten, die den begünstigten Firmen entstehen würden, wären niedriger als die der Konkurrenz. Der sehr viel niedrigere Steuersatz in Gibraltar ist stark diskriminierend und untergräbt die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Unternehmen in dem Gebiet wie auch der Unternehmen im Vereinigten Königreich.

(87)

Die große Mehrheit der in Gibraltar niedergelassenen Firmen ist sehr klein (gewöhnlich mit einem Mitarbeiter in kleinen Büros) und befasst sich mit Vermögensverwaltung, so dass ihre einzigen Einnahmen aus Kapitalgewinnen bestehen, die sie aus dem von ihnen verwalteten Vermögen erzielen. Da die Basis der Reform die Besteuerung entsprechend der Anzahl der Mitarbeiter eines Unternehmens und der Fläche ihrer Räume ist, und da die Steuerbefreiung von Kapitalgewinnen vorgesehen ist, würden die meisten in Gibraltar niedergelassenen Firmen überhaupt keine Körperschaftssteuer zahlen.

(88)

Das Vereinigte Königreich unterstützt die Anmerkungen der Exekutive von Åland. In der Stellungnahme zu den Anmerkungen der spanischen Regierung und des spanischen Unternehmerverbands verwies das Vereinigte Königreich auf einige der Argumente, die es schon bei der Eröffnung des Prüfverfahrens vorgebracht hatte, und wiederholte einige. Die ergänzenden Anmerkungen des Vereinigten Königreichs lassen sich wie folgt zusammenfassen.

(89)

Die Reform fügt den Staatsfinanzen Spaniens keinen „schweren Schaden“ zu. Die Unterentwicklung des Gebiets Campo de Gibraltar ist nicht auf das Steuersystem von Gibraltar zurückzuführen. Das Gegenteil ist der Fall, da die Region einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus Gibraltar bezieht. Die Beschäftigungszahlen für Januar 2003 zeigen zum Beispiel, dass spanische Staatsangehörige, die rechtmäßig in Gibraltar beschäftigt sind, ca. 18 % der Arbeitskräfte von Gibraltar ausmachen. Somit ist Gibraltar eine wesentliche Beschäftigungs- und Einnahmequelle für spanische Arbeitskräfte aus der Umgebung, und das Gebiet von Campo erzielt erhebliche Einnahmen von Gibraltarern, die ihr Geld in dieser Region ausgeben. Spanien ist auch der zweitgrößte Exporteur nach Gibraltar. Gibraltar ist nicht so wohlhabend wie unterstellt wird und ist eine Ziel-2-Region im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

(90)

Unterschiede in den Steuersätzen und Bemessungsgrundlagen zwischen Mitgliedstaaten und zwischen autonomen Steuerregionen ist eine hoheitliche Angelegenheit, die nicht unter Artikel 87 des EG-Vertrags fällt. Der Zweck der Regelungen der staatlichen Beihilfe ist die Beseitigung der Begünstigung bestimmter, spezifischer Unternehmen durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln. Niedrigere Steuersätze, die allgemein in einem autonomen Steuergebiet gelten, erfüllen nicht diese Bedingung der materiellen Spezifizität und stellen daher keine staatliche Beihilfe dar. Wettbewerb zwischen den Steuersystemen autonomer Steuerregionen kann nicht nur aufgrund von unterschiedlichen Steuersätzen entstehen, sondern auch aufgrund von unterschiedlichen Methoden für die Berechnung der steuerpflichtigen Einnahmen. Solche Unterschiede in den Berechnungsmethoden stellen keine staatliche Beihilfe dar, wenn das Steuersystem innerhalb des autonomen Steuergebiets wirklich diskriminierungsfrei angewandt wird. Es ist nicht klar, wie die Reform der spanischen Wirtschaft erheblich schaden könnte, weil die Verlegung von Geschäftssitzen nach Gibraltar provoziert wird. Das Vereinigte Königreich weiß von keinem spanischen Unternehmen, das nach Gibraltar umgezogen ist, um von dem angeblich „günstigen Steuersystem“ nach den heutigen Körperschaftssteuerregelungen zu profitieren. Es ist doch auch eine Tatsache, dass andere EU-Länder, wie Griechenland und Irland und EU-Beitrittsländer wie Estland, Ungarn und Zypern verhältnismäßig „niedrige“ allgemeine Körperschaftssteuern haben.

(91)

Die Kritik an dem System, in dem verschiedene Steuern kombiniert werden, geht von falschen Tatsachen aus. Das reformierte System basiert auf der Logik, dass Beschäftigung und Nutzung von Gewerbeeigentum die Bemessungsgrundlage bilden, wohingegen die Profitabilität eine niedrigere Schwelle für die Steuerschuld darstellt. Das System gibt einfach nur die Besteuerung des Unternehmensgewinns als steuerpflichtiger Vorfall auf. Die Kriterien der Beschäftigung und Nutzung von Gewerbeeigentum gelten horizontal für alle Unternehmen in allen Bereichen. Größere Unternehmen werden zum Beispiel nicht kleineren Unternehmen gegenüber bevorzugt oder umgekehrt. Die Streichung der Begrenzung der Ertragssteuer auf 500 000 GBP beseitigt jede Möglichkeit für größere Unternehmen, von der Reform stärker zu profitieren als kleinere. Da die Eintragungsgebühr für Unternehmen, die keinen Gewinn erzielen, 150 GBP beträgt und die von aktiven Unternehmen 300 GBP, liegt keine staatliche Beihilfe vor, weil der Unterschied in der Eintragungsgebühr von 150 GBP als minimal anzusehen ist.

(92)

Auch wenn die Reform ganz richtig als „Nullsteuer auf Gewinne“ bezeichnet werden kann (wegen der Beschäftigung und Nutzung von Gewerbeeigentum als Bemessungsgrundlage anstatt des Gewinns), ist die Bezeichnung „Nullsteuer“ falsch. Genau gesagt ist es so, dass das wesentliche Element der Reform die allgemeine Abschaffung der Steuer auf Unternehmensgewinne ist (mit Ausnahme der zusätzlichen Steuer auf Finanz- und Versorgungsdienstleistungen), die durch eine von allen Unternehmen zu zahlende Lohnsummensteuer ersetzt wird.

(93)

Keine der zusätzlichen Steuern (auf Finanzdienstleistungen oder Versorgungsdienste) stellt staatliche Beihilfe dar. Materielle Selektivität könnte zwar als Argument angeführt werden, aber diese Steuern können im Sinne der Definition von Beihilfe nicht als „Vorteil“ im Vergleich zur allgemeinen Norm bezeichnet werden; sie verfolgen genau den gegenteiligen Zweck. Aus diesem Grund ist die Behauptung, dass Nichtfinanzsektoren von der zusätzlichen Steuer ausgenommen sind, unbegründet.

(94)

Es stimmt nicht, dass die Reform gibraltarische Unternehmen gegenüber britischen Unternehmen bevorzugt, damit würde das Konzept der regionalen Spezifizität, der verfassungsmäßige Status von Gibraltar und der Status von Gibraltar im Sinne des EU-Vertrags missverstanden. Es wird davon ausgegangen, dass die spanische Regierung nicht beabsichtigt, diese Argumentation aufrechtzuerhalten, die jede wirksame Dezentralisierung der Steuerbefugnisse der Mitgliedstaaten verhindern würde und unter anderem die Steuerautonomie ihrer baskischen Provinzen untergraben könnte. Die von der spanischen Regierung im Zusammenhang mit der regionalen Spezifizität angeführten Rechtssachen (16) sind nicht relevant, da in keinem der Fälle die betreffenden Regionen über eine unabhängige Autonomie in den Bereichen, in denen Steuervergünstigungen gewährt wurden, verfügten. Die in bestimmten baskischen Rechtssachen angeführte Steuerautonomie (17) wird eingesetzt, um Steuernachlässe gegenüber dem spanischen Steuersystem zu gewähren, während im Fall von Gibraltar die Autonomie genutzt wird, um ein völlig anderes Steuersystem als das des Vereinigten Königreichs zu schaffen.

(95)

Die Behauptungen u. a. in Bezug auf Steuerflucht und Geldwäsche sind unbegründet und irrelevant für das laufende Verfahren zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe. Es wäre daher nicht angebracht, detaillierte Gegenargumente anzuführen. Aber in Gibraltar gelten hohe Standards für Haushaltsordnung und Aufsicht, sowohl im öffentlichen, als auch im privaten Bereich. Die Gibraltar Financial Services Commission ist ein unabhängiges und anerkanntes Organ. Diese Ansicht wurde von mehreren internationalen Gremien bestätigt, die auch die Maßnahmen von Gibraltar zur Bekämpfung der Geldwäsche lobten. Gibraltar war eines der ersten Gebiete in der EU, die die Geldwäscherichtlinie der EU für alle Straftaten umsetzte. In einem im November 2002 veröffentlichten Bericht der Financial Action Task Force (FATF) heißt es: „Gibraltar hat ein zuverlässiges Instrumentarium an Gesetzen, Vorschriften und Verwaltungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche eingeführt“ und „die 40 Empfehlungen der FATF sind fast erfüllt.“ (18) In einem Bericht des IWF vom Oktober 2001 wurde festgestellt, dass Gibraltar 66 von 67 international festgelegten Standards für die Haushaltsordnung erfüllt, und man kam zu dem Schluss: „Die Aufsicht ist im Allgemeinen effektiv und gründlich … Die Aufsicht in Gibraltar ist als gut entwickelt einzustufen.“ (19) Nach den Regelungen der OECD wurde Gibraltar als kooperatives Steuergebiet eingestuft.

VI.   WÜRDIGUNG

(96)

Eine Maßnahme gilt als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 des EG-Vertrags, wenn die vier folgenden Kriterien erfüllt sind. Erstens muss die Maßnahme den Begünstigten einen Vorteil bringen, der die Kosten verringert, die ihnen normalerweise in der Ausübung ihrer Geschäfte entstehen. Zweitens muss der Vorteil vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Drittens muss die betreffende Maßnahme den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Schließlich muss die Maßnahme spezifisch oder selektiv sein, also bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen.

(97)

Nach Ziffer 16 der Mitteilung ist die wichtigste Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 des EG-Vertrags auf eine steuerliche Maßnahme, dass diese Maßnahme „eine Ausnahme von der Anwendung des allgemein geltenden Steuersystems zugunsten bestimmter Unternehmen eines Mitgliedstaats darstellt. Demnach muss also zuerst festgestellt werden, welche allgemeine Regelung gilt“. Da jedoch die Reform Fragen sowohl der materiellen Selektivität als auch der regionalen Selektivität aufwirft, untersucht die Kommission als erstes den Aspekt der regionalen Selektivität. Die Frage der materiellen Selektivität der verschiedenen Komponenten der Reform im Kontext Gibraltar wird separat in den Absätzen 128-152 untersucht.

(98)

In der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens zur Untersuchung der staatlichen Beihilfe (20) stellte die Kommission fest, in welcher Weise die Reform als ganzes Vorteile für gibraltarische Unternehmen gegenüber Unternehmen im Vereinigten Königreich bringt. Weder das Vereinigte Königreich noch die Regierung von Gibraltar haben die sachliche Grundlage dieses Vergleichs angefochten, und daher wird sie hier wiederholt und weiter ausgeführt.

