52008DC0756

Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen /* KOM/2008/0756 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 18.11.2008

KOM(2008) 756 endgültig

BERICHT DER KOMMISSION

über die Anwendung der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung 3

2. Umsetzung der Richtlinie 3

3. Anwendung der Richtlinie 5

4. Aufgetretene Probleme 6

5. Auswirkungen der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz 9

6. Fazit 10

ANHANG 11

1. EINLEITUNG

1. Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen[1] (im Folgenden: „Richtlinie“) sieht die Erstellung eines Berichts über deren Anwendung vor. Die Veröffentlichung des Berichts sollte nach der ursprünglichen Planung spätestens am 1. Juli 2003 erfolgen, wurde aber verschoben, um Informationen über die Anwendung der Richtlinie in denjenigen Staaten, die der Europäischen Union am 1. Mai 2004 und am 1. Januar 2007 beigetreten sind, berücksichtigen zu können.

2. Im Rahmen der Vorbereitung dieses Berichts verschickte die Europäische Kommission in den Jahren 2003/2004 einen Fragebogen über die Anwendung der Richtlinie, der von den 25 befragten Mitgliedstaaten beantwortet wurde. Zwecks Aktualisierung der zuvor eingeholten Informationen wurde im Jahr 2007 ein neuer Fragebogen an die 27 Mitgliedstaaten verschickt. Parallel dazu hörte die Europäische Kommission in den Jahren 2005 und 2007 auch die Mitglieder der Europäischen beratenden Verbrauchergruppe zur Anwendung der Richtlinie an. Im Rahmen der ersten Anhörung äußerten sich vierzehn nationale Verbraucherverbände, in der zweiten waren es acht nationale Verbände und ein europäischer. Im Jahr 2006 schrieb die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Bulgarien und Rumänien) an, um bestimmte Punkte im Zusammenhang mit ihren innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu klären.

3. Im Jahr 2006 veröffentlichte die Europäische Kommission eine von der Katholieke Universiteit Leuven (Belgien) erstellte Studie zum Rechtsschutz für Verbraucher[2] und im Jahr 2007 ein Verbraucherrechtskompendium[3], in dem auch auf die Richtlinie eingegangen wird. Schließlich veranstaltete die österreichische Präsidentschaft im Februar 2006 in Wien eine Konferenz zu Unterlassungsklagen und kollektiven Rechtsbehelfen.

2. UMSETZUNG DER RICHTLINIE

4. Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie über Unterlassungsklagen hat jeder Mitgliedstaat mehr oder weniger umfangreiche Änderungen an seinem innerstaatlichen Recht vorgenommen. Im Laufe der Zeit wurde der Anwendungsbereich der betreffenden Verfahren ausgeweitet.

Unterlassungsklagen in allen Mitgliedstaaten

5. Ein wichtiges Ergebnis der Richtlinie besteht sicherlich darin, dass in jedem Mitgliedstaat ein Verfahren eingeführt wurde, das Unterlassungsklagen zum Schutz der kollektiven Interessen der Verbraucher ermöglicht. Dieses Verfahren ist derzeit das einzige speziell dem Schutz der Verbraucher dienende Verfahren, das in allen Mitgliedstaaten existiert. Damit können unzulässige Praktiken im kollektiven Interesse der Verbraucher unabhängig davon unterbunden werden, ob ein konkreter Schaden entstanden ist. Die Richtlinie sieht jedoch nicht vor, dass Verbrauchern, die durch eine unzulässige Praxis geschädigt wurden, in diesem Verfahren Schadensersatz zugesprochen werden kann.

6. Gemäß Artikel 2 muss jedes nationale Verfahren – mit einigen Ausnahmen – ein Eilverfahren umfassen, ferner die Möglichkeit der Veröffentlichung einer Unterlassungsanordnung oder einer Richtigstellung und der Zahlung eines Geldbetrages, der die Beachtung der Anordnung gewährleistet. Zwei Drittel der Mitgliedstaaten haben sich für ein zivil- oder handelsrechtliches Gerichtsverfahren entschieden und nur wenige (beispielsweise Malta, Polen, Rumänien und Ungarn) für einen Ansatz, der im Wesentlichen auf einem Verwaltungsverfahren basiert. Bestimmte Mitgliedstaaten haben sich zwar grundsätzlich für ein Gerichtsverfahren entschieden, aber Verwaltungsbehörden die Entscheidung über bestimmte Verstöße übertragen (dies ist beispielsweise in Österreich im Bereich des Fernsehens und in Finnland bei Werbung für Humanarzneimittel und Pauschalreisen der Fall). Schließlich haben einige Mitgliedstaaten spezielle Gerichte benannt, die sich mit konkreten Praktiken befassen (so sind z. B. die Gerichte in Den Haag und Warschau ausschließlich für die Kontrolle missbräuchlicher Vertragsklauseln zuständig).

