Rechtssache T‑452/04

Éditions Odile Jacob SAS

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Französischsprachiges Verlagswesen – Entscheidung, mit der der Zusammenschluss unter der Bedingung der Weiterveräußerung von Vermögenswerten für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Entscheidung über die Zulassung des Käufers der weiterveräußerten Vermögenswerte – Nichtigkeitsklage eines nicht ausgewählten Käuferkandidaten – Unabhängigkeit des Bevollmächtigten – Verordnung (EG) Nr. 4064/89“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Entscheidung der Kommission, mit der ein Zusammenschluss unter dem Vorbehalt der Erfüllung von Verpflichtungszusagen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Verpflichtung zur Weiterveräußerung von Vermögenswerten unter der Aufsicht eines unabhängigen Beauftragten – Entscheidung über die Zulassung des Erwerbers der weiterzuveräußernden Vermögenswerte – Fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten – Rechtswidrigkeit der Zulassungsentscheidung

(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)

2.      Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Entscheidung der Kommission, mit der ein Zusammenschluss unter dem Vorbehalt der Erfüllung von Verpflichtungszusagen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Verpflichtung zur Weiterveräußerung von Vermögenswerten unter der Aufsicht eines unabhängigen Beauftragten – Fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten

(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)

1.      Erklärt die Kommission einen Zusammenschluss unter dem Vorbehalt der Erfüllung von Verpflichtungszusagen, darunter der Verpflichtung zur Weiterveräußerung von Vermögenswerten und zur Benennung eines unabhängigen Beauftragten, der für die Erfüllung dieser Zusagen Sorge zu tragen hat, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, ist die Entscheidung, mit der die Kommission gestützt u. a. auf einen Bericht eines nicht unabhängigen Beauftragten einen Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zugelassen hatte, für nichtig zu erklären.

(vgl. Randnrn. 83, 108-109, 118-119)

2.      Erklärt die Kommission einen Zusammenschluss unter dem Vorbehalt der Erfüllung von Verpflichtungszusagen, darunter der Verpflichtung zur Benennung eines unabhängigen Beauftragten, der für die Erfüllung dieser Zusagen Sorge zu tragen hat, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, kann eine Person, die Mitglied des Leitungsorgans einer der am Zusammenschluss beteiligten Gesellschaften war und darüber hinaus diese Tätigkeit und die des Beauftragten mehr als einen Monat lang gleichzeitig ausgeübt hat, so dass sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber einer der Beteiligten befand, das geeignet war, Zweifel an der Neutralität bei der Wahrnehmung der Aufgabe eines Beauftragten aufkommen zu lassen, nicht als unabhängig angesehen werden. Selbst wenn diese Person in der Eigenschaft als unabhängiger Dritter zu dem betreffenden Leitungsorgan gehörte, sobald sie an der Ausübung sämtlicher gesetzlichen Befugnisse beteiligt war, die mit einer solchen Tätigkeit verbunden sind, konnte sie die Befugnisse eines Beauftragten nicht in voller Unabhängigkeit ausüben.

(vgl. Randnrn. 88-89, 93-94, 100, 103-105)







URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

13. September 2010?(1)

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Französischsprachiges Verlagswesen – Entscheidung, mit der der Zusammenschluss unter der Bedingung der Weiterveräußerung von Vermögenswerten für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Entscheidung über die Zulassung des Käufers der weiterveräußerten Vermögenswerte – Nichtigkeitsklage eines nicht ausgewählten Käuferkandidaten – Unabhängigkeit des Beauftragten – Verordnung (EG) Nr. 4064/89“

In der Rechtssache T‑452/04

Éditions Odile Jacob SAS mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. van Weert, O. Fréget, M. Struys, M. Potel und L. Eskenazi,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch A. Whelan, O. Beynet, A. Bouquet und F. Arbault, dann durch A Bouquet und O. Beynet als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Wendel Investissement SA mit Sitz in Paris, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte C. Couadou und M. Trabucchi, dann Rechtsanwälte M. Trabucchi und F. Gordon,

und durch

Lagardère SCA mit Sitz in Paris, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte A. Winckler, I. Girgenson und S. Sorinas Jimeno, dann Rechtsanwälte A. Winckler, F. de Bure und J.‑B. Pinçon,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung (2004) D/203365 der Kommission vom 30. Juli 2004 über die Zulassung von Wendel Investissement als Erwerber der gemäß der Entscheidung 2004/422/EG der Kommission vom 7. Januar 2004 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Sache COMP/M.2978 – Lagardère/Natexis/VUP) (ABl. L 125, S. 54) veräußerten Vermögenswerte

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij sowie der Richter V. Vadapalas und L. Truchot (Berichterstatter),

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 25. September 2002 beschloss die Vivendi Universal SA (im Folgenden: VU), die Vermögenswerte aus dem Verlagsbereich, die ihre Tochtergesellschaft Vivendi Universal Publishing SA (im Folgenden: VUP) in Europa besaß, zu veräußern.

2        Die Lagardère SCA bewarb sich um den Erwerb dieser Vermögenswerte, die aus Beteiligungen und Direktionsrechten von VUP bestanden (im Folgenden: Zielvermögenswerte).

3        Der von VU – die so schnell wie möglich die Zielvermögenswerte veräußern und den Preis dafür erhalten wollte – aufgestellte Zeitplan erwies sich jedoch als nicht mit dem Zeitrahmen für die Formalitäten vereinbar, die für die vorherige Genehmigung durch die für den geplanten Erwerb zuständigen Wettbewerbsbehörden erforderlich waren.

4        Lagardère bat deshalb die Natexis Banques Populaires SA (im Folgenden: NBP), über eine ihrer Tochtergesellschaften an ihre Stelle zu treten; diese sollte die Zielvermögenswerte von VUP erwerben, sie vorübergehend halten und dann, sobald die Genehmigung für den geplanten Erwerb der Zielvermögenswerte durch Lagardère erteilt würde, an Lagardère weiterverkaufen.

5        Mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 erklärte sich NBP mit der Bitte von Lagardère einverstanden.

6        Lagardère und NBP teilten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die wesentlichen Bedingungen für den Erwerb der Zielvermögenswerte durch NBP mit; diese stimmte den Bedingungen zu.

7        Lagardère legte sodann VU ihr Angebot für den Erwerb der Zielvermögenswerte vor, in dem vorgesehen war, dass an die Stelle von Lagardère NBP oder ein beliebiges anderes Unternehmen dieses Konzerns treten würde.

8        Am 29. Oktober 2002 stimmte VU der Veräußerung der Zielvermögenswerte an Lagardère zu.

9        Am 3. Dezember 2002 unterzeichnete die Investima 10 SAS, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Ecrinvest 4 SA, ihrerseits eine 100%ige Tochtergesellschaft der Segex Sarl, die wiederum zu 100 % von NBP beherrscht wird, zugunsten von VUP einen Vorvertrag über den Erwerb der Zielvermögenswerte.

10      Am selben Tag schlossen Segex und Ecrinvest 4 mit Lagardère einen Veräußerungsvertrag, der Lagardère (über Ecrinvest 4) das Recht einräumte, nach Genehmigung des geplanten Zusammenschlusses durch die Kommission das gesamte Kapital von Investima 10, die vorbehaltlich der Inanspruchnahme aus dem oben genannten Erwerbsvorvertrag durch VUP die Zielvermögenswerte hielt, zu erwerben. Der Preis für den Erwerb dieser Anteile war im Voraus von Lagardère an Segex, die Inhaberin sämtlicher das Kapital von Ecrinvest 4 bildenden Aktien, gezahlt worden.