(99)

Nach der Körperschaftssteuerordnung des Vereinigten Königreichs liegt der Höchstsatz der Körperschaftssteuer bei 30 % der Unternehmensgewinne. Dagegen liegt der Höchstsatz der in der Reform vorgesehenen Körperschaftssteuer für alle gibraltarische Unternehmen mit Ausnahme von Versorgungsunternehmen bei 15 %.

(100)

Die Unterschiede zwischen den Körperschaftssteuerregelungen im Vereinigten Königreich einerseits und den von der Reform vorgesehenen Körperschaftssteuerregelungen in Gibraltar andererseits haben zur Folge, dass im Vereinigten Königreich tätige Unternehmen mit maximal 30 % auf ihre Gewinne besteuert werden, wohingegen in Gibraltar tätige Unternehmen (mit Ausnahme von Versorgungsunternehmen) mit maximal 15 % auf ihre Gewinne besteuert werden. Außerdem werden bestimmte Arten von Unternehmen, wie in den Absätzen 128-152 ausgeführt, entweder gar nicht oder mit 5 % auf ihre Gewinne besteuert. Diese Unterschiede in der steuerlichen Behandlung sind vorteilhaft für in Gibraltar niedergelassene Unternehmen, mit Ausnahme der Versorgungsunternehmen, im Vergleich zu den im Vereinigten Königreich niedergelassenen Unternehmen.

(101)

Weitere Vorteile entstehen Unternehmen in Gibraltar gegenüber denen im Vereinigten Königreich durch andere Unterschiede im Steuersystem. Die Kommission stellt fest, dass mit der Reform Kapitalgewinne bei der Berechnung von Gewinnen ausgeschlossen sind. Dagegen sind auf Kapitalgewinne im Vereinigten Königreich allgemein Körperschaftssteuern zu entrichten. Die Unterschiede in den Abschreibungsbedingungen bringen ebenfalls Vorteile. Im Gegensatz zum Steuerabzug in Höhe von 33 1/3 % aufgrund von Aufwendungen für Anlagegüter sieht das Steuersystem im Vereinigten Königreich eine degressive Abschreibung von 25 % ohne allgemeine Erstjahresabschreibungen vor.

(102)

Wie sich aus den vorherigen Absätzen ersehen lässt, ist die Kommission in Bezug auf die regionale Selektivität der Steuerreformvorschläge von Gibraltar im Wesentlichen zu dem Schluss gekommen, dass sie im Allgemeinen eine niedrigere Besteuerung vorsehen als im Vereinigten Königreich und dass dieser Unterschied eine selektive Begünstigung für in Gibraltar tätige Unternehmen darstellt. Diese Prämisse entspricht Ziffer 16 der Mitteilung. Darin heißt es: „Wesentlich für die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 auf eine steuerliche Maßnahme ist vor allem“, dass sie „eine Ausnahme von der Anwendung des Steuersystems zugunsten bestimmter Unternehmen eines Mitgliedstaats darstellt“. In Ziffer 17 der Mitteilung heißt es: „Die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission zeigt, dass sich nur die Maßnahmen, die im gesamten Mitgliedstaat Anwendung finden, dem in Artikel 87 Absatz 1 festgelegten Kriterium des selektiven Charakters entziehen“, und weiter: „Der EG-Vertrag stuft Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region als Beihilfen ein“ (21). Selbst wenn sie automatisch und in gleicher Weise auf alle steuerpflichtigen Wirtschaftsunternehmen in Gibraltar angewandt würden, ohne dass ein Wirtschaftszweig oder mehrere unterschiedlich behandelt würden, was hier nicht der Fall ist, sind die genannten Steuervergünstigungen „ausschließlich für Unternehmen vorgesehen, die in einer bestimmten Region des betreffenden Mitgliedstaats ansässig sind, und sie sind für sie eine Vergünstigung, die Unternehmen, die in anderen Gebieten desselben Staats in gleicher Weise wirtschaftlich tätig sein wollen, nicht zur Verfügung stehen“ (22). In diesem Fall werden in Gibraltar besteuerte Unternehmen gegenüber allen im Vereinigten Königreich tätigen Unternehmen bei den Steuervergünstigungen tatsächlich bevorzugt.

(103)

Das Vereinigte Königreich, die Regierung von Gibraltar und die Exekutive von Åland teilen nicht die Ansicht, dass die Maßnahme selektiv ist, d. h. dass sie „bestimmte Unternehmen oder die Herstellung bestimmter Waren bevorzugt“. Sie machen geltend, dass unterschieden werden müsse zwischen Fällen, in denen der Staat einem Teil des Staatsgebiets steuerliche Vergünstigungen in begrenztem Umfang zugesteht, und solchen, in denen eine zuständige Regionalbehörde einem Teil des unter ihre Zuständigkeit fallenden Staatsgebiets solche Vergünstigungen zugesteht. Die ersten Maßnahmen sind selektiv, weil sie nur für einige der Firmen im Zuständigkeitsbereich des Staates gelten, dagegen sind die zweiten Maßnahmen allgemeine Maßnahmen, die für alle Firmen im Zuständigkeitsbereich der Regionalbehörde gelten.

(104)

Die Kommission ist erstens der Auffassung, dass beim Begriff der Beihilfe das Kriterium der Selektivität auf einem Vergleich zwischen den Vorteilen beruht, die bestimmten Unternehmen zugestanden werden, und jenen, die für alle Unternehmen innerhalb ein und desselben Bezugsrahmens gelten. Die Bestimmung dieses Bezugsrahmens gewinnt bei den steuerlichen Maßnahmen zunehmend an Bedeutung, da das tatsächliche Vorliegen eines Vorteils nur aufgrund einer als normal definierten Besteuerung festgestellt werden kann. Prinzipiell ergibt sich aus der Ökonomie des Vertrags, der die vom Staat oder aus staatlichen Mitteln zu gewährenden Beihilfen regelt, sowie aus der grundlegenden Rolle, die ihnen aufgrund der Definition des politischen und wirtschaftlichen Umfelds zukommt, in dem die Unternehmen sowie die Zentralbehörden der Mitgliedstaaten durch ihre Maßnahmen, durch die von ihnen erbrachten Leistungen sowie eventuell durch von ihnen getätigte Finanztransaktionen wirken, dass der Bezugsrahmen, innerhalb dessen ein solcher Vergleich vorzunehmen ist, der Wirtschaftsraum des Mitgliedstaats ist. Im Text des EG-Vertrags selbst, der Maßnahmen „zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region“ (Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a) und c)) als staatliche Beihilfen einstuft, die als vereinbar angesehen werden können, wird darauf hingewiesen, dass Vergünstigungen, deren Umfang auf einen Teil des der Beihilferegelung unterliegenden Staatsgebietes beschränkt ist, als selektive Vergünstigungen eingestuft werden können. Wenn der Bezugsrahmen zur Beurteilung der regionalen Selektivität einer Maßnahme das Gebiet ihrer Anwendung wäre, dann wären offensichtlich die Maßnahmen, die allen in diesem Gebiet ansässigen Unternehmen zugestanden werden, definitionsgemäß als allgemeine Maßnahmen einzustufen. Die ständige Praxis der Kommission, die durch den Gerichtshof bestätigt wird, besteht jedoch darin, solche steuerlichen Regelungen als Beihilfen einzustufen, die in bestimmten Regionen oder Territorien gelten und im Vergleich zur allgemeinen Regelung in einem Mitgliedstaat vorteilhaft sind (23).

(105)

Zweitens ist die These des Vereinigten Königreichs, wonach Vergünstigungen mit begrenztem regionalem Umfang allein aufgrund der Tatsache als allgemeine Maßnahmen in der betreffenden Region einzustufen seien, dass sie nicht von der Zentralbehörde, sondern von der Regionalbehörde eingerichtet wurden und in der gesamten der regionalen Rechtsprechung unterliegenden Region anwendbar sind, unvereinbar mit dem Begriff der Beihilfe. Dieser Begriff ist objektiv und beinhaltet sämtliche Beihilfen, die in unterschiedlicher Form die einem oder mehreren Unternehmen normalerweise entstehenden Kosten senken, und dies unabhängig von ihrem Zweck, ihrer Begründung, ihrem Ziel und vom Status der öffentlichen Behörde, die sie angeordnet hat oder aus deren Haushalt sie finanziert werden. Eine Unterscheidung, die allein anhand der Stelle erfolgt, die über die Maßnahme entscheidet, würde die nach Artikel 87 des EG-Vertrags beabsichtigte Wirkung untergraben, wonach die betreffenden Maßnahmen sich ausschließlich auf den Wettbewerb und den Handel in der Gemeinschaft auswirken sollen (24). Somit dürfen solche Eingriffe nicht anders behandelt werden als Maßnahmen, die dieselben Ziele verfolgen, auf dieselben Mittel zurückgreifen und dieselben Auswirkungen auf den Handel und den Wettbewerb haben, und zwar in Übereinstimmung mit dem formalen Kriterium des Autonomiegrades der zuständigen Behörde, die sie angeordnet hat. Entsprechend den angeführten Schlussanträgen von Generalanwalt Saggio in den verbunden Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97 „ist die Tatsache, dass die fraglichen Maßnahmen von Gebietskörperschaften ergriffen wurden, die mit entsprechenden ausschließlichen Befugnissen nach den Bestimmungen des nationalen Rechts ausgestattet sind, in Wirklichkeit ... ein rein formaler Umstand, der nicht ausreicht, um die Vorzugsbehandlung zu rechtfertigen, die den Unternehmen vorbehalten ist, die unter den Anwendungsbereich der ‚Foralnormen‘ fallen. Wenn dies nicht so wäre, könnte der Staat die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften für staatliche Beihilfen in einem Teil seines Staatsgebietes leicht umgehen, indem er einfach die interne Kompetenzverteilung in bestimmten Bereichen abändert, um sich für eine bestimmte Region auf den allgemeinen Status der betreffenden Maßnahme berufen zu können“.

(106)

Die Kommission hebt hervor, dass die Anwendung eines rein institutionellen Kriteriums für die Unterscheidung zwischen „Beihilfen“ und „allgemeinen Maßnahmen“ notwendigerweise zu Unterschieden bei der Anwendung der Beihilferegelung auf die Mitgliedstaaten führen würde, je nachdem, ob die Verteilung der Zuständigkeiten im Bereich Steuern (oder beispielsweise im Bereich der Sozialversicherung) einem zentralisierten oder einem dezentralisierten Modell folgt. Nach der These des Vereinigten Königreichs würden die Mitgliedstaaten, deren interne Verwaltungsorganisation bestimmten Regionalbehörden unterhalb der Staatsebene die Durchführung von Veränderungen des allgemeinen Steuersystems in Form von Steuervergünstigungen für die in den betreffenden Regionen tätigen Unternehmen gestattet, die Beihilferegelung in Bezug auf diese Regionen und Maßnahmen umgehen.

