URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

20. Dezember 2017 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage – Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1289 – Verhängung einer Geldbuße gegen einen Mitgliedstaat im Rahmen der haushaltspolitischen Überwachung der Euro-Zone – Manipulation von Defizitdaten des betroffenen Mitgliedstaats – Gerichtliche Zuständigkeit – Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 – Art. 8 Abs. 1 und 3 – Delegierter Beschluss 2012/678/EU – Art. 2 Abs. 1 und 3 und Art. 14 Abs. 2 – Verordnung (EG) Nr. 479/2009 – Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 sowie Art. 11 und 11a – Verteidigungsrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 41 Abs. 1 – Recht auf gute Verwaltung – Art. 121, 126 und 136 AEUV – Protokoll Nr. 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit – Vorliegen der Zuwiderhandlung – Verfälschung der Darstellung – Festsetzung der Geldbuße – Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften“

In der Rechtssache C‑521/15

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 29. September 2015,

Königreich Spanien, vertreten durch A. Gavela Llopis, A. Rubio González und A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigte,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Dumitriu-Segnana, A. F. Jensen und A. de Gregorio Merino als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz, J.‑P. Keppenne, M. Clausen und F. Simonetti als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, J. L. da Cruz Vilaça und J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet und D. Šváby, der Richterin A. Prechal sowie der Richter C. Lycourgos, M. Vilaras und E. Regan,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. Juni 2017

folgendes

Urteil

1

Mit seiner Klage beantragt das Königreich Spanien die Nichterklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/1289 des Rates vom 13. Juli 2015 zur Verhängung einer Geldbuße gegen Spanien wegen der Manipulation von Defizitdaten in der Autonomen Gemeinschaft Valencia (ABl. 2015, L 198, S. 19, und Berichtigung im ABl. 2015, L 291, S. 10, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

Rechtlicher Rahmen

Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union

2

In Art. 51 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union heißt es:

„Abweichend von der in Artikel 256 Absatz 1 AEUV vorgesehenen Regelung sind dem Gerichtshof die Klagen gemäß den Artikeln 263 und 265 AEUV vorbehalten,

a)

die von einem Mitgliedstaat gegen eine Handlung oder wegen unterlassener Beschlussfassung des Europäischen Parlaments oder des Rates oder dieser beiden Organe in den Fällen, in denen sie gemeinsam beschließen, erhoben werden, mit Ausnahme

der Beschlüsse des Rates gemäß Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 3 AEUV;

der Rechtsakte, die der Rat aufgrund einer Verordnung des Rates über handelspolitische Schutzmaßnahmen im Sinne von Artikel 207 AEUV erlässt;

der Handlungen des Rates, mit denen dieser gemäß Artikel 291 Absatz 2 AEUV Durchführungsbefugnisse ausübt;

…“

Die Vorschriften über die Wirtschafts- und Währungspolitik

Primärrecht

3

Nach Art. 119 Abs. 1 AEUV umfasst die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die u. a. auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruht.

4

In diesem Rahmen wird der Europäischen Kommission insbesondere durch Art. 121 Abs. 3 und Art. 126 Abs. 2 AEUV die Rolle übertragen, die Wirtschafts- und Haushaltslage der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der von diesen übermittelten Angaben zu prüfen und den Rat bei seiner Überwachungsaufgabe in diesem Bereich zu unterstützen.

5

Der Rat verfügt seinerseits gemäß Art. 121 Abs. 3 und 4 AEUV über die Befugnis, die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten und die Einhaltung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik durch die Mitgliedstaaten zu überwachen und zu bewerten und die erforderlichen Empfehlungen an sie zu richten. Darüber hinaus ist er nach Art. 126 Abs. 6, 7, 9 und 11 AEUV befugt, festzustellen, ob ein Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit aufweist oder aufzuweisen droht, und an ihn verschiedene Empfehlungen und Beschlüsse zu richten, darunter Beschlüsse, mit denen der Mitgliedstaat in Verzug gesetzt wird, Maßnahmen zur Sanierung seines Defizits zu treffen, und Beschlüsse, mit denen ihm eine Geldbuße auferlegt wird. Schließlich ist der Rat befugt, auf der Grundlage von Art. 136 Abs. 1 AEUV Maßnahmen für die Mitgliedstaaten zu erlassen, deren Währung der Euro ist, um die Koordinierung und Überwachung ihrer Haushaltsdisziplin zu verstärken und für diese Mitgliedstaaten Grundzüge der Wirtschaftspolitik auszuarbeiten und deren Einhaltung zu überwachen.

6

Diese Vorschriften werden durch das Protokoll Nr. 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, das dem EU-Vertrag und dem AEUV-Vertrag angefügt ist (im Folgenden: Protokoll Nr. 12) vervollständigt.

Sekundärrecht

7

Am 7. Juli 1997 erließ der Rat ein unter dem Namen „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ zusammengefasstes Bündel von Rechtsakten, zu denen u. a. die Verordnungen (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. 1997, L 209, S. 1) und (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. 1997, L 209, S. 6) gehören.

8

Am 16. November 2011 erließen das Parlament und der Rat fünf Verordnungen und eine Richtlinie, mit denen der Stabilitäts- und Wachstumspakt grundlegend reformiert werden sollte. Zwei von diesen Verordnungen haben die Verordnung Nr. 1466/97 bzw. die Verordnung Nr. 1467/97 geändert. Die drei anderen haben spezifisch die von Rat und Kommission nach den Art. 121 und 126 AEUV ausgeübte wirtschafts- und haushaltspolitische Überwachung zum Gegenstand.

– Verordnung (EU) Nr. 1173/2011

9

Zu den in der vorherigen Randnummer genannten Verordnungen gehört die Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet (ABl. 2011, L 306, S. 1, und Berichtigung im ABl. 2012, L 176, S. 72), die die Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses darstellt und die ihrerseits auf die Art. 121 und 136 AEUV gestützt ist.

10

In den Erwägungsgründen 7, 8, 16, 17 und 25 dieser Verordnung heißt es:

,,(7)

Die Kommission sollte in dem Verfahren der verstärkten Überwachung in Bezug auf für jeden Mitgliedstaat spezifische Bewertungen, Überwachungsmaßnahmen, Missionen vor Ort, Empfehlungen und Warnungen eine gewichtigere Rolle wahrnehmen. …

(8)

Im Hinblick auf einen ständigen Dialog mit den Mitgliedstaaten, der darauf abzielt, die Ziele dieser Verordnung zu erreichen, sollte die Kommission Überwachungsmissionen durchführen.

(16)

Um von einer absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit falschen Darstellung der öffentlichen Defizit- und Schuldendaten, die einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftspolitischen Koordination in der Union darstellen, abzuschrecken, sollte gegen die verantwortlichen Mitgliedstaaten eine Geldbuße verhängt werden.

(17)

Zur Ergänzung der Bestimmungen über die Berechnung der Geldbußen wegen der Manipulation von Statistiken und der Bestimmungen über das von der Kommission anzuwendende Verfahren zur Ermittlung derartiger Vorgänge sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte hinsichtlich der ausführlichen Kriterien zur Bestimmung der Höhe der Geldbuße und der Durchführung der Untersuchungen durch die Kommission zu erlassen. …

(25)

Die Befugnis zur Annahme von einzelnen Beschlüssen zur Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Sanktionen sollte dem Rat übertragen werden. Als Bestandteil der Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten im Rat gemäß Artikel 121 Absatz 1 AEUV sind diese einzelnen Beschlüsse untrennbare Folgemaßnahmen der vom Rat gemäß den Artikeln 121 und 126 AEUV und den Verordnungen [Nrn. 1466/97 und 1467/97] beschlossenen Maßnahmen.“

11

Art. 8 („Sanktionen bei Manipulation von Statistiken“) der Verordnung sieht vor:

„(1)   Der Rat, der auf Empfehlung der Kommission tätig wird, kann beschließen, gegen einen Mitgliedstaat, der Daten über Defizite und Schulden, die für die Anwendung der Artikel 121 oder 126 AEUV oder für die Anwendung des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit von Bedeutung sind, absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit falsch darstellt, eine Geldbuße zu verhängen.

(2)   Die Geldbußen nach Absatz 1 müssen wirksam, abschreckend und – in Bezug auf Art, Schwere und Dauer der Verfälschung der Darstellung – verhältnismäßig sein. Der Betrag der Geldbuße darf die Höhe von 0,2 % des [Bruttoinlandsprodukts (BIP)] des betreffenden Mitgliedstaats nicht überschreiten.

(3)   Die Kommission kann alle Untersuchungen durchführen, die zur Feststellung der Verfälschung der Darstellung nach Absatz 1 dieses Artikels erforderlich sind. Sie kann beschließen, eine Untersuchung einzuleiten, wenn sie feststellt, dass ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorliegen, die vermuten lassen, dass eine solche Verfälschung der Darstellung vorliegt. Die Kommission untersucht die mutmaßliche Verfälschung der Darstellung und berücksichtigt dabei alle Stellungnahmen, die der betreffende Mitgliedstaat vorbringt. …

Nach Abschluss ihrer Untersuchung und bevor sie dem Rat einen Vorschlag unterbreitet, gibt die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat die Gelegenheit, sich zum Gegenstand der Untersuchung zu äußern. Die Kommission stützt jedweden Vorschlag an den Rat ausschließlich auf Fakten, zu denen der betreffende Mitgliedstaat Gelegenheit hatte, sich zu äußern.

Die Kommission wahrt die Verteidigungsrechte des betreffenden Mitgliedstaats während der Untersuchungen in vollem Umfang.

(4)   Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 11 delegierte Rechtsakte in Bezug auf das Folgende zu erlassen:

a)

ausführliche Kriterien zur Festlegung des Betrags der in Absatz 1 genannten Geldbuße;

c)

ausführliche Verfahrensregeln zur Gewährleistung der Verteidigungsrechte, des Zugangs zu den Unterlagen, der rechtlichen Vertretung, der Vertraulichkeit und Vorschriften zum zeitlichen Ablauf und der Beitreibung der in Absatz 1 genannten Geldbußen.

…“

12

Gemäß Art. 9 („Verwaltungsrechtlicher Charakter der Sanktionen“) der Verordnung haben die u. a. nach Art. 8 verhängten Sanktionen den Charakter von Verwaltungsmaßnahmen.

13

Gemäß ihrem Art. 14 ist die Verordnung Nr. 1173/2011 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung, dem 23. November 2011, im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 13. Dezember 2011, in Kraft getreten.

– Delegierter Beschluss 2012/678/EU

14

Auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1173/2011 hat die Kommission den Delegierten Beschluss 2012/678/EU vom 29. Juni 2012 über Untersuchungen und Geldbußen in Zusammenhang mit der Manipulation von Statistiken gemäß der Verordnung Nr. 1173/2011 (ABl. 2012, L 306, S. 21) erlassen, der gemäß seinem Art. 16 am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung, dem 6. November 2012, im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 26. November 2012, in Kraft getreten ist.

15

Art. 2 („Einleitung der Untersuchungen“) dieses Beschlusses bestimmt u. a. in seinen Abs. 1 und 3:

„(1)   Die Kommission teilt dem betreffenden Mitgliedstaat ihren Beschluss mit, eine Untersuchung einzuleiten; dies umfasst Angaben über gefundene ernsthafte Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen von Tatsachen, die eine Verfälschung der Darstellung von Daten über das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand darstellen können, die durch die Manipulation dieser Daten infolge von Absicht oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit entstand.

