14.6.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 150/14


VERORDNUNG (EU) 2017/1000 DER KOMMISSION

vom 13. Juni 2017

zur Änderung von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) betreffend Perfluoroctansäure (PFOA), ihre Salze und PFOA-Vorläuferverbindungen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (1), insbesondere auf Artikel 68 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Perfluoroctansäure (im Folgenden „PFOA“), ihre Salze und potenzielle PFOA-Vorläuferverbindungen (2) verfügen über besondere Eigenschaften, darunter hohe Abriebfestigkeit, Dielektrizität, Wärme- und Chemikalienbeständigkeit sowie eine niedrige Oberflächenenergie. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Anwendungen der Stoffe, unter anderem in der Fluorpolymer- und Fluorelastomerherstellung, als oberflächenaktive Substanz in Feuerlöschschäumen sowie in der Textil- und Papierherstellung zur wasser-, fett-, öl- und/oder schmutzabweisenden Behandlung.

(2)

Am 14. Juni 2013 stufte der nach Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzte Ausschuss der Mitgliedstaaten PFOA als persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Stoff (PBT) nach Artikel 57 Buchstabe d jener Verordnung ein. Am 20. Juni 2013 wurde PFOA in die Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe (Substances of Very High Concern — SVHC) aufgenommen, die für eine Aufnahme in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 in Betracht kommen.

(3)

Am 17. Oktober 2014 übermittelten Deutschland und Norwegen der Europäischen Chemikalienagentur (im Folgenden „Agentur“) ein Dossier (3) gemäß Artikel 69 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (im Folgenden das „Dossier gemäß Anhang XV“), in dem sie die Einschränkung der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung von PFOA, ihrer Salze und von PFOA-Vorläuferverbindungen vorschlugen, um den Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt entgegenzuwirken. Deutschland und Norwegen schlugen einen Konzentrationsgrenzwert von 2 ppb für das Vorhandensein dieser Stoffe in anderen Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen vor; Ausnahmen sollten ausschließlich für Gebrauchtgegenstände gewährt werden, für die eine Endnutzung in der Union vor dem Beginn der Anwendung der Beschränkung nachgewiesen werden kann.

(4)

Am 8. September 2015 nahm der von der Agentur eingerichtete Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) eine Stellungnahme mit der Schlussfolgerung an, dass vorbehaltlich einer Änderung des Geltungsbereichs und der Bedingungen, die im Dossier gemäß Anhang XV vorgeschlagen wurden, eine allgemeine Beschränkung der Herstellung, der Verwendung und des Inverkehrbringens von PFOA, ihren Salzen und von PFOA-Vorläuferverbindungen die hinsichtlich der Wirksamkeit für die Senkung dieser Risiken zweckmäßigste unionsweite Maßnahme zur Bekämpfung der erkannten Risiken darstellt. Der RAC schlug zwei unterschiedliche Konzentrationsgrenzwerte vor, nämlich 25 ppb für PFOA und ihre Salze und 1 000 ppb für eine PFOA-Vorläuferverbindung oder eine Kombination verschiedener PFOA-Vorläuferverbindungen in anderen Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen, wodurch ein mögliches Vorhandensein unvermeidlicher Verunreinigungen und unbeabsichtigter Kontaminanten berücksichtigt und der Leistungsfähigkeit von Analysemethoden Rechnung getragen wird. Der RAC schlug vor, fotografische Beschichtungen von Filmen, Papieren und Druckplatten, implantierbare Medizinprodukte sowie in Halbleiterverfahren und fotolithografischen Prozessen verwendete Stoffe oder Gemische in Anbetracht der relativ geringen Umweltauswirkungen und der langen Ersetzungszeiträume von der Beschränkung auszunehmen. Außerdem schlug der RAC vor, die Verwendung von Stoffen als transportierte isolierte Zwischenprodukte auszunehmen, um die Herstellung von Alternativen sowie das Inverkehrbringen von Gebrauchtgegenständen zu gestatten.

(5)

Am 4. Dezember 2015 nahm der von der Agentur eingerichtete Ausschuss für sozioökonomische Analyse („SEAC“) seine Stellungnahme an, in der er die im Dossier gemäß Anhang XV in seiner durch den RAC und den SEAC geänderten Fassung vorgeschlagene Beschränkung als die hinsichtlich der sozioökonomischen Vorteile und Kosten zweckmäßigste unionsweite Maßnahme zur Bekämpfung der erkannten Risiken bewertete.