11      Am 20. Dezember 2002 nahm VUP Investima 10 aus dem Erwerbsvorvertrag in Anspruch, und diese schloss am selben Tag mit VUP den Vertrag über den Erwerb der Zielvermögenswerte.

12      Ebenfalls an diesem Tag gab NBP folgende Presseerklärung heraus:

„NBP erwirbt ausnahmslos alle zum Zweck ihres Weiterverkaufs [an Lagardère] veräußerten Vermögenswerte, sobald die Wettbewerbsbehörden die Genehmigung erteilt haben.

Von diesem Tag an werden die Vermögenswerte von VUP von Investima 10 gehalten, die mittelbar zu 100 % im Besitz von NBP ist.

Diese Aktiengesellschaft mit Vorstand und Aufsichtsrat wird Muttergesellschaft der den veräußerten Bereich bildenden Gesellschaften.

…“

13      In § 4 Abs. 1 des Veräußerungsvertrags heißt es:

„ii)      [Segex] setzt sich dafür ein, dass Ecrinvest 4 folgende Verpflichtung eingeht, und Ecrinvest 4 geht folgende Verpflichtung ein:

c)      [Investima 10] ernennt zu Mitgliedern [ihres] Vorstands … einen oder mehrere unabhängige Dritte; ausgeschlossen sind Personen, die aus dem [Segex‑] oder dem [Lagardère‑]Konzern stammen;

e)      die Satzung [von Investima 10] überträgt einem Vorstandsmitglied die Befugnisse, die dem Vorstand aufgrund dieses Vertrags gegenüber der Kommission … oder einer beliebigen anderen zuständigen Wettbewerbsbehörde [verliehen werden] können, ausschließlich und sorgt dafür, dass ein unabhängiger Dritter in dieser Eigenschaft ernannt wird …“

14      Am 20. Dezember 2002 wurde der Vorstand von Investima 10 konstituiert und B., Präsident der Kanzlei S. in der Eigenschaft als „unabhängiger Dritter“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. ii Buchst. e des Veräußerungsvertrags zum Vorstandsmitglied ernannt.

15      Nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 1 des Vertrags zwischen Ecrinvest 4 und der Kanzlei S. vom 19. Dezember 2002 handelt B. im Rahmen seines Organverhältnisses im Interesse von Investima 10 und der Zielvermögenswerte und insbesondere in dem Bestreben, die Lebensfähigkeit, den wirtschaftlichen Wert und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Vermögenswerte aufrechtzuerhalten.

16      Hierzu heißt es in § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 des Veräußerungsvertrags, dass sich B. an Folgendes hält und sicherstellt, dass sich der Vorstand von Investima 10 ebenfalls daran hält:

„i)      die [Bestimmungen] in § 4 des Veräußerungsvertrags … über … die Grundsätze der Verwaltung des Vermögens mit der Sorgfalt eines guten Familienvaters, deren Einhaltung vom Vorstand und den Gesellschaftsorganen der Beteiligungen eingefordert wird, um den kontinuierlichen Umfang und den Wert des Vermögens zu erhalten.

…“

17      Am 14. April 2003 meldete Lagardère nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Berichtigung im ABl. 1990, L 257, S. 13) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180, S. 1) geänderten Fassung ihren geplanten Erwerb der Zielvermögenswerte von VUP bei der Kommission an.

18      Mit Entscheidung vom 5. Dezember 2003 stellte die Kommission fest, dass das angemeldete Zusammenschlussvorhaben Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe, und leitete deshalb auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 4064/89 dessen eingehende Prüfung ein.

19      Den Schriftsätzen der Beteiligten ist zu entnehmen, dass Investima 10 am 14. Oktober 2003 zu Editis SA wurde.

20      Am 27. Oktober 2003 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Lagardère, in der sie ihr die durch den angemeldeten Zusammenschluss aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme darlegte und auf die Lagardère am 17. November 2003 antwortete.

21      In der Folge unterbreitete Lagardère der Kommission am 2. Dezember 2003 eine Reihe von Korrekturmaßnahmen in Form der Zusage, die Zielvermögenswerte weiterzuveräußern.

22      Die gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4064/89 erlassene Entscheidung 2004/422/EG der Kommission vom 7. Januar 2004 (Sache COMP/M.2978 – Lagardère/Natexis/VUP, im Folgenden: Entscheidung vom 7. Januar 2004) bestimmt:

„Artikel 1

Der angemeldete Zusammenschluss, geändert durch das Verpflichtungszusagenpaket vom 23. Dezember 2003, durch den Lagardère die alleinige Kontrolle über die [Ziel‑]Vermögenswerte von [VUP] – künftig Editis genannt – erwirbt, wird für mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vereinbar erklärt.

Artikel 2

Artikel 1 gilt vorbehaltlich der vollständigen Erfüllung der [in Anhang] II aufgeführten Verpflichtungszusagen durch Lagardère.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist mit der Auflage verbunden, dass Lagardère [ihre] übrigen, in Anhang II beschriebenen Verpflichtungszusagen voll und ganz erfüllt.“

23      Nach Abs. 1 ihrer in Anhang II aufgeführten Verpflichtungszusagen verpflichtete sich Lagardère, sämtliche Vermögenswerte von Editis weiterzuveräußern (im Folgenden: weiterveräußerte oder weiterzuveräußernde Vermögenswerte); ausgenommen waren nur die in diesem Absatz abschließend aufgezählten Vermögenswerte (im Folgenden: nicht weiterveräußerte Vermögenswerte).

24      Die weiterveräußerten Vermögenswerte stellten ungefähr 60 % bis 70 % des Weltumsatzes von VUP und 70 % bis 80 % des Umsatzes dar, den VUP auf den Märkten für französischsprachiges Verlagswesen erzielt hatte, die von dem genehmigten Zusammenschluss (im Folgenden: Zusammenschluss) betroffen waren.

25      Gemäß Abs. 2 der Verpflichtungszusagen von Lagardère sind die nicht weiterveräußerten Vermögenswerte in Anhang 1 zu den Verpflichtungszusagen ausführlich beschrieben.

26      Abs. 3 der Verpflichtungszusagen zufolge verpflichtet sich Lagardère zum Abschluss der unwiderruflichen Vereinbarungen für die Weiterveräußerung innerhalb einer vertraulich gehaltenen Frist ab dem Eingangsdatum der Entscheidung, mit der der Zusammenschluss unter Auflagen genehmigt wird, und zur Vornahme der wirksamen Weiterveräußerung innerhalb einer vertraulich gehaltenen Frist nach Abschluss der Vereinbarung.

