Brüssel, den 26.11.2015

COM(2015) 690 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Jahreswachstumsbericht 2016

Die wirtschaftliche Erholung konsolidieren und die Konvergenz fördern


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK

Jahreswachstumsbericht 2016

Die wirtschaftliche Erholung konsolidieren und die Konvergenz fördern

EINLEITUNG

Die Wirtschaft der Europäischen Union verzeichnet eine moderate Erholung. Die Wirtschaftstätigkeit dürfte sich schrittweise beschleunigen. Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, befindet sich aber weiter auf einem historischen Höchststand. Der Erholung kommen temporäre prozyklische Faktoren zugute, u. a. niedrige Ölpreise, ein relativ schwacher Euro und eine akkommodierende Geldpolitik. Die positive Entwicklung ist auch auf die ersten Auswirkungen der in den vergangenen Jahren durchgeführten Reformen zurückzuführen. Gleichzeitig haben sich die Sicherheitslage und die geopolitischen Spannungen verschärft und werden die weltwirtschaftlichen Aussichten schwieriger. Das gilt insbesondere für die Schwellenländer.

Sowohl bei der Wirtschaftsleistung und den sozialen Bedingungen als auch bei der Umsetzung von Reformen ist das Bild in der EU sehr uneinheitlich. Viele Volkswirtschaften leiden nach wie vor unter hoher Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit. Die Produktivität nimmt weiterhin nur langsam zu, was Wettbewerbsfähigkeit und Lebensstandard beeinträchtigt. Die hohe private wie öffentliche Verschuldung dämpft immer noch die Investitionstätigkeit. Wachstum und Beschäftigung werden auch durch das Fortbestehen einiger makroökonomischer Ungleichgewichte Grenzen gesetzt. Dies wird in dem zusammen mit diesem Jahreswachstumsbericht angenommenen Warnmechanismusbericht 2016 1 hervorgehoben.

Für einige Mitgliedstaaten bedeutete der beispiellose Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern im letzten Jahr eine ganz neue Entwicklung. Eine unmittelbare Auswirkung dieser Entwicklung sind die kurzfristigen zusätzlichen öffentlichen Ausgaben. Mittel- bis längerfristig können sich auch positive Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot und auf das Wachstum ergeben, sofern die Politik die richtigen Maßnahmen trifft, um den Zugang zum Arbeitsmarkt und den Integrationsprozess zu erleichtern. 

Vor diesem Hintergrund sollte die Politik auf eine Konsolidierung der wirtschaftlichen Erholung und eine Angleichung an die leistungsfähigsten Mitgliedstaaten ausgerichtet sein. Die Mitgliedstaaten sollten den gegenwärtigen Rückenwind für ambitionierte Reformen und eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik nutzen. Der Prozess einer wirtschaftlichen und sozialen Angleichung nach oben muss wiederbelebt werden, um die wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in und zwischen den Mitgliedstaaten anzugehen.

Wichtigste Ergebnisse der Herbstprognose 2015 der Kommission

Das reale BIP-Wachstum der EU insgesamt wird sich voraussichtlich von 1,9 % in diesem Jahr auf 2,0 % im Jahr 2016 und auf 2,1 % im Jahr 2017 erhöhen.

Die Beschäftigung dürfte EU-weit in diesem Jahr um 1,0 % und in den Jahren 2016 und 2017 um jeweils 0,9 % zunehmen. Die Arbeitslosenquote dürfte 2015 9,5 % betragen, 2016 auf 9,2 % und 2017 auf 8,9 % zurückgehen.

Die jährliche Inflationsrate, die 2015 bei 0 % liegt, dürfte im kommenden Jahr auf 1,1 % und 2017 auf 1,6 % zulegen.

Für die Defizitquote (Verhältnis Defizit/BIP) der Gesamt-EU prognostiziert die Kommission einen Rückgang von 2,5 % (dieses Jahr) auf 1,6 % im Jahr 2017. Die Schuldenquote (Verhältnis Schuldenstand/BIP) dürfte im gleichen Zeitraum von 87,8 % auf 85,8 % sinken.

Die Kommission hat das erste Jahr ihrer Amtszeit genutzt, ihren Ankündigungen Taten folgen zu lassen, und ehrgeizige Initiativen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum, zur Festigung der wirtschaftlichen Konvergenz und zur Stärkung der sozialen Gerechtigkeit vorgelegt. Die von der Kommission ins Leben gerufene 315 Mrd. Euro schwere Investitionsoffensive für Europa, mit der Beschäftigung und Wachstum ein neuer Schub verliehen werden soll, ist inzwischen angelaufen. Die Kommission hat auch eine Reihe konkreter Vorschläge unterbreitet, um die Fundamente für die Binnenmarktstrategie 2 , die Kapitalmarktunion 3 , die Energieunion 4 und den digitalen Binnenmarkt 5 zu legen. Es wurden wichtige Schritte hin zu einer fairen und effizienten Unternehmensbesteuerung unternommen 6 . Sie hat dem Fahrplan zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), den die fünf Präsidenten in ihrem Bericht aufgezeigt hatten, rasch Maßnahmen folgen lassen.  7 Schließlich setzt sich die Europäische Kommission weiter beharrlich für eine abgestimmte europäische Lösung in der Flüchtlings- und Migrationsproblematik ein.

Diese Kommission hat ihre Strategie für Arbeitsplätze und Wachstum im vergangenen Jahr bei der Vorlage des Jahreswachstumsberichts 2015 vorgestellt. Der Jahreswachstumsbericht 2016 enthält die Prioritäten für das kommende Jahr. Die Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad und den Konvergenzprozess erneut in Gang zu bringen kann nur gelingen, wenn alle Organe und Einrichtungen der EU und alle Mitgliedstaaten gemeinsam handeln. Deshalb müssen das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente, die Sozialpartner, die nationale Ebene, die regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften und die Zivilgesellschaft intensiv einbezogen werden. Im Einklang mit ihrem Vorschlag aus der Mitteilung zur Vollendung der WWU hat sich die Kommission vor der Vorlage dieses Jahreswachstumsberichts mit dem Parlament ins Benehmen gesetzt 8 . Das Europäische Parlament wird seine richtungsgebende Rolle weiter ausüben und für die wirtschafts- und sozialpolitischen Prioritäten Orientierung vorgeben. Die Rolle der nationalen Parlamente ist für die Stärkung der demokratischen Verantwortung, der Transparenz und der Mitverantwortung für die Reformen von großem Wert.

1. Politische Prioritäten

Die wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten des Jahreswachstumsberichts 2015 behalten ihre Gültigkeit, aber die Politik muss mehr tun, um die wirtschaftliche Erholung zu verstetigen, Investitionen zu mobilisieren, die Anpassungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten zu verbessern, die Produktivität zu steigern und den Konvergenzprozess zu beschleunigen. Vor diesem Hintergrund schlägt die Kommission vor, sich 2016 auf folgende drei Prioritäten zu konzentrieren:

Wiederbelebung der Investitionstätigkeit – a) die Fortschritte bei der Mobilisierung privater und öffentlicher Investitionen und der Auswahl strategischer Projekte im Rahmen der Investitionsoffensive müssen mit der Verbesserung des Investitionsumfelds und der gesetzlichen Rahmenbedingungen auf nationaler wie auf europäischer Ebene einhergehen; b) die Bankenunion muss vollendet werden, um die finanzielle Stabilität im Euro-Währungsgebiet und darüber hinaus zu stärken; die Arbeiten an der Kapitalmarktunion müssen beschleunigt werden, damit die Finanzierungsquellen an Zahl und Vielfalt zunehmen und der Finanzsektor die Realwirtschaft stützen kann; Schuldenbestände, die dazu führen, dass Finazierungs- und Investitionsentscheidungen zurückgehalten werden, müssen ebenfalls angegangen werden; c) bei den Investitionen muss das Hauptaugenmerk über traditionelle Infrastrukturvorhaben hinaus auf das Humankapital und damit zusammenhängende soziale Investitionen gerichtet werden.