(6)

Der SEAC stimmte den vom RAC vorgeschlagenen Ausnahmen zu. Außerdem schlug der SEAC eine Übergangsfrist von drei Jahren anstelle der im Dossier gemäß Anhang XV vorgeschlagenen achtzehn Monate bis zur Anwendung der Beschränkung vor, damit die Interessenträger die für eine Befolgung erforderlichen Maßnahmen ergreifen können. Auf der Grundlage sozioökonomischer Erwägungen, unter anderem hoher Kosten, einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung, des Mangels an Alternativen, relativ niedriger Emissionen in die Umwelt und wichtiger Verwendungszwecke mit hohem gesellschaftlichen Nutzen, schlug der SEAC längere Übergangsfristen für Latexdruckfarbe, Arbeitsschutztextilien, Membranen für medizinische Textilien sowie für die Filterung bei der Wasseraufbereitung, in Herstellungsverfahren und bei der Abwasseraufbereitung, bestimmte Plasma-Nanobeschichtungen und nicht implantierbare Medizinprodukte vor.

(7)

Der SEAC schlug außerdem vor, bereits vor Anwendungsbeginn dieser Beschränkung in Verkehr gebrachte Feuerlöschschäume und Materialien für die Fertigung von Halbleitern von der vorgeschlagenen Beschränkung auszunehmen.

(8)

Das von der Agentur nach Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingerichtete Forum für den Austausch von Informationen zur Durchsetzung wurde im Zuge des Beschränkungsverfahrens konsultiert und seiner Stellungnahme wurde Rechnung getragen.

(9)

Am 12. Januar 2016 legte die Agentur der Kommission die Stellungnahmen des RAC und des SEAC (4) vor.

(10)

Ausgehend von diesen Stellungnahmen gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass mit der Herstellung, der Verwendung oder dem Inverkehrbringen von PFOA, ihren Salzen und PFOA-Vorläuferverbindungen als Stoff, als Bestandteil anderer Stoffe, in Gemischen oder in Erzeugnissen ein nicht hinnehmbares Risiko für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt verbunden ist. Die Kommission ist der Auffassung, dass gegen diese Risiken unionsweit vorgegangen werden muss.

(11)

Perfluoroctansulfonsäure (im Folgenden „PFOS“) und ihre Derivate sollten von der vorgeschlagenen Beschränkung ausgenommen werden, da diese Stoffe bereits Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) sind. Die unvermeidbare Produktion von PFOA bei der Herstellung von Fluorchemikalien mit einer Kohlenstoffkette mit höchstens sechs Atomen sollte ebenfalls von der vorgeschlagenen Beschränkung ausgenommen werden.

(12)

Für die Anwendung der Beschränkung sollte, wie vom SEAC empfohlen, allgemein eine Übergangsfrist von drei Jahren und für bestimmte Bereiche ein längerer Zeitraum gelten, damit die Interessenträger die Einhaltung der vorgeschlagenen Beschränkung sicherstellen können. Während es eine Standardanalysemethode für die Bestimmung extrahierbarer PFOS in beschichteten und imprägnierten festen Erzeugnissen, Flüssigkeiten und Feuerlöschschäumen (CEN/TS 15968:2010) gibt, die sehr wahrscheinlich für PFOA und PFOA-Vorläuferverbindungen mit einer maßgeblichen Nachweisgrenze angepasst werden kann, gibt es gegenwärtig keine solche Standardmethode für die Extraktion und chemische Analyse dieser Stoffe. Der Aufschub der Beschränkung erlaubt die Weiterentwicklung geeigneter Analysemethoden, die für alle Matrizen angewendet werden können.

(13)

Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 sollte daher entsprechend geändert werden.

(14)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des mit Artikel 133 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung geändert.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 13. Juni 2017

Für die Kommission

Der Präsident

Jean-Claude JUNCKER


(1)  ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1.

(2)  PFOA-Vorläuferverbindungen sind Stoffe, die aufgrund ihrer Molekularstruktur potenziell zu PFOA abgebaut oder in PFOA umgewandelt werden können.

(3)  http://echa.europa.eu/documents/10162/e9cddee6-3164-473d-b590-8fcf9caa50e7

(4)  https://echa.europa.eu/documents/10162/2f0dfce0-3dcf-4398-8d6b-2e59c86446be

(5)  Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 7).


ANHANG

In Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 wird der folgende Eintrag eingefügt:

„68.

Perfluoroctansäure (PFOA)

CAS Nr.: 335-67-1

EG-Nr.: 206-397-9

und ihre Salze.