(107)

Die Kommission ist der Auffassung, dass es dem Prinzip der Gleichbehandlung widerspricht und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigt, wenn Maßnahmen, die einander in ihren Zielen, ihrer Handhabung und ihren Wirkungen vollkommen ähnlich sind, nicht ein und derselben Regelung unterliegen. Die Anwendung der Beihilferegelung auf regionale steuerliche Vergünstigungen muss objektiven Kriterien folgen und darf nicht von einem rein institutionellen Grundsatz bestimmt sein, wie dies bei einer mehr oder weniger umfassenden steuerlichen Autonomie zugunsten einer zuständigen Behörde mit mehr oder weniger ausgedehnter regionaler Zuständigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt der Fall ist. Die Verallgemeinerung dieser Handhabung würde zu einer Verletzung des Gleichheitsprinzips bei der Anwendung der staatlichen Beihilferegelung und damit zu seiner Wirkungslosigkeit führen.

(108)

In der Praxis der Kommission galt die steuerliche Autonomie der die Vergünstigungen gewährenden Regionalbehörde niemals als Kriterium, durch das die Berechtigung von Beihilfen ausgeschlossen werden konnte. In ihrer Entscheidung 93/337/EWG (25), kam die Kommission trotz Anerkennung der Tatsache, dass „die zuständigen Institutionen in allen drei baskischen Provinzen unter bestimmten Bedingungen die Steuervorschriften für ihr Gebiet beibehalten, festsetzen und verordnen können“, zu dem Schluss, dass die von den drei Provinzen geschaffenen steuerlichen Vergünstigungen unter die Bestimmungen von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fallen und dass sie für unvereinbar zu erklären sind, weil sie insbesondere die Regelungen für regionale und branchenbezogene Beihilfen verletzen (26). Andere Rechtssachen zu Maßnahmen der Behörden der baskischen Provinzen wurden aufgrund der materiellen Selektivität entschieden (27). Die Gerichte der Gemeinschaft betrachteten bei der Beurteilung der Gültigkeit solcher Entscheidungen (28) nicht die Frage der regionalen Selektivität, weil die Kommission dieses Kriterium in ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt hat: Die Stellungnahmen des Vereinigten Königreichs und der Regierung von Gibraltar zur territorialen Zuständigkeit sind daher nicht relevant. In weiteren Entscheidungen über die Vorschriften für steuerliche Vergünstigungen, die von Steuerbehörden mit entsprechender Autonomie angewandt werden, hat die Kommission, obwohl sie die geprüften Maßnahmen wegen ihrer materiellen Selektivität als Beihilfen einstuft, ausdrücklich die Möglichkeit offen gelassen, deren regionale Selektivität zu prüfen (29). In einer jüngeren Entscheidung über von den Behörden der Region der Azoren gewährte Steuervorteile kam die Kommission zu dem Schluss, dass die betreffenden Maßnahmen selektiv seien, obwohl sie für alle in der Region aktiven Unternehmen gelten (30).

(109)

Schließlich betont die Kommission, dass durch die Einstufung dieser Maßnahmen als Beihilfen die steuerliche Autonomie von Gibraltar in Übereinstimmung mit der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung und Praxis nicht in Zweifel gezogen wird. Sie will lediglich sicherstellen, dass in den Fällen, in denen Gibraltar seine Autonomie durch Senkung der auf nationaler Ebene erhobenen Steuern wahrnimmt, die damit gewährten steuerlichen Vergünstigungen unter die Gemeinschaftsregelung für regionale Beihilfen sowie unter die weiteren, nach dem Gleichheitsprinzip im gesamten Gebiet der Gemeinschaft anwendbaren Bestimmungen fallen. Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, dass diese Vergünstigungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.

(110)

Die Kommission merkt weiterhin an, dass sie nicht davon ausgehen kann, dass die genannten Steuersenkungen durch die Art oder den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sind oder dass sie aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen für die Leistungsfähigkeit des Systems erforderlich sind. Soweit diese Senkungen insbesondere nicht durch Anwendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit oder der steuerlichen Progressivität bedingt sind, sondern im Gegenteil die in einer spezifischen Region ansässigen Unternehmen unabhängig von ihrer finanziellen Situation allgemein begünstigen, können sie nicht als Bestandteile des Steuersystems gesehen werden.

(111)

Das Vereinigte Königreich und die Regierung von Gibraltar bringen verschiedene Argumente zur Untermauerung ihrer Ansicht vor, dass allein aufgrund der Tatsache, dass die beabsichtigte Reform im Allgemeinen in Gibraltar eine niedrigere Unternehmensbesteuerung als im Vereinigten Königreich vorsieht, keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegt. Diese Argumente werden im Folgenden geprüft.

(112)

Die These, wonach staatliche Beihilfe nur dann vorliegt, wenn auf Steuern verzichtet wird und daher staatliche Mittel verwendet werden, und dass im Fall von Gibraltar kein Steuerverzicht vorliegt, weil es im Vereinigten Königreich keine Besteuerung für eine Tätigkeit gibt, die auch in Gibraltar Gültigkeit hätte, ist auch eine These zur Form der Maßnahme. Ebenso formalistisch im Sinne der Aussage von Generalanwalt Saggio ist das Argument, dass selbst bei Abschaffung der angeblichen Beihilfemaßnahme der Standard- oder Normalsatz des Vereinigten Königreichs nicht gelten würde und dass daher jeder Vergleich bei einem lokal geschaffenen Steuersystem ohne Bedeutung ist, wenn es um staatliche Beihilfe geht. Da dasselbe Ergebnis mit verschiedenen rechtlichen Methoden erreicht werden kann — durch die Zulassung einer ausdrücklichen Abweichung von einem ansonsten geltenden System oder durch die Schaffung von formal separaten Systemen, die in ähnlichen Situationen Anwendung finden — lässt sich die Selektivität einer Maßnahme nicht ausschließlich damit belegen, dass auf eine anders gelagerte Situation verwiesen wird („wäre da nicht“), wobei die Situation infolge der betreffenden Maßnahme mit der Situation verglichen wird, die bestünde, „wäre da nicht“ eben diese Maßnahme. Ganz im Gegenteil, die vorliegende Maßnahme muss mit anderen Maßnahmen, die in ähnlichen Situationen gelten, in diesem Fall die Unternehmensbesteuerung im Vereinigten Königreich, verglichen werden. Auch wenn die Beurteilung einer Maßnahme im Rahmen der Regelungen der staatlichen Beihilfe nicht von der Art der vorher geltenden Maßnahmen abhängt, ist festzustellen, dass das derzeit in Gibraltar geltende Steuersystem weitgehend dem Vorbild des Vereinigten Königreichs folgt, mit Ausnahme der Begünstigungen für die Offshore-Wirtschaft.

(113)

In gleicher Weise betreffen die Argumente der Regierung von Gibraltar, bei denen die regionalen (oder sekundären) Befugnisse zur Senkung des nationalen Steuersatzes den eigenen unabhängigen Befugnissen über das gesamte Steuersystem gegenüber gestellt wird, die internen Kompetenzen des Vereinigten Königreichs und seiner Territorien. In jedem Fall kann der Umfang der Steuerautonomie, die einem bestimmten Gebiet übertragen wurde, nicht der entscheidende Faktor sein, denn da dieses Element in der Verfügungsgewalt der Mitgliedstaaten ist, wäre es unmöglich, hier eine klare Unterscheidung zu treffen, und dies würde zu einer Ungleichbehandlung gleicher Situationen führen. Ein solches Ergebnis läuft auch dem Grundsatz zuwider, dass für die Beurteilung, ob bei einer bestimmten Maßnahme staatliche Beihilfe vorliegt, die Auswirkungen berücksichtigt werden müssen.

(114)

Das Vereinigte Königreich erklärt, dass es kein gemeinsames Bezugssystem gibt, das für die gibraltarischen Unternehmen im Falle der Abschaffung der Maßnahme gelten würde. Hier dreht sich die Sache im Kreis, weil das Fehlen eines gemeinsamen Systems eine Folge der Gewährung der Steuerautonomie ist, aber andererseits ist die Existenz eines spezifischen Steuergebiets in einer bestimmten Region das Ergebnis einer Entscheidung des betreffenden Mitgliedstaats. Wenn eine Zentralregierung beschließt, ihre Befugnis zur Schaffung eines einheitlichen Besteuerungsrahmens für Unternehmen aufzugeben und es einer regionalen Institution gestattet, den Steuersatz zu senken oder ein anderes, günstigeres Steuersystem einzuführen, ist die Folge dieser Dezentralisierung der Befugnisse eine Abweichung von einem gemeinsamen Bezugssystem. Wenn dafür gesorgt wird, dass der Steuersatz direkt gesenkt wird oder einem Gebiet die Möglichkeit eingeräumt wird, einen gemeinsamen Steuersatz zu senken, oder wenn ein Gebiet von einem gemeinsamen System ausgenommen wird und die Befugnis erhält, ein günstigeres System einzuführen, ist das Ergebnis faktisch dasselbe: Unternehmen in einer bestimmten Region zahlen niedrigere Steuern bei gleichzeitigem Verzicht auf staatliche Einnahmen.

(115)

Die Kommission kann der Erklärung des Vereinigten Königreichs nicht folgen, dass ein Steuergebiet, das nicht dem Gebiet des gesamten Mitgliedstaats entspricht, daran gehindert würde, einen anderen Steuersatz als den im übrigen Steuergebiet des Staats geltenden einzuführen. Wie schon ausgeführt, ist der Schlüssel zu jeglicher Analyse, ob bei steuerlichen Maßnahmen staatliche Beihilfe vorliegt, die Feststellung des geltenden gemeinsamen Steuersystems, in diesem Fall das Steuersystem des Vereinigten Königreichs. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die vorliegende Entscheidung sich nicht auf einen Mechanismus bezieht, der sämtlichen lokalen Gebietskörperschaften einer bestimmten Ebene (Regionen, Bezirke oder andere) die Einführung und Erhebung lokaler Steuern gestattet. Im vorliegenden Fall handelt es sich hingegen um eine allein in Gibraltar geltende Steuersenkung. Jedenfalls bedeutet nicht schon die Tatsache, dass ein Steuervorteil staatliche Beihilfe darstellt, dass sie nicht so gestaltet werden kann, dass sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

(116)

Das Argument, dass die Anwendung eines höheren Steuersatzes in einer bestimmten Region automatisch dazu führt, dass niedrigere Steuern im übrigen Staatsgebiet staatliche Beihilfe werden, hat nichts mit dem vorliegenden Fall zu tun, ergibt sich nicht aus der Folgerung der Kommission und ist nicht zutreffend. In einem solchen Fall würde ein gemeinsames System in allen Regionen gelten, mit Ausnahme einer einzigen. Laut Definition wäre ein solches System keine staatliche Beihilfe. Es versteht sich von selbst, dass die Abweichung aufgrund eines höheren Steuersatzes in einer bestimmten Region keine Begünstigung darstellt und daher auch nicht als staatliche Beihilfe eingestuft werden kann. Dies zeigt erneut, dass für Mitgliedstaaten die Möglichkeit weiterhin gegeben ist, bestimmten Regionen Steuerautonomie zu gewähren, ohne notwendigerweise bestimmten Unternehmen staatliche Beihilfe zu gewähren.

