6.8.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 261/24


RICHTLINIE 2004/82/EG DES RATES

vom 29. April 2004

über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 62 Nummer 2 Buchstabe a) und Artikel 63 Nummer 3 Buchstabe b),

auf Initiative des Königreichs Spanien (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Um die illegale Einwanderung wirksam zu bekämpfen und die Grenzkontrollen zu verbessern, ist es von grundlegender Bedeutung, dass sich alle Mitgliedstaaten einen Regelungsrahmen geben, der die Verpflichtungen derjenigen Luftfahrtunternehmen festlegt, die beförderte Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verbringen. Damit dieses Ziel wirksamer erreicht werden kann, ist ferner unter Berücksichtigung der Unterschiede in den Rechtsordnungen und der Rechtspraxis der Mitgliedstaaten eine möglichst weit gehende Harmonisierung der in den Mitgliedstaaten vorgesehenen finanziellen Sanktionen bei einer Verletzung der den Beförderungsunternehmen obliegenden Verpflichtungen angezeigt.

(2)

Der Europäische Rat vom 25. und 26. März 2004 hat eine Erklärung zum Terrorismus angenommen, in der die Notwendigkeit betont wird, die Maßnahmen auf diesem Gebiet zu beschleunigen und die Beendigung der Arbeit an der vorgeschlagenen Richtlinie des Rates über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die betreffende Person zu übermitteln, im Hinblick auf eine frühzeitige Verabschiedung dieser Maßnahme voranzubringen.

(3)

Es ist wichtig, ein Vakuum bei den Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung zu vermeiden.

(4)

Ab dem 1. Mai 2004 kann der Rat nicht mehr auf Initiative eines Mitgliedstaats tätig werden.

(5)

Der Rat hat alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um rechtzeitig die Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu erhalten.

(6)

Unter diesen Umständen sollte die Richtlinie ohne die Stellungnahme des Europäischen Parlaments angenommen werden.

(7)

Die den Beförderungsunternehmen kraft dieser Richtlinie aufzuerlegenden Verpflichtungen ergänzen die Verpflichtungen, die nach Artikel 26 des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, ergänzt durch die Richtlinie 2001/51/EG des Rates (2), festgelegt wurden; beide Arten von Verpflichtungen dienen demselben Ziel, nämlich der Eindämmung der Zuwanderungsströme und der Bekämpfung der illegalen Einwanderung.

(8)

Unbeschadet der Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (3) sollte den Mitgliedstaaten unbenommen bleiben, für Luftfahrtunternehmen oder bestimmte Arten von anderen Beförderungsunternehmen zusätzliche Verpflichtungen beizubehalten oder einzuführen, einschließlich Informationen oder Angaben im Zusammenhang mit Rückreisetickets, unabhängig davon, ob diese in dieser Richtlinie genannt sind oder nicht.

(9)

Zur wirksameren Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zur Gewährleistung einer effizienteren Verwirklichung dieses Ziels ist es unbedingt erforderlich, unbeschadet der Richtlinie 95/46/EG etwaigen technologischen Innovationen frühestmöglich Rechnung zu tragen, insbesondere der Einbeziehung und Nutzung biometrischer Merkmale im Rahmen der von den Beförderungsunternehmen zu erteilenden Informationen.

(10)

Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass bei jedem gegen Beförderungsunternehmen eingeleiteten Verfahren, das eine Verhängung von Sanktionen zur Folge haben kann, das Recht auf Verteidigung und Rechtsbehelf gegen derartige Entscheidungen wirksam in Anspruch genommen werden kann.

(11)

Die vorliegenden Maßnahmen greifen die im Beschluss des Schengener Exekutivausschusses (SCH/Com-ex (94) 17, 4. Rev.) vorgesehenen Kontrollmöglichkeiten auf; diese sollen es ermöglichen, die Grenzkontrolle intensiver zu gestalten und über ausreichend Zeit zu verfügen, um alle Reisenden bei der Grenzkontrolle eingehender und genauer zu überprüfen, da den für die Durchführung dieser Kontrollen zuständigen Behörden die Angaben über die beförderten Personen bereits übermittelt wurden.