Alle Vorläuferverbindungen (einschließlich ihrer Salze und Polymere) mit einer linearen oder verzweigten Perfluorheptyl-Gruppe mit der Formel C7F15 in direkter Verbindung mit einem weiteren Kohlenstoffatom als Strukturelement.

Alle Vorläuferverbindungen (einschließlich ihrer Salze und Polymere) mit einer linearen oder verzweigten Perfluoroctylgruppe mit der Formel C8F17 als Strukturelement.

Die folgenden Stoffe sind von dieser Bestimmung ausgenommen:

C8F17-X, wenn X = F, Cl, Br.

C8F17-C( = O)OH, C8F17-C( = O)O-X′ oder C8F17-CF2-X′ (wenn X′ = jegliche Gruppe, einschließlich Salzen).

1.

Darf als Stoff selbst weder hergestellt noch in Verkehr gebracht werden nach dem 4. Juli 2020.

2.

Darf nach dem 4. Juli 2020 weder bei der Herstellung verwendet noch in den Verkehr gebracht werden:

a)

als Bestandteil eines anderen Stoffs,

b)

als Gemisch,

c)

als Erzeugnis,

in einer Konzentration von PFOA und ihrer Salze, die gleich oder höher 25 ppb ist, oder einer Konzentration gleich oder höher 1 000 ppb für eine PFOA-Vorläuferverbindung oder eine Kombination von PFOA-Vorläuferverbindungen.

3.

Die Nummern 1 und 2 gelten ab dem

a)

4. Juli 2022 für:

i)

Ausrüstung für die Fertigung von Halbleitern;

ii)

Latexdruckfarbe;

b)

4. Juli 2023 für:

i)

Arbeitsschutztextilien;

ii)

Membranen für medizinische Textilien sowie für die Filterung bei der Wasseraufbereitung, bei Herstellungsverfahren und bei der Abwasserbehandlung;

iii)

Plasma-Nanobeschichtungen;

c)

4. Juli 2032 für andere Medizinprodukte als implantierbare Medizinprodukte im Anwendungsbereich der Richtlinie 93/42/EWG.

4.

Die Nummern 1 und 2 gelten nicht für

a)

Perfluoroctansulfonsäure und ihre Derivate, die in Anhang I Teil A der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 aufgelistet sind;

b)

die Herstellung eines Stoffes, bei der ein unvermeidliches Nebenprodukt bei der Herstellung von Fluorchemikalien mit einer Kohlenstoffkette mit höchstens sechs Atomen auftritt;

c)

einen Stoff, der als transportiertes isoliertes Zwischenprodukt genutzt werden soll oder genutzt wird, vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen nach Artikel 18 Absatz 4 Buchstaben a bis f dieser Verordnung;

d)

einen Stoff oder Bestandteil eines anderen Stoffs oder Gemischs, das für folgende Zwecke verwendet werden soll oder verwendet wird:

i)

in der Herstellung implantierbarer Medizinprodukte im Anwendungsbereich der Richtlinie 93/42/EWG;

ii)

für fotografische Beschichtungen von Filmen, Papieren und Druckplatten;

iii)

in fotolithografischen Verfahren für Halbleiter oder in Ätzverfahren für Verbindungshalbleiter;

e)

konzentrierte Feuerlöschschaumgemische, die vor dem 4. Juli 2020 in Verkehr gebracht wurden und in der Herstellung von anderen Feuerlöschschaumgemischen verwendet werden sollen oder verwendet werden.

5.

Nummer 2 Buchstabe b gilt nicht für Feuerlöschschaumgemische, die

a)

vor dem 4. Juli 2020 in Verkehr gebracht wurden; oder

b)

gemäß Nummer 4 Buchstabe e hergestellt wurden, vorausgesetzt dass bei einer Benutzung zu Ausbildungszwecken Emissionen in die Umwelt minimiert werden und gesammelte Abwässer sicher entsorgt werden.

6.

Nummer 2 Buchstabe c gilt nicht für

a)

vor dem 4. Juli 2020 in Verkehr gebrachte Erzeugnisse;

b)

implantierbare Medizinprodukte, die in Übereinstimmung mit Nummer 4 Buchstabe d Ziffer i hergestellt wurden;

c)

mit fotografischen Beschichtungen gemäß Nummer 4 Buchstabe d Ziffer ii beschichtete Erzeugnisse;

d)

Halbleiter oder Verbindungshalbleiter gemäß Nummer 4 Buchstabe d Ziffer iii.“