(3)   Die Kommission kann sich dafür entscheiden, eine Untersuchung erst dann durchzuführen, wenn nach einem im Rahmen der [Verordnung (EG) Nr. 479/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (ABl. 2009, L 145, S. 1)] gefassten Beschluss der Kommission (Eurostat) ein methodenbezogener Besuch stattgefunden hat.“

16

Art. 14 („Kriterien in Bezug auf die Höhe der Geldbuße“) dieses Beschlusses bestimmt:

„(1)   Die Kommission stellt sicher, dass die zu empfehlende Geldbuße wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist. Die Geldbuße wird auf der Basis eines Referenzbetrags festgelegt, der unter Berücksichtigung der besonderen unter Absatz 3 dargelegten Umstände nach oben oder unten angepasst werden kann.

(2)   Der Referenzbetrag entspricht 5 % der Auswirkungen der Verfälschung der Darstellung entweder auf das öffentliche Defizit oder auf den öffentlichen Schuldenstand – maßgeblich ist der höhere Wert – für die Jahre, die von der Unterrichtung im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit erfasst werden.

(3)   Unter Berücksichtigung des in Artikel 13 festgelegten Höchstbetrags zieht die Kommission bei jedem Fall, sofern relevant, die folgenden Umstände in Betracht:

c)

die Tatsache, dass die Verfälschung der Darstellung durch eine allein agierende Einheit bewirkt wurde oder die Verfälschung der Darstellung das Ergebnis eines konzertierten Vorgehens von zwei oder mehr Einheiten ist;

e)

der Grad der Sorgfalt und Kooperation, oder auch der Grad der Behinderung, den der betreffende Mitgliedstaat bei der Aufdeckung der Verfälschung der Darstellung und während der Untersuchungen an den Tag legte.“

– Verordnung Nr. 479/2009

17

Die Verordnung Nr. 479/2009 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 679/2010 des Rates vom 26. Juli 2010 (ABl. 2010, L 198, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 479/2009) wurde, wie in ihrem ersten Erwägungsgrund ausgeführt wird, zur Kodifizierung der Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates vom 22. November 1993 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (ABl. 1993, L 332, S. 7) erlassen, die am 1. Januar 1994 in Kraft trat und die in der Folgezeit mehrfach geändert wurde. Die Verordnung Nr. 479/2009 ist gemäß ihrem Art. 19 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung, dem 10. Juni 2009, im Amtsblatt der Europäischen Union, also am 30. Juni 2009, in Kraft getreten.

18

In den Erwägungsgründen 9 und 10 der Verordnung Nr. 479/2009 heißt es:

„(9)

Die Rolle der Kommission als Statistikbehörde wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich von Eurostat im Namen der Kommission wahrgenommen. Als die Dienststelle der Kommission, die mit der Durchführung der der Kommission übertragenen Aufgaben bei der Erstellung der Gemeinschaftsstatistiken betraut ist, ist Eurostat gehalten, seine Aufgaben im Einklang mit den … Grundsätzen der Unparteilichkeit, Zuverlässigkeit, Erheblichkeit, Kostenwirksamkeit, statistischen Geheimhaltung und Transparenz auszuführen. Durch die Umsetzung der Empfehlung der Kommission vom 25. Mai 2005 zur Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht der statistischen Stellen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft durch die statistischen Behörden der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft sollte der Grundsatz der fachlichen Unabhängigkeit, der Angemessenheit der Ressourcen und der Qualität statistischer Daten gestärkt werden.

(10)

Eurostat ist im Namen der Kommission dafür verantwortlich, die Datenqualität zu bewerten und die Daten bereitzustellen, die … im Zusammenhang mit dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit verwendet werden.“

19

Kapitel II („Regeln und Anwendungsbereich für die Mitteilungen“) enthält die Art. 3 und 6.

20

Art. 3 dieser Verordnung sieht u. a. in seinen Abs. 1 und 2 vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission (Eurostat) zweimal jährlich die Höhe ihrer geplanten und tatsächlichen öffentlichen Defizite sowie die Höhe ihres tatsächlichen öffentlichen Schuldenstands mit, und zwar das erste Mal vor dem 1. April des laufenden Jahres (Jahr n) und das zweite Mal vor dem 1. Oktober des Jahres n.

(2)   Vor dem 1. April des Jahres n

a)

teilen die Mitgliedstaaten der Kommission (Eurostat) ihr geplantes öffentliches Defizit für das Jahr n, eine aktualisierte Schätzung ihres tatsächlichen öffentlichen Defizits für das Jahr n-1 und ihre tatsächlichen öffentlichen Defizite für die Jahre n-2, n-3 und n-4 mit;

…“

21

Art. 6 Abs. 1 der Verordnung lautet wie folgt:

„Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission (Eurostat) über alle größeren Korrekturen ihrer bereits gemeldeten Zahlen des tatsächlichen und geplanten öffentlichen Defizits und des tatsächlichen und geplanten öffentlichen Schuldenstands, sobald die korrigierten Zahlen vorliegen.“

22

Kapitel III („Qualität der Daten“) der Verordnung Nr. 479/2009 enthält u. a. die Art. 8, 11 und 11a.

23

Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Kommission (Eurostat) bewertet regelmäßig die Qualität sowohl der von den Mitgliedstaaten gemeldeten tatsächlichen Daten als auch der ihnen zugrunde liegenden, gemäß dem ESVG 95 erhobenen Haushaltsdaten … Qualität der tatsächlichen Zahlen bedeutet die Einhaltung von Verbuchungsregeln, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Aktualität und Kohärenz der statistischen Daten. …“

24

Art. 11 der Verordnung sieht vor:

„(1)   Die Kommission (Eurostat) unterhält einen ständigen Dialog mit den statistischen Behörden der Mitgliedstaaten. Hierzu führt die Kommission (Eurostat) in allen Mitgliedstaaten regelmäßige Gesprächsbesuche und gegebenenfalls methodenbezogene Besuche durch.

(2)   Wenn die Kommission (Eurostat) Gesprächsbesuche und methodenbezogene Besuche durchführt, übermittelt sie den betroffenen Mitgliedstaaten ihre vorläufigen Feststellungen zur Stellungnahme.“

25

In Art. 11a der Verordnung heißt es:

„Die Gesprächsbesuche dienen der Überprüfung der gemeldeten tatsächlichen Daten …, der Untersuchung methodischer Fragen, der Erörterung der in den Aufstellungen beschriebenen statistischen Verfahren und Quellen sowie der Beurteilung, ob die Verbuchungsregeln eingehalten wurden. Die Gesprächsbesuche sind dazu zu nutzen, um Risiken oder potenzielle Probleme bei der Qualität der gemeldeten Daten zu ermitteln.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

26

Am 30. März 2012 teilte das Königreich Spanien unter Beifügung der entsprechenden Daten dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) die Höhe seiner tatsächlichen und voraussichtlichen Defizite für die Jahre 2008 bis 2012 mit (im Folgenden: Mitteilung vom 30. März 2012).

27

Am 17. Mai 2012 informierte das Königreich Spanien Eurostat, dass die Höhe dieser Defizite zu korrigieren sei, weil einzubeziehen sei, dass einige Autonome Gemeinschaften in den Jahren 2008 bis 2011 höhere Ausgaben als die getätigt hätten, die für die Erstellung des im Rahmen der Mitteilung vom 30. März 2012 angegebenen Betrags berücksichtigt worden seien. Diese nicht deklarierten Ausgaben beliefen sich auf 4,5 Mrd. Euro (d. h. 0,4 % des BIP); davon entfielen allein 1,9 Mrd. Euro (also fast 0,2 % des BIP) auf die Comunitat Valenciana (Autonome Gemeinschaft Valencia, Spanien).

28

Aufgrund dieser Information sah sich Eurostat veranlasst, Spanien im Mai, Juni und September 2012 sowie im September 2013 eine Reihe von Besuchen abzustatten.

29

Gestützt auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 erließ die Kommission den Beschluss C(2014) 4856 vom 11. Juli 2014 über die Einleitung einer Untersuchung im Hinblick auf die Manipulation von Statistiken in Spanien (im Folgenden: Beschluss über die Einleitung der Untersuchung).

30

Am 7. Mai 2015 nahm die Kommission einen Bericht an, in dem sie zu der Schlussfolgerung gelangte, dass das Königreich Spanien die Daten über sein Defizit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 falsch dargestellt habe. Im Einzelnen ging sie davon aus, dass dieser Mitgliedstaat eine schwerwiegende Nachlässigkeit begangen habe, indem er in seiner Mitteilung vom 30. März 2012 falsche Daten über die Konten der Autonomen Gemeinschaft Valencia übermittelt haben, obschon die Sindicatura de Comptes de la Comunitat Valenciana (Rechnungshof der Autonomen Gemeinschaft Valencia) jedes Jahr darauf hingewiesen habe, dass die Intervención General de la Generalitat Valenciana (Auditbehörde der Autonomen Gemeinschaft Valencia) Konten validiere, die wegen Nichterfassung bestimmter Gesundheitsausgaben und Missachtung des Grundsatzes der Periodenabgrenzung in der Gesamtrechnung Unregelmäßigkeiten aufwiesen. Aus diesem Grund empfahl die Kommission dem Rat, einen Beschluss zur Verhängung einer Geldbuße gegen das Königreich Spanien zu erlassen.

31

Am 13. Juli 2015 erließ der Rat den angefochtenen Beschluss, in dem er zu der Schlussfolgerung gelangte, dass das Königreich Spanien aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit unrichtige Daten gemeldet habe (fünfter Erwägungsgrund) und setzte die Höhe der gegen diesen Mitgliedstaat zu verhängenden Geldbuße fest (Erwägungsgründe 6 bis 13). Zu diesem Zweck stellte der Rat zunächst fest, dass unter Berücksichtigung der Auswirkungen der fraglichen Verfälschung der Darstellung der Referenzbetrag der Geldbuße gemäß Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 auf 94,65 Mio. Euro festzusetzen sei. Sodann stellte er fest, dass dieser Betrag zu ermäßigen sei, um verschiedene mildernde Umstände zu berücksichtigen, die insbesondere daran anknüpften, dass eine einzige regionale Behörde Verursacher dieser Darstellung sei, sowie daran, dass die für die nationalen Statistiken zuständigen Behörden bei der Untersuchung kooperiert hätten.

32

Art. 1 des angefochtenen Beschlusses bestimmt:

„Gegen [das Königreich] Spanien wird eine Geldbuße in Höhe von 18,93 Mio. [Euro] für die Verfälschung der Darstellung von Daten zum öffentlichen Defizit aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit verhängt, die aus dem Bericht der Kommission über die gemäß der Verordnung [Nr.] 1173/2011 durchgeführte Untersuchung im Hinblick auf die Manipulation von Statistiken in Spanien hervorgeht.“

33

Der angefochtene Beschluss wurde dem Königreich Spanien am 20. Juli 2015 bekannt gegeben und am 28. Juli 2015 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

34

Das Königreich Spanien beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die mit dem angefochtenen Beschluss verhängte Geldbuße zu ermäßigen, indem sie auf die Zeit nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1173/2011 beschränkt wird;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

35

Der Rat beantragt,

festzustellen, dass das Gericht der Europäischen Union für die Klage zuständig ist und sie an dieses zu verweisen;

hilfsweise, die Klage abzuweisen;

dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen.