27      Lagardère durfte den Käufer der veräußerten Vermögenswerte nach den Auswahlkriterien wählen, die in Abs. 10 ihrer Verpflichtungszusagen wie folgt definiert waren:

„Zum Schutz eines wirksamen Wettbewerbs auf den betroffenen Märkten verpflichtet sich die Anmelderin zur Veräußerung der veräußerten Vermögenswerte an einen oder mehrere von der Anmelderin unabhängige Käufer und erfüllt die nachstehenden Bedingungen:

a)      Lagardère darf keine bedeutenden unmittelbaren oder mittelbaren Interessen bei dem oder den Käufer(n) haben.

b)      Der oder die Käufer muss/müssen lebens- und leistungsfähige Markbeteiligte sein und über die wirtschaftlichen Anreize für die Aufrechterhaltung bzw. Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs verfügen, ohne dass dadurch jedoch von vornherein eine industrielle oder finanzielle Käuferkategorie ausgeschlossen wird.

c)      Darüber hinaus darf der Erwerb eines oder mehrerer veräußerter Vermögenswerte(s) durch einen potenziellen Käufer weder neue Wettbewerbsprobleme schaffen noch die Umsetzung der Verpflichtungszusagen zu verzögern drohen. Die Anmelderin muss der Kommission nachweisen können, dass der Käufer die Bedingungen der Verpflichtungszusagen erfüllt und dass der oder die veräußerten Vermögenswert(e) gemäß diesen Verpflichtungszusagen veräußert wird/werden.

d)      Der oder die Käufer hat/haben alle für den Erwerb und die Bewirtschaftung der veräußerten Vermögenswerte erforderlichen Genehmigungen erhalten oder könnte(n) sie nach vernünftigem Ermessen erhalten.“

28      Nach Abs. 14 der Verpflichtungszusagen von Lagardère unterliegt die Auswahl des oder der Käufer(s) der Zulassung durch die Kommission und enthält der Zulassungsantrag für die Kandidaten alle notwendigen Informationen, damit die Kommission prüfen kann, ob ihre Bewerbung die im oben in Randnr. 27 zitierten Abs. 10 festgelegten Bedingungen erfüllt.

29      Lagardère hatte einen Beauftragten zu benennen, der den in Abs. 15 ihrer Verpflichtungszusagen wie folgt festgelegten Anforderungen genügen musste:

„Die Anmelderin benennt einen Beauftragten, um die nachstehend aufgeführten Aufgaben wahrzunehmen. Der Beauftragte muss von Lagardère und Editis unabhängig sein, über die für die Erfüllung seines Auftrags erforderlichen Qualifikationen, beispielsweise in seiner Eigenschaft als beratende Bank, Consultant oder Wirtschaftsprüfer, verfügen und darf keinem Interessenkonflikt ausgesetzt sein. Der Beauftragte erhält seine Vergütung von Lagardère nach Modalitäten, die weder die ordnungsgemäße Erfüllung seines Auftrags noch seine Unabhängigkeit beeinträchtigen.“

30      Abs. 9 der Verpflichtungszusagen von Lagardère sieht mit folgenden Worten die Benennung eines „Hold Separate Manager“ vor:

„… Der ‚Hold Separate Manager‘ ist unter der Aufsicht des Beauftragten für die Verwaltung der veräußerten Vermögenswerte verantwortlich. Der ‚Hold Separate Manager‘ muss die veräußerten Vermögenswerte unabhängig und im üblichen Rahmen der Geschäfte verwalten, um den Schutz ihrer wirtschaftlichen Lebensfähigkeit, ihre Marktfähigkeit, ihren Wettbewerb und ihre Autonomie gegenüber den nicht veräußerten Vermögenswerten und den übrigen Geschäftsfeldern von Lagardère zu gewährleisten. Sollte der Geschäftsführer eines Tochterunternehmens von Editis, das Gegenstand der Veräußerungsverpflichtung ist, seine Tätigkeit beenden, so ist der ‚Hold Separate Manager‘ befugt, unter der Aufsicht des Beauftragten den Nachfolger zu bestimmen.“

31      Die Aufgabe des Beauftragten ist in den Verpflichtungszusagen von Lagardère wie folgt definiert:

„20.      Durch Tätigwerden des Beauftragten soll die Umsetzung dieser Verpflichtungszusagen gewährleistet werden. Die Kommission richtet von sich aus oder auf Antrag des Beauftragten bzw. der Anmelderin alle Anweisungen zur Umsetzung dieser Verpflichtungen an den Beauftragten.“

21.      Der Beauftragte hat die Aufgabe,

a)      sicherzustellen, dass die veräußerten Vermögenswerte in einer gesonderten Struktur bis zum Zeitpunkt der wirksamen Veräußerung getrennt und unabhängig von den nicht veräußerten Vermögenswerten und den übrigen Geschäftsfeldern von Lagardère beibehalten und verwaltet werden;

b)      sicherzustellen, dass der ‚Hold Separate Manager‘ die Lebensfähigkeit und die Markfähigkeit der veräußerten Vermögenswerte und die Verwaltung und wirtschaftliche Nutzung der veräußerten Vermögenswerte im üblichen Rahmen der Geschäfte gemäß der bisherigen Praxis bis zum Zeitpunkt der wirksamen Veräußerung der veräußerten Vermögenswerte aufrechterhält;

c)      sicherzustellen, dass effiziente Maßnahmen getroffen wurden, damit keine sensible wettbewerbsrelevante Information im Zusammenhang mit den betreffenden veräußerten Vermögenswerten an die Anmelderin weitergegeben wird, mit Ausnahme der Informationen, die für die Veräußerung der Vermögenswerte unter den besten Bedingungen in Übereinstimmung mit diesen Verpflichtungen notwendig sind;

d)      sicherzustellen, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen in Übereinstimmung mit diesen Verpflichtungszusagen durchgeführt werden, über die zwischen Lagardère und Editis laufenden Diskussionen in Bezug auf die Abtrennung von Unternehmensteilen informiert zu sein und erforderlichenfalls an diesen Gesprächen teilzunehmen;

f)      generell den Schutz des vollständigen wirtschaftlichen und wettbewerbsrelevanten Wertes der veräußerten Vermögenswerte sicherzustellen und jede dazu zweckdienliche Maßnahme zu ergreifen;

g)      generell Sorge für die zufrieden stellende Erfüllung dieser Verpflichtungszusagen durch die Anmelderin zu tragen.“

32      Ferner heißt es in Abs. 24 der Verpflichtungszusagen:

„Im Falle der Uneinigkeit zwischen Lagardère und Editis über die für die Erfüllung dieser Verpflichtungszusagen erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen kann jede Partei den Beauftragten darüber per Einschreiben, von dem eine Kopie an die andere Partei zu richten ist, unterrichten. Der Beauftragte gibt dann nach Anhörung der Parteien und unter Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs schnellstmöglich eine Empfehlung über den Umfang der erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen ab. Der Beauftragte übermittelt einen Bericht an die Kommission, in dem diese über seine Empfehlung informiert wird. Besteht die Uneinigkeit zwischen Lagardère und Editis fort, so kann jede Partei die Kommission ersuchen, nach Anhörung der Parteien und unter Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs den Umfang der erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen festzulegen.“

33      Schließlich bestimmen die zum Abschnitt „Änderung der Rechtsform von Editis“ gehörenden Verpflichtungszusagen von Lagardère:

„30.      Nach Billigung der neuen Satzung durch die Kommission wandelt die Anmelderin Editis in eine vereinfachte Aktiengesellschaft um. Nach dieser Umwandlung umfassen die Gesellschaftsorgane von Editis … einen Vorstandsvorsitzenden, der die Aufgaben des Hold Separate Manager wahrnimmt, und … einen Aktionärsausschuss, der aus drei … Vertretern des im vorstehenden Absatz 15 genannten Beauftragten und zwei … Vertretern von Lagardère besteht.