7. In Artikel 3 der Richtlinie werden die qualifizierten Einrichtungen, die auf Unterlassung klagen können, sehr weit definiert. Es wird unterschieden zwischen zwei Gruppen von Einrichtungen, die jeweils nicht abschließend aufgeführt sind. Den Mitgliedstaaten bleibt es überlassen, die Kriterien für die Bestimmung der für den Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen zuständigen Organisationen festzulegen. In der Praxis umfasst der Begriff der qualifizierten Einrichtung echte Verbraucherverbände, speziell für den Verbraucherschutz zuständige Behörden, Arzneimittelbehörden, zivile Luftfahrtbehörden, Nutzerverbände, Familienorganisationen, Gewerkschaften, Landwirtschaftskammern sowie Industrie- und Handelskammern. Alle Mitgliedstaaten haben der Europäischen Kommission gemäß Artikel 4 mitgeteilt, welche qualifizierten Einrichtungen befugt sind, in anderen Mitgliedstaaten auf Unterlassung zu klagen[4]. Mittels der Liste im Amtsblatt können die darin eingetragenen Einrichtungen vor den Gerichten oder Verwaltungsbehörden anderer Mitgliedstaaten ihre Klagebefugnis nachweisen.

8. Schließlich erlaubt Artikel 5 der Richtlinie den Mitgliedstaaten die verpflichtende Einführung eines vorherigen Konsultationsverfahrens, in dem die Partei, die eine Unterlassungsklage erheben möchte, versuchen muss, bei der gegnerischen Partei die Einstellung des Verstoßes zu bewirken. Ein Drittel der Mitgliedstaaten (Irland, Italien, Litauen, Malta, Niederlande, Rumänien, Schweden, Vereinigtes Königreich und Zypern) hat dieses Verfahren eingeführt. In Rumänien und im Vereinigten Königreich müssen unabhängige öffentliche Einrichtungen, die auch qualifizierte Einrichtungen im Sinne der Richtlinie sind, in das Verfahren der vorherigen Konsultation einbezogen werden. Mehrere Mitgliedstaaten, die dieses vorherige Konsultationsverfahren nicht eingeführt haben, fördern gleichwohl Verhandlungen vor Erhebung einer Klage[5]. Dennoch wollen die meisten Mitgliedstaaten die in Artikel 5 genannte Konsultation nicht verpflichtend vorschreiben. Nach Auffassung eines europäischen Verbraucherverbands kann ein vorheriges Konsultationsverfahren das eigentliche Unterlassungsverfahren sogar unnötig lange hinauszögern. Der Kommission liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte oder einschlägigen Erfahrungsberichte vor, die eine Änderung der Richtlinie im Sinne einer allgemeinen Einführung des vorherigen Konsultationsverfahrens gemäß Artikel 6 Absatz 2 rechtfertigen könnten.

Ausweitung des Anwendungsbereichs

9. Der Anwendungsbereich von Unterlassungsklagen ist in Artikel 1 festgelegt, der auf die im Anhang der Richtlinie genannten, von den Mitgliedstaaten in ihr innerstaatliches Recht umgesetzten Richtlinien verweist. Im Anhang der Richtlinie waren ursprünglich 9 Richtlinien aufgeführt, heute sind es 13[6]. Die Richtlinien 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und 2006/123/EG über Dienstleistungen sind somit erst nach Inkrafttreten der Richtlinie in ihren Anhang aufgenommen worden. Dieser Anhang enthält inzwischen einen Großteil des Verbraucherrechts der Gemeinschaft. Die meisten Mitgliedstaaten halten den Anwendungsbereich der Richtlinie offenbar für zufriedenstellend, obgleich Portugal und Belgien die Zweckmäßigkeit einer abschließenden Liste bezweifeln und anregen, sie zu streichen, damit sämtliche Praktiken abgedeckt werden könnten, die den kollektiven Interessen der Verbraucher zuwiderlaufen.