36

Mit Entscheidung vom 26. Januar 2016 hat der Präsident des Gerichtshofs die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

Zur Zuständigkeit

Vorbringen der Parteien

37

Der Rat und die Kommission machen geltend, dass sich die Klage gegen einen Rechtsakt richte, mit dem der Rat nach Art. 291 Abs. 2 AEUV eine Durchführungsbefugnis ausübe, so dass er gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in die Zuständigkeit des Gerichts falle. Die in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 vorgesehene Befugnis zum Erlass von Beschlüssen, mit denen den Mitgliedstaaten im Fall von Manipulationen von Statistiken Geldbußen auferlegt würden, könne nämlich nur als Ausübung einer Durchführungsbefugnis im Sinne von Art. 291 Abs. 2 AEUV angesehen werden, da sie Bestandteil der einheitlichen Durchführung dieser Verordnung sei. Darüber hinaus sei es, wie es im 25. Erwägungsgrund dieser Verordnung ausgeführt werde, gerechtfertigt, dem Rat und nicht der Kommission diese Befugnis zuzuerkennen.

38

Das Königreich Spanien antwortet im Wesentlichen, es sei fraglich, ob der angefochtene Beschluss als Durchführungsbeschluss im Sinne von Art. 291 Abs. 2 AEUV dargestellt werden könne, da der 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1173/2011 die einzelnen Beschlüsse, mit denen der Rat den Mitgliedstaaten im Fall von Manipulationen von Statistiken Sanktionen auferlege, nicht an die Notwendigkeit knüpfe, einheitliche Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung zu schaffen, sondern an die Zuständigkeiten, die diesem Organ durch den AEU-Vertrag auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik unmittelbar zuerkannt seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

39

Nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind dem Gerichtshof abweichend von der in Art. 256 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Regelung die Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen nach den Art. 263 und 265 AEUV vorbehalten, wenn sie zum einen von einem Mitgliedstaat erhoben werden und zum anderen gegen eine Handlung des Parlaments oder des Rates oder dieser beiden Organe in den Fällen, in denen sie gemeinsam beschließen, gerichtet sind.

40

Nach dem dritten Gedankenstrich innerhalb dieser Vorschrift der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind indes die Handlungen des Rates, mit denen dieser gemäß Art. 291 Abs. 2 AEUV Durchführungsbefugnisse ausübt, von diesem Vorbehalt ausgenommen.

41

Im vorliegenden Fall geht es um eine Nichtigkeitsklage, die zum einen von einem Mitgliedstaat erhoben wurde und zum anderen gegen eine Handlung des Rates gerichtet ist. Diese Klage fällt somit in die Zuständigkeit des Gerichtshofs, es sei denn, der angefochtene Beschluss stellt eine Handlung dar, mit der der Rat eine Durchführungsbefugnis im Sinne von Art. 291 Abs. 2 AEUV ausübt.

42

Nach dieser letztgenannten Vorschrift werden, wenn es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union bedarf, mit diesen Rechtsakten der Kommission oder, in entsprechend begründeten Sonderfällen sowie in Fällen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen.

43

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 291 Abs. 2 AEUV nicht die einzige Vorschrift des Unionsrechts ist, mit der dem Rat eine Durchführungsbefugnis verliehen wird. Auch andere Vorschriften des Primärrechts können ihm nämlich eine solche Befugnis verleihen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2014, Parlament und Kommission/Rat, C‑103/12 und C‑165/12, EU:C:2014:2400, Rn. 50, und vom 7. September 2016, Deutschland/Parlament und Rat, C‑113/14, EU:C:2016:635, Rn. 55 und 56). Ferner können außerhalb der in Art. 291 AEUV vorgesehenen Regelung durch Sekundärrechtsakte Durchführungsbefugnisse eingeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C‑270/12, EU:C:2014:18, Rn. 78 bis 86 und 98).

44

Da der angefochtene Beschluss als eine in Ausübung einer Durchführungsbefugnis erlassene Handlung anzusehen ist, weil mit ihm das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festgestellt und ihrem Urheber eine Sanktion in Anwendung der dem Rat durch Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 verliehenen Befugnisse auferlegt wird (vgl. entsprechend Urteile vom 27. Oktober 1992, Deutschland/Kommission, C‑240/90, EU:C:1992:408, Rn. 38 und 39, und vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat, C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 36), und da für die Durchführung einer solchen Befugnis durch den Rat Art. 291 Abs. 2 AEUV nur eine mögliche Rechtsgrundlage neben anderen darstellt, ist im vorliegenden Fall als Nächstes zu prüfen, ob diese Befugnis tatsächlich unter diese Bestimmung fällt.

45

Hierfür ist Art. 291 AEUV in seiner Gesamtheit zu betrachten, denn Abs. 2 dieses Artikels kann nicht ohne Abs. 1 gelesen werden, in welchem vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen nach innerstaatlichem Recht ergreifen.

46

Art. 291 AEUV gehört zwar zu Abschnitt 1 („Rechtsakte der Union“) des Kapitels 2 des Titels 1 des Sechsten Teils des AEU-Vertrags, der institutionelle Bestimmungen und Finanzvorschriften zum Inhalt hat. Dieser Artikel bezieht sich aber, wie aus dem Wortlaut seiner Abs. 1 und 2 hervorgeht, nicht auf alle Rechtsakte der Union, sondern nur auf eine spezifische Kategorie von ihnen, nämlich „verbindliche Rechtsakte“. Dieser diesen beiden Absätzen gemeinsame Hinweis auf den Begriff „verbindliche Rechtsakte“ macht es erforderlich, den Sinn dieses Begriffs für Art. 291 AEUV insgesamt festzulegen.

47

Während der erste Absatz von Art. 291 AEUV den Grundsatz aufstellt, dass es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist, alle erforderlichen Maßnahmen nach innerstaatlichem Recht zu ergreifen, um die verbindlichen Rechtsakte der Union durchzuführen, sieht der zweite Absatz dieses Artikels insoweit vor, dass diese Rechtsakte in allen Fällen, in denen es ihrer einheitlichen Durchführung bedarf, der Kommission oder dem Rat Durchführungsbefugnisse verleihen. In einer solchen Situation schließt es das Ziel einer einheitlichen Durchführung dieser Rechtsakte nämlich aus, dass sie von den einzelnen Mitgliedstaaten mit Maßnahmen nach ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht – und dem offensichtlichen Ergebnis der Gefahr einer Disparität, die dem Nebeneinander potenziell disparater nationaler Durchführungsmaßnamen innerhalb der Rechtsordnung der Union innewohnt – durchgeführt werden können.

48

Somit ist davon auszugehen, dass sich Art. 291 Abs. 2 AEUV ausschließlich auf verbindliche Rechtsakte der Union bezieht, die grundsätzlich ebenso wie die von Art. 291 Abs. 1 AEUV in Bezug genommenen für eine Durchführung durch die Mitgliedstaaten geeignet sind, im Gegensatz zu diesen jedoch aus einem bestimmten Grund einer Durchführung durch Maßnahmen bedürfen, die nicht von jedem betroffenen Mitgliedstaat, sondern von der Kommission oder dem Rat erlassen werden, um eine einheitliche Anwendung innerhalb der Union zu gewährleisten.

49

Bei einem Rechtsakt, mit dem eine Befugnis eingeführt wird, die in der Verhängung einer Geldbuße gegen einen Mitgliedstaat besteht, ist das allerdings eindeutig nicht der Fall. Denn ein solcher Rechtsakt ist in keiner Weise geeignet, durch die Mitgliedstaaten selbst durchgeführt zu werden, da eine derartige Durchführung den Erlass einer Zwangsmaßnahme gegen einen von ihnen impliziert.

50

Die vorstehende Analyse wird im Übrigen bestätigt, wenn die Ausnahmen vom Vorbehalt der Zuständigkeit des Gerichtshofs, die im zweiten und im dritten Gedankenstrich von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehen sind, gemeinsam betrachtet werden. Eine Auslegung des dritten Gedankenstrichs dieser Bestimmung, die bedeuten würde, dass unter die hierin vorgesehene Ausnahme sämtliche vom Rat erlassenen Durchführungsrechtsakte fallen, würde der Ausnahme im zweiten Gedankenstrich jede praktische Wirksamkeit nehmen. Denn diese Ausnahme bezieht sich auf Rechtsakte, die der Rat aufgrund einer Verordnung über handelspolitische Schutzmaßnahmen im Sinne von Art. 207 AEUV erlässt, und betrifft daher gerade eine Situation, in der dieses Organ einen Unionsrechtsakt durchführt.

51

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist eine Entscheidung wie der angefochtene Beschluss nicht als in Ausübung einer dem Rat nach Art. 291 Abs. 2 AEUV übertragenen Durchführungsbefugnis erlassen anzusehen.

52

Im Übrigen ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1173/2011, aufgrund deren der angefochtene Beschluss erlassen wurde, keine Bezugnahme auf Art. 291 Abs. 2 AEUV enthält.

53

Außerdem ist diese Verordnung auf die Art. 121 und 136 AEUV gestützt, wie in Rn. 9 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde. Die auf der Grundlage dieser Artikel erfolgte Zuweisung der Befugnis, deren Ausübung sich in dem Beschluss materialisiert, ist indes nicht durch die Notwendigkeit begründet, die einheitliche Durchführung dieser Verordnung sicherzustellen, sondern, wie in den Erwägungsgründen 16 und 25 der Verordnung zum Ausdruck kommt, durch die Verfolgung des Ziels, die Mitgliedstaaten von einer falschen Darstellung der Daten abzuschrecken, die für die Wahrnehmung der Zuständigkeiten wesentlich sind, die die Art. 121 und 126 AEUV dem Rat auf dem Gebiet der Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten verleihen.

54

Daraus folgt, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über die vorliegende Klage zuständig ist.

Zur Klage

55

Zur Begründung seiner Klage macht das Königreich Spanien vier Gründe geltend, die auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte, eine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung, das Fehlen einer Zuwiderhandlung und die Unverhältnismäßigkeit der ihm vom Rat auferlegten Geldbuße gestützt werden.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

56

Das Königreich Spanien macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze die Verteidigungsrechte, wie sie durch Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 und den Delegierten Beschluss 2012/678 gewährleistet seien, da ihm mit dem angefochtenen Beschluss eine Zuwiderhandlung vorgeworfen und hierfür auf anlässlich einer Reihe von Besuchen in Spanien in den Monaten Mai, Juni und September 2012 sowie September 2013 gesammelte Informationen abgestellt werde.