31.      Die vereinfachte Aktiengesellschaft wird nach folgenden Grundsätzen organisiert:

a)      die Leitung von Editis übernimmt ihr Vorstandsvorsitzender unter Aufsicht des Beauftragten im Rahmen seiner Aufgaben, wie sie oben definiert sind;

b)      der Aktionärsausschuss führt die Aufsicht über die Verwaltung der nicht veräußerten Vermögenswerte und hat zu diesem Zweck Zugang zu allen Informationen, die diese Vermögenswerte betreffen;

c)      hinsichtlich der veräußerten Vermögenswerte verfügt der Aktionärsausschuss unter Aufsicht des Beauftragten über ein Recht auf Information in Bezug auf alle Entscheidungen oder Ereignisse, die die Vermögensinteressen von Lagardère an den veräußerten Vermögenswerten berühren können, und zwar insbesondere Informationen über: den Stand der laufenden Geschäfte, Entscheidungen über Investitionen, über den Verkauf von Vermögenswerten oder über Erwerbsvorgänge mit einem Volumen von mehr als 200 000 Euro, Entscheidungen, die die Verschuldung der Gesellschaft oder Garantien aller Art betreffen, sowie alle Entscheidungen, die strategischer Natur sind oder über den Bereich der laufenden Geschäfte hinausgehen. Der Beauftragte stellt jedoch sicher, dass vertrauliche Informationen geschäftlicher oder operativer Art, die die veräußerten Vermögenswerte betreffen, einschließlich gegebenenfalls solcher, wie sie in Satz 1 genannt sind, nicht an Lagardère übermittelt werden.

32.      Während des Zeitraums zwischen der Verabschiedung einer Entscheidung der Kommission zur Genehmigung der angemeldeten Operation und der Umwandlung von Editis in eine vereinfachte Aktiengesellschaft wird Editis weiterhin von den derzeit vorhandenen Gesellschaftsorganen in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten geleitet. Während dieses Zeitraums hat Lagardère in ihrer Eigenschaft als Aktionär von Editis das Recht auf alle Informationen über die nicht veräußerten Vermögenswerte. Bezüglich der veräußerten Vermögenswerte versichert sich der Beauftragte der Übermittlung der im vorstehenden Absatz 31 (c) genannten Informationen an Lagardère.“

34      Am 5. Februar 2004 billigte die Kommission

–        A. K. als Hold Separate Manager und den am 30. Januar 2004 hierzu unterbreiteten Mandatsentwurf;

–        die Kanzlei S., vertreten durch ihren Präsidenten B., als Beauftragten und den am 30. Januar 2004 hierzu vorgelegten Mandatsentwurf.

35      Am 9. Februar 2004 benannte Lagardère die Kanzlei S. als Beauftragten.

36      Am 25. März 2004 wurde Editis gemäß Abs. 30 der Verpflichtungszusagen von Lagardère in eine vereinfachte Aktiengesellschaft umgewandelt, zu deren Gesellschaftsorganen seitdem neben dem Vorstandsvorsitzenden, der die Aufgaben des Hold Separate Managers wahrnahm, der Aktionärsausschuss gehörte, der aus drei Vertretern des Beauftragten und zwei Vertretern von Lagardère bestand.

37      Lagardère setzte sich mit mehreren Unternehmen, darunter der Klägerin, die für den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte in Frage kamen, in Verbindung.

38      Die Klägerin bekundete ihr Interesse an diesem Vorgang. Mit Faxschreiben vom 28. April 2004 übermittelte sie Lagardère ihr Übernahmeangebot.

39      In einer Mitteilung vom 19. Mai 2004 gab Lagardère bekannt, dass sie die Angebote fünf potenzieller Erwerber in Betracht ziehe, darunter das der Klägerin, aber einem von ihnen, der Wendel Investissement SA (im Folgenden: Wendel), bis 25. Mai 2004 um Mitternacht den alleinigen Zugriff vorbehalte.

40      Am 28. Mai 2004 einigten sich Lagardère und Wendel auf den Entwurf einer Vereinbarung über den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte.

41      Mit Schreiben vom 4. Juni 2004 beantragte Lagardère bei der Kommission die Zulassung von Wendel als Erwerber dieser Vermögenswerte.

42      Am 5. Juli 2004 legte die Kanzlei S. der Kommission ihren zusammenfassenden Bericht vor, in dem sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Bewerbung von Wendel den in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen von Lagardère festgelegten Zulassungskriterien entspreche.

43      Mit der Entscheidung (2004) D/203365 vom 30. Juli 2004 ließ die Kommission Wendel als Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zu, nachdem sie festgestellt hatte, dass diese die in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen von Lagardère festgelegten Zulassungskriterien erfülle.

44      Diese Entscheidung wurde gemäß Abs. 14 der Verpflichtungszusagen von Lagardère und auf der Grundlage des oben genannten Zulassungsantrags, des ihm beigefügten Entwurfs einer Veräußerungsvereinbarung, des Berichts der Kanzlei S., der schriftlichen Antworten von Lagardère und Wendel auf ein Auskunftsersuchen der Kommission, der Angaben von Wendel bei einem Treffen mit den Dienststellen der Kommission sowie eines Meinungsaustauschs über die Bewerbung von Wendel mit den Organisationen, die das Personal von Editis vertreten, und mit betroffenen Dritten erlassen.

45      Mit Klageschrift, die am 8. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 7. Januar 2004 erhoben (Rechtssache T‑279/04).

46      Mit Faxschreiben vom 27. August 2004 hat die Kommission der Klägerin auf deren Ersuchen die Entscheidung übermittelt, mit der Wendel als Käufer der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zugelassen wurde.

47      Das Eigentum an diesen, als „Nouvel Editis“ bezeichneten Vermögenswerten wurde am 30. September 2004 auf Wendel übertragen.

 Verfahren

48      Mit Klageschrift, die am 8. November 2004 eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung vom 30. Juli 2004 (im Folgenden: Entscheidung vom 30. Juli 2004) erhoben.

49      Mit Urteil vom heutigen Tag hat das Gericht (Sechste Kammer) die Klage der Klägerin auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 7. Januar 2004 in der Rechtssache T‑279/04 abgewiesen.

50      Mit am 25. Januar und 24. März 2005 eingereichten Schriftsätzen haben Wendel und Lagardère beantragt, nach Art. 115 der Verfahrensordnung des Gerichts als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

51      Mit am 3. März und 18. April 2005 eingereichten Schriftsätzen hat die Klägerin zum einen beantragt, nach Art. 116 § 2 der Verfahrensordnung einige der Klageschrift beigefügte Schriftstücke und bestimmte Passagen der Klageschrift wie auch der Klagebeantwortung von der Übermittlung der Verfahrensunterlagen an Wendel und Lagardère auszunehmen, und zum anderen zum Zweck der betreffenden Übermittlung eine nicht vertrauliche Fassung der fraglichen Dokumente vorgelegt.

52      Mit Beschlüssen des Präsidenten der Vierten Kammer vom 11. Mai und 25. Oktober 2005 sind Lagardère und Wendel als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen und die Kanzlei des Gerichts angewiesen worden, ihnen die nicht vertrauliche Fassung der Verfahrensunterlagen zu übermitteln.