10. Artikel 7 der Richtlinie ermöglicht den Mitgliedstaaten auch die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf nationaler Ebene. So ist es beispielsweise in den Niederlanden und in Polen möglich, Unterlassungsklagen gegen jede Praktik zu erheben, die den kollektiven Interessen der Verbraucher schadet. Portugal und Italien haben den Anwendungsbereich dahin ausgeweitet, dass alle Praktiken erfasst werden, die die Sicherheit von Produkten beeinträchtigen. In Deutschland und Österreich kann Klage auf Unterlassung wettbewerbswidriger Praktiken erhoben werden, die den kollektiven Interessen der Verbraucher schaden.

11. Einige Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, Slowenien und Schweden, haben den Anwendungsbereich von Unterlassungsklagen auf nationaler Ebene dahin erweitert, dass sie sich auch auf Geschäftspraktiken (etwa irreführende Werbung) erstrecken, die den kollektiven Interessen der Unternehmen abträglich sind. Die meisten konsultierten Mitgliedstaaten wollen den Anwendungsbereich der Richtlinie aber nicht auf die kollektiven Interessen der Unternehmen ausweiten und begründen dies damit, dass die im Anhang aufgeführten Rechtsvorschriften der Gemeinschaft in erster Linie dem Schutz der Verbraucher dienten und dass die Interessen der Verbraucher nicht mit den Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen in einen Topf geworfen werden dürften, selbst wenn diese auch schutzwürdig seien.

12. Nach alledem hält die Kommission es nicht für gerechtfertigt, die in Artikel 6 Absatz 2 vorgesehene Möglichkeit der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie zu nutzen. Insbesondere hält sie eine Einbeziehung der kollektiven Interessen von Unternehmen nicht für sinnvoll. Sie wird jedoch weiterhin die Aufnahme neuer Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zum Schutz der Verbraucher in den Anhang immer dann vorschlagen, wenn dies gerechtfertigt ist.

3. ANWENDUNG DER RICHTLINIE

13. Enttäuschend war der seltene Rückgriff auf die Richtlinie bei der Bekämpfung grenzübergreifender Verstöße. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen hat nur im Vereinigten Königreich das Office of Fair Trading (OFT, Verbraucherschutzbehörde) diese Möglichkeit genutzt. So erhob es in Belgien Klage gegen das Unternehmen DUCHESNE. Dieses belgische Unternehmen hatte Verbrauchern im Vereinigten Königreich nicht bestellte Warenkataloge zugeschickt und behauptet, sie hätten einen Preis gewonnen. Um den Preis zu erhalten, müssten sie einen Artikel aus dem Katalog bestellen. Verbraucher, die dies taten, erhielten den versprochenen Preis aber nicht. Das OFT verklagte das belgische Unternehmen daher in Belgien mit der Begründung, die Information der britischen Verbraucher sei irreführend gewesen und habe sie veranlasst, Produkte aus dem Katalog zu kaufen. Diese Praktik wurde in erster Instanz von einem belgischen Gericht verboten. In der Berufung wurde das Urteil bestätigt.

14. In einem ähnlichen Fall hatten sich 300 Verbraucher beim OFT über das Unternehmen Best Sales B.V. beschwert; das OFT erhob daraufhin Klage in den Niederlanden. Auch in diesem Fall hatte das niederländische Unternehmen Verbraucher im Vereinigten Königreich ohne deren Einwilligung angeschrieben und bei ihnen den Eindruck erweckt, sie hätten einen Preis gewonnen. Den Verbrauchern wurde vorgespiegelt, wenn sie einen wertvolleren Preis gewinnen oder diesen Preis schneller erhalten wollten, dann müssten sie Haushaltsartikel aus einem mitgeschickten Katalog bestellen. Das niederländische Gericht erklärte am 9. Juli 2008 die betreffende Werbung für irreführend und untersagte dem niederländischen Unternehmen, weiter diese Sendungen zu verschicken.