57

Zum einen hätten die ersten drei Besuche, bei denen diese Informationen gesammelt worden seien, nämlich zu einem Zeitpunkt stattgefunden, an dem den Mitgliedstaaten, gegen die sich auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 gestützte Untersuchungsverfahren richteten, die Beachtung der Verteidigungsrechte noch nicht garantiert gewesen sei, weil der Delegierte Beschluss 2012/678 noch nicht in Kraft gewesen sei. Des Weiteren seien diese Informationen insgesamt noch vor der Einleitung des Untersuchungsverfahrens im Juli 2014 gesammelt worden, somit außerhalb des von diesem Delegierten Beschluss vorgesehenen Verfahrens und unter Verstoß gegen das Recht, informiert zu werden, das der Delegierte Beschluss dem betroffenen Mitgliedstaat gewährleiste. Im Übrigen verpflichte der Delegierte Beschluss die Kommission vor der Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zu einem methodenbezogenen Besuch; ein solcher Besuch habe im vorliegenden Fall jedoch nicht stattgefunden.

58

Zum anderen entsprächen die Bedingungen, unter denen diese Informationen gesammelt worden seien, nicht den Anforderungen, die der Unionsgesetzgeber aufgestellt habe, um die Beachtung der Verteidigungsrechte zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang macht das Königreich Spanien geltend, die Verordnung Nr. 479/2009 stelle keine Rechtsgrundlage dar, die Eurostat ermächtige, Informationen zu möglichen Verfälschungen der Darstellungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 zu sammeln, und es sei nicht vorab über den tatsächlichen Gegenstand der im vorliegenden Fall erfolgten Besuche informiert worden. Daher hätten die spanischen Behörden mit der Kommission kooperiert, ohne zu bedenken, dass die von diesem Organ zusammengetragenen Informationen später verwendet werden könnten, um die Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens zu rechtfertigen.

59

Der Rat, unterstützt durch die Kommission, macht erstens geltend, die vor dem Beschluss über die Einleitung einer Untersuchung erfolgten Besuche seien auf der Grundlage der Verordnung Nr. 479/2009 und mit dem Ziel organisiert worden, nach einer vorläufigen Übermittlung im April 2012 die vom Königreich Spanien im Mai 2012 mitgeteilten überarbeiteten Daten auszuwerten.

60

Zweitens habe die Kommission vom Zeitpunkt des Beschlusses über die Einleitung eines Verfahrens an die Verteidigungsrechte des Königreichs Spanien beachtet. Insbesondere habe sie anlässlich der Mitteilung dieses Beschlusses diesem Mitgliedstaat gemäß dem Delegierten Beschluss 2012/678 die Informationen übermittelt, über die sie in Bezug auf ein Vorliegen ernsthafter Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen verfügt habe, die vermuten ließen, dass eine Verfälschung der Darstellung vorliege. In der Folge habe die Kommission die verschiedenen dem Königreich Spanien durch Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 garantierten Rechte beachtet. Jedenfalls habe das Königreich Spanien selbst für den Fall, dass es zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte gekommen sei, nicht nachgewiesen, dass diese sich auf das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt habe und es damit rechtfertige, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

Würdigung durch den Gerichtshof

61

Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die gegenüber einer Person eingeleitet werden und zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der zum einen auch dann Anwendung findet, wenn es an einer diesbezüglichen spezifischen Regelung fehlt, und der es zum anderen gebietet, dass Personen, gegen die ein solches Verfahren eingeleitet wurde, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt zu dem Tatbestand und der Zuwiderhandlung gegen das Unionsrecht, die ihnen zur Last gelegt werden, in sachdienlicher Weise vorzutragen, bevor Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar beeinträchtigen, getroffen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1986, Belgien/Kommission, 40/85, EU:C:1986:305, Rn. 28, vom 12. Februar 1992, Niederlande u. a./Kommission, C‑48/90 und C‑66/90, EU:C:1992:63, Rn. 44 und 45, sowie vom 14. Juni 2016, Marchiani/Parlament, C‑566/14 P, EU:C:2016:437, Rn. 51).

62

Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass der angefochtene Beschluss auf Informationen gestützt ist, die von einem Dienst der Kommission, nämlich Eurostat, anlässlich von Besuchen in Spanien im Mai, Juni und September 2012 sowie im September 2013 gesammelt wurden, also vor dem Erlass des Beschlusses über die Einleitung einer Untersuchung am 11. Juli 2014, und für drei dieser Besuche vor dem Inkrafttreten des Delegierten Beschlusses 2012/678 am 26. November 2012.

63

In einem ersten Schritt ist daher erforderlich zu prüfen, ob der Umstand, dass diese Informationen vor diesen beiden Ereignissen gesammelt wurden, dazu führt, dass der angefochtene Beschluss mit einer Verletzung der Verteidigungsrechte behaftet ist.

64

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf Untersuchungsverfahren wie die, die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegen, das Parlament und der Rat spezifische Vorschriften erlassen haben, um die Wahrung der Verteidigungsrechte zu gewährleisten. Diese sind in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 enthalten und seit deren Inkrafttreten am 13. Dezember 2011 anwendbar. Diese spezifischen Vorschriften sehen vor, dass die Kommission die Befugnis hat, die Einleitung einer Untersuchung zu beschließen, wenn sie feststellt, dass ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorliegen, die vermuten lassen, dass eine Verfälschung der Darstellung vorliegt. Außerdem verpflichten diese Vorschriften dieses Organ in dem Fall, dass es von dieser Befugnis Gebrauch macht, die Verteidigungsrechte des betreffenden Mitgliedstaats in vollem Umfang zu wahren und insbesondere die Stellungnahmen, die dieser Mitgliedstaat während der Untersuchung abgibt, zu berücksichtigen sowie ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben, bevor sie dem Rat einen Vorschlag für einen Beschluss unterbreitet, so dass dieser Beschluss ausschließlich auf Umstände gestützt werden kann, zu denen der fragliche Mitgliedstaat Erklärungen abgeben konnte.

65

So ist die Kommission seit dem 13. Dezember 2011 nicht nur ermächtigt, Informationen in Bezug auf das Vorliegen ernsthafter Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen zu sammeln, die vermuten lassen, dass eine Verfälschung der Darstellung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 vorliegt, sondern sie hat auch die Verpflichtung, solche Informationen zu sammeln, bevor ein Untersuchungsverfahren nach Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung eingeleitet wird, in dessen Rahmen die Beachtung der dem betreffenden Mitgliedstaat gewährleisteten Verteidigungsrechte sodann in vollem Umfang zu wahren ist.

66

Da die verschiedenen Besuche, die im vorliegenden Fall in Spanien stattfanden, ab Mai 2012 – und somit nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1173/2011 am 13. Dezember 2011 – organisiert wurden, ist daher festzustellen, dass der Umstand, dass Eurostat die in Rn. 62 genannten Informationen anlässlich dieser Besuche sammelte, nicht dazu führt, dass der angefochtene Beschluss mit einer Verletzung der Verteidigungsrechte behaftet ist.

67

Was in einem zweiten Schritt das Vorbringen des Königreichs Spanien betrifft, die Bedingungen, unter denen diese Informationen gesammelt worden seien, entsprächen nicht den Anforderungen, die der Unionsgesetzgeber aufgestellt habe, um die Beachtung der Verteidigungsrechte zu gewährleisten, ist festzustellen, dass, wie aus Rn. 64 des vorliegenden Urteils hervorgeht, der betreffende Mitgliedstaat grundsätzlich nach der Einleitung des in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 vorgesehenen Untersuchungsverfahrens diese Rechte in vollem Umfang geltend machen kann; denn erst dieses Verfahren kann zu einem Beschluss führen, mit dem gegen diesen Mitgliedstaat eine Sanktion mit der Begründung verhängt werden kann, er habe im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels Daten falsch dargestellt.

68

Dies vorausgeschickt, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs allerdings auch darüber zu wachen, dass die Ausübung der Verteidigungsrechte im Rahmen eines möglicherweise zu einem Rechtsakt über die Feststellung einer Zuwiderhandlung führenden Verfahrens nicht in Fällen beeinträchtigt wird, in denen vor der Einleitung dieses Verfahrens Handlungen vorgenommen werden, die es ermöglichen, Informationen zu sammeln, die für die Feststellung einer solchen Zuwiderhandlung von entscheidender Bedeutung sein können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 63 bis 65, und vom 27. April 2017, FSL u. a./Kommission, C‑469/15 P, EU:C:2017:308, Rn. 43).

69

Im vorliegenden Fall ist zu konstatieren, dass Eurostat gestützt auf die Verordnung Nr. 479/2009 vier Besuche vorgenommen hat, die es ermöglichten, die Informationen zu sammeln, auf die sich der Rat in dem angefochtenen Beschluss gestützt hat. Denn wie aus den Schreiben und den Berichten im Anhang der Klageschrift hervorgeht, wurden die beiden Besuche, die im Juni und September 2012 stattfanden, als „Gesprächsbesuche“ im Sinne von Art. 11a dieser Verordnung, der Besuch im Mai 2012 als „vorbereitender technischer Besuch“ für den ersten dieser beiden Besuche und der Besuch im September 2013 als „Ad-hoc-Besuch“ organisiert.

70

Unter diesen Umständen bedarf es der Prüfung, ob das Sammeln von Informationen über das Vorliegen einer möglichen Verfälschung der Darstellung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 durch die Verordnung Nr. 479/2009 zugelassen wird, und falls ja, ob die Bedingungen für die Organisation von Besuchen, bei denen diese Informationen im vorliegenden Fall gesammelt wurden, die vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Verfahrenserfordernisse eingehalten und dem Königreich Spanien die Möglichkeit bewahrt haben, seine Verteidigungsrechte im anschließenden Untersuchungsverfahren geltend zu machen.

71

Zu, erstens, der Frage, ob das Sammeln von Informationen über das Vorliegen einer möglichen Verfälschung der Darstellung durch die Verordnung Nr. 479/2009 zugelassen wird, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission zweimal jährlich die Daten betreffend die Höhe ihrer geplanten und tatsächlichen öffentlichen Defizite sowie die Höhe ihres tatsächlichen öffentlichen Schuldenstands mitzuteilen, damit die Kommission und der Rat ihre jeweiligen Zuständigkeiten nach den Art. 121 und 126 AEUV sowie dem Protokoll Nr. 12 wahrnehmen können. Speziell für den Fall, dass diese Daten von einem Mitgliedstaat falsch dargestellt werden, ermöglicht Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 es dem Rat, ihm die Zuwiderhandlung anzulasten und eine Geldbuße gegen ihn zu verhängen, wie die Generalanwältin in Nr. 66 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat.

72

Zum anderen weist Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 479/2009 im Licht der Erwägungsgründe 9 und 10 dieser Verordnung speziell Eurostat die Verantwortung zu, im Namen der Kommission die Qualität dieser Daten unparteiisch und unabhängig zu bewerten, indem dieses Amt die Einhaltung von Verbuchungsregeln, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Aktualität und Kohärenz der Daten kontrolliert. Eurostat hat nämlich u. a. die Befugnis, gemäß Art. 11a der Verordnung sogenannte „Gesprächsbesuche“ in den Mitgliedstaaten durchzuführen, um die gemeldeten Daten zu überprüfen, sie methodisch und buchhalterisch zu beurteilen sowie Risiken oder potenzielle Probleme bei deren Qualität zu ermitteln. Dieser Dienst der Kommission ist also dazu ermächtigt, in diesem Rahmen allgemein die Risiken und potenziellen Probleme hinsichtlich der Zuverlässigkeit der fraglichen Daten zu identifizieren.