53      Mit Schriftsatz, der am 10. Juni 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat sich Lagardère gegen den Antrag der Klägerin auf vertrauliche Behandlung gewandt.

54      Lagardère und Wendel haben am 16. September 2005 und 27. April 2006 ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.

55      Die Klägerin hat mit Schriftsätzen, die am 8. November 2005 und 4. Juli 2006 eingegangen sind, hierzu Stellung genommen.

56      Mit Beschluss vom 19. Juni 2007 hat der Präsident der Vierten Kammer den Antrag der Klägerin auf vertrauliche Behandlung in Bezug auf Lagardère zurückgewiesen und die Kanzlei des Gerichts angewiesen, Lagardère die ursprüngliche Fassung der betreffenden Schriftstücke zu übermitteln.

57      Im Zuge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache dementsprechend am 24. Oktober 2008 zugewiesen worden ist.

58      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Beteiligten aufgefordert, einige Fragen schriftlich zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

59      In der Sitzung vom 28. Januar 2010 haben die Beteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

60      Mit Urteil vom 9. Juni 2010, Éditions Odile Jacob/Kommission (T‑237/05, Slg. 2010, I‑0000), hat das Gericht die Entscheidung der Kommission vom 7. April 2005 für nichtig erklärt, mit der ein Antrag der Klägerin abgelehnt wurde, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) Zugang zu bestimmten Dokumenten zu erhalten, um sie zur Stützung der vorliegenden Klage zu verwenden.

61      Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 hat die Klägerin beantragt, die Beratungen in der vorliegenden Rechtssache für einen angemessenen Zeitraum ab Übermittlung der betreffenden Dokumente durch die Kommission auszusetzen.

 Anträge der Beteiligten

62      Die Klägerin beantragt,

–        die Entscheidung vom 30. Juli 2004 für nichtig zu erklären;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

63      Die Kommission, unterstützt von Lagardère und Wendel, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Kommission und Lagardère die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

64      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe, mit denen sie geltend macht, dass die Kommission erstens ihre Pflicht verletzt habe, die Auswahl der Käuferkandidaten für die weiterzuveräußernden Vermögenswerte zu überprüfen, zweitens Wendel auf der Grundlage des Berichts eines Beauftragten zugelassen habe, der nicht von Editis, Lagardère und Wendel unabhängig gewesen sei, drittens gegen die ihr obliegende Begründungspflicht verstoßen habe und viertens bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Bewerbung von Wendel mit den in Abs. 10 Buchst. b der Verpflichtungszusagen von Lagardère festgelegten Kriterien für die Zulassung als Käufer der weiterzuveräußernden Vermögenswerte einen offensichtlichen Fehler begangen habe.

65      Zunächst ist der zweite Klagegrund zu prüfen, mit dem die Klägerin geltend macht, dass die Entscheidung vom 30. Juli 2004 aufgrund eines Berichts erlassen worden sei, den ein nicht von Editis unabhängiger Beauftragter verfasst habe.

 Vorbringen der Parteien

66      Die Klägerin trägt vor, als Lagardère am 9. Februar 2004 nach Abs. 9 ihrer Verpflichtungszusagen die Kanzlei S., vertreten von ihrem Präsidenten B., als Beauftragten benannt habe, sei B. seit dem 20. Dezember 2002 Mitglied des Vorstands von Investima 10 gewesen, aus der, wie oben in Randnr. 19 angeführt, am 14. Oktober 2003 Editis geworden ist.

67      Als leitendes Mitglied von Editis, das gegenüber Dritten mit sämtlichen Befugnissen ausgestattet gewesen sei, die den Mitgliedern eines Vorstands zustünden, sei B. daher, anders als in Abs. 15 vorgeschrieben, nicht von Editis unabhängig gewesen.

68      Die Ausübung der Tätigkeit eines unabhängigen Beauftragten, der im Namen und für Rechnung der Kommission die Weiterveräußerung abzustoßender Vermögenswerte überwachen solle, setze nämlich voraus, dass gegenüber der Einheit, über deren Veräußerung von Vermögenswerten der Betroffene zu wachen habe, keine Verbindungen irgendwelcher Art bestünden, erst recht nicht in finanzieller Hinsicht. Die von B. ausgeübte Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds sei jedoch vergütet worden.

69      Zudem sei B. bis zum 25. März 2005 Vorstandsmitglied von Editis gewesen und habe somit vom 9. Februar 2004 bis zu diesem Zeitpunkt zwei Tätigkeiten gleichzeitig ausgeübt, nämlich die Überwachung der Veräußerung von Editis an Lagardère und dann die Kontrolle des Weiterverkaufs der weiterzuveräußernden Vermögenswerte an einen Dritten.

70      Schließlich sei B. selbst nach Beendigung seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied von Editis diesem Unternehmen zwangsläufig verbunden geblieben, da noch mehrere Jahre lang seine zivil‑ und strafrechtliche Haftung gegenüber Aktionären und Dritten bestanden habe.

71      Der bloße Zweifel an der Unabhängigkeit des Beauftragten reiche aus, um zur Nichtigkeit des Verfahrens betreffend die weiterveräußerten Vermögenswerte und dementsprechend der Entscheidung vom 30. Juli 2004 zu führen. Der vom Beauftragten erstellte Bericht zur Bewertung der Bewerbung eines Käufers stelle nämlich ein grundlegendes und entscheidendes Element für die Entscheidung der Kommission dar, ob sie den Betreffenden zulasse oder nicht.

72      Sofern man nicht die Rolle des Beauftragten im Verfahren der Weiterveräußerung von Vermögenswerten selbst in Frage stelle, hätten die Ergebnisse seines Berichts zwangsläufig einen entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung vom 30. Juli 2004 gehabt. Es genüge, die Ergebnisse des Berichts des Beauftragten und die Entscheidung vom 30. Juli 2004 nebeneinander zu betrachten, um festzustellen, dass die Entscheidung unmittelbar auf dem Wortlaut des Berichts aufbaue, der die Vorlage für eine Vielzahl von Randnummern bilde.

73      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie führt aus, als VUP in die Kontrolle von NBP übergegangen sei, sei B., der Präsident der Kanzlei S., gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. ii Buchst. e des Veräußerungsvertrags in den Vorstand von Investima 10, der die Zielvermögenswerte haltenden Tochtergesellschaft von NBP, berufen worden.

74      Da B. den Auftrag gehabt habe, in seiner Eigenschaft als unabhängiger Dritter gegenüber den zuständigen Wettbewerbsbehörden die Befugnisse des Vorstand von Investima 10, jetzt Editis, auszuüben, sei diese Tätigkeit mit derjenigen des in Abs. 15 der Verpflichtungszusagen von Lagardère genannten Beauftragten vergleichbar.

75      Nachdem die Kanzlei S. in der Person ihres Präsidenten B. als Beauftragter für die Überwachung der von Lagardère zugesagten Weiterveräußerung nach ihrer Übernahme der Kontrolle von Editis benannt worden sei, habe B. die Tätigkeit eines unabhängigen Dritten und von NBP bezahlten Vorstandsmitglieds von Editis wegen der Kenntnis von Editis, die er in dieser Eigenschaft erworben habe, vorübergehend weiter ausgeübt.

