31993D0067

93/67/EWG: Entscheidung des Rates vom 18. Januar 1993 über ein Darlehen der Gemeinschaft an die Italienische Republik

Amtsblatt Nr. L 022 vom 30/01/1993 S. 0121 - 0123


ENTSCHEIDUNG DES RATES vom 18. Januar 1993 über ein Darlehen der Gemeinschaft an die Italienische Republik

(93/67/EWG)DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 des Rates vom 24. Juni 1988 zur Einführung eines einheitlichen Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten (1), insbesondere auf Artikel 1,

gestützt auf den Vorschlag, den die Kommission nach Anhörung des Währungsausschusses vorgelegt hat,

in Erwägung nachstehender Gründe:

Die Italienische Republik hat um mittelfristigen Finanzbeistand zur Stützung der Zahlungsbilanz Italiens und des wirtschaftlichen Anpassungs- und Reformprogramms nachgesucht.

Der aufgrund der bisherigen Darlehen an die Mitgliedstaaten ausstehende Gesamtbetrag überschreitet nicht die in der Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 angegebene Hoechstgrenze.

Zusätzlich zu den unmittelbaren Zahlungsbilanzproblemen aufgrund der umfangreichen Kapitalabfluesse während der jüngsten Währungsturbulenzen sowie der daraus folgenden Verringerung der offiziellen Reserven und Zunahme der kurzfristigen Verschuldung weist die italienische Wirtschaft ernste strukturelle Ungleichgewichte, zumal in den öffentlichen Finanzen, auf, durch die die Stabilität der aussenwirtschaftlichen Position Italiens gefährdet wird. Ein in Tranchen ausgezahltes Zahlungsbilanzdarlehen ist gerechtfertigt, wenn gleichzeitig Konsolidierungs- und Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Die Darlehensbeträge sollen zur Verstärkung der offiziellen Reserven Italiens verwendet werden.

Die italienische Regierung beabsichtigt, zum Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems zurückzukehren. Damit diese Rückkehr von Dauer ist, muß ein Programm durchgeführt werden, mit dem weitere Fortschritte bei der Rückführung der Inflation und strukturellen Verbesserung der öffentlichen Finanzen erzielt werden. Die angestrebte grössere Konvergenz mit den Wirtschaften der Mitgliedstaaten, die die besten Ergebnisse aufweisen, kann nur durch einen substantiellen Abbau der Defizite des öffentlichen Sektors erreicht werden, der zu einem Abwärtstrend des Verhältnisses zwischen öffentlicher Schuld und Bruttoinlandsprodukt mit Hilfe organisatorischer Reformen des öffentlichen Sektors, einer straffen Geldpolitik und einer festen Wechselkurspolitik führt.

Die italienische Regierung führt zur Zeit ein dreijähriges Haushaltsanpassungsprogramm durch, das auf eine substantielle Rückführung der Defizite abzielt, so daß die öffentliche Schuldenquote zunächst stabilisiert und sodann ein Abwärtstrend eingeleitet wird; das Programm wurde vorgelegt und dient als Grundlage für den Darlehensantrag. Die italienische Regierung wird ihr Haushaltsanpassungs- und Reformprogramm in den drei Jahren von 1993 bis 1995 uneingeschränkt durchführen, um die Ziele zu erreichen, und die folgenden vereinbarten und in dem Programm aufgeführten spezifischen Maßnahmen einleiten:

1. Die Haushaltsziele für 1993, 1994 und 1995 werden so festgesetzt, daß die öffentliche Schuldenquote bis 1995 stabilisiert wird. Auf der Grundlage eines vorausgeschätzten BIP-Wachstums von 1,5 % 1993, 2,4 % 1994 und 2,6 % 1995 ergeben sich folgende Ziele:

- für 1993 150 Billionen Lire für den Kreditbedarf des Staatssektors mit einem Überschuß von 50 Billionen Lire für den Kreditbedarf des Staatssektors abzueglich der Zinszahlungen (Basisüberschuß),

- für 1994 125 Billionen Lire für den Kreditbedarf des Staatssektors bei einem Basisüberschuß von 77 Billionen Lire,

- für 1995 85 Billionen Lire für den Kreditbedarf des Staatssektors bei einem Basisüberschuß von 115 Billionen Lire.

2. Falls vorherzusehen ist, daß die Zinszahlungen 1994 und 1995 über die gegenwärtig von den italienischen Behörden veranschlagten Beträge (202 Billionen Lire 1994 und 200 Billionen Lire 1995) hinausgehen werden, werden die Ziele für den Basisüberschuß nach oben revidiert, wenn ausführliche Haushaltsvorschläge für diese Jahre vorgelegt werden, um die Einhaltung der Ziele für den gesamten Kreditbedarf zu gewährleisten und das Verhältnis zwischen öffentlicher Bruttoverschuldung und BIP bis 1995 zu stabilisieren. Anschließend wird dafür Sorge getragen, daß der Basisüberschuß hoch genug bleibt, um das Gesamtdefizit weiter zurückzuführen und einen Abwärtstrend der Schuldenquote einzuleiten.