Fortsetzung der Strukturreformen zur Modernisierung unserer Wirtschaft – a) Reformen müssen auf eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten gründen und auf mehr Produktivität und Konvergenz abzielen; b) die Arbeitsmarktpolitik muss Flexibilität und Sicherheit in ein ausgewogenes Verhältnis bringen; dabei sollten jugendliche und Langzeitarbeitslose besonders in den Blick genommen werden; c) stärker miteinander verflochtene und wettbewerbsfähigere Produkt- und Dienstleistungsmärkte sollten Anreize für Innovationen und mehr Arbeitsplätze schaffen.

Verantwortungsvolle Haushaltspolitik – a) eine wachstumsfreundliche und Verteilungsaspekte berücksichtigende Haushaltskonsolidierung ist in vielen Ländern weiterhin notwendig; b) die Steuersysteme müssen Beschäftigungshemmnisse angehen und fairer und noch effektiver werden; c) die Sozialschutz-Systeme sollten modernisiert werden, damit sie Risiken während des gesamten Lebenszyklus wirksam abdecken und gleichzeitig angesichts der kommenden demografischen Herausforderungen finanziell tragfähig bleiben.

Diese Prioritäten stützen den von den fünf Präsidenten aufgezeigten Fahrplan zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. Sie implizieren auch eine größere Fokussierung auf Beschäftigung und Soziales.

Aufbauend auf den Erfahrungen des vergangenen Jahres wird das Europäische Semester ab jetzt in zwei aufeinanderfolgende Stufen aufgeteilt, bei denen klarer zwischen der europäischen Komponente (von November bis Februar) und der nationalen Komponente (von Februar bis Juni) unterschieden wird. Über die notwendige verstärkte Koordinierung und engere Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik aller Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets hinaus spricht auch einiges dafür, die wirtschaftliche, soziale und budgetäre Lage des Euro-Währungsgebiets als Ganzes aufmerksam zu verfolgen und zu analysieren und diese Analyse bei der Ausgestaltung nationaler Maßnahmen zu berücksichtigen. Um die Herausforderungen für das Euro-Währungsgebiet insgesamt von vornherein besser zu berücksichtigen, veröffentlicht die Kommission nun auch ihren Vorschlag für Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet zusammen mit diesem Jahreswachstumsbericht.  9

Die Strategie „Europa 2020“ – bessere Umsetzung und Kontrolle

Die 2010 als europäische Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum für Europa ins Leben gerufene Strategie „Europa 2020“ legte fünf ehrgeizige Ziele auf den Gebieten Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Klimawandel und Energie, Bildung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung fest, die die EU bis 2020 erreichen sollte. Während die EU bei den Zielen betreffend Klimawandel, Energie und Bildung auf Kurs liegt, hat die Krise Fortschritte in anderen Bereichen wie Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zunichtegemacht; hier hat sich die Lage sogar verschlechtert. Die Strategie „Europa 2020“ diente als Referenzrahmen für Arbeiten sowohl auf EU-Ebene – im Parlament und im Rat in seinen verschiedenen Zusammensetzungen – als auch auf nationaler und regionaler Ebene: Die Mitgliedstaaten haben auf die EU-Ziele ausgerichtete nationale Zielvorgaben erlassen; die Berichterstattung über diese Ziele ist im Rahmen der jährlichen nationalen Reformprogramme erfolgt; Eurostat hat regelmäßig umfassende Fortschrittsberichte veröffentlicht. 10 Die Strategie „Europa 2020“ war zudem Richtschnur für die strategische Prioritätensetzung der Kommission. An dieser Prioritätensetzung orientierte sich auch der EU-Haushalt: sie hat die Ausarbeitung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020, die Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und die Auflage neuer EU-Förderprogramme maßgeblich beeinflusst. Ein gutes Beispiel ist die Einrichtung des Programms „HORIZONT 2020“ für Forschung, Innovation und technologische Entwicklung, dessen Mittel trotz der insgesamt angespannten Haushaltslage auf EU-Ebene erheblich aufgestockt wurden.

2014/15 hat die Kommission auf halbem Wege zum Zeithorizont 2020 mit der Mitteilung „Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ eine Überprüfung der Strategie „Europa 2020“ eingeleitet. In seinem Rahmen wurde auch eine Konsultation der Öffentlichkeit durchgeführt, die ergab, dass die Strategie immer noch als geeigneter Rahmen zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum auf der EU- wie auf der nationalen Ebene angesehen wird. Sie war zwar nicht in allen Bereichen erfolgreich, hat aber die EU-Tätigkeit aufgewertet und positive Wirkungen erzielt, indem sie beispielsweise den Anstoß zu Maßnahmen auf EU- wie auf mitgliedstaatlicher Ebene in Bereichen gab, die für Beschäftigung und Wachstum von zentraler Bedeutung sind. Die Konsultation hat aber auch ergeben, dass sich die Mitgliedstaaten die Strategie noch nicht ausreichend zu eigen gemacht haben und ein intensiveres Engagement vor Ort notwendig ist.

Im Anschluss an die Überprüfung wird die Kommission die vorhandene Strategie und ihre Instrumente bestmöglich nutzen, indem sie ihre Umsetzung und Erfolgskontrolle im Rahmen des Europäischen Semesters verbessert. Auf dieser Grundlage hat die Kommission die an die Mitgliedstaaten gerichteten Leitlinien für die Ausarbeitung ihrer nationalen Reformprogramme überarbeitet, um zu gewährleisten, dass die Strategie „Europa 2020“ weiterhin eine gewichtige Rolle spielt.

Parallel dazu wird die Kommission im kommenden Jahr mit der Entwicklung einer über den Zeithorizont 2020 hinausgreifenden Vision beginnen, die auch die von den Vereinten Nationen für 2030 vereinbarten neuen Ziele für die nachhaltige Entwicklung berücksichtigt. Die Ergebnisse der Überprüfung der Strategie „Europa 2020“ werden in diesen Prozess einfließen.

2. Wiederbelebung der Investitionstätigkeit

Vor dem Hintergrund niedriger Zinsen, sehr liquider Finanzmärkte und des Abbaus öffentlicher wie privater Verschuldung bewegt sich die Investitionstätigkeit weiterhin auf einem verhaltenen Level. Dies zeigt, wie notwendig die Investitionsoffensive für Europa ist. Ihr Ziel ist es, mit einer abgestimmten Investitionspolitik die Wettbewerbsfähigkeit zu wahren und die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln. Sie setzt Anreize für die Finanzierung von Investitionen und fördert den Abbau von Hindernissen, die Innovationstätigkeit und die Vertiefung des Binnenmarkts.

Durchführung der Investitionsoffensive für Europa

Vor einem Jahr hatte die Kommission eine Investitionsoffensive vorgeschlagen, mit der in den nächsten drei Jahren mindestens 315 Mrd. EUR an zusätzlichen Investitionen mobilisiert und die Investitionstätigkeit nachhaltig wieder auf das Niveau vor der Krise angehoben werden sollte. Die Investitionsoffensive soll mit bestehenden und neuen Instrumenten zusätzliche Investitionen in Europa mobilisieren, ein besseres Investitionsumfeld schaffen und den Binnenmarkt weiter festigen.