(117)

Die Parallelen, die das Vereinigte Königreich zum WHO-Übereinkommen über Subventionen zieht, sind nicht relevant, da der Rechtsrahmen innerhalb der Europäischen Union sich stark von internationalen Rechtsvorschriften des WHO-Übereinkommens unterscheidet; die Regelungen für die Kontrolle der staatlichen Beihilfe in einem Binnenmarkt müssen selbstverständlich strenger sein als die Regelungen für Subventionen, die in einem weltweit geltenden Übereinkommen festgelegt sind, und die Tatsache, dass eine Maßnahme möglicherweise nach den Bestimmungen des Übereinkommens über Subventionen nicht als „spezifische Subvention“ eingestuft wird, kann den Geltungsbereich der Definition von Beihilfe in Artikel 87 Absatz 1 des EG-Vertrags nicht einschränken (31).

(118)

Was die Konsequenzen einer zukünftige Entscheidung des Vereinigten Königreichs bezüglich der Souveränität über Gibraltar gemeinsam mit Spanien für die staatliche Beihilfe anbelangt, so sind die vorgetragenen Argumente rein hypothetisch und beziehen sich auf eine Situation, die in jedem Fall im Rahmen spezifischer Regelungen zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu behandeln ist. Die vorliegenden Fakten des Falles entsprechen nicht der Hypothese des Vereinigten Königreichs und sind daher nicht relevant für die Feststellung, ob staatliche Beihilfe vorliegt oder nicht.

(119)

Das Vereinigte Königreich erhebt Einwände gegen den Vergleich der Kommission der verschiedenen Steuerbefreiungen und Abschreibungsmöglichkeiten in Gibraltar mit denen im Vereinigten Königreich. Als Begründung für diesen Einwand wird angeführt, dass keine aussagefähigen Vergleiche möglich sind, wenn die Steuersysteme oder die Bemessungsgrundlagen unterschiedlich sind. Aber entgegen der Behauptung des Vereinigten Königreichs sind aussagefähige Vergleiche möglich, wie in Absatz 100 ausgeführt wurde. Die festgestellten Unterschiede sind weitere Elemente einer Analyse, die beweisen, dass verglichen mit dem Steuersystem des Vereinigten Königreichs (das allgemein geltende Steuersystem) die steuerliche Belastung für Unternehmen in Gibraltar allgemein geringer ist.

(120)

Das Vereinigte Königreich führt das Subsidiaritätsprinzip an, um zu belegen, dass in dem Fall, wenn ein Mitgliedstaat mit zwei oder mehr autonomen Steuergebieten, die miteinander um Körperschaftssteuereinnahmen in ihrem Gebiet konkurrieren, ohne deutliche Verzerrungen des Wettbewerbs funktionieren kann, sich aufgrund des Subsidiaritätsprinzips des EU-Vertrags daraus nicht eine Aufgabe der Gemeinschaft ergibt, in die verfassungsmäßige Ordnung des Mitgliedstaats einzugreifen. Dieses Argument geht von der falschen Prämisse aus, dass es keine deutlichen Verzerrungen gibt (oder das solche Verzerrungen ganz und gar auf das Vereinigte Königreich und Gibraltar beschränkt bleiben, ohne auf andere Mitgliedstaaten überzugreifen), und es liegt ein Missverständnis des Subsidiaritätsprinzips vor. In Artikel 5 des EG-Vertrags heißt es eindeutig, dass das Subsidiaritätsprinzip nur in den Bereichen gilt, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Da die Kontrolle der staatlichen Beihilfe ein Bereich in ausschließlicher Zuständigkeit der Kommission ist, gilt das Subsidiaritätsprinzip hier nicht. Bei der Prüfung der vorgesehenen Reformen, einschließlich der regionalen Selektivität, strebt die Kommission wie bei jeder Untersuchung, ob bei steuerlichen Maßnahmen staatliche Beihilfe vorliegt, nicht nach einheitlicher Besteuerung, sondern erfüllt nur die ihr im EU-Vertrag zugewiesene Aufgabe, die staatliche Beihilfe zu kontrollieren.

(121)

Entgegen der Behauptung des Vereinigten Königreichs ist der Grundsatz, dass ein Mitgliedstaat sich nicht auf sein nationales Recht berufen kann, um seine Verpflichtungen nach dem Gemeinschaftsrecht zu umgehen, tatsächlich von Bedeutung für die Frage der Selektivität. Wie schon ausgeführt wurde, ist die Art und Weise, wie ein Mitgliedstaat seine Steuerangelegenheiten organisiert, eine Sache der Form: Er kann nicht auf die Existenz von autonomen Steuergebieten verweisen, auch wenn deren Befugnisse noch so groß sind, um die Anwendung der Regelungen der staatlichen Beihilfe zu umgehen. Dies beeinträchtigt allerdings nicht die Möglichkeiten von Mitgliedstaaten, ihre Befugnisse zu dezentralisieren. Das Problem betrifft die Ausübung dieser dezentralisierten Befugnisse. Mitgliedstaaten und die Organe, denen Befugnisse übertragen wurden, müssen dafür sorgen, dass das Gemeinschaftsrecht, einschließlich der Regelungen der staatlichen Beihilfe, eingehalten wird. Konkreter gesagt müssen Mitgliedstaaten bei Übertragung von Steuerbefugnissen und gleichzeitiger Beibehaltung eines zentralen Bezugssystems sicherstellen, dass Steuervergünstigungen, soweit sie staatliche Beihilfe darstellen, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.

(122)

Das Vereinigte Königreich argumentiert unter anderem, dass Gibraltar nicht Teil des Vereinigten Königreichs ist, seine eigenen getrennten Institutionen und seine eigene verfassungsmäßige Ordnung hat und autonom, selbstverwaltend und wirtschaftlich autark ist.

(123)

Die Kommission räumt ein, dass Gibraltar im Sinne des innerstaatlichen Rechts kein Teil des Vereinigten Königreichs ist und eigene Institutionen hat, auch wenn die Behörden im Vereinigten Königreich gewisse Zuständigkeiten und Rechte behalten, einschließlich der Befugnis sicherzustellen, dass die von Gibraltar in innerstaatlichen Angelegenheiten getroffenen Maßnahmen den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs im Rahmen des EG-Vertrags nicht zuwider laufen. Wie aber auch bei anderen autonomen Regionen ändert dies nichts an der Beurteilung der von den Behörden von Gibraltar getroffenen Maßnahmen. Gibraltar ist durch seine Verbindungen zum Vereinigten Königreich Teil der Gemeinschaft. Alle Gemeinschaftsvorschriften gelten für Gibraltar, vorbehaltlich der Ausnahmen, die sich aus Artikel 28 der Beitrittsakte ergeben, seit das Vereinigte Königreich Mitgliedstaat wurde, und aufgrund dieser Mitgliedschaft. Folglich sind Bürger der britischen abhängigen Gebiete, die ihre Staatsangehörigkeit durch eine Verbindung zu Gibraltar erhalten, Bürger der Union. Diese Bürger und in Gibraltar eingetragene Unternehmen haben die vom EG-Vertrag anerkannten Rechte und Freiheiten, einschließlich der Dienstleistungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs, die für die Wirtschaftstätigkeit der Begünstigten von Bedeutung sind. Das Vereinigte Königreich ist dafür verantwortlich, die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts in Gibraltar zu gewährleisten, das in diesem Sinne als Teil des britischen Hoheitsgebiets behandelt wird (32). Im Sinne der Regelungen der staatlichen Beihilfe, einschließlich der Anwendung der Artikel 87 und 88 auf steuerliche Maßnahmen, muss Gibraltar daher als Teil des Vereinigten Königreichs gelten.

(124)

Es mag zwar zutreffen, dass das Gemeinschaftsrecht aufgrund von Artikel 299 Absatz 4 des EG-Vertrags und nicht Artikel 299 Absatz 1 auf Gibraltar Anwendung findet, damit erhält Gibraltar aber keinen Sonderstatus in der Anwendung der Regelungen der staatlichen Beihilfe im Allgemeinen und der regionalen staatlichen Beihilfe im Besonderen. In den Absätzen 1, 2 und 4 des Artikels 299 heißt es, dass die Bestimmungen des Vertrags gelten und kein Unterschied zwischen der Rechtsordnung der verschiedenen in jedem Absatz genannten Hoheitsgebiete festzustellen ist, vorbehaltlich bestimmter und ausdrücklich angeführter Ausnahmeregelungen. Wie oben ausgeführt wurde, schließt die Beitrittsakte Gibraltar nicht von der Anwendung der Regelungen der staatlichen Beihilfe aus. Die Art und Weise, wie Gemeinschaftsrecht in Gibraltar in Kraft gesetzt wird, wie auch die Umsetzung der Richtlinien und die Einrichtung zuständiger Behörden, ist nicht von Bedeutung für die Frage, ob es sich bei der Reform um staatliche Beihilfe handelt oder nicht. Wie der Mitgliedstaat Gemeinschaftsrecht umsetzt, ist allein eine Angelegenheit der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung. Dass eine Maßnahme auf regionaler Ebene beschlossen wird, betrifft in keiner Weise die Anwendung des Artikels 87 des EG-Vertrags (33).

(125)

Schließlich ist die Tatsache, dass der Haushalt eines bestimmten Gebiets unabhängig ist, nicht unmittelbar relevant für die Beurteilung einer von den Behörden des Gebiets beschlossenen Maßnahme unter dem Gesichtspunkt der Regelungen der staatlichen Beihilfe. Eine solche Beurteilung muss von den Auswirkungen der Maßnahme für die begünstigten Unternehmen und nicht der Situation der gewährenden Behörde ausgehen. Insbesondere ein kleines Gebiet wie Gibraltar kann sogar autark werden, gerade weil es in der Lage ist, niedrigere Steuersätze anzuwenden und Unternehmen anzuziehen, insbesondere in der Offshore-Wirtschaft. Es ist jedenfalls eine Tatsache, dass Gibraltar u. a. in seiner Außenpolitik, also auch der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, der Verteidigungspolitik und der Währungspolitik, vom Vereinigten Königreich abhängig ist. Es profitiert also von einer Reihe von Diensten, die das Vereinigte Königreich ausführt. Außerdem lässt sich aus den bestehenden institutionellen Regelungen schließen, dass die Zuständigkeit in Finanzfragen letztendlich Sache des Vereinigten Königreichs ist.

(126)

Zur Erklärung der Exekutive von Åland, dass eine allgemeine steuerliche Maßnahme innerhalb einer Region mit Selbstverwaltung nicht selektiv sei, lässt sich sagen, dass sie von derselben These ausgeht wie das Vereinigte Königreich und die Regierung von Gibraltar. Die Kommission verweist auf ihre Folgerung, die insbesondere in den Absätzen 104-109 schon erläutert wurde. Ferner stellt die Kommission fest, dass sie im Fall der konzerneigenen Versicherungsgesellschaften der Åland-Inseln die materielle Selektivität begründen konnte. Es war daher für eine abschließende negative Entscheidung zu der Maßnahme nicht erforderlich, auf die regionale Selektivität zu verweisen.