15. Nach Angaben des OFT hat sich die Richtlinie als sinnvolles Mittel erwiesen, mit dem Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten zur Einstellung bestimmter Geschäftspraktiken gedrängt werden können. In etwa zehn Fällen sei das Problem so auf dem Verhandlungswege gelöst worden. Belgien hat ebenfalls die abschreckende Wirkung von Unterlassungsklagen betont.

16. Zwar werden Unterlassungsklagen noch immer selten gegen grenzüberschreitende Verstöße eingesetzt, doch haben in der Anhörung mehrere Mitgliedstaaten und Verbraucherverbände angegeben, dass sie mit recht gutem Erfolg von Verbraucherverbänden gegen nationale Verstöße eingesetzt werden[7]; oft geht es dabei um die Unterbindung irreführender Werbung oder die Aufhebung missbräuchlicher Klauseln in Verträgen.

4. AUFGETRETENE PROBLEME

17. Als Hauptgründe dafür, dass nur selten Unterlassungsklagen in einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden, geben die Mitgliedstaaten und die betroffenen Kreise übereinstimmend die Kosten der Klageerhebung, die Komplexität und Langwierigkeit des Verfahrens und die eingeschränkten Möglichkeiten an, die das Unterlassungsverfahren bietet.

Kosten

18. Drei Viertel der angehörten Verbraucherverbände nennen die Kosten der Klageerhebung als eines der Haupthindernisse, insbesondere wenn es um einen Verstoß in einem anderen Mitgliedstaat geht. Mehrere Mitgliedstaaten haben ebenfalls darauf hingewiesen, dass es für qualifizierte Einrichtungen wegen der damit verbundenen finanziellen Risiken schwierig sei, Klage zu erheben. Die Verbraucherverbände nennen als besondere Schwierigkeiten die mit der Vorbereitung der Unterlagen für eine Klage verbundenen Verwaltungskosten sowie die Gerichts- und Anwaltskosten. Wird die Klage in einem anderen Mitgliedstaat erhoben, so kommen noch Übersetzungskosten hinzu, und man weiß nicht genau, welche sonstigen Verfahrenskosten in einem anderen Mitgliedstaat anfallen (dabei kann es sich z. B. um Gebühren für die Zustellung der Klage oder des Urteils handeln). Die Verbände nennen auch das Risiko, Anwalts- oder Sachverständigengebühren doppelt zahlen zu müssen.

19. Das finanzielle Risiko ist noch höher, wenn die Klage in einem Mitgliedstaat erhoben wird, in dem die unterlegene Partei sämtliche Verfahrenskosten und namentlich die Kosten der obsiegenden Partei zu tragen hat (insbesondere deren Prozessführungskosten oder einen Teil davon). Dieser Grundsatz gilt in den meisten Mitgliedstaaten. Wird die Unterlassungsklage also abgewiesen, so hat die unterlegene Partei nicht nur ihre eigenen Kosten zu tragen, sondern auch die Kosten der gegnerischen Partei. Mehrere angehörte Verbraucherverbände haben angegeben, sie seien nicht in der Lage, die Kosten für die Erhebung solcher Klagen oder die damit verbundenen finanziellen Risiken zu verkraften. Andere lassen sich nur dann auf eine Klage ein, wenn das Risiko gering ist und sie sicher sein können, Recht zu bekommen; infolgedessen werden wesentlich weniger Klagen erhoben. In mehreren Mitgliedstaaten sind Verbraucherverbände aber erfolgreich mit Unterlassungsklagen gegen nationale Verstöße.

20. Einige Mitgliedstaaten haben den Grundsatz, wonach die unterlegene Partei sämtliche Prozesskosten tragen muss, etwas gelockert oder eine für die qualifizierten Einrichtungen günstigere Lösung gewählt. In mehreren Mitgliedstaaten haben die Gerichte beispielsweise einen gewissen Ermessensspielraum[8] und können etwa entscheiden, dass die unterlegene Partei die Prozesskosten der obsiegenden Partei nicht tragen muss. In Ungarn brauchen Verbraucherverbände keine Gerichtskosten zu zahlen. Bei diesen nationalen Maßnahmen handelt es sich jedoch eher um punktuelle Ausnahmen; die finanziellen Risiken sind immer noch so hoch, dass sie qualifizierte Einrichtungen vielfach von der Klageerhebung abhalten.