Dank der raschen Unterstützung durch das Europäische Parlament und den Rat und der operativen Tätigkeit der Europäischen Investitionsbank ist die Investitionsoffensive inzwischen angelaufen. Der von der Kommission im Januar vorgeschlagene Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) hat mit seine Arbeit zur Unterstützung von risiko- und renditeträchtigeren Vorhaben, die es ansonsten schwerer gehabt hätten, Geldgeber zu finden, begonnen. Die europäische Plattform für Investitionsberatung, die Investoren und Projektträger unterstützen soll, hat ihre Arbeit aufgenommen. Das europäische Investitionsportal, in dem Anleger sich nach verlässlichen und einfachen Referenzkriterien über mögliche Investitionsvorhaben informieren können, wird Anfang nächsten Jahres gestartet. Viele Mitgliedstaaten haben über ihre nationalen Förderinstitute oder auf anderem Wege bereits beträchtliche finanzielle Beiträge an den Fonds geleistet.

Um diese Fortschritte zu verfestigen, sollten die Mitgliedstaaten den Bekanntheitsgrad des EFSI weiter steigern und die Entwicklung privater und öffentlicher Investitionsvorhaben und Plattformen für gemeinsame Investitionen unterstützen, damit diese der Europäischen Investitionsbank für eine etwaige EFSI-Finanzierung sowie dem europäischen Investitionsportal für eine Beteiligung potentieller Investoren vorgelegt werden können. Das Angebot der europäischen Plattform für Investitionsberatung sollte dazu genutzt werden, bessere Investitionsvorhaben auszuarbeiten und Zugang zu EU-Fördermitteln zu erlangen. Außerdem werden die Mitgliedstaaten, die bislang noch keine Mittel für die Investitionsoffensive bereitgestellt haben, aufgefordert, dies nachzuholen.

Zudem sollten die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit Gebrauch machen, die EFSI-Mittel mit anderen EU-Fördergeldern (Horizont 2020, Fazilität „Connecting Europe“ und europäische Struktur- und Investitionsfonds) zu bündeln, zumal die im Zuge des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020 aufgelegten EU-Programme jetzt richtig in Gang kommen und zunehmend Investitionen vor Ort in ganz Europa fördern, mit denen Infrastruktur-, Innovations- und Qualifizierungsprojekte finanziert werden. Administrative oder rechtliche Schranken, die den raschen Mitteleinsatz behindern, sollten von den Mitgliedstaaten identifiziert und angegangen werden. Die Kommission wird die Fortschritte bei der Inanspruchnahme der EU-Fonds auch bei der laufenden Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens auf mögliche Vereinfachungen, Bündelungen und Synergien mit nationalen Fördertöpfen und privaten Finanzierungsmitteln prüfen, um die Hebelwirkung auf die nationale Investitionstätigkeit zu optimieren.

Fortschritte beim EFSI: 11 Beiträge der Mitgliedstaaten und genehmigte Vorhaben 

Neun Mitgliedstaaten haben – meist über ihre nationalen Förderinstitute – Beiträge zur Investitionsoffensive zugesagt: Bulgarien (100 Mio. EUR), Deutschland (8 Mrd. EUR), Spanien (1,5 Mrd. EUR), Frankreich (8 Mrd. EUR), Italien (8 Mrd. EUR), Luxemburg (80 Mio. EUR), Slowakei (400 Mio. EUR), Polen (8 Mrd. EUR) und das Vereinigte Königreich (8,5 Mrd. EUR/6 Mrd. GBP).

Für mittelständische Unternehmen hat es der EFSI über sein Finanzierungsfenster „KMU“ dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) bereits ermöglicht, die Mittelvergabe im Rahmen der Programme COSME und HORIZONT 2020 auszuweiten und das Wachstum im KMU-Sektor anzukurbeln. Bist jetzt hat der EIF 69 Projekte mit Finanzmittlern in 18 Ländern genehmigt: Belgien, Bulgarien, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Schweden und Vereinigtes Königreich. Der EIF hat bereits 56 Vorhaben unterzeichnet, an denen der EFSI mit einem Finanzierungsvolumen von rund 1,4 Mrd. EUR beteiligt ist; man rechnet damit, dass hierdurch Investitionen in Höhe von mehr als 22 Mrd. EUR mobilisiert werden. Rund 71 000 mittelständische Unternehmen u. a. in Belgien, Bulgarien, der Tschechischen Republik, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal, Slowenien und dem Vereinigten Königreich dürften davon profitieren.

Darüber hinaus hat die Europäische Investitionsbank 32 Vorhaben aus dem EFSI-Finanzierungsfenster „Infrastruktur und Innovation“ genehmigt, für die sie die im EFSI vorgesehene EU-Garantie beantragt hat. Die betreffenden Vorhaben sind in folgenden Mitgliedstaaten angesiedelt: Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Finnland, Deutschland, Irland, Italien, Niederlande, Slowakei, Spanien und Vereinigtes Königreich. Etwa die Hälfte dieser Vorhaben dient der Förderung der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und anderer Maßnahmen in Richtung auf eine emissionsarme Wirtschaft. Andere sind in den Bereichen FuE und industrielle Innovation, digitale und soziale Infrastruktur, Verkehr oder KU-Finanzierung anzusiedeln.

Nimmt man die bisherigen Zahlen aus diesen beiden Finanzierungsfenstern zur Grundlage, wird die Investitionsoffensive mehr als 44 Mrd. EUR an zusätzlicher Finanzierung mobilisiert haben. Wie die EIB vor kurzem ankündigte, rechnet sie damit, dass der EFSI bis Ende 2015 Investitionen in Höhe von rund 50 Mrd. EUR bewirkt haben wird.

Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die Verbesserung des Investitionsumfelds in den Mittelpunkt zu stellen, indem auf Gesetzgebungs- und Regulierungsebene mehr Vorhersehbarkeit geschaffen wird, Qualität und Diversität der Finanzierungskanäle verbessert werden, die einheitlichen Wettbewerbsvoraussetzungen innerhalb der Europäischen Union gestärkt werden und Hemmnisse beseitigt werden, die Investitionen innerhalb und von außerhalb der EU erschweren. Auf der EU-Ebene wurden die Arbeiten in mehreren Bereichen in Angriff genommen, was in der Binnenmarktstrategie, der Energieunion und dem digitalen Binnenmarkt zum Ausdruck kommt. Diese Arbeiten auf EU-Ebene müssen von Bemühungen auf der nationalen Ebene flankiert werden.

Um Veränderungen in diesen Bereichen voranzubringen und die Mitgliedstaaten für Investitionen attraktiver zu machen, werden zusammen mit diesem Jahreswachstumsbericht auch länderspezifische Informationen über die wichtigsten Themen vorgelegt, die die Investitionspolitik auf nationaler Ebene angehen muss 12 . Die vorläufige Analyse der Investitionshemmnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten bestätigt den Eindruck einer sehr vielfältigen Investitionslandschaft mit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat höchst unterschiedlichen Investitionshemmnissen. Es gibt daher kein Patentrezept. Im Rahmen dieses neugestalteten Europäischen Semesters möchte die Kommission diese Herausforderungen und ihre mögliche Bewältigung mit den Mitgliedstaaten erörtern, beispielsweise in themenbezogenen Gesprächen im Rat. Die betreffenden Herausforderungen werden im Zusammenhang mit den für den Februar 2016 vorgesehenen länderspezifischen Berichten weiter erörtert.

Günstigere Finanzierungsbedingungen für die Realwirtschaft

Die Kreditkonditionen haben sich erheblich verbessert, es bestehen jedoch nach wie vor Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Je nach Standort sind die Unternehmen mit unterschiedlichen Finanzierungsbedingungen konfrontiert. Die Strategien zur Wiederherstellung erschwinglicher Finanzierungsbedingungen müssen daher in allen Mitgliedstaaten weiter vorangetrieben werden.