(12)

Die Richtlinie 95/46/EG findet auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Behörden der Mitgliedstaaten Anwendung. Das bedeutet, dass zwar die Verarbeitung von Angaben über die beförderten Personen, die zur Durchführung von Grenzkontrollen übermittelt wurden, auch zum Zweck ihrer Nutzung als Beweismittel in Verfahren, die der Durchsetzung von Rechtsvorschriften und Regelungen im Bereich der Einreise und der Einwanderung einschließlich der darin enthaltenen Bestimmungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit dienen, rechtmäßig wäre, jede weitere Verarbeitung, die mit diesen Zwecken unvereinbar wäre, würde jedoch dem in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 95/46/EG festgelegten Grundsatz widersprechen. Die Mitgliedstaaten sollten eine Sanktionsregelung für den Fall vorsehen, dass diese Daten auf eine dem Zweck der vorliegenden Richtlinie zuwiderlaufende Weise verwendet werden.

(13)

Nach den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist. Da diese Richtlinie den Schengen-Besitzstand nach den Bestimmungen des Dritten Teils Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ergänzt, beschließt Dänemark gemäß Artikel 5 dieses Protokolls innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Rat diese Richtlinie erlassen hat, ob es sie in einzelstaatliches Recht umsetzt.

(14)

Für Island und Norwegen stellt diese Richtlinie eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (4) dar, die in den in Artikel 1 Buchstabe E des Beschlusses 1999/437/EG des Rates (5) zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen genannten Bereich fallen.

(15)

Das Vereinigte Königreich beteiligt sich gemäß Artikel 5 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, und gemäß Artikel 8 Absatz 2 des Beschlusses 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (6), an dieser Richtlinie.

(16)

Irland beteiligt sich gemäß Artikel 5 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, und gemäß Artikel 6 Absatz 2 des Beschlusses 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (7) an dieser Richtlinie.

(17)

Diese Richtlinie stellt einen auf den Schengen-Besitzstand aufbauenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakt im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Beitrittsakte von 2003 dar —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist es, die Grenzkontrollen zu verbessern und die illegale Einwanderung zu bekämpfen, indem die Beförderungsunternehmen Angaben über die beförderten Personen vorab an die zuständigen nationalen Behörden übermitteln.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

„Beförderungsunternehmen“: eine natürliche oder juristische Person, die gewerblich die Beförderung von Personen auf dem Luftweg durchführt;

b)

„Außengrenzen“: die Außengrenzen der Mitgliedstaaten zu Drittstaaten;

c)

„Grenzkontrolle“: eine an den Grenzen vorgenommene Kontrolle, die unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten Grenzübertritts durchgeführt wird;

d)

„Grenzübergangsstelle“: ein von den zuständigen Behörden für das Überschreiten der Außengrenzen zugelassener Übergang;

e)

die Ausdrücke „personenbezogene Daten“, „Verarbeitung personenbezogener Daten“ und „Datei mit personenbezogenen Daten“ haben die Bedeutung gemäß Artikel 2 der Richtlinie 95/46/EG.

Artikel 3

Datenübermittlung

(1)   Die Mitgliedstaaten unternehmen die erforderlichen Schritte, um die Beförderungsunternehmen zu verpflichten, auf Anfrage der mit der Durchführung der Personenkontrollen an den Außengrenzen beauftragten Behörden bei Abschluss des Check-in die Angaben über die Personen zu übermitteln, die sie zu einer zugelassenen Grenzübergangsstelle befördern werden, über die diese Personen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen werden.

(2)   Zu diesen Angaben zählen:

die Nummer und die Art des mitgeführten Reisedokuments,

die Staatsangehörigkeit,

der vollständige Name,

das Geburtsdatum,

die Grenzübergangsstelle für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten,

die Beförderungs-Codenummer,

die Abreise- und Ankunftszeit,

die Gesamtzahl der mit der betreffenden Beförderung beförderten Personen,

der ursprüngliche Abreiseort.

(3)   Die Übermittlung der vorstehenden Angaben entbindet die Beförderungsunternehmen in keinem Fall von den Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten gemäß Artikel 26 des Schengener Durchführungsübereinkommens in der durch die Richtlinie 2001/51/EG ergänzten Fassung.