73

Daher stellte die Verordnung Nr. 479/2009, genauer ihr Art. 11a, eine Rechtsgrundlage dar, die Eurostat dazu ermächtigte, im Rahmen von Besuchen wie den in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannten beiden Gesprächsbesuchen und dem vorbereitenden technischen Besuch Informationen über eine mögliche Verfälschung der Darstellung zu sammeln.

74

Was den ebenfalls in dieser Randnummer erwähnten vierten Besuch angeht, der stattfand, um spezifisch die Konten der Autonomen Gemeinschaft Valencia zu untersuchen, ist allerdings festzustellen, dass ein solcher Besuch von der Verordnung Nr. 479/2009 nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

75

Art. 11 dieser Verordnung sieht jedoch vor, dass Eurostat einen ständigen Dialog mit den statistischen Behörden der Mitgliedstaaten unterhält. Ein solcher ständiger Dialog impliziert jedoch notwendigerweise, dass Eurostat die unterschiedlichen Besuche und Missionen, die die Ausübung seiner Zuständigkeiten erforderlich macht, über die speziell in diesem Artikel vorgesehenen Besuche hinaus durchführen kann. Zudem fordern die Erwägungsgründe 7 und 8 der Verordnung Nr. 1173/2011 spezifisch die Kommission auf, im Rahmen dieses ständigen Dialogs Missionen vor Ort und Überwachungsmissionen in den Mitgliedstaaten durchzuführen.

76

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Art. 11 der Verordnung Nr. 479/2009 eine Rechtsgrundlage darstellte, die Eurostat ermächtigte, Informationen über eine mögliche Verfälschung der Darstellung im Rahmen dieses vierten Besuchs zu sammeln.

77

Zum Argument des Königreichs Spanien, vor der Einleitung eines Untersuchungsverfahrens müsse ein methodenbezogener Besuch durchgeführt werden, genügt im Übrigen die Feststellung, dass der Delegierte Beschluss 2012/678 in seinem Art. 2 Abs. 3 vorsieht, dass sich die Kommission dafür entscheiden kann, eine Untersuchung erst dann durchzuführen, wenn ein entsprechender Besuch stattgefunden hat, folglich ohne ihr eine Verpflichtung hierzu aufzuerlegen.

78

Was zweitens die Frage betrifft, ob die vier in Rede stehenden Besuche unter Beachtung der vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Verfahrenserfordernisse und in einer Art und Weise durchgeführt wurden, die die Ausübung der dem Königreich Spanien im Rahmen des anschließenden Untersuchungsverfahrens gewährleisteten Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigte, ist einerseits anzumerken, dass Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 479/2009 vorsieht, dass die im Rahmen von Dialogbesuchen in den Mitgliedstaaten getroffenen vorläufigen Feststellungen diesen übermittelt werden, um ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

79

Im vorliegenden Fall wurden die im Rahmen des vorbereitenden technischen Besuchs und der beiden Gesprächsbesuche, die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils erwähnt wurden, getroffenen vorläufigen Feststellungen dem Königreich Spanien zur Stellungnahme übermittelt, wie dies der im Anhang der Klageschrift vorgelegte Bericht von Eurostat attestiert, in dem die Stellungnahme dieses Mitgliedstaats nach Mitteilung einer vorläufigen Fassung dieses Dokuments enthalten ist. Im Übrigen ist dieser Mitgliedstaat vorab ausführlich über den genauen Gegenstand dieser Besuche informiert worden, insbesondere darüber, dass sie sich neben anderen Fragen auf die Daten betreffend die Autonome Gemeinschaft Valencia beziehen würden; das geht aus den in der besagten Rn. 69 angeführten Dokumenten hervor.

80

Wie den genannten Dokumenten zu entnehmen ist, wurde das Königreich Spanien andererseits – hinreichend klar und eindeutig und vor dem Besuch im September 2013 – darüber informiert, dass dieser sich u. a. auf eine mögliche Verfälschung der Darstellung in Bezug auf die Daten betreffend die Autonome Gemeinschaft Valencia beziehen werde.

81

Daher ist festzustellen, dass die Bedingungen der Organisation der Besuche, die Eurostat in Spanien im Mai, Juni und September 2012 sowie im September 2013 durchführte und bei denen die Informationen, auf die der angefochtene Beschluss gestützt ist, gesammelt wurden, die im Unionsrecht vorgesehenen Verfahrenserfordernisse beachtet haben.

82

Folglich ist davon auszugehen, dass die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte durch das Königreich Spanien im Rahmen des dem angefochtenen Beschluss vorausgegangenen Untersuchungsverfahrens durch die verschiedenen Besuche, bei denen Eurostat die besagten Informationen vor der Einleitung dieses Verfahrens sammelte, nicht beeinträchtigt wurde.

83

Nach alledem hat sich der Rat im angefochtenen Beschluss auf die anlässlich dieser Besuche gesammelten Informationen gestützt, ohne die Verteidigungsrechte des Königreichs Spanien zu verletzen.

84

Somit ist der erste Klagegrund nicht begründet.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung

Vorbringen der Parteien

85

Das Königreich Spanien macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze das in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) niedergelegte Recht auf eine gute Verwaltung.

86

Es stehe nämlich nicht im Einklang mit dem diesem Recht innewohnenden Erfordernis einer objektiven Unparteilichkeit, dass die Kommission mit der Ermittlung in einem auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 gestützten Untersuchungsverfahren Personen betraue, die vorher an Besuchen teilgenommen hätten, aufgrund deren die Kommission zu der Feststellung gelangt sei, es lägen ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vor, die die Einleitung eines solchen Verfahrens rechtfertigten. Im vorliegenden Fall hätten drei der vierzehn Bediensteten, die an den Besuchen von Eurostat in Spanien teilgenommen hätten, auch zu dem Team von vier Personen gehört, das später von der Kommission im Rahmen dieses Verfahrens eingesetzt worden sei. Darüber hinaus bestehe bei dem Dienst, dem diese drei Personen angehörten, die Gefahr der Parteilichkeit, da er für die Bewertung der zu Schuldenstand und Defizit von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten zuständig sei und deshalb ein Interesse daran habe, dass die Ermittlung im Untersuchungsverfahren zulasten des Mitgliedstaats geführt werde, dem eine Manipulation dieser Daten vorgeworfen werde. Daher sei davon auszugehen, dass das Untersuchungsverfahren unter Bedingungen geführt worden sei, die die objektive Unparteilichkeit der Kommission nicht gewährleisteten, und dass diese Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führe, den der Rat am Ende dieses Verfahrens erlassen habe.

87

Der Rat, unterstützt durch die Kommission, macht zwar geltend, das Königreich Spanien könne sich nicht auf Art. 41 Abs. 1 der Charta berufen, da es ein Mitgliedstaat und keine Person im Sinne dieser Bestimmung sei, räumt aber ein, dass dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der guten Verwaltung als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts für sich in Anspruch nehmen könne. Dennoch verstoße der Umstand, dass die Kommission in einem aufgrund der Verordnung Nr. 1173/2011 eingeleiteten Untersuchungsverfahren Personen mit der Ermittlung betraue, die zuvor an Besuchen nach der Verordnung Nr. 479/2009 teilgenommen hätten, nicht gegen diesen Grundsatz, da die beiden Verfahren rechtlich verschieden seien, zumal nach dem Abschluss eines solchen Untersuchungsverfahrens ein anderes Organ als die Kommission, nämlich der Rat, einen Beschluss über das Vorliegen einer Manipulation von Statistiken und die Verhängung einer Geldbuße gegen den betreffenden Mitgliedstaat treffen müsse.

Würdigung durch den Gerichtshof

88

In Art. 41 („Recht auf eine gute Verwaltung“) Abs. 1 der Charta, der zu den Bestimmungen des Titels V („Bürgerrechte“) der Charta gehört, heißt es u. a., dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen der Union unparteiisch behandelt werden.

89

Im vorliegenden Fall beruft sich ein Mitgliedstaat auf diese Bestimmung. Ohne dass es einer Äußerung zu der Frage bedarf, ob ein Mitgliedstaat als Person im Sinne dieser Bestimmung oder als einer Person vergleichbar anzusehen ist und dieses Recht deshalb für sich beanspruchen könnte, ist festzustellen, dass dieses Recht einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts widerspiegelt (Urteil vom 8. Mai 2014, N., C‑604/12, EU:C:2014:302, Rn. 49), der als solcher von den Mitgliedstaaten geltend gemacht werden kann und anhand dessen somit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses zu prüfen ist.

90

Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Unionsorgane verpflichtet, diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Rahmen von Verwaltungsverfahren zu beachten, die gegenüber Mitgliedstaaten eingeleitet werden und zu sie beschwerenden Entscheidungen führen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission, C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 52, und vom 24. Juni 2015, Deutschland/Kommission, C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Insbesondere obliegt es den Organen, dem Unparteilichkeitsgebot in seinen beiden Ausprägungen nachzukommen, zum einen der subjektiven Unparteilichkeit, wonach kein Mitglied des befassten Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen der objektiven Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel im Hinblick auf etwaige Vorurteile auszuschließen (Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 154 und 155 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92

Im vorliegenden Fall stellt das Königreich Spanien zwar die subjektive Unparteilichkeit der Kommission nicht in Frage, es macht vielmehr geltend, der angefochtene Beschluss sei deshalb rechtswidrig, weil dieses Organ dem Gebot der objektiven Unparteilichkeit nicht nachgekommen sei, indem es die Ermittlung im Untersuchungsverfahren einem Team übertragen habe, das zu einem großen Teil aus Bediensteten von Eurostat bestanden habe, die bereits an den Besuchen dieses Dienstes in Spanien vor der Einleitung des fraglichen Verfahrens teilgenommen hätten.

93

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie das Königreich Spanien zu Recht geltend macht, der Rat und die Kommission nicht damit durchdringen, dass dieses Vorbringen zurückzuweisen sei, weil nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens nicht die Kommission, sondern der Rat den angefochtenen Beschluss erlassen habe.

94

Unter Berücksichtigung der in Rn. 91 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist nämlich festzustellen, dass die Unionsorgane, wenn mehreren von ihnen eigene und unterschiedliche Zuständigkeiten im Rahmen eines gegen einen Mitgliedstaat eingeleiteten Verfahrens, das zu einer ihn beschwerenden Entscheidung führen kann, zukommen, verpflichtet sind, jeweils soweit es sie angeht, das Gebot der objektiven Unparteilichkeit zu beachten. Folglich kann selbst in einem Fall, in dem nur eines von ihnen diesem Gebot nicht nachgekommen ist, die am Ende des betreffenden Verfahrens getroffene Entscheidung rechtswidrig sein.

95

Folglich hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die Kommission hinreichende Garantien bietet, um jeden berechtigten Zweifel im Hinblick auf etwaige Vorurteile ihrerseits auszuschließen, wenn sie die Ermittlung in einem Untersuchungsverfahren wie dem, das zu dem angefochtenen Beschluss geführt hat, einem Team überträgt, das zu einem großen Teil aus Bediensteten von Eurostat besteht, die bereits an Besuchen dieses Dienstes in dem fraglichen Mitgliedstaat vor der Einleitung dieses Verfahrens teilgenommen haben.