Zudem stehen viele Mitgliedstaaten vor der Herausforderung eines Privatschuldenüberhangs und eines hohen Bestands an notleidenden Krediten, die das Funktionieren der Finanzintermediation beeinträchtigen und dazu führen, dass Unternehmen Investitionsentscheidungen zurückhalten. In einigen Mitgliedstaaten stellen die begrenzten Möglichkeiten für eine Erleichterung der Abwicklung notleidender Kredite ein Hindernis dafür dar, dass die Kreditvergabe durch die Banken wieder in Gang kommt.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Belastung des privaten Sektors durch den Schuldendienst zu verringern. Hierzu bedarf es moderner, wirksamer Rahmen für den Umgang mit Insolvenz und unternehmerischem Scheitern. Ein gut funktionierendes Insolvenzrecht ist für Investitionsentscheidungen von zentraler Bedeutung, da es die Rechte von Gläubigern und Schuldnern im Falle finanzieller Schwierigkeiten festlegt.

Die Bankenunion ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Finanzstabilität in der Wirtschafts- und Währungsunion. Alle Mitgliedstaaten müssen alle einschlägigen Rechtsvorschriften so schnell wie möglich umsetzen. Unerlässlich ist insbesondere die zügige Umsetzung der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und der letzten Fassungen der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme. Gleichzeitig hat die Kommission mit ihrem Vorschlag für ein europäisches Einlagensicherungssystem 13 zusätzliche Maßnahmen zur Vollendung der Bankenunion auf den Weg gebracht. Parallel dazu werden die Arbeiten an einem weiteren Abbau von Risiken im Bankensektor fortgesetzt.

Ferner sind Anstrengungen notwendig, um Hindernisse für den freien Kapitalverkehr im Binnenmarkt zu beseitigen und die Finanzierungsquellen für die Realwirtschaft zu diversifizieren und zu erweitern. Zu diesem Zweck hat die Kommission einen ehrgeizigen Fahrplan für die Schaffung einer Kapitalmarktunion bis 2019 vorgelegt. Einige der hierfür erforderlichen Maßnahmen sind rechtlicher Art und müssen auf europäischer Ebene beschlossen werden. Diese EU-Initiativen müssen jedoch durch Anstrengungen auf nationaler Ebene ergänzt werden, indem zum Beispiel die Verwaltungslasten verringert oder im Rahmen der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht keine zusätzlichen Anforderungen wie etwa steuerliche Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen eingeführt werden (sogenanntes Goldplating).

Investitionen in das Humankapital

Intelligente Investitionen in das Humankapital Europas und ergebnisorientierte Reformen der allgemeinen und beruflichen Bildung sind Teil der notwendigen Anstrengungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Wiederherstellung nachhaltigen Wachstums. Eine zielgerichtete Qualifizierung fördert Innovation und Wettbewerbsfähigkeit; sie ist die Grundlage für eine hohe Produktivität und die beste Weise, den Einzelnen vor Arbeitslosigkeit zu schützen und die Gefahr von Armut und sozialer Ausgrenzung zu verringern. Die EU ist zwar ein wichtiger Vermittler von Können und Wissen, ihre Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung sind im internationalen Vergleich jedoch nicht so leistungsfähig, wie sie sein sollten. Rund 20 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter verfügen nur über Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Rechnen, 39 % der Unternehmen haben Schwierigkeiten, Mitarbeiter mit den erforderlichen Qualifikationen zu finden. Diese Probleme haben sich infolge der Krisenjahre und der sich rasch weiterentwickelnden Beschäftigungsmodelle in der digitalen Wirtschaft noch verschärft: Von Arbeitslosigkeit sind vor allem Geringqualifizierte betroffen. Das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage hat in vielen Branchen und Regionen zugenommen.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass die Mitgliedstaaten soziale Investitionen, unter anderem in Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Wohnraumförderung und Rehabilitationsleistungen, auf breiterer Basis fördern, um die vorhandenen und künftigen Qualifikationen für eine Teilnahme am Arbeitsmarkt und ihre Anpassung an den Bedarf zu verbessern. Viele Maßnahmen können aus EU-Programmen wie den europäischen Struktur- und Investitionsfonds gefördert werden. Soziale Investitionen werfen mit der Zeit eine wirtschaftliche und soziale Rendite ab, insbesondere in Bezug auf Beschäftigungsaussichten, Arbeitseinkommen und -produktivität, Armutsprävention und Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Die soziale Infrastruktur sollte flexibler, personalisiert und besser integriert bereitgestellt werden, um die aktive Eingliederung der Menschen mit den schwächsten Verbindungen zum Arbeitsmarkt zu fördern.

3. Fortsetzung der Strukturreformen zur Modernisierung unserer Wirtschaft

Eine wirksame Umsetzung der Reformen mit dem Ziel, solide rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen und eine reibungslos funktionierende Wirtschaft zu gewährleisten, ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Investitionen zu unterstützen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu begünstigen, den Lebensstandard anzuheben und die Konvergenz in der Europäischen Union zu fördern.

Alle Mitgliedstaaten sollten die derzeit günstige Dynamik nutzen, um ihre Anstrengungen im Hinblick auf gut funktionierende Arbeits-, Produkt- und Kapitalmärkte, hochwertige Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie moderne, effiziente Systeme der sozialen Sicherheit und zur Förderung von Innovation und Unternehmertum zu verstärken.

Bessere Koordinierung und Unterstützung der Strukturreformen

Die Mitgliedstaaten setzen ihre Anstrengungen zur Modernisierung der Wirtschaft und zum Abbau der in den letzten Jahren festgestellten makroökonomischen Ungleichgewichte 14 fort, einige Bereiche geben jedoch nach wie vor Anlass zur Sorge, und es zeichnen sich neue Herausforderungen ab. Dies geht aus dem zusammen mit diesem Jahreswachstumsbericht veröffentlichten Warnmechanismusbericht 2016 hervor, in dem eine Reihe von Ländern benannt wird, die einer eingehenden Prüfung im Rahmen des Verfahrens bei makroökonomischen Ungleichgewichten unterzogen werden sollten.

Obwohl der Konvergenzprozess wieder in Gang gekommen ist, unterscheidet sich die Leistung der Mitgliedstaaten in einigen Bereichen, die für Produktivität und Konvergenz von entscheidender Bedeutung sind, ganz erheblich. Die Kommission plant, mit den Mitgliedstaaten und wichtigen Interessenträgern Gespräche über die zu bewältigenden Herausforderungen und die optimalen politischen Reaktionen zu führen und dabei auf eine Konvergenz in Richtung der am besten abschneidenden Länder hinzuwirken. Benchmarking, d. h. die vergleichende Prüfung anhand bestimmter Benchmark-Indikatoren 15 für das Abschneiden und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, kann ein nützliches Instrument sein, um unzureichende Ergebnisse und Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen, Fortschritte zu verfolgen und effizient über die Ergebnisse politischer Maßnahmen zu kommunizieren. Es kann dazu beitragen, dass sich die Mitgliedstaaten stärker mit den Strukturreformen identifizieren und für ihre Umsetzung sorgen.

Die Kommission wird schrittweise die Entwicklung solcher Richtwerte und den Austausch bewährter Methoden in allen Politikbereichen vorschlagen und dabei auf der vorhandenen thematischen Analyse aufbauen, die zusammen mit den Mitgliedstaaten in verschiedenen Gremien vorgenommen wurde. Wie im Bericht der fünf Präsidenten „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“ 16 dargelegt, können gemeinsame Standards für den Prozess der Konvergenz zu widerstandsfähigeren wirtschaftlichen Strukturen von Vorteil sein. Die gemeinsamen Standards sollten sich laut dem Bericht auf die Bereiche Arbeitsmarkt, Wettbewerbsfähigkeit, Rahmenbedingungen für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen sowie bestimmte Aspekte der Steuerpolitik konzentrieren.