76      Weit entfernt davon, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen B. und Editis zu begründen, sei die fortbestehende Anwesenheit von B. in deren Vorstand ohne Weiteres mit der Entscheidung vom 30. Juli 2004 und den Verpflichtungszusagen von Lagardère vereinbar. Ziel sei es, die Einflussnahme von Lagardère auf die Leitung von Editis im Übergangszeitraum – während dessen die seit der Übernahme der Kontrolle von VUP durch NBP eingesetzten Gesellschaftsorgane nach Abs. 30 der Verpflichtungszusagen von Lagardère bis zur Umwandlung von Editis in eine vereinfachte Aktiengesellschaft am 25. März 2004 hätten bestehen bleiben sollen – zu verhindern.

77      Auch die Mitgliedschaft im Aktionärsausschuss, die B. vom 25. März 2004 bis zum Zeitpunkt der Übertragung des Eigentums an den weiterveräußerten Vermögenswerten auf Wendel verliehen worden sei, sei mit den Verpflichtungszusagen von Lagardère vereinbar. Nach Abs. 30 hätten die Vertreter des Beauftragten über die Mehrheit im Aktionärsausschuss verfügen müssen, um zu gewährleisten, dass ein unabhängiger Dritter, der Beauftragte, sicherstellen könne, dass Lagardère keinen Einfluss auf die Leitung von Editis ausüben könne.

78      Da die Kanzlei S. in Person ihres Präsidenten erst bei der Veräußerung von Editis an Lagardère durch NBP als Beauftragter benannt worden sei, habe jedwede frühere oder spätere Verbindung zwischen der Kanzlei S. und NBP keine Bedeutung für die Frage ihrer Unabhängigkeit gegenüber Editis, denn im Stadium der Umsetzung der Verpflichtungszusagen habe NBP nicht mehr die Kontrolle über Editis gehabt. Eventuelle Verbindungen zwischen dem Beauftragten und NBP als früherem Eigentümer von Vermögenswerten, die Gegenstand einer Entscheidung über die Genehmigung eines Zusammenschlusses unter Auflagen gewesen seien, könnten die Durchführung von Weiterveräußerungen zur Lösung der Wettbewerbsprobleme, die sich aus der Verschmelzung dieser Zielvermögenswerte mit denen von Lagardère ergäben, nicht gefährden.

79      Zum Beweis dafür, dass der Beauftragte gegenüber Editis nicht unabhängig gewesen, führe die Klägerin lediglich an, dass es ihm nicht an jeglicher Verbindung oder jeglichem Kontakt zu Editis gefehlt habe. Die Unabhängigkeit gegenüber Editis, die die Kommission vom Beauftragten eingefordert habe, habe jedoch gewährleisten sollen, dass bei der Prüfung der Bewerbung des Käufers der weiterzuveräußernden Vermögenswerte nur auf die Lebensfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Vermögenswerte abgestellt werde und persönliche Erwägungen außer Betracht blieben. Daher sei der Vorwurf an den Beauftragten, dass er ein Interesse daran gehabt habe, zugunsten von Editis zu handeln, unbeachtlich, denn dies stelle eine notwendige Bedingung für die vollständige Erfüllung der Verpflichtungszusagen und die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs dar.

80      Damit die fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten – ihr Nachweis unterstellt – zur Nichtigkeit der Entscheidung vom 30. Juli 2004 führe, müsste jedenfalls noch nachgewiesen werden, dass dieser Verstoß den Betreffenden veranlasst habe, einen Bericht zu erstellen, dem es an Objektivität mangele, und dass das betreffende Dokument eine entscheidende Rolle für den Inhalt der genannten Entscheidung gehabt habe.

81      Die Klägerin habe jedoch nichts vorgebracht, was darauf schließen ließe, dass der Beauftragte einen fehlerhaften oder tendenziösen Bericht verfasst hätte, und auch nicht belegt, dass dieses Dokument für die Entscheidung vom 30. Juli 2004 richtungweisend gewesen wäre.

82      Im Rahmen der endgültigen Entscheidung über die Zulassung des Erwerbers der weiterzuveräußernden Vermögenswerte habe der Beauftragte lediglich die Aufgabe gehabt, den Erwerber zu bewerten und anzugeben, ob er seiner Meinung nach die in den Verpflichtungszusagen festgelegten Bedingungen erfülle. Tatsächlich habe die Kommission die Entscheidung vom 30. Juli 2004 nicht allein oder entscheidend auf der Grundlage des Berichts des Beauftragten erlassen, sondern aufgrund sämtlicher Informationen, darunter die des Beauftragten.

 Würdigung durch das Gericht

83      Nach Abs. 15 der Verpflichtungszusagen von Lagardère muss der Beauftragte, den sie benennt, um für die zufriedenstellende Erfüllung ihrer Verpflichtungszusagen Sorge zu tragen, gegenüber ihr und Editis „unabhängig sein … und [er darf] keinem Interessenkonflikt ausgesetzt sein“. Weiter hieß es dort, dass der „Beauftragte … seine Vergütung von Lagardère nach Modalitäten [erhält], die weder die ordnungsgemäße Erfüllung seines Auftrags noch seine Unabhängigkeit beeinträchtigen“.

84      Wie dargelegt, schlossen, nachdem NBP sich bereit erklärt hatte, an die Stelle von Lagardère zu treten, um über die zu 100 % von NBP kontrollierten Tochtergesellschaften Segex und Ecrinvest 4 vorübergehend die Zielvermögenswerte zu erwerben, die beiden zuletzt genannten Gesellschaften am 3. Dezember 2002 mit Lagardère den Veräußerungsvertrag, durch den unter Vorbehalt der vorherigen Genehmigung des Zusammenschlusses durch die Kommission das gesamte Kapital von Investima 10, die eine 100%ige Tochtergesellschaft von Ecrinvest 4, ihrerseits eine 100%ige Tochtergesellschaft von Segex, war und am 20. Dezember 2002 die Zielvermögenswerte von VUP erworben hatte, auf Lagardère übertragen wurde.

85      Am 20. Dezember 2002 ernannte Investima 10 als Besitzerin der Zielvermögenswerte gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. ii Buchst. c des Veräußerungsvertrags B., den Präsidenten der Kanzlei S. zum Mitglied ihres Vorstands im Sinne dieser Bestimmung, und zwar als unabhängigen Dritten im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. ii Buchst. e.

86      In dieser Eigenschaft wurden dem von NBP bezahlten B. nach § 4 Abs. 1 Ziff. ii Buchst. e des Veräußerungsvertrags „die Befugnisse, die dem Vorstand aufgrund [des Veräußerungsvertrags] gegenüber der Kommission … verliehen werden“ konnten, „ausschließlich“ übertragen.

87      Außerdem benannte Lagardère gemäß Abs. 15 ihrer im Anhang II der Entscheidung vom 7. Januar 2004 wiedergegebenen Verpflichtungszusagen am 9. Februar 2004 die Kanzlei S. als Beauftragten, der nach Abs. 21 Buchst. g dieser Verpflichtungszusagen die Aufgabe hatte, „Sorge für die zufrieden stellende Erfüllung“ der Veräußerung der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zu tragen, und in dieser Eigenschaft von Lagardère eine Vergütung erhielt. B. war zu diesem Zeitpunkt Präsident der Kanzlei S., und die Kommission hat eingeräumt, dass B. die Tätigkeit eines Beauftragten, wie sie in der Entscheidung vom 7. Januar 2004 vorgesehen war, ausgeübt hat.