Artikel 4

Sanktionen

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Beförderungsunternehmen, die es schuldhaft versäumt haben, die entsprechenden Daten zu übermitteln oder unvollständige oder falsche Daten übermittelt haben, Sanktionen aufzuerlegen. Die Mitgliedstaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Sanktionen abschreckend, wirksam und angemessen sind und entweder:

a)

der Höchstbetrag nicht unter 5 000 EUR oder den entsprechenden Betrag in der Landeswährung zu dem Wechselkurs, der im Amtsblatt der Europäischen Union an dem Tag, an dem diese Richtlinie in Kraft tritt, veröffentlicht wird, je angetretene Reise beträgt, bei der die Angaben über die beförderten Personen nicht oder nicht korrekt übermittelt wurden, oder

b)

der Mindestbetrag nicht unter 3 000 EUR oder den entsprechenden Betrag in der Landeswährung zu dem Wechselkurs, der im Amtsblatt der Europäischen Union an dem Tag, an dem diese Richtlinie in Kraft tritt, veröffentlicht wird, je angetretene Reise beträgt, bei der die Angaben über die beförderten Personen nicht oder nicht korrekt übermittelt wurden.

(2)   Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, gegen Beförderungsunternehmen, die schwerwiegend gegen ihre Verpflichtungen aus dieser Richtlinie verstoßen, andere Sanktionen wie z. B. die Untersagung der Fortsetzung des Beförderungsvorgangs, die Beschlagnahme und Einziehung des Beförderungsmittels oder aber die zeitweilige Aussetzung oder den Entzug der Betriebsgenehmigung zu verhängen oder beizubehalten.

Artikel 5

Verfahren

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass für Beförderungsunternehmen, gegen die ein auf Sanktionen abzielendes Verfahren eingeleitet wird, in ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften das effektive Recht auf Verteidigung und Rechtsbehelf vorgesehen ist.

Artikel 6

Datenverarbeitung

(1)   Die personenbezogenen Daten gemäß Artikel 3 Absatz 1 werden an die Behörden übermittelt, die mit der Durchführung der Personenkontrolle an den Außengrenzen, über die die beförderte Person in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen wird, beauftragt sind; dies dient dem Zweck, die Durchführung der Kontrolle zur wirksameren Bekämpfung der illegalen Einwanderung zu erleichtern.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass diese Daten von den Beförderungsunternehmen erfasst und auf elektronischem oder, sollte die Übertragung nicht gelingen, auf jedem anderen geeigneten Weg an die Behörden übermittelt werden, die mit der Durchführung der Grenzkontrollen an der zugelassenen Grenzübergangsstelle beauftragt sind, über die die beförderte Person in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen wird. Die für die Personenkontrollen an den Außengrenzen zuständigen Behörden speichern die Daten in einer vorläufigen Datei.

Nach der Einreise der beförderten Personen werden die Daten von den genannten Behörden binnen 24 Stunden nach ihrer Übermittlung gelöscht, es sei denn, sie werden zu einem späteren Zeitpunkt nach Maßgabe der nationalen Rechtsvorschriften und unter Wahrung der Datenschutzbestimmungen der Richtlinie 95/46/EG zur Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben durch die Behörden benötigt, die für die Personenkontrollen an den Außengrenzen zuständig sind.

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Beförderungsunternehmen zu verpflichten, binnen 24 Stunden nach Ankunft des Beförderungsmittels die von ihnen gemäß Artikel 3 Absatz 1 für die Zwecke dieser Richtlinie erfassten und übermittelten personenbezogenen Daten zu löschen.

Nach Maßgabe ihrer nationalen Rechtsvorschriften und der Datenschutzbestimmungen der Richtlinie 95/46/EG können die Mitgliedstaaten die personenbezogenen Daten gemäß Artikel 3 Absatz 1 auch zu Strafverfolgungszwecken verwenden.

(2)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Beförderungsunternehmen zu verpflichten, dass sie die beförderten Personen gemäß der Richtlinie 95/46/EG unterrichten. Dazu zählen auch die Informationen gemäß Artikel 10 Buchstabe c) und Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe c) der Richtlinie 95/46/EG.

Artikel 7

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen die Rechtsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 5. September 2006 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 8

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt dreißig Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 9

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 29. April 2004.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. McDOWELL


(1)  ABl. C 82 vom 5.4.2003, S. 23.

(2)  ABl. L 187 vom 10.7.2001, S. 45.

(3)  ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(4)  ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36.

(5)  ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31.

(6)  ABl. L 131 vom 1.6.2000, S. 43.

(7)  ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20.