Darüber hinaus kann die Finanzierung durch die EU eine wichtige Rolle dabei spielen, die Umsetzung der Reformen zu unterstützen und Investitionen direkt in die Realwirtschaft zu leiten, wenn sie umsichtig ausgerichtet und wirksam angewandt wird. Vor diesem Hintergrund sind die in den jüngsten länderspezifischen Empfehlungen festgelegten Prioritäten bei der Programmplanung für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds für den Zeitraum 2014–2020 berücksichtigt worden. Zur Unterstützung der Strukturreformen wird sich die Kommission dafür einsetzen, dass bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen verstärkt auf die europäischen Struktur- und Investitionsfonds zurückgegriffen wird und in diesem Zusammenhang auch Maßnahmen getroffen werden, die die Funktion dieser Fonds mit einer soliden wirtschaftspolitischen Steuerung verknüpfen. Die Mitgliedstaaten sollten alle Anstrengungen unternehmen, um zu gewährleisten, dass die Möglichkeiten für eine Finanzierung durch die EU voll ausgeschöpft werden. In der Zwischenzeit werden die Umsetzung der Reformen durch die einschlägigen EU-Finanzierungsprogramme in den betreffenden Politikbereichen und die schrittweise Ausweitung der technischen Hilfe gefördert, die vom Dienst der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen angeboten wird. Diesem Jahreswachstumsbericht ist ein Vorschlag für die Finanzierung technischer Hilfe für die Mitgliedstaaten 17 beigefügt.

Förderung von Beschäftigung und inklusiver Sozialpolitik

Die Schaffung von Arbeitsplätzen muss ein Schwerpunkt der Reformbemühungen bleiben. Vor dem Hintergrund einer allmählichen Erholung beginnt die Arbeitslosigkeit zurückzugehen. Unterstützende gesamtwirtschaftliche Maßnahmen und die Wirkung der Strukturreformen haben zu diesen positiven Entwicklungen beigetragen. Allerdings bleibt es für immer noch zu viele Arbeitssuchende schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, da die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin gering ist und ihre Qualifikationen möglicherweise nicht denen entsprechen, die für freie Stellen verlangt werden.

Wie in dem im Entwurf vorliegenden Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 18 hervorgehoben wird, ist die Arbeitslosigkeit nach wie vor viel zu hoch: Im August 2015 waren 23 Millionen Europäer ohne Arbeit. Zudem war rund die Hälfte der Arbeitslosen 19 mehr als ein Jahr ohne Beschäftigung. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich seit 2008 fast verdoppelt 20 , wobei erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Die Jugendarbeitslosigkeit geht zwar überall zurück, ist aber mit mehr als 20 % in den meisten Mitgliedstaaten immer noch sehr hoch. Im Einklang mit der Jugendgarantie sollten die nationalen, regionalen und kommunalen Behörden die Arbeiten zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit durch systemische Änderungen beim Übergang von der Schule ins Berufsleben, Aktivierungsmaßnahmen und eine gut funktionierende öffentliche Arbeitsverwaltung voranbringen.

Anhaltende Langzeitarbeitslosigkeit hat Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt, mit verheerenden sozialen Konsequenzen für die Betroffenen und negativen Folgen für Wachstum und öffentliche Finanzen. Langzeitarbeitslosigkeit ist eine der Ursachen für die Zunahme der Armut in der EU seit Beginn der Krise. 2014 21 war ein Viertel der EU-Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Die Mitgliedstaaten sollten sich verstärkt darum bemühen, im Einklang mit den in der Empfehlung zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt vorgeschlagenen Leitlinien 22 die Langzeitarbeitslosigkeit anzugehen. Insbesondere sollten Wiedereinstiegsvereinbarungen und zentrale Anlaufstellen eingeführt werden, um zu gewährleisten, dass Langzeitarbeitslosen ein individualisierter Ansatz, ein einfacherer Zugang und eine transparentere Unterstützung geboten wird.

Mit politischen Maßnahmen müssen die Negativanreize für Unternehmertum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, die den verschiedenen nationalen Systemen inhärent sind, weiter angegangen werden. Vor allem sollten die Besteuerung des Faktors Arbeit und die Sozialleistungssysteme so gestaltet und angewandt werden, dass Investitionen und Beschäftigung gefördert werden. Die Euro-Gruppe hat im September 2015 gemeinsame Grundsätze vorgelegt, die den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets bei ihren Bemühungen, die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit zu verringern, als Richtschnur dienen sollen. Die Euro-Gruppe einigte sich auf ein Benchmarking der steuerlichen Belastung der Arbeit in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets anhand des BIP-gewichteten EU-Durchschnitts. Das laufende Benchmarking in Verbindung mit einem Austausch bewährter Methoden dürfte der Reform der Besteuerung der Arbeit auf nationaler Ebene einen neuen Impuls geben und die Mitgliedstaaten in ihrem Bemühen unterstützen, die Arbeitskosten insgesamt durch Verringerung der Steuer- und Abgabenbelastung zu senken. 23 Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten die Gründung innovativer Unternehmen fördern und die Schaffung von Arbeitsplätzen insbesondere bei KMU erleichtern.

Die Unterschiede bei der Beschäftigung von Frauen und Männern sind in mehreren Mitgliedstaaten weiterhin besonders groß. Obwohl die Frauen die Männer bei den Bildungsabschlüssen tendenziell übertreffen, sind sie auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor unterrepräsentiert. Die Mitgliedstaaten sollten über ein umfassendes Konzept für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben unter anderem mithilfe von Betreuungseinrichtungen, Sonderurlaub und flexiblen Arbeitszeitregelungen sowie Steuer- und Sozialleistungssystemen verfügen, die Zweitverdiener nicht durch Fehlanreize davon abhalten, zu arbeiten bzw. mehr zu arbeiten. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen alleinerziehende Eltern und Menschen mit Betreuungsaufgaben.

Um sowohl Flexibilität als auch Sicherheit in der Arbeitswelt zu erreichen, sind umfassende Reformanstrengungen zu unternehmen und dabei gleichzeitig die Segmentierung des Arbeitsmarkts, eine angemessene Lohnentwicklung, gut konzipierte Einkommensunterstützungssysteme sowie Maßnahmen anzugehen, mit denen der Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis erleichtert und Arbeitssuchende mit den richtigen Qualifikationen ausgestattet und besser in freie Stellen vermittelt werden. Dieses Konzept kann nur bei enger Einbindung der Sozialpartner Erfolg haben. 24

Um ein hohes Beschäftigungsniveau in der gesamten EU sicherzustellen und die Konvergenz voranzubringen, müssen die Reallöhne mittelfristig weiter der Produktivitätsentwicklung folgen. Dabei spielen die Sozialpartner eine entscheidende Rolle. Rahmen für die Lohnfestsetzung wie etwa Tarifverträge sollten ein bestimmtes Maß an Flexibilität für differenzierte branchenübergreifende und brancheninterne Lohnerhöhungen ermöglichen, damit die Entwicklung der Reallöhne im Laufe der Zeit in geeigneter Weise an die Entwicklung der Produktivität angeglichen werden kann. In diesem Zusammenhang ist von Belang, dass die Vertretung der Arbeitnehmer gewährleistet ist und dass die Verhandlungsmodalitäten zwischen und auf den verschiedenen Ebenen effektiv abgestimmt sind.