(127)

Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die Reform durch die Einführung eines Körperschaftssteuersystems, bei dem Unternehmen in Gibraltar allgemein niedriger besteuert werden als Unternehmen im Vereinigten Königreich, Unternehmen in Gibraltar selektiv begünstigt.

(128)

Die Anwendung des Höchstsatzes von 15 % bei der Lohnsummensteuer zusammen mit der Gewerbegrundbenutzungssteuer hat zur Folge, dass Unternehmen, die keinen Gewinn erzielen, unabhängig von der Zahl ihrer Mitarbeiter und der Nutzung von Gewerbeeigentum nicht besteuert werden. Dies hat praktisch die Wirkung einer Steuerbefreiung unprofitabler Unternehmen und ist eine Begünstigung, die diese Unternehmen von der Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer befreit, die sie normalerweise hätten tragen müssen.

(129)

Diese Befreiung von Lohnsummensteuern und Gewerbegrundbenutzungssteuern ist selektiv, weil sie nur für Unternehmen gilt, die keinen Gewinn erzielen. Neben Unternehmen in Schwierigkeiten und anderen, deren Haupteinnahmequelle Kapitalgewinne sind, könnten in den einzelnen Jahren z. B. Unternehmen hinzukommen, die in konjunkturabhängigen Bereichen tätig sind, Unternehmen in der geschäftlichen Aufbauphase und Unternehmen, in denen Gewinne durch zusätzliche Zahlungen an mitarbeitende Gesellschafter oder andere Mitarbeiter eliminiert werden. Die Kommission kann der Argumentation des Vereinigten Königreichs nicht folgen, dass die im System vorgesehene quantitative Begrenzung, bei der unprofitable Unternehmen von der Steuer befreit sind, in gleicher Weise für alle Unternehmen unabhängig von der Größe oder dem Wirtschaftssektor gilt und daher nicht selektiv ist. Auch wenn scheinbar eine allgemeine Gültigkeit vorliegt, lassen sich bestimmte Unternehmen, die von der Steuerbefreiung profitieren, feststellen, wie noch gezeigt wird.

(130)

Die Kommission kann sich auch nicht der Argumentation des Vereinigten Königreichs anschließen, dass selbst dann, wenn die Befreiung von unprofitablen Unternehmen selektiv wäre, dies aufgrund der Art oder der Anlage des Körperschaftssteuersystems gerechtfertigt ist.

(131)

Es stimmt zwar, dass die Befreiung von nicht profitablen Unternehmen ein wesentliches Merkmal eines Systems ist, das Gewinne besteuert, aber dies ist nicht der Fall, wenn die Bemessungsgrundlage die Zahl der Mitarbeiter oder die Nutzung von Gewerbeeigentum ist. In solchen Systemen ist die Bemessungsgrundlage für Körperschaften völlig anders angelegt. Es ist zum Beispiel die innere Logik eines Lohnsummensteuersystems, dass für jeden einzelnen Mitarbeiter für das beschäftigende Unternehmen eine entsprechende Steuerschuld entsteht. In diesem Sinne ist die Parallele zutreffend, die die Kommission zu Sozialversicherungsbeiträgen zieht, unabhängig davon, wie das Vereinigte Königreich anmerkt, dass sie einen anderen Zweck verfolgen als Steuermaßnahmen. Selbst wenn eine Lohnsummensteuer stellvertretend für eine Ertragssteuer eingeführt würde (dieses Argument kommt nicht vom Vereinigten Königreich), wäre es immer noch logisch bei einem Lohnbesteuerungssystem, dass unprofitable Unternehmen steuerpflichtig sind. Der Ansatz der Mitarbeiterzahl anstelle der Profitabilität beseitigt die Notwendigkeit, Gewinne festzustellen, oder die dabei entstehenden Schwierigkeiten werden umgangen. Dies ist in Gibraltar nicht der Fall, wo bei der Reform die Berechnung der Unternehmensgewinne ein Merkmal der Regelungen sowohl für die Lohnsummensteuer als auch die zusätzliche Steuer ist.

(132)

Das Vereinigte Königreich erklärt, das System basiere auf dem gewinnbringenden Einsatz von Arbeit und sei von daher schlüssig. Dies lässt auf ein hybrides System schließen, in dem zwei unterschiedliche Bemessungsgrundlagen je nach Situation der Unternehmen gelten. Unter diesen Umständen wird es unmöglich, die Art und den inneren Aufbau des Systems zu erkennen und dieser Rechtfertigung zu folgen. Insbesondere kann nicht daran gedacht werden, dass irgendein Merkmal eines solchen Systems zum inneren Aufbau gehört, denn damit würde die automatische Rechtfertigung eines derartigen Systems praktisch anerkannt.

(133)

Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die Befreiung unprofitabler Unternehmen von der Lohnsummensteuer und der Gewerbegrundbenutzungssteuer durch die Anwendung des Höchstsatzes von 15 % selektiv ist und, sofern die anderen Bedingungen erfüllt sind, eine staatliche Beihilfe zugunsten der begünstigten Unternehmen darstellen kann. Sie ist nicht durch die Art oder den inneren Aufbau des vorgesehenen Steuersystems zu rechtfertigen. Dies gilt unbeschadet der Bewertung der Vereinbarkeit einer solchen Maßnahme.

(134)

Eine zweite Konsequenz der Begrenzung der kombinierten Steuerpflicht für Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer auf 15 % der Gewinne ist die Tatsache, dass profitable Unternehmen, deren Steuerschuld sonst diesen Höchstsatz übersteigen würde, von der Steuer befreit sind, die sie oberhalb dieses Satzes hätten zahlen müssen. Diese Steuervergünstigung verschafft den Unternehmen, die davon profitieren, einen Vorteil, durch den die ihnen normalerweise entstehenden Belastungen verringert werden.

(135)

Der Höchstsatz von 15 % ist außerdem selektiv, da nur eine begrenzte Zahl von Unternehmen bei der Anwendung in den Genuss einer Verringerung der Steuerschuld kommen. Auch wenn das Vereinigte Königreich und Gibraltar nicht mehr behaupten, dass lediglich zehn Unternehmen vom dem Höchstsatz profitieren, wird dennoch die Breite der Anwendung der Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer eingeschränkt. Die Begünstigten werden arbeitsintensive Unternehmen sein, das sind solche, die für das betreffende Steuerjahr niedrige Gewinne im Verhältnis zu der Zahl ihrer Mitarbeiter und der Nutzung von Gewerbeeigentum erzielen. Die Anwendung eines reinen Lohnsummen- und Gewerbegrundbenutzungssteuersystems könnte eine sehr hohe Steuerlast für diese Unternehmen bedeuten.

(136)

Die Kommission nimmt die These des Vereinigten Königreichs und Gibraltars, dass eine konkrete Gruppe von Unternehmen nicht festzustellen ist und dass die Regelungen allgemein auf alle Unternehmen in Gibraltar anwendbar sind, zur Kenntnis. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Höchstsatz von 15 % in der im vorstehenden Absatz dargelegten Hinsicht faktisch selektiv ist. Dabei sind die Verweise des Vereinigten Königreichs und von Gibraltar auf Ziffer 14 der Mitteilung nicht relevant, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wird, dass scheinbar allgemeine Maßnahmen staatliche Beihilfe sein können. Ziffer 14 insbesondere weist beispielsweise auf Steueranreize für bestimmte Investitionen und Maßnahmen hin, mit denen die Besteuerung von Arbeit „für alle Firmen“ verringert werden soll, was bei der Begrenzung auf 15 % nicht der Fall ist, von der nur Unternehmen profitieren, die im Verhältnis zur Zahl ihrer Mitarbeiter einen relativ geringen Gewinn erzielen. Außerdem ist der Höchstsatz von 15 % keine rein technische Maßnahme im Sinne des ersten Einzugs in Ziffer 13 der Mitteilung. Während die konventionellen Körperschaftssteuersysteme den Steueranteil am Gewinn durch die Festlegung von Steuersätzen (es gibt einen Spitzen- oder Höchststeuersatz) begrenzen, ist die entsprechende technische Maßnahme in einem Lohnsummensteuersystem der Steuersatz pro Mitarbeiter, der in Gibraltar einheitlich mit 3 000 GBP festgelegt ist. Die Einführung einer Obergrenze in das System der Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer, die an ein anderes Kriterium geknüpft ist, nämlich die Höhe des Gewinns, lässt sich nicht mit der Anwendung variabler Steuersätze bei einer progressiven Gewinnbesteuerung vergleichen, die aufgrund der Art und des inneren Aufbaus des Systems gerechtfertigt ist (Ziffer 24 der Mitteilung). Die Begrenzung auf 15 % ist auch keine Maßnahme zur Verfolgung eines allgemeinen Ziels der Wirtschaftspolitik im Sinne des zweiten Einzugs in Ziffer 13 der Mitteilung, weil sie die steuerliche Belastung bei bestimmten Produktionskosten in der Gesamtwirtschaft von Gibraltar nicht verringert, sondern nur einer begrenzten Zahl von Unternehmen zugute kommt. Außerdem ist die Begrenzung nicht direkt mit Personal- oder Standortkosten verknüpft, sondern vielmehr mit der Ertragskraft eines Unternehmens. Dies ist ein Element, das nichts mit einer Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer zu tun hat.

(137)

Die Kommission kann nicht der Argumentation des Vereinigten Königreichs folgen, dass in dem Fall, wenn die Begrenzung auf 15 % selektiv ist, dieser Höchstsatz aufgrund der Art oder des inneren Aufbaus des Systems, in dem er vorgesehen ist, gerechtfertigt ist. In einem System, bei dem der profitable Einsatz von Arbeit und Gewerbeeigentum besteuert wird, gibt es keine grundsätzliche Bedingung, den Teil des Gewinns zu begrenzen, den ein Unternehmen aufgrund seiner Nutzung dieser steuerpflichtigen Faktoren zahlen muss. In einem solchen System ist es offensichtlich logisch, dass die Steuerschuld umso größer ist, je mehr Menschen in dem Unternehmen beschäftigt sind und je mehr Geschäftsräume es nutzt. Die vom Vereinigten Königreich vorgebrachten Argumente sind im Wesentlichen wirtschaftlicher Natur. Sie beziehen sich nicht auf die innere Logik des vorgesehenen Systems.

(138)

Das Vereinigte Königreich führt an, dass die gibraltarische Wirtschaft empfindlicher als die meisten anderen Länder auf Erschütterungen durch den Steuerwettbewerb reagiert und dass es sich Unternehmen möglicherweise nicht leisten können, einen großen Mitgliedstaat so leicht zu verlassen wie Gibraltar. Die Kommission stellt aber fest, dass nicht viel zur Unterstützung dieser Hypothese vorgebracht wurde, nach der, sollte sie zutreffen, der Höchstsatz von 15 % Teil einer Strategie mit dem Ziel ist, bewegliches Kapital in Gibraltar zu halten oder sogar anzulocken, und das zielt angesichts der geringen geografischen Größe wahrscheinlich auf Finanz- und andere Dienstleistungen. Das Argument, dass in der Besteuerung von Versorgungsunternehmen, die in Gibraltar über eine Monopol- oder Quasi-Monopolstellung verfügen, kein regressives Element erforderlich ist, lässt ebenfalls vermuten, dass bewegliches Kapital das Ziel der Begrenzung auf 15 % ist.