Komplexität und Langwierigkeit der Verfahren

21. Die Komplexität und Langwierigkeit der Verfahren wird oft als Grund genannt, der grenzüberschreitende Klagen behindert. Die Komplexität ergibt sich daraus, dass es in anderen Mitgliedstaaten unterschiedliche Gerichts- oder Verwaltungsverfahren für Unterlassungsklagen gibt. Besteht dann noch Ungewissheit darüber, welches Recht anwendbar ist, so verstärkt sich das Gefühl der Komplexität.

22. Zwar harmonisiert die Richtlinie bestimmte Aspekte des Unterlassungsverfahrens in den Mitgliedstaaten, doch bleibt diesen ein gewisser Gestaltungsspielraum. So können sie sich für ein Gerichts- oder ein Verwaltungsverfahren und für oder gegen die verpflichtende Einführung eines vorherigen Konsultationsverfahrens entscheiden; außerdem können sie die entsprechenden Modalitäten festlegen. Die Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten auch, auf nationaler Ebene Rechtsvorschriften zu erlassen oder beizubehalten, die den qualifizierten Einrichtungen oder anderen Parteien weitergehende Rechte einräumen. Wie die Analyse der Richtlinienumsetzung im vorhergehenden Abschnitt zeigt, haben die Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Da zudem viele Aspekte des Verfahrens in der Richtlinie nicht geregelt sind (z. B. die Verjährungs- oder Verfahrensfristen und -gebühren), können diese Aspekte durch das innerstaatliche Zivil-, Handels- oder Verwaltungsverfahrensrecht ausgestaltet werden, so dass sich auch dadurch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten ergeben.

23. All dies führt dazu, dass die Unterlassungsverfahren zum Schutz der kollektiven Interessen der Verbraucher in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander abweichen. In einigen Mitgliedstaaten wie etwa den Niederlanden oder Finnland gibt es sogar je nach dem einschlägigen Rechtsgebiet unterschiedliche Verfahren. Für qualifizierte Einrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat Klage erheben wollen, ist es infolgedessen schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen, zumal die Verfahren im Ausland ganz anders aussehen können als diejenigen, die sie aus ihrem eigenen Land kennen. Jedes Mal, wenn qualifizierte Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat Klage erheben wollen, müssen sie sich mit einem neuen Verfahren vertraut machen.

24. Schließlich haben die angehörten Verbände und Mitgliedstaaten betont, dass es derzeit Unsicherheiten hinsichtlich des anwendbaren Rechts gibt. Ist ein bestimmter Verstoß nach dem Recht des Mitgliedstaats zu beurteilen, in dem der Verstoß seinen Ursprung hat, oder aber nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sich der Verstoß ausgewirkt hat? In der Richtlinie (Artikel 2 Absatz 2) ist diese Frage nicht klar geregelt. Sie ist aber wichtig, denn mehrere im Anhang genannte Richtlinien erlauben den Mitgliedstaaten den Erlass oder die Beibehaltung von Rechtsvorschriften, die in Bezug auf den Verbraucherschutz weiter gehen, als es diese Richtlinien verlangen. Die Frage des anwendbaren Rechts ist immer dann von grundlegender Bedeutung, wenn die Wahl zwischen zwei verschiedenen Rechtsordnungen besteht, die den Verbrauchern ein unterschiedliches Schutzniveau bieten. In dem zuvor genannten Fall, in dem das OFT in Belgien Klage erhob, setzten sich sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das Berufungsgericht mit dieser Frage auseinander. In erster Instanz wandte das Gericht das britische Recht an, während das Berufungsgericht das belgische Recht für anwendbar hielt. In Zukunft könnte Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht[9] die Bestimmung des anwendbaren Rechts erleichtern; diese „Rom-II-Verordnung“ wurde am 7. Juli erlassen und tritt am 11. Januar 2009 in Kraft.

Eingeschränkter Nutzen der Anordnungen

25. Schließlich betonten die angehörten Verbände und Mitgliedstaaten den mitunter eingeschränkten Nutzen solcher Unterlassungsanordnungen. In den meisten Mitgliedstaaten ist der Nutzen auch dann relativ gering, wenn der Klage stattgegeben wird. Die Rechtskraft der Entscheidung beschränkt sich auf den entschiedenen Fall und wirkt nur zwischen den beteiligten Parteien, also der klagenden qualifizierten Einrichtung und dem beklagten Unternehmen. Das bedeutet in der Praxis, dass gegen ein Unternehmen, das genau dieselbe Praktik einsetzt wie ein anderes Unternehmen, dem diese Praktik bereits untersagt wurde, wiederum Klage erhoben werden muss. Ähnlich verhält es sich, wenn die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag festgestellt wurde; diese Feststellung hindert das Unternehmen nicht daran, in ähnlichen Verträgen dieselbe Klausel weiter zu verwenden.