Die Mitgliedstaaten sollten ihre Rechtsvorschriften zum Beschäftigungsschutz weiter modernisieren und vereinfachen und dabei einen wirksamen Schutz der Arbeitnehmer und die Förderung von Arbeitsmarktübergängen zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen und Berufen gewährleisten. Stabile, verlässliche Arbeitsverhältnisse und insbesondere mehr unbefristete Verträge würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer veranlassen, mehr in Qualifikationen und lebenslanges Lernen zu investieren. Sie ermöglichen es dem Einzelnen, seine Zukunft zu planen, indem sie ihm langfristige Perspektiven für eine Karriere- und Einkommensentwicklung bieten. In den letzten Jahren war der Anstieg der Gesamtbeschäftigung in erster Linie auf die Zunahme befristeter Verträge zurückzuführen, was in der Anfangsphase einer Erholung nicht ungewöhnlich ist. Die allgemeinere Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitsmärkten sollte die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtern, aber auch den Übergang zu mehr unbefristeten Verträgen ermöglichen. Sie sollte nicht zu mehr prekären Arbeitsverhältnissen führen. Die Mitgliedstaaten sollten auch verstärkt gegen Schwarzarbeit vorgehen.

Für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sind wirksamere Sozialschutzsysteme erforderlich, wobei tragfähige öffentliche Finanzen und Anreize für eine Erwerbstätigkeit gewahrt werden müssen. Bei jeder Entwicklung in diesem Bereich muss weiterhin dafür gesorgt werden, dass Lohnergänzungsleistungen, Arbeitslosenleistungen und Mindesteinkommensregelungen so konzipiert sind, dass sie einen Anreiz für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt bieten. Eine angemessene, gut konzipierte Einkommensunterstützung, etwa im Rahmen von Arbeitslosenleistungen und Mindesteinkommensregelungen, ermöglicht es Arbeitslosen, in Stellensuche und berufliche Bildung zu investieren und damit ihre Chancen auf eine ihren Qualifikationen entsprechende angemessene Beschäftigung zu erhöhen.

Schließlich sind umfassende Integrationsmaßnahmen für arbeitsmarktfernere Personen erforderlich, insbesondere als Reaktion auf den jüngsten Zustrom einer großen Zahl von Flüchtlingen. Die Integration von Migranten und vor allem Flüchtlingen erfordert ein umfassendes Konzept, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Teilhabe insgesamt zu erleichtern.

Weitere Verbesserung der Produkt- und Dienstleistungsmärkte und der Rahmenbedingungen für Unternehmen

Die Verbesserung der Produkt- und Dienstleistungsmärkte stellt für viele Mitgliedstaaten nach wie vor eine Herausforderung dar. Dabei sind die anstehenden Aufgaben von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden, umfassen aber die Flexibilisierung der Produkt- und Dienstleistungsmärkte, die Verbesserung der Qualität von Forschung und Innovation, die Verringerung des regulatorischen und bürokratischen Aufwands, den Ausbau der Kapazitäten der öffentlichen Verwaltung sowie die Verbesserung des Rechtssystems und der Insolvenzregelungen. Angesichts der uneinheitlichen und häufig nicht konsequenten Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in den Jahren 2012-2014 konnten viele Mitgliedstaaten nur in begrenzten Maße von der neuen Regelung profitieren, d. h. die Richtlinie bietet noch ein beträchtliches Potenzial, das es zu nutzen gilt.

Offene und wettbewerbsfähige Produkt- und Dienstleistungsmärkte sind notwendig, um die effiziente Verwendung von Ressourcen zu fördern und Investitionen zu erleichtern. Eine Flexibilisierung der Dienstleistungsmärkte würde die Produktivität erhöhen und könnte neuen Akteuren den Markteintritt erleichtern. Sie könnte zu Preissenkungen bei Dienstleistungen und einer breiteren Auswahl für die Verbraucher führen. Darüber hinaus ist die Produktivität von Unternehmensdienstleistungen für die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Wirtschaftssektoren, beispielsweise des verarbeitenden Gewerbes, von entscheidender Bedeutung. Für den Eintritt in diese Märkte bestehen in einigen Mitgliedstaaten große Hindernisse. Die nationalen Reformanstrengungen sollten sich darauf konzentrieren, unverhältnismäßige und unbegründete Genehmigungsanforderungen abzuschaffen. Die Kommission wird weiterhin eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um diese Hindernisse zu beseitigen.

Der Einzelhandel ist für die Wirtschaft der EU von zentraler Bedeutung (9,6 % Wertschöpfung und 13,1 % Beschäftigung). Die fehlende Dynamik in diesem Sektor führt zu hohen Endkundenpreisen, die die Kaufkraft der Verbraucher effektiv verringern. Aus Untersuchungen geht hervor, dass diese hohen Endkundenpreise bis zu einem gewissen Grad auf Markteintrittsschranken und sonstige Beschränkungen zurückzuführen sind, die den Wettbewerb im Einzelhandelssektor in bestimmten Mitgliedstaaten hemmen. Eine niedrige Produktivität im Einzelhandelssektor bedeutet Effizienzverluste für die Wirtschaft insgesamt.

Eine bessere Transparenz, Effizienz und Rechenschaftspflicht im öffentlichen Beschaffungswesen, das 19 % des BIP der EU ausmacht, ist für Investitionen von entscheidender Bedeutung. Die Mitgliedstaaten sollten für angemessene Verwaltungskapazitäten sorgen und insbesondere die elektronischen Auftragsvergabe (digitale Instrumente) verstärkt nutzen und die Korruption bekämpfen.

Eine moderne und effiziente öffentliche Verwaltung ist Grundvoraussetzung für schnelle und qualitativ hochwertige Dienstleistungen für Unternehmen und Bürger. Die Verbesserung von Qualität, Unabhängigkeit und Effizienz des Justizwesens der Mitgliedstaaten ist für ein investitions- und unternehmensfreundliches Umfeld eine wesentliche Voraussetzung. Die Verfahren müssen zügig abgewickelt und der Rückstau bei den Gerichten aufgearbeitet werden. Auch müssen die Garantien für die Unabhängigkeit und die Qualität der Justiz verbessert werden, u. a. durch eine bessere Nutzung von IKT bei den Gerichten und die Verwendung von Qualitätsstandards.

Darüber hinaus lassen sich durch die Einführung neuer Technologien und Geschäftsmodelle zusätzliche Wachstumsquellen erschließen und ein erhebliches Beschäftigungswachstum erzielen. Um diese Quellen bestmöglich zu nutzen, sollten die Mitgliedstaaten günstige wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen schaffen und Partnerschaften zwischen Unternehmen und Universitäten fördern, insbesondere für den digitalen Wandel in den Bereichen Industrie und Dienstleistungen sowie für Big-Data-Anwendungen und die kollaborative Wirtschaft.

Ferner müssen die Mitgliedstaaten Ressourcen effizienter nutzen und eine stärker kreislauforientierte Wirtschaft fördern. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft 25 zielt darauf ab, den Wert der Produkte, Materialien und Ressourcen in der Wirtschaft so lange wie möglich zu schützen und zu erhalten und gleichzeitig die Entstehung von Abfällen zu minimieren. Eine stärker kreislauforientierte Wirtschaft und eine verbesserte Ressourceneffizienz werden Anreize für Investitionen mit sowohl kurz- als auch langfristigen Vorteilen für Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung schaffen.