(139)

Zu dem Argument, dass ohne ein regressives Element eine Lohnsteuer Massenentlassungen und Instabilität in Zeiten konjunktureller Marktschwankungen auslösen könnte, kann die Kommission nur feststellen, dass dies zu einem solchen System gehört. Jedenfalls würde die Lohnsummensteuer in Höhe von 3 000 GBP für jeden Mitarbeiter nur einen kleinen Teil der gesamten Lohnstückkosten ausmachen (34). Daher besteht der Anreiz, zur Kostenkontrolle Arbeitskräfte zu entlassen, gleichermaßen mit oder ohne Lohnsummensteuer.

(140)

Die Kommission nimmt auch die Auswirkungen der Begrenzung auf 15 % auf die Offshore- und Onshore-Bereiche der Wirtschaft von Gibraltar zur Kenntnis. Im Offshore-Bereich finden sich steuerbefreite (exempt) und anerkannte (qualifying) Unternehmen, im Rahmen der Reform werden die diesbezüglichen Gesetze allerdings aufgehoben. Steuerbefreite Unternehmen haben meistens keine tatsächliche Niederlassung in Gibraltar (keine Mitarbeiter oder Geschäftsräume) und zahlen eine feste Steuer zwischen 200 GBP und 300 GBP jährlich. Dagegen haben anerkannte Unternehmen eine tatsächliche Niederlassung in Gibraltar (sie sind wichtige Arbeitgeber) und handeln ihren Steuersatz mit den Behörden aus. Die große Mehrheit der anerkannten Unternehmen zahlen Körperschaftssteuer zwischen 2 % und 10 % ihrer Gewinne. Der Höchstsatz von 15 % bedeutet daher eine Begrenzung jeglicher Erhöhung für anerkannte Unternehmen, wenn die Reform umgesetzt wird. Für die Onshore-Wirtschaft dagegen (ohne Versorgungsunternehmen) wird der Steuersatz unter die jetzige Standardkörperschaftssteuer von 35 % fallen. Anscheinend gibt die Regierung von Gibraltar auch zu, dass die Reform als ganzes (mit dem Höchstsatz von 15 %) so angelegt wurde, dass sie den besonderen „Steuerbedürfnissen und -präferenzen“ von Bereichen innerhalb der Finanzdienstleistungsbranche entspricht (35). Die Kommission stellt außerdem fest, dass mit der Streichung des ursprünglich geplanten Steuerhöchstbetrags von 500 000 GBP das Vereinigte Königreich angezeigt hat, dass Gibraltar als Konsequenz die zusätzliche Steuer auf Finanzdienstleistungen von 8 % auf 4-6 % senken wird. Das deutet darauf hin, dass mit der Festlegung von Obergrenzen für die zu entrichtenden Steuern Finanzdienstleistungsunternehmen, die zum großen Teil zu den anerkannten Unternehmen gehören und auch zu den wichtigsten Arbeitgebern im „Finance Centre“ von Gibraltar zählen, begünstigt werden sollen.

(141)

Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass aufgrund der Bedingungen im vorliegenden Fall der Höchstsatz von 15 % selektiv ist und, sofern die anderen Bedingungen erfüllt sind, eine staatliche Beihilfe zugunsten der Unternehmen, die in deren Genuss kommen, darstellen kann. Er ist nicht durch die Art oder den inneren Aufbau des vorgesehenen Steuersystems zu rechtfertigen. Dies gilt unbeschadet der Bewertung der Vereinbarkeit einer solchen Maßnahme.

(142)

In Ziffer 13 der Mitteilung heißt es: „Steuerliche Maßnahmen, die allen Wirtschaftsteilnehmern im Gebiet eines Mitgliedstaats zugute kommen, stellen grundsätzlich allgemeine Maßnahmen dar. Sie müssen tatsächlich allen Unternehmen in gleicher Weise offen stehen und ihre Tragweite darf z. B. nicht durch die Ermessensbefugnis des Staates bei der Gewährung oder durch andere Elemente, die ihre praktische Wirkung einschränken, verringert werden. Diese Bedingung schränkt allerdings nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten ein, die Wirtschaftspolitik zu wählen, die sie für geeignet halten, und insbesondere die Steuerbelastung so auf die Produktionsfaktoren zu verteilen, wie es ihren Vorstellungen entspricht. Folgende Maßnahmen stellen, vorausgesetzt sie gelten gleichermaßen für alle Unternehmen und Produktionszweige, keine staatlichen Beihilfen dar:

rein steuertechnische Maßnahmen (z. B. Festlegung von Steuersätzen, von Vorschriften über Wertminderung und Abschreibung sowie von Vorschriften über den Verlustvortrag; Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder der Steuerumgehung),

Maßnahmen, die ein Ziel der allgemeinen Wirtschaftspolitik verfolgen, indem die mit bestimmten Produktionskosten verbundene Steuerbelastung reduziert wird (z. B. Forschung und Entwicklung, Umweltschutz, Ausbildung, Beschäftigung).“

(143)

Unbeschadet der Überlegungen bezüglich der Auswirkungen der Steuervorschläge (insgesamt) in den Absätzen 147-152 oder bezüglich der Selektivität in den Absätzen 98-127 kann eine Lohnsummensteuer, bei der alle Unternehmen für jeden Mitarbeiter jährlich einen festen Betrag entrichten müssen, zumindest unter bestimmten Umständen als selektiv betrachtet werden, wenn sie ohne ein allgemeines System der Besteuerung von Unternehmensgewinnen angewandt werden und an Stelle eines solches System gelten. Dies ist der Fall, wenn man die Hauptmerkmale der Wirtschaft von Gibraltar und insbesondere die Existenz eines großen Offshore-Sektors ohne Steuerpräsenz, der sich jeder Erfassung für Lohnsummensteuer und Gewerbegrundbenutzungssteuer entzieht, berücksichtigt. Auch wenn ein solches System formell ohne Unterschied für alle Unternehmen gilt, begünstigt es faktisch die jetzigen „steuerbefreiten Unternehmen“, die keine Mitarbeiter in Gibraltar beschäftigen. Es stellt eine spezifische Begünstigung dieser Unternehmen ohne echte Präsenz in Gibraltar dar, die aufgrund dessen nicht körperschaftssteuerpflichtig sind. Dieser Vorteil steht nicht tatsächlich allen Firmen in gleicher Weise offen im Sinne des zweiten Satzes von Ziffer 13 der Mitteilung. Die praktische Nutzung des Vorteils ist vielmehr auf bestimmte Unternehmen beschränkt. Außerdem stellt die von Gibraltar vorgesehene Lohnsummensteuer im Grunde keine Steuermaßnahme rein technischer Art im Sinne des ersten Einzugs in Ziffer 13 der Mitteilung dar, weil es sich nicht um eine technische Anpassung eines allgemeinen Systems handelt, sondern die Bemessungsgrundlage betrifft. In diesem speziellen Fall ist die Steuerbefreiung keine Maßnahme, die ein Ziel der allgemeinen Wirtschaftspolitik im Sinne des zweiten Einzugs in Ziffer 13 der Mitteilung verfolgt, weil sie keine Produktionskosten senkt, sondern vielmehr die Lohnkosten erhöht. Dieselbe Überlegung gilt in gleicher Weise für eine Gewerbegrundbenutzungssteuer, die aufgrund des Fehlens eines allgemeinen Systems zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen erhoben wird und an Stelle eines solchen Systems gilt, Eine solche Maßnahme begünstigt auch die heutigen „steuerbefreiten Unternehmen“, die normalerweise keine tatsächliche Niederlassung in Gibraltar haben. Dementsprechend kommt die Kommission zu dem Schluss, dass bei den Gegebenheiten des vorliegenden Falles und unter Berücksichtigung der bedeutenden Offshore-Wirtschaft in Gibraltar das vorgesehene System materielle selektive Beihilfe darstellt.

(144)

Außerdem hat ein System, das sich in einer Umgebung, wo viele Unternehmen keine Mitarbeiter und keine Gewerberäume haben, nur nach der Zahl der Mitarbeiter oder der geschäftlichen Nutzung von Gewerbeeigentum richtet, nicht denselben allgemeinen Charakter wie die Besteuerung von Unternehmensgewinnen, deren Ziel die Besteuerung des Ergebnisses wirtschaftlicher Tätigkeit insgesamt ist. Es kann daher als selektiv betrachtet werden, zumindest unter Umständen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind. Diese Situation muss von einem System unterschieden werden, wo eine Lohnsummensteuer oder eine Gewerbegrundbenutzungssteuer zusätzlich zur allgemeinen Ertragssteuer erhoben wird; damit wird eine umfassende Besteuerung aller Sektoren der Wirtschaft gewährleistet, und es handelt sich somit um einen unbedeutenderen Aspekt der Unternehmensbesteuerung.

(145)

Es mag zwar zutreffen, wie Spanien erklärt, dass die Regelungen der Eintragungsgebühr Unternehmen bevorzugen, die keine Einkommen erzielen, aber diese Bevorzugung ist keine staatliche Beihilfe. Wie das Vereinigte Königreich ausführt, liegt der Unterschied von 150 GBP (ca. 225 EUR) in der Eintragungsgebühr zwischen den zwei Unternehmensklassen deutlich unter dem De-minimis-Höchstbetrag (36) von 100 000 EUR für einen Dreijahreszeitraum. Sofern alle relevanten Bedingungen erfüllt sind, fällt die Differenz in der Eintragungsgebühr daher unter die De-minimis-Regelung und stellt keine staatliche Beihilfe dar.

(146)

Spanien erklärt, dass das Fehlen einer zusätzlichen Besteuerung von Sektoren, die keine Finanzdienstleister und Versorgungsunternehmen sind, Unternehmen in diesen Sektoren begünstigt. Die Kommission teilt diese Ansicht nicht. Es mag zwar sein, dass in dem Fall, wenn der Staat einer konkreten Gruppe von Unternehmen eine Vergünstigung gewährt, nach dem ersten Anschein staatliche Beihilfe vorliegt. Wenn der Staat von Unternehmen außergewöhnliche Abgaben verlangt, wie Steuerzuschläge, kann es sich nur dann um staatliche Beihilfe handeln, wenn nachgewiesen werden kann, dass diese Steuer einen entsprechenden Vorteil für feststellbare Konkurrenten der Unternehmen bewirkt, die derart benachteiligt werden. Entgegen der Behauptung des Vereinigten Königreichs ist der Zweck der zusätzlichen Steuern für die Feststellung, ob staatliche Beihilfe vorliegt, nicht relevant. Die Kommission kommt dennoch zu dem Schluss, dass die zusätzlichen Steuern für sich genommen eine Benachteiligung der betroffenen Unternehmen bewirken. Diese Schlussfolgerung gilt unbeschadet der Einschätzung, dass diese zusätzliche Steuer Teil eines Systems ist, das faktisch unterschiedliche Steuersätze für unterschiedliche Arten von Unternehmen vorsieht.