88      Die Kanzlei S. wurde somit als Beauftragter im Sinne von Abs. 15 der Verpflichtungszusagen von Lagardère benannt, und ihr Präsident übte die mit dieser Aufgabe verbundene Tätigkeit aus, obwohl er auch Mitglied des Vorstands von Investima 10 war, die danach zu Editis wurde.

89      Darüber hinaus übte B. vom 9. Februar 2004, dem Tag der Benennung der Kanzlei S., bis zum 25. März 2004, dem Tag der Umwandlung von Editis in eine vereinfachte Aktiengesellschaft, die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds von Editis und die eines Beauftragten gleichzeitig aus.

90      Gemäß Abs. 32 der Verpflichtungszusagen von Lagardère wurde Editis nämlich vom Erlass der Entscheidung am 7. Januar bis zum 25. März 2004, dem Tag der Umwandlung von Editis in eine vereinfachte Aktiengesellschaft, weiterhin von den vorhandenen Gesellschaftsorganen geleitet.

91      In Beantwortung einer Frage des Gerichts hat die Kommission ausgeführt, dass B. die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds von Investima 10/Editis gemäß dem hier anwendbaren französischen Handelsgesetzbuch ausgeübt habe und dass die Wahrnehmung der ihm als unabhängigen Dritten in diesem Vorstand anvertrauten Aufgaben ihn daher nicht an der Ausübung der gesetzlichen Befugnisse gehindert habe, mit denen die Vorstandsmitglieder einer Handelsgesellschaft nach dem Handelsgesetzbuch ausgestattet seien.

92      Nach Art. L 225‑64 Abs. 1 Satz 1 des französischen Handelsgesetzbuchs ist der „Vorstand mit den größtmöglichen Befugnissen ausgestattet, um unter allen Umständen im Namen der Gesellschaft zu handeln“.

93      Bevor die Kanzlei S., vertreten durch ihren Präsidenten B., als Beauftragter benannt wurde, war B. demnach Mitglied des Leitungsorgans von Editis und blieb es mehr als einen Monat lang nach dieser Benennung.

94      Da B. zu dem Zeitpunkt, als die Kanzlei S., deren Präsident er war, als Beauftragter benannt wurde, Vorstandsmitglied von Investima 10, inzwischen Editis, war und anschließend die Aufgaben eines Vorstandsmitglieds zur selben Zeit wahrnahm wie die Aufgabe eines Beauftragten, mit der er von der Kanzlei S. betraut worden war, befand er sich in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Editis, das geeignet war, Zweifel an der Neutralität aufkommen zu lassen, die er bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu erkennen geben musste.

95      Hinzu kommt, dass die Kanzlei S. – in der Person ihres Präsidenten B. – in ihrer Eigenschaft als Beauftragter, der nach Abs. 21 Buchst. g der Verpflichtungszusagen von Lagardère dafür Sorge tragen musste, dass diese die Veräußerung der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zufriedenstellend erfüllte, und in dieser Eigenschaft eine Vergütung von Lagardère erhielt, darauf zu achten hatte, dass Lagardère im Einklang mit den in Abs. 1 ihrer Verpflichtungszusagen erwähnten Weiterveräußerungen die weiterzuveräußernden Vermögenswerte übertrug.

96      Dieser Vorgang bestand nach den eigenen Worten der Kommission in „einer besonders delikaten Abtrennung der Vermögenswerte vor ihrer Veräußerung durch Lagardère an einen Dritten“.

97      Insbesondere hatte der Beauftragte gemäß Abs. 21 Buchst. g der Verpflichtungszusagen von Lagardère „sicherzustellen, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen in Übereinstimmung mit [den] Verpflichtungszusagen durchgeführt werden“, und „über die zwischen Lagardère und Editis laufenden Diskussionen in Bezug auf die Abtrennung von Unternehmensteilen informiert zu sein und erforderlichenfalls an diesen Gesprächen teilzunehmen“.

98      Nach Abs. 24 der betreffenden Verpflichtungszusagen musste der Beauftragte „[i]m Falle der Uneinigkeit zwischen Lagardère und Editis über die … erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen … nach Anhörung der Parteien und unter Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs … eine Empfehlung über den Umfang der erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen“ abgeben und einen Bericht an die Kommission übermitteln, in dem diese über seine Empfehlung informiert wurde.

99      Aus den Akten geht hervor, dass solche Fälle der Uneinigkeit zwischen Lagardère und Editis in der Tat vorkamen. So hat die Kommission in der Gegenerwiderung vorgetragen, dass sie über die manchmal von Lagardère hervorgerufenen Spannungen auf dem Laufenden gehalten worden sei, die Interesse daran gehabt habe, den Vermögenswerten von Editis, die sie laut der Entscheidung vom 7. Januar 2004 habe behalten dürfen, den größtmöglichen Umfang zu verleihen. Die Kommission hat dort außerdem festgestellt, dass sich der Beauftragte mehrfach Lagardère widersetzt habe, um die mit den weiterveräußerten Vermögenswerten verbundenen Interessen zu verteidigen, nachdem er zuvor die Kommission konsultiert habe.

100    Die Ausübung der Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds der Gesellschaft, die sämtliche Vermögenswerte von Editis hielt, durch B. war jedoch geeignet, die Unabhängigkeit zu beeinträchtigen, die der Betreffende bei der Ausarbeitung der Empfehlungen zu den erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen und des Berichts, in dem die Kommission über diese Empfehlungen informiert wird, an den Tag legen musste.

101    So handelte B. nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 1 des Vertrags vom 19. Dezember 2002 zwischen Ecrinvest 4 und der Kanzlei S. ab dem 20. Dezember 2002 „im Rahmen seines Organverhältnisses im Interesse von Investima 10 und der [Ziel‑]Vermögenswerte und insbesondere in dem Bestreben, die Lebensfähigkeit, den wirtschaftlichen Wert und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Vermögenswerte aufrechtzuerhalten“.

102    Ferner musste sich B. nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 desselben Vertrags an die Bestimmungen in § 4 des Veräußerungsvertrags über „die Grundsätze der Verwaltung“ der Zielvermögenswerte „mit der Sorgfalt eines guten Familienvaters“ halten, deren Einhaltung vom Vorstand eingefordert wurde, um „den kontinuierlichen Umfang und den Wert des Vermögens zu erhalten“, und sicherstellen, dass sich der Vorstand von Investima ebenfalls daran hielt.

103    Aus Randnr. 92 dieses Urteils geht hervor, dass B. neben seiner spezifischen Aufgabe, die ihm im Vorstand übertragen war und die darin bestand, die Befugnisse wahrzunehmen, mit denen der Vorstand aufgrund des Veräußerungsvertrags gegenüber der Kommission oder jeder anderen Wettbewerbsbehörde betraut werden konnte, somit in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied von Investima 10, später Editis, in Bezug auf sämtliche Zielvermögenswerte, die sukzessive von diesen beiden Gesellschaften gehalten wurden, zwangsläufig an der Ausübung aller Befugnisse, die einem Vorstandsmitglied einer Handelsgesellschaft gesetzlich zustehen, beteiligt war.