96

Insoweit ist zu konstatieren, dass zum einen diese Besuche und zum anderen das Untersuchungsverfahren unterschiedlichen rechtlichen Rahmen unterfallen und ein jeweils anderes Ziel haben.

97

Die Besuche, die Eurostat in den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Art. 11 und 11a der Verordnung Nr. 479/2009 durchführen kann, sollen, wie sich aus den Rn. 72 und 75 des vorliegenden Urteils ergibt, diesem Dienst der Kommission ermöglichen, gemäß Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung die Qualität der zweimal jährlich von den Mitgliedstaaten zu ihrem öffentlichen Schuldenstand und ihrem öffentlichen Defizit übermittelten Daten zu bewerten.

98

Das Untersuchungsverfahren ist in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 geregelt, und sein Ziel ist es nach dieser Bestimmung, der Kommission zu ermöglichen, alle Untersuchungen durchzuführen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob eine absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit entstandene Verfälschung der Darstellung dieser Daten vorliegt, wenn sie der Auffassung ist, dass ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorliegen, die vermuten lassen, dass eine solche Verfälschung vorliegt.

99

Angesichts dieser unterschiedlichen rechtlichen Rahmen und der jeweils anderen Ziele ist davon auszugehen, dass selbst dann, wenn sich die einerseits mit diesen Besuchen und andererseits durch dieses Untersuchungsverfahren überprüften Daten teilweise überschneiden, die Bewertungen, die Eurostat und die Kommission jeweils mit Blick auf diese Daten vorzunehmen haben, dagegen notwendigerweise unterschiedlich sind.

100

Folglich greifen die von Eurostat zur Qualität bestimmter dieser Daten nach Abschluss der Besuche in diesem Mitgliedstaat getroffenen Bewertungen nicht als solche dem Standpunkt vor, den die Kommission in Bezug auf eine Verfälschung der Darstellung dieser Daten einnehmen könnte, falls sie beschließt, hierzu später ein Untersuchungsverfahren einzuleiten.

101

Demnach lässt der Umstand, dass die Ermittlung in einem auf Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 gestützten Untersuchungsverfahren auf ein zu einem großen Teil aus Bediensteten von Eurostat, die bereits an von diesem Dienst auf der Grundlage der Verordnung Nr. 479/2009 in dem betreffenden Mitgliedstaat organisierten Besuchen teilgenommen haben, bestehendes Team übertragen wird, nicht als solcher die Schlussfolgerung zu, dass der am Ende dieses Verfahrens erlassene Beschluss aufgrund eines der Kommission anzulastenden Verstoßes gegen das Gebot der objektiven Unparteilichkeit rechtswidrig ist.

102

Zudem ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 nicht Eurostat, dessen Zuständigkeiten, wie in Rn. 72 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, in der Verordnung Nr. 479/2009 eindeutig festgelegt sind, sondern der Kommission und somit den als Kollegium handelnden Kommissaren erstens die Befugnis, die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zu beschließen, zweitens die Zuständigkeit, die Untersuchung durchzuführen, und drittens die Möglichkeit vorbehält, dem Rat die Empfehlungen und Vorschläge zu unterbreiten, die am Ende dieser Untersuchung geboten erscheinen.

103

Zum anderen überträgt die Verordnung Nr. 1173/2011 den Bediensteten von Eurostat hinsichtlich der Führung des Untersuchungsverfahrens keine eigene Zuständigkeit.

104

Daher ist festzustellen, dass die den Bediensteten von Eurostat im Untersuchungsverfahren übertragene Rolle sich weder für den Ablauf noch für den Ausgang dieses Verfahrens als maßgeblich erweist.

105

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Umstand, dass die Ermittlung im Untersuchungsverfahren auf ein zu einem großen Teil aus Bediensteten von Eurostat, die bereits an den von diesem Dienst in Spanien organisierten Besuchen vor der Einleitung dieses Verfahrens teilgenommen hatten, bestehendes Team übertragen wurde, dazu führt, dass der angefochtene Beschluss mit einem angeblichen Verstoß der Kommission gegen das Gebot der objektiven Unparteilichkeit behaftet ist.

106

Somit ist der zweite Klagegrund nicht begründet.

Zum dritten Klagegrund: Nichtvorliegen einer Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

107

Das Königreich Spanien trägt vor, dass die verschiedenen Voraussetzungen, die Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 für die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer Zuwiderhandlung durch den Rat aufstelle, im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen seien.

108

Hierzu macht dieser Mitgliedstaat erstens geltend, dass der ihm zur Last gelegte Sachverhalt nicht als eine „Verfälschung der Darstellung“ eingestuft werden könne. Denn es sei zwischen einem Sachverhalt, der den Tatbestand einer Verfälschung der Darstellung, die eine nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 verbotene Zuwiderhandlung sei, erfülle, und zwischen einem Sachverhalt, der eine schlichte, nach Art. 6 der Verordnung Nr. 479/2009 zulässige, Korrektur der Eurostat zuvor übermittelten Daten darstelle, zu unterscheiden. Insbesondere sei Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 dahin zu verstehen, dass er dem Rat Sanktionen nur bei solchen Verfälschungen der Darstellung erlaube, die die Mitgliedstaaten in Bezug auf tatsächliche Daten vorgenommen hätten. Verfälschungen der Darstellung in Bezug auf voraussichtliche Daten fielen dagegen nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung. Eine Auslegung im entgegengesetzten Sinne würde Art. 6 der Verordnung Nr. 479/2009 die Bedeutung nehmen, da dieser den Mitgliedstaaten erlaube, die voraussichtlichen Daten, die sie Eurostat zuvor mitgeteilt hätten, zu korrigieren. Im vorliegenden Fall hätte der vom angefochtenen Beschluss erfasste Sachverhalt als eine Korrektur der der Kommission in der Mitteilung vom 30. März 2012 übermittelten voraussichtlichen Daten eingestuft werden müssen, was Eurostat akzeptiert habe, indem es die fraglichen korrigierten Daten veröffentlicht habe.

109

Zweitens sei davon auszugehen, dass Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 es dem Rat nicht erlaube, jede Verfälschung der Darstellung zu ahnden, sondern nur solche Verfälschungen, die eine Beeinträchtigung der Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik, die von Rat und Kommission gemäß den Art. 121 und 126 AEUV sowie dem Protokoll Nr. 12 zu gewährleisten seien, zur Folge hätten. Im vorliegenden Fall habe die dem Königreich Spanien vorgeworfene Verfälschung der Darstellung aufgrund der Schnelligkeit, mit der die fraglichen Daten später korrigiert worden seien, und der Höhe der betreffenden Ausgaben den Rat und die Kommission nicht merklich an der Ausübung ihrer entsprechenden Zuständigkeiten gehindert.

110

Drittens könne dem Königreich Spanien keine schwerwiegende Nachlässigkeit vorgeworfen werden. Der angefochtene Beschluss konzentriere sich nämlich auf das Vorliegen einer Verfälschung der Darstellung, die das Defizit allein einer autonomen Einheit innerhalb des gesamten öffentlichen Defizits betreffe. Der Beschluss berücksichtige außerdem nicht die Kooperation, die der Mitgliedstaat, nachdem er der Kommission die fraglichen Unregelmäßigkeiten von sich aus angezeigt habe, während der von ihr durchgeführten Untersuchung an den Tag gelegt habe.

111

Der Rat, unterstützt durch die Kommission, wendet zunächst ein, der Umstand, dass Eurostat die korrigierten Daten nach Art. 6 der Verordnung Nr. 479/2009 veröffentlicht habe, verwehre es nicht, dass der betreffende Mitgliedstaat nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 mit einer Sanktion belegt werden könne, wenn die Veröffentlichung dieser Daten nach einer Verfälschung der Darstellung erfolge.

112

Der Rat und die Kommission bemerken sodann, dass Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 es erlaube, jede falsche Darstellung von Daten über das Defizit und den Schuldenstand, die für die Anwendung der Art. 121 und 126 AEUV sowie des Protokolls Nr. 12 relevant sei, zu ahnden. Denn wie aus dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1173/2011 hervorgehe, seien alle diese Daten für ihre Aufgaben der Koordination und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik wesentlich. Daher dürfe die Auswirkung einer Verfälschung der Darstellung nicht berücksichtigt werden, um das Vorliegen eines Verstoßes festzustellen, sondern nur, um die entsprechende Geldbuße zu berechnen, wie dies nach dem Delegierten Beschluss 2012/678 zulässig und im vorliegenden Fall erfolgt sei.

113

Was schließlich das Vorliegen einer dem Königreich Spanien vorzuwerfenden schwerwiegenden Nachlässigkeit angeht, so vertreten der Rat und die Kommission die Auffassung, dass dieser Mitgliedstaat zum einen für das Agieren seiner Gebietskörperschaften verantwortlich zu machen sei, wie er dafür im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage verantwortlich gemacht werden würde, und dass es nicht dem Sachverhalt entspreche, wenn behauptet werde, dass dieser Mitgliedstaat von sich aus das Vorliegen einer Verfälschung der Darstellung gegenüber der Kommission angezeigt habe. Zum anderen wirke sich die Kooperation, die ein solcher Mitgliedstaat an den Tag gelegt habe, nicht auf die Feststellung der Zuwiderhandlung nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 aus, könne aber als mildernder Umstand im Rahmen der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt werden, wie dies nach dem Delegierten Beschluss 2012/678 zulässig und im vorliegenden Fall geschehen sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

114

Eingangs ist festzustellen, dass das Königreich Spanien nicht den Sachverhalt bestreitet, den ihm der Rat zur Last legt. Somit steht fest, dass, erstens, die Daten, die dieser Mitgliedstaat Eurostat am 30. März 2012 mitteilte, seine tatsächlichen und voraussichtlichen öffentlichen Defizite für die Jahre 2008 bis 2011 um 4,5 Mrd. Euro verminderten, wovon 1,9 Mrd. Euro allein auf die Autonome Gemeinschaft Valencia entfielen, zweitens die Verminderung im Zusammenhang mit dieser Einheit dadurch zu erklären ist, dass die Auditbehörde dieser Autonomen Gemeinschaft mehrere Jahre lang Konten validiert hatte, die auf der Nichterfassung bestimmter Gesundheitsausgaben und der Missachtung des Grundsatzes der Periodenabgrenzung in der Gesamtrechnung beruhende Unregelmäßigkeiten aufwiesen, und drittens diese Sachlage trotz mehrfacher Hinweise des Rechnungshofs dieser Autonomen Gemeinschaft fortbestand.

115

Das Königreich Spanien stellt vielmehr die rechtliche Einstufung des in dieser Weise festgestellten Sachverhalts durch den Rat mit drei im Wesentlichen in den Rn. 108 bis 110 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Argumentationssträngen in Frage, deren Prüfung in erster Linie die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 erforderlich macht.

116

Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Rat das Vorliegen einer Zuwiderhandlung feststellen kann. Erstens muss der betreffende Mitgliedstaat die Darstellung verfälscht haben, zweitens muss diese Verfälschung der Darstellung Daten über Defizit und Schuldenstand betreffen, die für die Anwendung der Art. 121 und 126 AEUV sowie des Protokolls Nr. 12 relevant sind, drittens muss dieser Mitgliedstaat absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit gehandelt haben.