(147)

Die folgende Tabelle enthält die Daten (37) zu verschiedenen Unternehmenskategorien in Gibraltar und deren Steuerschuld gemessen an ihren Gewinnen, die sich aus der vorgesehenen Reform ergeben. Es ist zu beachten, dass in manchen Fällen die Steuerschuld bestimmter Unternehmen zwar auch von der Zahl der Mitarbeiter oder der kommerziellen Nutzung von Räumlichkeiten abhängt, aber die verschiedenen Obergrenzen und Aufschläge zusammen bewirken, dass in den verschiedenen Sektoren der Wirtschaft die Höhe der Steuern gemessen am Gewinn unterschiedlich ist.

Tabelle 1: Daten zu Unternehmen in Gibraltar

 

 

Steuersatz

 

Anzahl

Heute

Nach Reform

Alle Unternehmen (unterteilt nach Sektoren)

29 000

 

 

Finanzdienstleistungen

179

0-35 %

5-15 % (40)

Versorgungsunternehmen

23

35 %

35 %

Andere

28 798

0-35 %

0-15 %

Alle Unternehmen (unterteilt nach Einkünften)

29 000

 

 

Mit Einkünften

10 400

0-35 %

0-15 % (38)

Ohne Einkünfte

18 600

Unternehmen mit Einkünften (unterteilt nach Status)

10 400

 

 

Steuerpflichtig

1 400

0-35 %

0-15 % (38)

Nicht steuerpflichtig

9 000

0 %

0-5 % (39)  (40)

Steuerpflichtig mit Einkünften (unterteilt nach Gewinn)

1 400

 

 

Mit Gewinn

540

0-35 %

0-15 % (38)

Ohne Gewinn

500

Steuerpflichtig mit Einkünften (unterteilt nach Status)

1 400

 

 

Anerkannt

140

2-10 % (41)

0-15 %

Nicht anerkannt

1 260

35 % (42)

0-15 %

Versorgungsunternehmen

23

35 %

35 %

Steuerbefreit mit Einkünften (unterteilt nach Sektor)

9 000

 

 

Finanzdienstleistungen

70

0 %

5 % (39)  (40)

Nichtfinanzdienstleistungen

8 930

0 %

0 % (39)

(148)

Tabelle 1 zeigt, wie bestimmte, genau umschriebene Sektoren der Wirtschaft von Gibraltar bei der Besteuerung von der Umsetzung der Reform betroffen wären. Die Kommission nimmt zwar zur Kenntnis, dass im Rahmen der Reform die formale Unterscheidung zwischen Offshore- und Onshore-Wirtschaft abgeschafft wird, aber durch den Vergleich der Steuern kann verdeutlicht werden, dass Selektivität Bestandteil des vorgesehenen Steuersystems ist. Verschiedene Arten von Unternehmen werden unterschiedlich besteuert, und das ist ein weiteres Element, das bestätigt, dass das vorgesehene System den Sektoren, die in den Genuss niedrigerer Steuersätze kommen, selektive Vergünstigungen zugesteht.

(149)

Im Offshore-Sektor von Gibraltar werden derzeit für steuerbefreite und anerkannte Unternehmen zwei parallele Untersuchungen der staatlichen Beihilfe durchgeführt. In diesem Zusammenhang vertrat die Kommission die Ansicht, dass die Behörden von Gibraltar steuerbefreiten Unternehmen über die Steuerbefreiung staatliche Beihilfe gewähren (43). Entsprechend stellte die Kommission am selben Tag fest, dass die Behörden von Gibraltar durch die Anwendung eines niedrigen Steuersatzes im Vergleich zum Standardkörperschaftssteuersatz anerkannten Unternehmen staatliche Beihilfe gewähren (44).

(150)

Aus Tabelle 1 geht eindeutig hervor, dass steuerbefreite Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors nach der Umsetzung der Reform weiterhin effektiv einen Steuersatz von Null zahlen. Der Grund dafür ist, dass steuerbefreite Unternehmen häufig keine tatsächliche Niederlassung in Gibraltar haben. Dementsprechend haben sie weder Mitarbeiter noch Geschäftsräume in Gibraltar und müssen daher weder Lohnsummensteuern noch Gewerbegrundbenutzungssteuern entrichten. Ihre privilegierte Stellung ohne Zahlung von Steuern wird durch die Reform bewahrt, die ihnen effektiv weiterhin staatliche Beihilfe zugesteht. Mit der Umsetzung der Reform müssen steuerbefreite Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor eine Steuer von 5 % entrichten. Aber selbst wenn sie zum ersten Mal besteuert werden, behalten sie im Großen und Ganzen ihre privilegierte Stellung in der Wirtschaft von Gibraltar, weil ihre Steuern nicht über 5 % hinausgehen werden. Dagegen gilt für die übrige Wirtschaft von Gibraltar der Höchststeuersatz von 15 % bzw. 35 %.

(151)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Reform die bestehende Situation, wo steuerbefreite Unternehmen die Begünstigten der staatlichen Beihilfe sind, festschreibt. Allgemeiner gesagt, sieht das System Ertragssteuern in unterschiedlicher Höhe für die verschiedenen Sektoren der Wirtschaft vor und gewährt damit Unternehmen in den Sektoren mit niedrigeren Steuersätzen einen selektiven Vorteil. Auch aus diesem Grund ist die gemeldete Regelung materiell selektiv.

(152)

Die angemeldeten Maßnahmen sind daher mit regionaler und materieller Selektivität verbunden; letztere ergibt sich sowohl aus den spezifischen Merkmalen des vorgesehenen Systems als auch der Analyse des Systems als Ganzes.

(153)

Durch die Gewährung von Steuerbefreiungen und -ermäßigungen, die eingehend in den Absätzen 98 bis 152 untersucht wurden, entsteht ein Steuereinnahmeverlust, der gemäß Ziffer 10 der Mitteilung der Verwendung staatlicher Mittel in Form von Steuerausgaben gleich steht. Wie vom Gerichtshof bestätigt, gilt dieser Grundsatz auch für Vorteile, die von regionalen oder lokalen Einrichtungen von Mitgliedstaaten gewährt werden (45). Das Argument, dass auf keine Steuereinnahmen verzichtet wird, weil Steuern des Vereinigten Königreichs nicht in Gibraltar gelten, wurde schon weiter oben behandelt. Daraus ergibt sich, dass die Begünstigung vom Staat und aus staatlichen Mitteln gewährt wird.

(154)

Gibraltar ist eine offene Marktwirtschaft. Viele der in Gibraltar niedergelassenen Unternehmen (und die Konzerne, zu denen sie gehören), sind wahrscheinlich in einem Bereich aktiv, in dem Handel zwischen Mitgliedstaaten stattfindet. Dies ist besonders im Dienstleistungssektor der Fall, wo die entsprechenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts in Gibraltar uneingeschränkt Anwendung finden. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass in dem Fall, wenn vom Staat gewährte Beihilfe die Position eines Unternehmens gegenüber anderen Unternehmen stärkt, die im innergemeinschaftlichen Handel konkurrieren, diese Unternehmen als durch die Beihilfe betroffen betrachtet werden müssen. Dafür ist es nicht nötig, dass das empfangende Unternehmen selbst seine Produkte exportiert. Wenn ein Mitgliedstaat einem Unternehmen Beihilfe gewährt, kann die inländische Produktion deswegen auf dem gleichen Stand gehalten oder erhöht werden, mit dem Ergebnis, dass in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen geringere Chancen haben, ihre Produkte auf den Markt des anderen Mitgliedstaats zu exportieren. Wenn ein Mitgliedstaat Unternehmen in der Dienstleistungs- oder Distributionsindustrie Beihilfen gewährt, ist es ebenfalls nicht nötig, dass die empfangenden Unternehmen selbst ihre Geschäfte außerhalb des Mitgliedstaats betreiben, damit die Beihilfe Auswirkungen auf den Handel in der Gemeinschaft hat, besonders bei Unternehmen, die nahe an der Grenze zwischen zwei Mitgliedstaaten angesiedelt sind. Der relativ geringe Betrag der Beihilfe oder die relativ geringe Größe des Unternehmens, das sie erhält, schließt nicht schon an sich die Möglichkeit aus, dass der innergemeinschaftliche Handel beeinflusst werden könnte (46). Daher wirkt sich die Steuerbefreiung für gibraltarische Unternehmen, die in Bereichen mit innergemeinschaftlichem Handel aktiv sind, in entsprechendem Umfang auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten aus und verzerrt den Wettbewerb oder kann ihn verzerren.

(155)

Das Vereinigte Königreich, die Regierung von Gibraltar und Spanien tragen ihre Stellungnahmen zur Vereinbarkeit der Reform mit den Kriterien im Verhaltenskodex und mit anderen internationalen Normen vor. Wie aber von der Regierung von Gibraltar angemerkt wird, ist die Tatsache, dass eine Maßnahme im Kodex als schädlich (oder in anderer Weise bedeutsam, wie es bei der Reform der Fall ist (47)) eingestuft wird, nicht direkt von Belang für die Beurteilung, ob dabei im Sinne des Artikels 87 des EG-Vertrags staatliche Beihilfe vorliegt. Die vom Vereinigten Königreich zurückgewiesenen Behauptungen von Spanien, die sich auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche beziehen, sind ebenso wenig relevant für die Untersuchung der staatlichen Beihilfe, wie das Vereinigte Königreich hervorhebt.

(156)

Die Kommission weist die Stellungnahme der Regierung von Gibraltar zurück, dass die Kommission in ihren Maßnahmen zur staatlichen Beihilfe nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet habe. Es wurde kein spezifischer Nachweis als Beleg für diese Behauptung erbracht. Bei der Untersuchung möglicher staatlicher Beihilfe im Sinne des Artikels 87 des EG-Vertrags ist die Kommission in jedem Fall verpflichtet, jede Maßnahme allein nach Lage der Dinge zu betrachten. Auch wenn die Regierung von Gibraltar erklärt, dass die Maßnahmen in den Artikeln 95-97 des EG-Vertrags die angemessene Vorgehensweise vorgeben, stellt die Kommission fest, dass Ziffer 15 der Mitteilung in Zusammenhang mit Ziffer 6 zu lesen ist, in der eindeutig auf mögliche Vorgehensweisen im Zusammenhang mit den Auswirkungen allgemeiner Steuermaßnahmen innerhalb von Mitgliedstaaten hingewiesen wird. In dieser Feststellung ist implizit die Forderung enthalten, dass Gibraltar zu behandeln ist, als sei es ein Mitgliedstaat aus eigenem Recht, so wie auch die Exekutive von Åland geltend macht, dass Direktbesteuerungsmaßnahmen, die von Regionen mit Selbstverwaltung beschlossen werden, einzustufen sind, als seien sie von einem Mitgliedstaat beschlossen worden. Für diese Forderung gibt es aber im EG-Vertrag keine Grundlage.