104    Die Ausübung der Tätigkeit eines Mitglieds des Leitungsorgans von Investima 10, später Editis, in deren Interesse er sich verpflichtet hatte, im Rahmen seines Organverhältnisses nach den „Grundsätzen der Verwaltung [der Zielvermögenswerte] mit der Sorgfalt eines guten Familienvaters“ zu handeln, vom 20. Dezember 2002 bis zum 25. März 2004 erlaubte es B. folglich nicht, in voller Unabhängigkeit die Befugnisse eines unabhängigen Beauftragten im Sinne von Abs. 15 der Verpflichtungszusagen von Lagardère wahrzunehmen.

105    Die Kommission kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, damit, dass B. die Tätigkeit zunächst eines unabhängigen Dritten im Vorstand von Editis, dann eines unabhängigen Beauftragten ausgeübt habe, sei das Ziel verfolgt worden, Lagardère an der Einflussnahme auf die Verwaltung der fraglichen Vermögenswerte zu hindern, und dem Beauftragten könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er ein Interesse daran gehabt habe, zugunsten von Editis zu handeln, da ein solches Interesse zwingende Voraussetzung für die vollständige Umsetzung der Verpflichtungszusagen von Lagardère und die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs gewesen sei.

106    Da Lagardère mit der Entscheidung vom 7. Januar 2004 gestattet worden war, die in Abs. 1 ihrer Verpflichtungszusagen abschließend aufgezählten Zielvermögenswerte zu behalten, war der Beauftragte vielmehr verpflichtet, in voller Unabhängigkeit nach dieser Vorschrift die Umsetzung nur derjenigen Verpflichtungszusagen von Lagardère betreffend die Weiterveräußerung zu überwachen, die die Kommission für ausreichend erachtete, um unter Wahrung der Vertragsfreiheit der am Zusammenschluss Beteiligten einen wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und folglich für die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt zu sorgen.

107    Folglich wurde der Bericht zur Bewertung der Bewerbung von Wendel um den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte, aufgrund dessen die Entscheidung vom 30. Juli 2004 erlassen wurde, von einem Beauftragten erstellt, der nicht dem Erfordernis der Unabhängigkeit gegenüber Editis genügte, das in Abs. 15 der in Anhang II der Entscheidung vom 7. Januar 2004 enthaltenen Verpflichtungszusagen von Lagardère aufgestellt worden war.

108    Was die Auswirkung des Berichts auf den Inhalt der Entscheidung vom 30. Juli 2004 angeht, ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus Randnr. 5 dieser Entscheidung hervorgeht, die Kanzlei S. in ihrer Eigenschaft als Beauftragter gebeten worden war, der Kommission einen Bericht vorzulegen, in dem die Bewerbung von Wendel als Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte anhand der Zulassungskriterien beurteilt wird, die in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen von Lagardère im Anhang zur Entscheidung vom 7. Januar 2004 festgelegt sind.

109    Zudem ergibt sich aus Randnr. 6 der Entscheidung vom 30. Juli 2004, dass diese insbesondere auf dem Bericht des Beauftragten beruht.

110    Zwar wird die Entscheidung vom 30. Juli 2004 nicht ausschließlich auf diesen Bericht gestützt, doch zeigt sich, dass das betreffende Dokument entscheidenden Einfluss auf sie ausgeübt hat.

111    Eine vergleichende Prüfung des Berichts des Beauftragten und der Entscheidung vom 30. Juli 2004 ergibt nämlich, dass die Entscheidung in wesentlichen Teilen auf den Bericht zurückgeht.

112    So unterstreichen die beauftragte Kanzlei in ihrem Bericht und die Kommission in ihrer Entscheidung vom 30. Juli 2004, um die Fähigkeit von Wendel zu belegen, Nouvel Editis aufrechtzuerhalten und zu entwickeln, den „reduzierten Umfang“ von Nouvel Editis und die Beibehaltung der für Nouvel Editis erforderlichen „Management‑, verlegerischen und unterstützenden Ressourcen“ durch Wendel.

113    Beide Dokumente führen gleichlautend aus, dass die Wertsteigerung der Investition von Wendel die „Wiederherstellung und Weiterentwicklung der Aufgabe des Vertriebszentrums von Interforum“ voraussetze.

114    Sowohl die beauftragte Kanzlei als auch die Kommission verweisen auf die Mehrheits- oder Hauptbeteiligung am Kapital von Wendel und auf deren „familienbetrieblichen“ Ansatz, der sich von der Herangehensweise der herkömmlichen Investmentfonds unterscheide, was ein Engagement von Wendel erwarten lasse, das länger sei als der kurzfristige Horizont dieser Fonds.

115    Während es sich nach Ansicht der beauftragten Kanzlei bei Wendel um einen Käuferkandidaten handelt, der imstande sei, die Verpflichtungszusagen zügig umzusetzen, besteht nach Auffassung der Kommission beim Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte von Lagardère durch Wendel keine Gefahr, dass neue Wettbewerbsprobleme geschaffen würden, die die Umsetzung dieser Zusagen verzögern könnten.

116    Wie der Beauftragte, der die zur „Konsolidierung“ des Unternehmens für erforderlich gehaltene Dauer der Investition von Wendel auf ungefähr fünf bis sieben Jahre schätzt, meint die Kommission ihrerseits schließlich, dass ein „Ausstieg“ von Wendel aus der Beteiligung an Nouvel Editis binnen kurzer Frist unwahrscheinlich sei und dies ausreichend erscheine, um eine „Stabilisierung des Unternehmens“ zu ermöglichen.

117    Im Übrigen hat die Kommission selbst mehrfach auf die Ergebnisse des Berichts der beauftragten Kanzlei verwiesen, um dem mit dem vierten Nichtigkeitsgrund der Klägerin erhobenen Vorwurf entgegenzutreten, dass sie bei ihrer Beurteilung der Vereinbarkeit der Bewerbung von Wendel mit den in Abs. 10 Buchst. b der Verpflichtungszusagen von Lagardère festgelegten Zulassungsbedingungen einen offensichtlichen Fehler begangen habe.

118    Der festgestellte Rechtsverstoß macht die Entscheidung vom 30. Juli 2004 deshalb rechtswidrig.

119    Daher ist die betreffende Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen Klagegründe geprüft zu werden brauchen, auf die die Klägerin ihren Nichtigkeitsantrag gestützt hat.

 Zum Antrag auf Aussetzung der Beratungen

120    In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen konnte das Gericht auf der Grundlage der Anträge, Klagegründe und Argumente, die im Laufe des schriftlichen wie auch des mündlichen Verfahrens vorgebracht worden sind, über die Klage entscheiden.

121    Daher ist der Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Beratung zurückzuweisen.

 Kosten

122    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

123    Da die Kommission und Lagardère unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Klägerin neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

124    Da die Klägerin nicht beantragt hat, Wendel zur Tragung der Kosten zu verurteilen, trägt diese nur ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung (2004) D/203365 der Kommission vom 30. Juli 2004 über die Zulassung der Wendel Investissement SA als Erwerber der gemäß der Entscheidung 2004/422/EG der Kommission vom 7. Januar 2004 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Sache COMP/M.2978 – Lagardère/Natexis/VUP) veräußerten Vermögenswerte wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission und die Lagardère SCA tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten von Éditions Odile Jacob SAS.

3.      Wendel Investissement trägt ihre eigenen Kosten.

Meij

Vadapalas

Truchot

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. September 2010.

Unterschriften


1* Verfahrenssprache: Französisch.