26. In manchen Mitgliedstaaten wird dieser Grundsatz flexibler angewandt, vor allem wenn es um missbräuchliche Klauseln geht. In Polen wirken beispielsweise die Urteile des Warschauer Gerichts, das die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln feststellt, erga omnes . Das Urteil wird veröffentlicht und gilt für alle gleichartigen Klauseln in sämtlichen Verbraucherverträgen. In Ungarn kann ein Gericht, das eine Klausel in einem Verbrauchervertrag für missbräuchlich erklärt, die Nichtigkeit dieser Klausel in allen von dem betreffenden Unternehmen verwendeten Verträgen feststellen. In Österreich darf ein Unternehmen auch in anderen Verbraucherverträgen keine Vertragsklauseln mehr verwenden, die bereits in Bezug auf einen Vertrag für nichtig erklärt wurden. In Deutschland und Slowenien können sich Verbraucher auf Urteile berufen, in denen eine Klausel für missbräuchlich erklärt wurde, und so die Unanwendbarkeit einer gleichlautenden Klausel erreichen.

27. Die Unterlassungsanordnungen besitzen auch nur im jeweiligen Mitgliedstaat Rechtskraft (hierauf haben das Vereinigte Königreich und Belgien hingewiesen). Betrügerische Unternehmen, die bewusst gegen das Recht verstoßen und deshalb in einem Mitgliedstaat verurteilt wurden, gehen oft einfach in einen anderen Mitgliedstaat, wo sie ihre illegalen Aktivitäten fortsetzen, bis auch hier eine weitere Unterlassungsanordnung gegen sie ergeht. Da Anordnungen nur auf nationaler Ebene Rechtskraft entfalten, kann ein Unternehmen, dem in einem bestimmten Mitgliedstaat eine illegale, die Verbraucher schädigende Praktik untersagt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat weiter in derselben Weise agieren, es sei denn, eine qualifizierte Einrichtung klagt in diesem zweiten Mitgliedstaat wiederum auf Unterlassung.

5. AUSWIRKUNGEN DER VERORDNUNG ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT IM VERBRAUCHERSCHUTZ

28. Durch die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz)[10] wurde ein Netzwerk der für den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher zuständigen staatlichen Behörden geschaffen; bis zu einem gewissen Grad wurden außerdem die Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse dieser Behörden harmonisiert. Da durch die Verordnung Verfahren der gegenseitigen Unterstützung eingeführt wurden, kann eine an dem Netzwerk beteiligte Behörde auf Antrag einer Behörde in einem anderen Mitgliedstaat eine Unterlassungsklage im eigenen Land erheben, um so illegale Praktiken zu stoppen, die sich gegen Verbraucher im Mitgliedstaat der beantragenden Behörde richten.

29. Einige der angehörten Mitgliedstaaten betonten, dass die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz die Erhebung von Unterlassungsklagen zur Unterbindung innergemeinschaftlicher Verstöße erleichtern dürfte, da nunmehr Behörden, die über spezielle Sachkenntnis verfügen, im Rahmen des Mechanismus der gegenseitigen Unterstützung Unterlassungsklagen erheben können. Die Verordnung könnte somit eines der Hauptprobleme ausräumen, die sich im Zuge der Durchführung der Richtlinie stellen, nämlich dass einzelstaatliche Stellen nur schwer eine Unterlassungsklage direkt in einem anderen Mitgliedstaat erheben können.

30. Die vorgenannten Mitgliedstaaten betonen, dass sie es für wünschenswert halten, den Anwendungsbereich der Richtlinie mit dem Geltungsbereich der Verordnung in Einklang zu bringen. In der Tat sind im Anhang der Verordnung die Richtlinie 98/6/EG[11] über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe von Preisen und die Verordnung Nr. 261/2004/EG[12] über die Rechte von Fluggästen aufgeführt, die im Anhang der Richtlinie nicht erscheinen. Dagegen wird im Anhang der Verordnung nicht auf die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen Bezug genommen, die im Anhang der Richtlinie genannt ist. Wollte man dem Wunsch bestimmter Mitgliedstaaten nachkommen und den Anhang der Richtlinie mit dem Anhang der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz in Einklang bringen, so müssten die Richtlinie und die Verordnung parallel geändert werden.