(157)

Weder das Vereinigte Königreich noch die Regierung von Gibraltar haben zu argumentieren versucht, dass die Reform, sofern sie staatliche Beihilfe darstellt, als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gesehen werden kann. Die Kommission bleibt daher bei ihrer Haltung, die in ihrer Beurteilung der Vereinbarkeit bei der Eröffnung des Verfahrens dargelegt wurde. Diese Beurteilung wird wiederholt und wie folgt weiter ausgeführt.

(158)

Keine der Ausnahmen in Artikel 87 Absatz 2 des EG-Vertrags kann in diesem Fall anerkannt werden, weil die Reform keine der in der Bestimmung genannten Ziele anstrebt.

(159)

Nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) gilt eine Maßnahme als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, wenn sie der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht, dient. Diese Gebiete sind in dem Verzeichnis der Regionalhilfen des Vereinigten Königreichs für den Zeitraum 2000 bis 2006, das von der Kommission unter Staatliche Beihilfe Nr. N 265/00 genehmigt wurde, festgelegt (48). Da Gibraltar nicht zu diesen Gebieten gehört, findet diese Bestimmung keine Anwendung.

(160)

Im Hinblick auf die in Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben b) und d) genannten Ausnahmen sollen mit der Reform keine wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse gefördert oder eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben des Vereinigten Königreichs behoben werden, und sie dienen auch nicht der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes.

(161)

Schließlich muss untersucht werden, ob die Reform als Ausnahme gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) in Frage kommt, wo es heißt, dass Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gesehen werden können.

(162)

Die Elemente der Reform, die anscheinend eine Begünstigung darstellen, und die Reform insgesamt befreien im Vergleich zum System der Unternehmensbesteuerung im Vereinigten Königreich die betroffenen Unternehmen von den von ihnen normalerweise zu tragenden Belastungen. Diese Vergünstigung ist weder mit Investitionen noch mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verknüpft und ist daher als Betriebsbeihilfe einzustufen, die ausläuft, sobald sie zurückgezogen wird. Entsprechend der ständigen Praxis der Kommission kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche Beihilfe der Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete dient. Außerdem ist Gibraltar nicht im Verzeichnis der Regionalhilfen des Vereinigten Königreichs enthalten (49).

VII.   SCHLUSSFOLGERUNG

(163)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Reform eine staatliche Beihilferegelung im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 des EG-Vertrags ist. Keine der Ausnahmeregelungen in Artikel 87 Absatz 2 oder Artikel 87 Absatz 3 findet Anwendung. Daher ist das Vereinigte Königreich nicht befugt, die Reform umzusetzen —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die vom Vereinigten Königreich gemeldeten Vorschläge zur Reform des Körperschaftssteuersystems in Gibraltar stellen Beihilferegelungen dar, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

Diese Vorschläge dürfen daher nicht umgesetzt werden.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland gerichtet.

Brüssel, den 30. März 2004

Für die Kommission

Mario MONTI

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 300 vom 4.12.2002, S. 2.

(2)  Vgl. Fußnote 1.

(3)  ABl. C 2 vom 6.1.1998, S. 1.

(4)  Genehmigt vom OECD-Rat am 9.4.1998.

(5)  ABl. C 384 vom 10.12.1998, S. 3.

(6)  Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen C-400/97, C-4001/97 und C-402/97, Slg. 2000, I-1073.

(7)  Verbundene Rechtssachen T-92/00 und T-103/00, Slg. 2002, II-1385, S. 27.

(8)  Vgl. Absätze 33-57.

(9)  Veröffentlicht im Oktober 2001 bzw. am 22. November 2002.

(10)  Öffentliche Verpflichtungserklärung vom 27. Februar 2002.

(11)  Bericht der Gruppe „Verhaltenskodex“ (Unternehmensbesteuerung) an den Rat (ECOFIN) vom 4. Dezember 2001 (14467/01 — FISC 249, 27.11.2001).

(12)  Vgl. Fußnote 7.

(13)  Vgl. Fußnote 1.

(14)  Diese Ausnahme wurde vom Gericht in Rechtssache 173/73 Slg. 1974, 709 anerkannt.

(15)  Verbundene Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97, Slg. 2000, I-1073.

(16)  Entscheidung des Rates vom 13. Februar 2001, N 147 A/2000 Frankreich (Loi d'orientation pour l'Outre-mer) und Rechtssache 248/84 Deutschland/Kommission Slg. 1987, 4013.

(17)  Verbundene Rechtssachen T-127/99, T-129/99 und T-148/99, Diputación Foral de Álava und andere/Kommission, S. 142.

(18)  Offshore-Gruppe von Bankenaufsichtsbehörden der FATF, Bericht über die gegenseitige Evaluierung (November 2002). S. 29.

(19)  IWF-Bericht (Oktober 2001) „Gibraltar: Beurteilung der Regulierung und Aufsicht über Finanzmärkte“, Abs. 9.

(20)  Vgl. Fußnote 1.

(21)  Vgl. insbesondere die Entscheidung der Kommission 93/337/EWG vom 10. Mai 1993 über eine Beihilferegelung für Investitionen im Baskenland (ABl. L 134 vom 3.6.1993, S. 25).

(22)  Schlussanträge von Generalanwalt Saggio in den verbundenen Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97, Sgl. 2000, I-1073.

(23)  Siehe zu den Maßnahmen der Zentralbehörden insbesondere die Entscheidung der Kommission vom 21. Mai 1997, Beihilfe N 847/96, zur Schaffung von Prioritätszonen in Gebieten in äußerster Randlage und von Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erschließung der französischen Übersee-Départements (ABl. C 245 vom 12.8.1997), die Entscheidung der Kommission vom 16. Dezember 1997, Beihilfe Nr. N 144/A/96, zur Regelung der regionalen Investitions- und Betriebsbeihilfen, welche die Regelung für die wirtschaftliche und steuerliche Behandlung der Kanarischen Inseln abändert (ABl. C 65 vom 28.2.1998) und die Entscheidung 2002/780/EG der Kommission vom 28. Februar 2001 über die Beihilferegelung „Investitionszulage 1999“, die Deutschland zugunsten bestimmter Unternehmen in den neuen Ländern einschließlich Berlins durchführen will (ABl. L 282 vom 19.10.2002, S. 15). Siehe auch die Entscheidung der Kommission 98/476/EG vom 21. Januar 1998 über Steuervergünstigungen aufgrund des § 52 Absatz 8 des deutschen Einkommensteuergesetzes (ABl. L 212 vom 30.7.1998, S. 50), über die der Gerichtshof am 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98 Deutschland/Kommission entschied, Slg. 2000, I-6857. Für den Fall der Maßnahmen von Regionalbehörden, siehe die Entscheidung der Kommission 93/337/EWG vom 10. Mai 1993 über eine Beihilferegelung für Investitionen im Baskenland (ABl. L 134 vom 3.6.1993, S. 25) und die Entscheidung der Kommission 2003/442/EG vom 11. Dezember 2002 über den Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der autonomen Region der Azoren, der die Einkommensteuersenkungen betrifft (ABl. L 150 vom 18.6.2003, S. 52).

(24)  Rechtssache 173/73 Italien/Kommission, Slg. 1974, 713, Rechtssache 323/82 Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809 und Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013.

(25)  Wie oben angeführt.

(26)  Siehe in diesem Zusammenhang EuGH-Urteil in verbundenen Rechtssachen T-127/99, T-129/99 und T-148/99, Historische Provinz Álava und andere/Kommission, Slg. 2002 II-1275, Ziffer 237.

(27)  Siehe beispielsweise Entscheidung 2000/795/EC der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die staatliche Beihilfe Spaniens zugunsten von Ramondín SA und Ramondín Cápsulas SA (ABl. L 318 vom 16.12.2000, S. 36).

(28)  Siehe verbundene Rechtssachen T-92/00 und T-103/00 zu Entscheidung 2000/795/EG, wie oben angeführt.

(29)  Siehe insbesondere Entscheidung 2003/28/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Álava (Spanien) (ABl. L 17 vom 22.1.2003, S. 20), Entscheidung 2003/86/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Vizcaya (Spanien) (ABl. L 40 vom 14.2.2003, S. 11) und Entscheidung 2003/192/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Guipúzcoa (Spanien) (ABl. L 77 vom 24.3.2003, S. 1).

(30)  Siehe Entscheidung 2003/442/EG, wie oben angeführt.

(31)  Rechtssachen C-351/98 Spanien/Kommission, Slg. 2002, I-8031 Ziffer 44, und C-409/00 Spanien/Kommission Slg. 2003, I-1487, Ziffer 56.

(32)  Rechtssache C-218/02, Kommission/Vereinigtes Königreich, noch nicht veröffentlichtes Urteil vom 29. Januar 2004, Ziffer 15 der Begründung und Ziffer 1 der Urteilsformel.

(33)  Rechtssache 248/84, Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4031, S. 17.

(34)  Auf der Website der Regierung von Gibraltar (www.gibraltar.gov.gi) heißt es: „Löhne [in Gibraltar] entsprechen weitgehend denen im Vereinigten Königreich“. Die Durchschnittslöhne für Vollzeitkräfte liegen im Vereinigten Königreich bei ca. 24 000 £ (Quelle: New Earnings Survey 2002, http://www.statistics.gov.uk/pdfdir/nes1002.pdf). Die vom Arbeitgeber zu zahlenden Lohnkosten enthalten noch andere Kosten (z. B. Sozialversicherungsbeiträge).

(35)  Pressemitteilung der Regierung von Gibraltar 008/2003, 14. Januar 2003.

(36)  Siehe Verordnung 69/2001 über De-minimis-Beihilfe (ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 30).

(37)  Die genannten Unternehmenszahlen sind ungefähre Werte. Quelle — Angaben des Vereinigten Königreichs und/oder Gibraltars, die im Laufe dieser Untersuchung und der Untersuchungen über steuerbefreite und anerkannte Unternehmen gemacht wurden.

(38)  Unter der Annahme, dass die zusätzliche Steuer auf Finanzdienstleistungen mit 5 % festgelegt wird.

(39)  Ohne Berücksichtigung von Versorgungsunternehmen, die mit 35 % besteuert werden.

(40)  Die Mehrzahl der anerkannten Unternehmen. Für einige gelten Steuersätze außerhalb dieser Spanne.

(41)  Unter der Annahme, dass sie mit dem vollen Körperschaftssteuersatz besteuert werden.

(42)  Unter der Annahme, dass steuerbefreite Unternehmen keine tatsächliche Niederlassung in Gibraltar haben und daher keine Lohnsummensteuer oder Gewerbegrundbenutzungssteuer entrichten müssen.

(43)  Rechtssache E7/2002, Vorschlag angemessener Maßnahmen mit Schreiben K(2002) 4481 endg. vom 27. November 2002.

(44)  Rechtssache C-52/2001.

(45)  Siehe Rechtssache 284/84 Deutschland/Kommission Sgl. 1987, 4013, Ziffer 17.

(46)  Siehe Rechtssachen 730/79 Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, verb. Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92 Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103. Absätze 40-42, und Rechtssache C-310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I-2289, Absätze 84-86.

(47)  Siehe Schlussfolgerung der Tagung des Rats der Wirtschafts- und Finanzminister, 3.6.2003.

(48)  ABl. C 272 vom 23.9.2000, S. 43.

(49)  Siehe vorherige Fußnote.