117

Was zunächst die erste dieser drei Voraussetzungen angeht, macht das Königreich Spanien, wie sich aus Rn. 108 des vorliegenden Urteils ergibt, geltend, Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 sei dahin zu verstehen, dass eine Verfälschung der Darstellung in Bezug auf voraussichtliche Daten nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung falle.

118

In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 alle Verfälschungen der Darstellungen seitens der Mitgliedstaaten erfasst, ohne den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf bestimmte Arten von Verfälschungen oder Irrtümern zu begrenzen. Darüber hinaus heißt es im 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1173/2011, der den von ihr verfolgten Zweck erläutert, dass sie die Mitgliedstaaten von einer falschen Darstellung der Daten abschrecken soll, ohne dass hierbei verschiedene Arten unterschieden werden.

119

Daher ist davon auszugehen, dass der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 der Verordnung im Licht des 16. Erwägungsgrundes dieser Verordnung alle Verfälschungen von Darstellungen seitens der Mitgliedstaaten in Bezug auf Daten, die, wie in Rn. 71 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Eurostat gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 479/2009 mitzuteilen sind, einschließlich der Darstellungen voraussichtlicher Daten, umfasst.

120

Das Vorbringen des Königreichs Spanien, die Einbeziehung von Verfälschungen von Darstellungen in Bezug auf voraussichtliche Daten in den Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 nehme Art. 6 der Verordnung Nr. 479/2009 die Bedeutung, da Art. 6 den Mitgliedstaaten gestatte, die Eurostat zuvor mitgeteilten Daten zu korrigieren, stellt diese Schlussfolgerung nicht in Frage.

121

Wie sich aus seinem Wortlaut ergibt, soll Art. 6 der Verordnung Nr. 479/2009 den Mitgliedstaaten nämlich nicht die Möglichkeit geben, Eurostat in dem speziellen Fall zu informieren, dass sie voraussichtliche Daten nach Entdeckung einer Verfälschung der Darstellung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 korrigieren, sondern er will sie generell verpflichten, diesen Dienst über alle Fälle einer größeren Korrektur zuvor mitgeteilter Daten zu informieren. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten somit dazu, sowohl die Fälle einer Korrektur voraussichtlicher Daten als auch die einer Korrektur tatsächlicher Daten anzuzeigen, unabhängig von der dem Rat verliehenen Befugnis, ihnen eine Sanktion aufzuerlegen, wenn die fraglichen Daten falsch dargestellt wurden. Dass Verfälschungen der Darstellung in Bezug auf voraussichtliche Daten vom Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 miterfasst werden, wirkt sich daher nicht auf die Bedeutung von Art. 6 der Verordnung Nr. 479/2009 aus.

122

Folglich greift das Vorbringen des Königreichs Spanien, Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 sei dahin zu verstehen, dass eine Verfälschung der Darstellung in Bezug auf voraussichtliche Daten nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung falle, nicht durch.

123

Was sodann die zweite in Rn. 116 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung angeht, macht das Königreich Spanien geltend, Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 erlaube dem Rat lediglich, solche Verfälschungen der Darstellung zu ahnden, die die Koordination und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik, die von Rat und Kommission nach den Art. 121 und 126 AEUV sowie dem Protokoll Nr. 12 zu gewährleisten seien, beeinträchtigten.

124

Hierzu ist daran zu erinnern, dass der Rat nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 ermächtigt ist, Verfälschungen der Darstellung durch die Mitgliedstaaten in Bezug auf Daten über das Defizit und den Schuldenstand, die für die Anwendung der Art. 121 und 126 AEUV sowie des Protokolls Nr. 12 relevant sind, zu sanktionieren. Diese Vorschrift definiert solche Darstellungen somit unter Bezugnahme auf die betreffenden Daten, also das Defizit und den Schuldenstand des fraglichen Mitgliedstaats. Dagegen enthält sie, entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien, nichts, was auf eine konkrete Auswirkung Bezug nimmt, die diese Darstellungen haben können.

125

Unter diesen Umständen ist Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 dahin zu verstehen, dass er es dem Rat erlaubt, alle Verfälschungen von Darstellungen in Bezug auf Daten über den Schuldenstand und das Defizit des betreffenden Mitgliedstaats zu ahnden, unabhängig davon, ob sie sich dahin auswirken, dass sie die Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik, die Rat und Kommission gewährleisten, beeinträchtigen.

126

Mithin ist das in Rn. 123 wiedergegebene Vorbringen des Königreichs Spanien nicht begründet.

127

Was schließlich die dritte in Rn. 116 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung angeht, wonach der betreffende Mitgliedstaat absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit gehandelt haben muss, damit ihm eine Zuwiderhandlung angelastet werden kann, macht das Königreich Spanien geltend, dass diese Voraussetzung nicht als erfüllt angesehen werden könne, da die im vorliegenden Fall in Rede stehende Verfälschung der Darstellung zum einen lediglich das Defizit einer einzigen Autonomen Gemeinschaft innerhalb des gesamten öffentlichen Defizits betreffe und Spanien zum anderen bei der von der Kommission durchgeführten Untersuchung kooperiert habe, nachdem es ihr die fraglichen Unregelmäßigkeiten von sich aus angezeigt habe.

128

Als Erstes genügt zu dem Argument, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Verfälschung der Darstellung lediglich das Defizit einer einzigen Autonomen Gemeinschaft innerhalb des gesamten öffentlichen Defizits betreffe, der Hinweis, dass die Beurteilung, ob eine schwerwiegende Nachlässigkeit seitens des betreffenden Mitgliedstaats vorliegt, für die in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 vorgesehene Qualifizierung der Zuwiderhandlung nicht davon abhängt, ob die der Verfälschung der Darstellung zugrunde liegenden Unregelmäßigkeiten begrenzt auftreten oder nicht, sondern davon, welchen Umfang der Verstoß dieses Mitgliedstaats gegen die Sorgfaltspflicht hat, die ihm bei der Erstellung und Prüfung der Eurostat gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 479/2009 mitzuteilenden Daten obliegt.

129

Als Zweites ist zur Kooperation des Königreichs Spanien bei der von der Kommission durchgeführten Untersuchung, nachdem es ihr die fraglichen Unregelmäßigkeiten von sich aus angezeigt hatte, daran zu erinnern, dass, wie in Rn. 65 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, die Einleitung des in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1173/2011 vorgesehenen Untersuchungsverfahrens dadurch zu rechtfertigen ist, dass ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorliegen, die vermuten lassen, dass eine absichtliche oder auf schwerwiegender Nachlässigkeit beruhende Verfälschung von Daten vorliegt.

130

Daraus folgt, dass das Vorliegen dieser schwerwiegenden Nachlässigkeit anhand der den Tatbestand einer Verfälschung der Darstellung erfüllenden Umstände zu prüfen ist, und dabei das Verhalten, das dieser Mitgliedstaat danach an den Tag gelegt hat, außer Betracht zu bleiben hat.

131

Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien vermögen daher weder der Umstand, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Verfälschung der Darstellung lediglich das Defizit einer einzigen Autonomen Gemeinschaft betrifft, noch der Umstand, dass dieser Mitgliedstaat bei der von der Kommission durchgeführten Untersuchung kooperiert hat, nachdem er ihr die Unregelmäßigkeiten von sich aus angezeigt hatte, die vom Rat zugrunde gelegte Qualifizierung als schwerwiegende Nachlässigkeit in Frage zu stellen.

132

Hiernach ist festzustellen, dass der Umstand, dass sich der betreffende Mitgliedstaat im Rahmen der Aufdeckung der Verfälschung der Darstellung und während des Verfahrens kooperativ gezeigt hat, zwar keine Auswirkung auf das Vorliegen einer Zuwiderhandlung hat, jedoch als mildernder Umstand gemäß Art. 14 Abs. 3 Buchst. e des Delegierten Beschlusses 2012/678 zu berücksichtigen ist.

133

Nach alledem ist der dritte Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

134

In seiner Klageschrift hat das Königreich Spanien geltend gemacht, die mit dem angefochtenen Beschluss verhängte Geldbuße sei aufgrund einer falschen Festlegung des für ihre Berechnung berücksichtigten zeitlichen Rahmens unverhältnismäßig.

135

In diesem Zusammenhang macht dieser Mitgliedstaat geltend, der Rat habe gegen Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 verstoßen, wonach die Geldbuße auf der Grundlage eines Referenzbetrags zu kalkulieren sei, der „5 % der Auswirkungen der Verfälschung der Darstellung … auf das … Defizit … – maßgeblich ist der höhere Wert – für die Jahre, die von der Unterrichtung … erfasst werden“, entspreche. Denn diese Wendung sei in dem Sinne zu verstehen, dass der Rat zunächst die Auswirkungen der Verfälschung der Darstellung auf das Defizit für jedes einzelne der Jahre, die von der Mitteilung erfasst und von der Verfälschung betroffen seien, beurteilen, sodann das Jahr, für das der Wert der höchste sei, ermitteln und schließlich den Referenzbetrag unter Bezugnahme auf allein diesen Wert festlegen müsse. Im vorliegenden Fall hätte diese Auslegung den Rat dazu veranlassen müssen, sich bei der Festlegung des Referenzbetrags auf die vom Königreich Spanien nicht deklarierten Ausgaben für allein das Jahr 2011 (d. h. 862 Mio. Euro) zu stützen. Der Rat habe den Referenzbetrag jedoch festgesetzt, indem er sich auf die nicht deklarierten Ausgaben für alle Jahre gestützt habe, die von der Mitteilung vom 30. März 2012 erfasst und von der Verfälschung der Darstellung betroffen seien, also die Jahre 2008 bis 2011 (d. h. etwa 1,9 Mrd. Euro). Daher sei es gerechtfertigt, dass der Gerichtshof diesen Fehler korrigiere und die Höhe des Referenzbetrags auf 43,1 Mio. Euro (anstelle von 94,65 Mio. Euro) herabsetze, so dass sich die Geldbuße auf 8,62 Mio. Euro (anstelle von 18,93 Mio. Euro) belaufe.

136

In seiner Erwiderung und sodann in der mündlichen Verhandlung hat das Königreich Spanien in diesem Rahmen hinzugefügt, dass der vom Rat begangene Fehler ihn auch dazu veranlasst habe, gegen das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften zu verstoßen.

137

In seiner Klagebeantwortung hat der Rat, unterstützt durch die Kommission, entgegnet, dass die mit dem angefochtenen Beschluss auferlegte Geldbuße gemäß Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 berechnet worden sei. Diese Bestimmung sei nämlich dahin zu verstehen, dass der Rat zunächst ermitteln müsse, welche Jahre von der Mitteilung erfasst und von der Verfälschung der Darstellung betroffen seien, sodann habe er den Gesamtwert der Auswirkung dieser Verfälschung der Darstellung auf das Defizit für alle in Rede stehenden Jahre zu beurteilen und sich schließlich auf diesen Gesamtwert zu stützen, um die Höhe des Referenzbetrags der Geldbuße festzulegen. Im vorliegenden Fall habe diese Auslegung den Rat zu Recht dazu veranlasst, den Referenzbetrag in der Weise festzulegen, dass er auf die vom Königreich Spanien nicht deklarierten Ausgaben für alle von dessen Mitteilung vom 30. März 2012 erfassten und von der Verfälschung der Darstellung betroffenen Jahre, nämlich die Jahre 2008 bis 2011, abstelle.