4. Verantwortungsvolle Haushaltspolitik

Haushaltsdefizite werden abgebaut und die Staatsverschuldung scheint ihren Höchststand erreicht zu haben. Die wirtschaftliche Erholung, niedrige Zinssätze sowie die anhaltenden Konsolidierungsbemühungen in einigen Ländern tragen zum Rückgang des öffentlichen Gesamtdefizits bei. Der öffentliche Schuldenstand in der EU und im Euro-Währungsgebiet, der mehrere Jahre in Folge von einem starken Anstieg geprägt war, dürfte 2015 geringfügig sinken. Auch die Tatsache, dass sich die Zahl der Länder, die sich in einem Defizitverfahren befinden, verringert hat, spiegelt die Anstrengungen der vergangenen Jahre wider. Dennoch ist der öffentliche Schuldenstand in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor sehr hoch, was sie anfälliger für Erschütterungen macht und das Wachstum bremst.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet den geeigneten Rahmen, um die öffentlichen Finanzen – unter umfassender Nutzung des gesamten haushaltspolitischen Spielraums – auf einen nachhaltigen Pfad zu führen und diesen beizubehalten. Die Kommission hat gerade zu den Übersichten über die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets 26 Stellung genommen. Die Kommission wird bei der Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), wie er im Rahmen dieses Pakets bestätigt wurde, die budgetären Konsequenzen des außergewöhnlichen Flüchtlingszustroms berücksichtigen. Die von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen werden bei der (Ex-post-)Bewertung möglicher vorübergehender Abweichungen von den SWP-Vorgaben in den Jahren 2015 und 2016 herangezogen werden.

Der haushaltspolitische Kurs für dieses und nächstes Jahr ist sowohl im Euro-Währungsgebiet als auch in der EU insgesamt weitgehend neutral. Dies erscheint vor dem Hintergrund der zweifachen Zielsetzung – langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und kurzfristige makroökonomische Stabilisierung – angemessen.

Um die öffentlichen Schuldenstände zu verringern und die erforderlichen Haushaltspolster aufzubauen, gleichzeitig aber prozyklische Effekte zu vermeiden, sollte auf Ebene der Mitgliedstaaten eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik, die den gemeinsamen Haushaltsvorschriften Rechnung trägt, beibehalten werden. Ferner sollten die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Konsolidierungsanstrengungen sowohl in Bezug auf den Abbau des öffentlichen Defizits als auch die Stabilisierung der konjunkturellen Lage an ihren länderspezifischen Herausforderungen ausrichten und dabei Wechselwirkungen insbesondere zwischen den einzelnen Ländern des Euro-Währungsgebiets berücksichtigen. Im Hinblick auf die striktere Gestaltung der nationalen haushaltspolitischen Rahmenvorgaben, die für eine angemessene und langfristig ausgelegte Haushaltspolitik von zentraler Bedeutung sind, sind Fortschritte zu verzeichnen. Die Kommission beabsichtigt, ihren Bericht über die Umsetzung des Fiskalpakts in innerstaatliches Recht im Einklang mit Artikel 8 Absatz 1 des SKS-Vertrags Anfang 2016 vorzulegen.

Die haushaltspolitischen Strategien sollten wachstumsfreundlichen Ausgaben auch künftig Vorrang einräumen und weiterhin produktive öffentliche Investitionen vorsehen. Die größten von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im nächsten Jahr geplanten Ausgabenkürzungen betreffen die Lohn- und Gehaltskosten im öffentlichen Sektor sowie die öffentliche Beschaffung von Waren und Dienstleistungen. Die geplante Anpassung dürfte keine Auswirkungen auf die mittelfristigen Wachstumsaussichten haben, wenngleich bei der Zusammensetzung der Ausgaben noch Spielraum für wachstumsfreundlichere Optionen besteht. Darüber hinaus sollte die Wirksamkeit bestehender Ausgabenprogramme der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zielerreichung systematisch überprüft und gegebenenfalls durch Reformen verstärkt werden.

Wirksamere und gerechtere Steuersysteme

Auf der Einnahmenseite müssen wirksame und wachstumsfreundliche Steuersysteme gewährleistet werden. Dazu gehört die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit, die in einem wesentlichen Maß zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zu einer höheren Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes beitragen kann.

Darüber hinaus muss das Thema der verschuldungsfreundlichen Besteuerung angegangen werden. Bei einer Förderung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln und damit zu Investitionen führt die steuerliche Begünstigung von Fremdkapital, die aus der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen resultiert, zu einer Bevorzugung von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital. Auf Ebene der Mitgliedstaaten kann dieser Verschuldungstendenz bei Unternehmensfinanzierungen begegnet werden, indem Verzerrungen aufgrund einer unterschiedlichen Besteuerung beseitigt werden. Im Rahmen der umfassenderen Arbeiten an der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) wird die Kommission prüfen, wie dieser Verschuldungstendenz entgegengewirkt werden kann. 2016 wird sie einen neuen Vorschlag dazu vorlegen.

Ferner sollten die Mitgliedstaaten gezielte Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergreifen und Steuerbetrug und Steuerhinterziehung bekämpfen. Damit lassen sich Einnahmen sichern, die beispielsweise für öffentliche Investitionen oder zur Steuersenkung eingesetzt werden können. Die Mitgliedstaaten können Steuerhinterziehung, betrug und umgehung bekämpfen, indem sie mehr Transparenz schaffen und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Steuerbehörden ausbauen. Im Juni hat die Kommission einen Aktionsplan zur Wiederherstellung der Einheit von Besteuerungsort und Ort der Wirtschaftstätigkeit vorgelegt, mit dem Steuererosion und Gewinnverlagerung durch bestimmte multinationale Unternehmen bekämpft und mehr Transparenz geschaffen werden sollen. Darüber hinaus hat sie im März ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Steuertransparenz vorgeschlagen. Zentraler Bestandteil ist der automatische Austausch von Informationen über Steuervorbescheide 27 zwischen den Mitgliedstaaten, der auf alle Arten von Unternehmen Anwendung findet.

Maßnahmen im Hinblick auf die demografische Herausforderung

Ein längeres und gesünderes Leben ist eine große Errungenschaft für unsere Gesellschaft. Nun sind verantwortungsvolle Strategien gefordert, um zu gewährleisten, dass Renten, Gesundheitsversorgung und Pflege finanziell tragfähig sind und allen einen angemessenen Schutz bieten. In den letzten zehn Jahren wurden beträchtliche Fortschritte bei der Reform der europäischen Sozialschutzmodelle erzielt, insbesondere im Bereich der Altersversorgung. Die meisten Mitgliedstaaten haben ihre Systeme so angepasst, dass sie den demografischen Entwicklungen, die sich im nächsten Jahrzehnt bemerkbar machen werden, besser Stand halten. In diesem Zusammenhang wurden nicht nur das Rentenalter generell angehoben, sondern auch die Möglichkeiten für den Vorruhestand beschränkt.

Mit diesen Reformen zur Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit der Rentensysteme, die in den meisten Mitgliedstaaten durchgeführt werden, können sich neue Herausforderungen ergeben. In der Regel gingen die Reformen Hand in Hand mit einer Straffung der gesetzlichen Rentenversicherung. Damit die Reformen erfolgreich verlaufen und dauerhaft Akzeptanz finden, bedarf es voraussichtlich anderer flankierender Maßnahmen, um die Ruhestandseinkommen zu erhalten, beispielsweise die Verlängerung des Erwerbslebens sowie andere Formen von Versorgungsbezügen im Rahmen der ergänzenden Altersvorsorge. Parallel müssen die Mitgliedstaaten als Ergänzung der staatlichen Rentensysteme die Entwicklung kollektiver und privater Altersvorsorgepläne unterstützen, u. a. durch die Beseitigung von Hemmnissen auf europäischer Ebene. Je nach Gepflogenheiten in den Mitgliedstaaten können die Sozialpartner hier eine wichtige Rolle spielen.