6. FAZIT

31. Der Richtlinie ist es zu verdanken, dass es jetzt in allen Mitgliedstaaten ein Verfahren für die Erhebung von Unterlassungsklagen zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen gibt. Dieses Verfahren wird von den Verbraucherverbänden auf nationaler Ebene auch mit einigem Erfolg zur Bekämpfung von Verstößen gegen das Verbraucherrecht genutzt.

32. Eindeutig hinter den Erwartungen zurück blieb hingegen das ebenfalls in der Richtlinie vorgesehene Verfahren, das es qualifizierten Einrichtungen eines Mitgliedstaats erlaubt, Klage in einem anderen Mitgliedstaat zu erheben. Der Hauptgrund für die geringe Anzahl von Unterlassungsklagen zur Unterbindung innergemeinschaftlicher Verstöße ist der Mangel an Ressourcen der qualifizierten Einrichtungen, die weder das mit einer Klage verbundene finanzielle Risiko tragen können noch über das einschlägige Fachwissen in Bezug auf die unterschiedlichen Verfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten verfügen.

33. Zum Teil wird die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz zur Lösung dieser Probleme bei der Durchführung der Richtlinie beitragen. Die Anwendung der Verordnung dürfte die Bekämpfung innergemeinschaftlicher Verstöße gegen das Verbraucherrecht erheblich erleichtern. Positive Auswirkungen sind auch von der Rom-II-Verordnung zu erwarten. Nach Auffassung der Kommission sollte daher zunächst abgewartet werden, wie sich die Anwendung dieser beiden Verordnungen konkret auswirkt; anschließend können dann daraus Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen hinsichtlich der Richtlinie gezogen werden.

34. Dementsprechend ist dies nach Auffassung der Kommission nicht der richtige Zeitpunkt, um Änderungen an der Richtlinie oder gar deren Aufhebung vorzuschlagen; vielmehr sollte ihre Anwendung weiter beobachtet werden. Insbesondere sieht die Kommission keinen Grund, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf die kollektiven Interessen von Unternehmen zu erweitern oder eine vorherige Konsultation allgemein vorzuschreiben.

ANHANG

LISTE DER IM ANHANG DER RICHTLINIE 98/27/EG AUFGEFÜHRTEN RICHTLINIEN

- Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22)

- Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABL. L 372 vom 31.12.1985, S. 31)

- Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. L 42 vom 12.2.1987, S. 48), zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/7/EG (ABl. L 101 vom 1.4.1998, S. 17)

- Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit: Artikel 10 bis 21 (ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23, in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG (ABl. L 202 vom 30.7.1997, S. 60))

- Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 59)

- Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel (ABl. L 113 vom 30.4.1992, S. 13)

- Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29)

- Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (ABl. L 280 vom 29.10.1994, S. 83)

- Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144 vom 4.6.1997, S. 19)

- Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171 vom 7.7.1999, S. 12)

- Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1)

- Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16)

- Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36)

[1] ABl. L 166 vom 11.6.98, S. 51.

[2] http://ec.europa.eu/consumers/redress/reports_studies/comparative_report_en.pdf

[3] http://ec.europa.eu/consumers/rights/docs/consumer_law_compendium_comparative_analysis_de_final.pdf

[4] Die letzte Aktualisierung dieser Liste wurde am 8. März 2008 veröffentlicht (ABl. C 63 vom 8.3.2008).

[5] Z. B. Dänemark, Deutschland, Österreich, Slowakei und Finnland.

[6] Siehe Anhang.

[7] Z. B. in Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Österreich, Schweden, der Slowakei, der Tschechischen Republik und im Vereinigten Königreich.

[8] Z. B. in Luxemburg, Portugal, Schweden und im Vereinigten Königreich.

[9] ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40.

[10] ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1.

[11] ABl. L 80 vom 18.3.1998, S. 27.

[12] ABl. L 81 vom 19.3.2004, S. 80.