138

In der Klagebeantwortung hat der Rat sich auch dahin gehend eingelassen, soweit das Königreich Spanien sich gegen die rückwirkende Anwendung der Verordnung Nr. 1173/2011 wende, sei die für die Berechnung der Geldbuße berücksichtigte Verfälschung der Darstellung am 30. März 2012, also nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1173/2011 am 13. Dezember 2011, begangen worden.

139

In der mündlichen Verhandlung haben der Rat und die Kommission gleichwohl geltend gemacht, die Berufung auf das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften sei als im Stadium der Erwiderung geltend gemachter Verteidigungsgrund, somit als neuer Verteidigungsgrund im Sinne von Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, anzusehen und nach dieser Vorschrift unzulässig.

Würdigung durch den Gerichtshof

– Zur Zulässigkeit

140

Nach Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

141

Hingegen ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines in der Klageschrift vorgetragenen Klagegrundes darstellt und das einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, nicht für unzulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Parlament und Rat, C‑88/14, EU:C:2015:499, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

142

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass das Vorbringen des Königreichs Spanien, die mit dem angefochtenen Beschluss auferlegte Geldbuße sei unter Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot von Strafvorschriften verhängt worden, zu dem Vorbringen in der Erwiderung gehört, das eine Erweiterung des in der Klageschrift vorgetragenen vierten Grundes darstellt. Sodann ergibt die Untersuchung dieses Vorbringens und dieses Klagegrundes, dass mit beiden ein und derselbe Gesichtspunkt des angefochtenen Beschlusses gerügt wird, nämlich der Umstand, dass der Rat die Höhe des Referenzbetrags der Geldbuße, die er gegen das Königreich Spanien verhängen wollte, berechnet habe, indem er alle Verfälschungen der Darstellung seitens dieses Mitgliedstaats in der Mitteilung vom 30. März 2012 zu den nicht deklarierten Ausgaben für die Jahre 2008 bis 2011 berücksichtigt habe, anstatt nur die Verfälschung der Darstellung seitens dieses Mitgliedstaats für 2011 zu berücksichtigen. Insoweit weisen das Vorbringen und der fragliche Klagegrund einen engen Zusammenhang auf.

143

Aus diesen Gründen ist das auf den Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot von Strafvorschriften gestützte Vorbringen für zulässig zu erklären.

– Zur Begründetheit

144

Zu prüfen ist das Vorbringen des Verstoßes gegen das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften, soweit damit die gegen das Königreich Spanien verhängte Geldbuße an sich angegriffen wird; anschließend ist das Vorbringen zu einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 zu prüfen, das sich auf die Modalitäten der Berechnung dieser Geldbuße bezieht.

145

Was als Erstes das Vorbringen des Verstoßes gegen das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1984, Kirk, 63/83, EU:C:1984:255, Rn. 22, und vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 87). Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz verlangt es, dass die einer Person vorgeworfene Zuwiderhandlung und die ihr hierfür auferlegte Sanktion den Tatbeständen und Sanktionen entsprechen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem das Tun oder das Unterlassen, das die Zuwiderhandlung begründet, begangen wurde, vorgesehen waren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1984, Kirk, 63/83, EU:C:1984:255, Rn. 21, und vom 8. September 2015, Taricco u. a., C‑105/14, EU:C:2015:555, Rn. 56).

146

Insbesondere findet dieser allgemeine Rechtsgrundsatz auch auf Geldbußen Anwendung, die den Charakter von Verwaltungsmaßnahmen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 202). Folglich ist die Auferlegung einer Geldbuße nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 trotz der Klarstellung in Art. 9 dieser Verordnung, dass eine solche Sanktion den Charakter einer Verwaltungsmaßnahme hat, der Anwendung dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes nicht entzogen.

147

Daneben können die Mitgliedstaaten den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Rückwirkung von Strafvorschriften auch geltend machen, um die Rechtmäßigkeit der Geldbußen anzufechten, die ihnen im Fall eines Verstoßes gegen das Unionsrecht auferlegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 51).

148

Zu der Frage, ob dieser allgemeine Rechtsgrundsatz im vorliegenden Fall verletzt wurde, wie das Königreich Spanien behauptet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 479/2009 und nach der inhaltlich identischen Vorschrift, die früher in der, am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen, Verordnung Nr. 3605/93 enthalten war, die Mitgliedstaaten seit diesem Zeitpunkt verpflichtet sind, Eurostat vor dem 1. April jedes Jahres ihr geplantes öffentliches Defizit für das fragliche Jahr, eine aktualisierte Schätzung ihres tatsächlichen öffentlichen Defizits für das Jahr n-1 und ihre tatsächlichen öffentlichen Defizite für die Jahre n-2, n-3 und n-4 mitzuteilen.

149

Gemäß dieser Vorschrift übersandte das Königreich Spanien Eurostat die Mitteilung vom 30. März 2012, die u. a. die Daten über seine öffentlichen Defizite für die Jahre 2008 bis 2011 wiedergab. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

150

Sodann sieht Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung am 13. Dezember 2011 vor, dass das absichtliche oder auf schwerwiegender Nachlässigkeit beruhende falsche Darstellen von Daten durch einen Mitgliedstaat in einer solchen Mitteilung den Tatbestand einer Zuwiderhandlung erfüllt, was zur Verhängung einer Geldbuße führen kann.

151

Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien indes unstreitig, dass die – nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1173/2011 abgegebene – Mitteilung vom 30. März 2012 Verfälschungen der Darstellung in Bezug auf Daten über die öffentlichen Defizite dieses Mitgliedstaats für die Jahre 2008 bis 2011 enthielt und insbesondere die Defizite der Autonomen Gemeinschaft Valencia in diesen Jahren unterbewertete; dies geht aus den Rn. 114, 135 und 137 des vorliegenden Urteils hervor.

152

Daher entsprechen die dem Königreich Spanien vorgeworfene Zuwiderhandlung und die gegen diesen Mitgliedstaat auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 verhängte Geldbuße dem Tatbestand und der Sanktion, die zu dem Zeitpunkt vorgesehen waren, als diese Darstellungen abgegeben wurden. Demnach ist das Vorbringen, dass der angefochtene Beschluss gegen das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften verstoße, als unbegründet zurückzuweisen.

153

Was als Zweites das Vorbringen des Königreichs Spanien betrifft, es liege ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 vor, weil die Berechnung der gegen diesen Mitgliedstaat verhängten Geldbuße falsch sei, ist festzustellen, dass der Rat, wie sich aus dem siebten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, den Referenzbetrag dieser Geldbuße unter Anwendung dieser Bestimmung festgelegt hat, die ihrerseits auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1173/2011 und zu dem im 17. Erwägungsgrund dieser Verordnung genannten Zweck erlassen wurde.

154

Gemäß Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 musste dieser Betrag im vorliegenden Fall auf 5 % der Auswirkungen, die die Verfälschung der Darstellung durch das Königreich Spanien auf sein öffentliches Defizit für die relevanten, von seiner Mitteilung vom 30. März 2012 erfassten Jahre gehabt hat, festgelegt werden, wobei der höhere Wert maßgeblich war.

155

Insoweit ist zwischen den Parteien erstens unstreitig, dass die im Sinne dieser Bestimmung „[relevanten] Jahre, die [von dieser Mitteilung] erfasst werden“, die Jahre 2008 bis 2011 sind, zweitens, dass die „Auswirkungen“ der Verfälschung der Darstellung auf das Defizit des Königreichs Spanien im Sinne dieser Bestimmung dem Betrag der während dieser Jahre nicht deklarierten Ausgaben der Autonomen Gemeinschaft Valencia entsprechen, und drittens, dass sich der Betrag dieser Ausgaben auf 29 Mio. Euro für 2008, 378 Mio. für 2009, 624 Mio. Euro für 2010 und 862 Mio. Euro für 2011, also insgesamt auf annähernd 1,9 Mrd. Euro beläuft.

156

Wie in den Rn. 135 und 137 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, streiten die Parteien dagegen darüber, wie der Begriff des „höheren Wertes“ im Sinne von Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 angesichts des Fehlens einer Definition in dem Beschluss auszulegen ist.

157

Wie die Generalanwältin in Nr. 163 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, erlauben die unterschiedlichen Sprachfassungen der Bestimmung, in der dieser Begriff enthalten ist, es nicht, den Sinn dieses Begriffs klar und eindeutig zu ermitteln.

158

Unter diesen Umständen ist der fragliche Begriff im Licht des Zusammenhangs und des Ziels dieser Bestimmung auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma, C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

159

Da Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 die Kriterien für die Festlegung des Referenzbetrags der gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011 verhängten Geldbußen erläutern soll, ist sein Wortlaut anhand des von dieser Bestimmung verfolgten Zwecks auszulegen.

160

Wie in Rn. 118 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, bezweckt Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1173/2011, die Mitgliedstaaten von einer falschen Darstellung der Daten abzuschrecken, indem er dem Rat erlaubt, solche Verfälschungen zu ahnden. In Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung wird präzisiert, dass die Geldbußen nach Abs. 1 wirksam, abschreckend und in Bezug auf Art, Schwere und Dauer der Verfälschung der Darstellung verhältnismäßig sein müssen.

161

Wenn der Begriff „höherer Wert“ in Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 dahin zu verstehen sein müsste, dass eine Geldbuße auf der Grundlage der Auswirkungen zu berechnen ist, die diese Verfälschung auf ein einziges Jahr gehabt hat, obwohl die Verfälschung mehrere Jahre betrifft, so wäre, wie die Generalanwältin in Nr. 165 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Geldbuße für den von dieser Verfälschung erfassten Zeitraum nicht angemessen und demzufolge auch nicht abschreckend.

162

Daher ist der Begriff „höherer Wert“ im Sinne von Art. 14 Abs. 2 des Delegierten Beschlusses 2012/678 angesichts des von dieser Bestimmung verfolgten Zwecks dahin zu verstehen, dass er auf die Gesamtheit der Auswirkungen verweist, die die Verfälschung der Darstellung auf das Defizit oder den Schuldenstand des Mitgliedstaats, der sie in die Welt gesetzt hat, während aller Jahre, die von seiner Mitteilung erfasst und von der Verfälschung betroffen sind, gehabt hat.

163

Im vorliegenden Fall konnte der Rat daher im siebten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses rechtsgültig annehmen, dass der Referenzbetrag der gegen das Königreich Spanien zu verhängenden Geldbuße auf 5 % des Gesamtbetrags der von diesem Staat hinsichtlich der Autonomen Gemeinschaft Valencia in den Jahren 2008 bis 2011 nicht deklarierten Ausgaben festzulegen sei.

164

Nach alledem ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

165

Da sämtliche Klagegründe, die das Königreich Spanien zur Stützung seiner Nichtigkeitsklage vorgetragen hat, zurückzuweisen sind, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

166

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien im vorliegenden Fall mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm neben seinen eigenen Kosten entsprechend dem Antrag des Rates dessen Kosten aufzuerlegen.

167

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Das Königreich Spanien trägt neben seinen eigenen Kosten die des Rates der Europäischen Union.

 

3.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.