Die Reform der Gesundheits- und Pflegesysteme muss fortgeführt werden, um die Kostenwirksamkeit der Systeme zu erhöhen und einen angemessenen Zugang zu Leistungen sicherzustellen. Die demografische Entwicklung wirkt sich nicht nur auf die Renten aus, sondern auch auf die Ausgaben im Bereich der Gesundheitsversorgung und Pflege. Eine gesündere Bevölkerung wird ferner zu einer höheren Erwerbsbeteiligung und einer größeren Arbeitsproduktivität beitragen. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen ergreifen, um eine solide finanzielle Grundlage zu gewährleisten und die Bereitstellung effizienter Dienste der Grundgesundheitsfürsorge und ihre Zugänglichkeit zu fördern. Ferner müssen sie den kosteneffizienten Einsatz von Arzneimitteln begünstigen, das öffentliche Beschaffungswesen verbessern, Pflegeleistungen durch aktuelle Informationskanäle (wie elektronische Gesundheitsdienste) besser integrieren, die relative Wirksamkeit von Gesundheitstechnologien bewerten und die Gesundheitsfürsorge und Krankheitsprävention verbessern.

5. Die nächsten Schritte

Die EU-Mitgliedstaaten müssen gemeinsam ambitionierte Maßnahmen ergreifen, um die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen. Im vorliegenden Jahreswachstumsbericht schlägt die Kommission eine integrierte Strategie vor, die sich vor allem auf folgende Säulen stützt: Wiederankurbelung der Investitionstätigkeit, Fortsetzung der Strukturreformen und Modernisierung der öffentlichen Finanzen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Schaffung von Arbeitsplätzen und der sozialen Inklusion liegt. Der Jahreswachstumsbericht leitet das Europäische Semester 2016 ein. Die Kommission sieht den Stellungnahmen des Europäischen Parlaments sowie der Interessenträgern aller Ebenen erwartungsvoll entgegen, denn sie bereichern die Diskussionen und zeigen, wo Handlungsbedarf besteht.

Neben den Diskussionen über die in der einschlägigen Empfehlung dargestellten Prioritäten des Euro-Währungsgebiets sollten sich die EU-Organe auf Prioritäten für die EU und das Euro-Währungsgebiet für das kommende Jahr einigen. Diese Prioritäten werden eine Orientierungshilfe für die Ausgestaltung der nationalen Reformprogramme sowie der Stabilitäts- oder Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten im April und der jeweiligen länderspezifischen Empfehlungen im Mai bieten.

Voraussetzung für den Erfolg ist das starke Engagement seitens der Mitgliedstaaten und der EU-Organe. Die Kommission wird auch weiterhin mit allen Beteiligten zusammenarbeiten, um den Aufschwung nachhaltig zu gestalten und sicherzustellen, dass Europa sein volles Wachstumspotenzial entfalten kann.



DAS NEUGESTALTETE EUROPÄISCHE SEMESTER

Die Kommission hat das Europäische Semester seit vergangenem Jahr erheblich gestrafft und einen vertieften Dialog mit den Mitgliedstaaten eingeführt, indem sie beispielsweise Interessenträger auf allen Ebenen schon im Vorfeld einbindet, ihre Leitlinien nach klaren Schwerpunkten ausrichtet und die Länderberichte im Februar veröffentlicht, so dass mehr Zeit für die Vorbereitung der länderspezifischen Empfehlungen bleibt. Wie in ihrer Mitteilung vom 21. Oktober 2015 28 angekündigt, wird es von diesem Semester an weitere Verbesserungen geben:

   Bessere Integration von nationaler und Euroraum-Dimension: Eine leistungsfähige, solide Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets ist für das reibungslose Funktionieren der gesamten EU von zentraler Bedeutung. Um eine entsprechende Koordinierung zu erleichtern, wird der Jahreswachstumsbericht 2016 von einer Reihe von Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet begleitet. Dies ist eine wichtige Änderung gegenüber den vorhergehenden Zyklen des Semesters, in denen die Euroraum-Empfehlungen zusammen mit den länderspezifischen Empfehlungen am Ende des Semesters vorgelegt wurden.

   Stärkere Fokussierung auf Beschäftigung und Soziales: Im Rahmen des Verfahrens bei makroökonomischen Ungleichgewichten wird dem Thema Beschäftigung und Soziales zunehmend Beachtung geschenkt. Im Warnmechanismus-Bericht 2016, der diesen Jahreswachstumsbericht begleitet, werden drei neue Leitindikatoren (Erwerbsquote, Jugendarbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit) verwendet. Im Kontext der neuen makroökonomischen Anpassungsprogramme wird der sozialen Gerechtigkeit mehr Bedeutung beigemessen. Der Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts liefert einen Überblick über die Herausforderungen und Prioritäten. Die enge Einbindung der Sozialpartner wird auf allen Ebenen gefördert.

   Förderung von Konvergenz durch Richtwerte und Einhaltung bewährter
Praktiken: Die Kommission wird schrittweise Richtwerte vorschlagen und den Austausch bewährter Verfahren über Politik- oder Themenbereiche hinweg fördern.

   Gezieltere Reformförderung durch EU-Fonds und technische Unterstützung: Dem Jahreswachstumsbericht ist ein Vorschlag zur Finanzierung der technischen Hilfe für die Mitgliedstaaten beigefügt 29 .

Darüber hinaus wird, wie am 21. Oktober vorgeschlagen, die wirtschaftspolitische Steuerung der EU verbessert: Geplant sind praktische Verbesserungen bei der Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie beim Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten. Ferner sollen ein Europäischer Fiskalausschuss und ein Netz nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit eingerichtet werden.

(1) COM(2015) 691.
(2) COM(2015) 550.
(3) COM(2015) 468.
(4) COM(2015) 080.
(5)  COM(2015) 192.
(6) COM(2015) 302.
(7) COM(2015) 600.
(8) Unter anderem auf der Plenartagung vom 11. November 2015.
(9) COM(2015) 692 und SWD(2015) 700.
(10) Intelligenter, grüner, integrativer? Indikatoren zur Unterstützung der Strategie „Europa 2020“, Eurostat 2015.
(11) Stand: 18. November 2015.
(12) SWD(2015) 400.
(13)  COM(2015) 586.
(14) COM(2015) 691.
(15) Üblicherweise werden die Indikatoren mit einem oder mehreren einschlägigen Werten verglichen, zum Beispiel dem Durchschnitt, dem obersten Viertel, dem Gruppenbesten, einem Nachbarland oder einfach einem Land, dessen Beispiel man folgen möchte.
(16) Bericht vom 22. Juni 2015. Siehe auch COM(2015) 600.
(17)  COM(2015) 701.
(18) COM(2015) 700.
(19)  Mehr als 12 Millionen.
(20)  Auf 5,1 % in der EU und 6,1 % im Euro-Währungsgebiet (2014).
(21)  Nach den neuesten verfügbaren Daten.
(22) Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt (COM(2015) 462).
(23) Erklärung der Euro-Gruppe zur Agenda für Strukturreformen – Thematische Beratungen über Wachstum und Beschäftigung: Benchmarking betreffend die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit (638/15 vom 12.9.2015).
(24) In den beschäftigungspolitischen Leitlinien (Beschluss 11360/15 des Rates vom 5. Oktober 2015) werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich bei Reformen des Arbeitsmarkts, einschließlich der nationalen Lohnfestsetzungsmechanismen, nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten des sozialen Dialogs zu richten und den erforderlichen politischen Spielraum für eine umfassende Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte zu bieten.
(25) Wie in ihrem Arbeitsprogramm vorgesehen, wird die Kommission Ende 2015 ein Paket zur Kreislaufwirtschaft vorlegen.
(26) Weitere Einzelheiten siehe COM(2015) 800.
(27) Der Vorbescheid bezieht sich darauf, wie die nationale Verwaltung eine bestimmte Unternehmensstruktur und Geschäftspraxis im Mitgliedstaat besteuert.
(28) COM(2015) 600.
(29) COM(2015) 701.