3. Die Defizitziele werden, wie oben angegeben, in absoluten Beträgen festgesetzt. Auf der Grundlage der jüngsten makroökonomischen Projektionen der italienischen Behörden entsprechen sie:

- für den Kreditbedarf des Staatssektors 9,3 % des BIP 1993, 7,3 % 1994 und 4,7 % 1995,

- für den Basisüberschuß 3,1 % des BIP 1993, 4,5 % 1994 und 6,4 % 1995.

Die entsprechende Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bruttoschuld des Staatssektors und BIP wird mit 110,6 % Ende 1993, 112,5 % Ende 1994 und 112,4 % Ende 1995 angesetzt.

4. Das von den italienischen Behörden durchzuführende Programm zur Privatisierung von Staatsbesitz soll dem Staatssektor 1993 Nettöinnahmen in Höhe von 7 Billionen Lire, 1994 15 Billionen Lire und 1995 12 Billionen Lire verschaffen. Im Rahmen der bereits verabschiedeten Gesetze wird die italienische Regierung eine Liste der Unternehmen des öffentlichen Sektors und sonstigen Vermögenswerte im Staatsbesitz veröffentlichen, die privatisiert werden sollen, zusammen mit einem indikativen Zeitplan für diese Veräusserungen. Über die gegenwärtig veranschlagten Einnahmen hinausgehende Privatisierungserlöse werden zur Erhöhung des Basisüberschusses des Staatssektors und folglich zur Rückführung der Schuldenquote, nicht aber als Ersatz für andere notwendige Ausgaben- und Einnahmenanpassungen verwendet.

5. Im Rahmen der bereits verabschiedeten Rechtsgrundlagen wird die italienische Regierung die Durchführung spezifischer Strukturreformmaßnahmen in folgenden Bereichen fortsetzen: 1) Gesundheitswesen mit dem Ziel, Ineffizienzen zu verringern und die Kosten einzudämmen, unter anderem dadurch, daß die regionale Ebene für Ausgabenüberschreitungen beim Betrieb des dezentralisierten staatlichen Gesundheitsdienstes voll verantwortlich gemacht wird; 2) öffentlicher Dienst, um die Lohn- und Gehaltsausgaben sowie Effizienz und Produktivität der öffentlichen Verwaltung besser zu kontrollieren, unter anderem durch eine verstärkte Mobilität des Personals und grössere Management-Verantwortung; 3) Renten mit dem Ziel, die Rentenausgaben im Verhältnis zum BIP zu stabilisieren, unter anderem durch eine Anhebung des Rentenalters, eine Harmonisierung der Rentensysteme und eine Begrenzung der Indexbindung auf die Erhaltung der Kaufkraft; 4) Finanzen der lokalen Gebietskörperschaften, um die Abhängigkeit der Lokalbehörden von Transferzahlungen des Zentralstaates zu verringern, unter anderem durch Einführung neuer Formen von Lokalsteuern.

Die italienischen Behörden beabsichtigen ferner, ihre auf eine Rückführung der Inflationsrate ausgerichtete Geld- und Einkommenspolitik fortzusetzen; unter anderem ist folgendes vorgesehen:

- Entsprechend dem vorrangigen Ziel, den inflationären Druck einzudämmen, wird die Geldmenge M2 1993 innerhalb eines Zielkorridors von 5 bis 7 % wachsen, der mit den Projektionen für das nominale Wachstum des BIP im Jahr 1993 vereinbar ist. Im Zusammenhang mit diesem Ziel wird die Banca d'Italia die mit den Inflations- und Geldmengenzielen (M2) zu vereinbarende Zuwachsrate des Inlandskredits aufmerksam überwachen. Auch 1994 und 1995 sollten die Geldmengenziele und -ergebnisse mit der in dem dreijährigen Haushaltsanpassungsprogramm der italienischen Regierung vorausgeschätzten rückläufigen Inflation übereinstimmen. Die italienische Regierung will Gesetze erlassen, um die rechtliche Möglichkeit zur monetären Finanzierung bis Ende 1993 im Vorgriff auf das Ziel von Artikel 104 des Vertrags über die Europäische Union abzuschaffen.

- Die italienische Regierung wird versuchen, auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen Regierung, Gewerkschaften und industriellen Arbeitgeberverbänden vom Juli 1992 über die Reform des Lohnbildungssystems und durch Aufrechterhaltung der geplanten Lohnzurückhaltung im öffentlichen Sektor für eine maßvolle Lohnentwicklung in der gesamten Wirtschaft zu sorgen.

Es besteht Einvernehmen darüber, daß die italienischen Behörden bei der Umsetzung dieser Entscheidung intensive Konsultationen mit der Kommission vornehmen und alle Auskünfte liefern, die für eine umfassende und wirksame Überwachung des vereinbarten Anpassungsprogramms erforderlich sind. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung wird die Entwicklung der italienischen Wirtschaft und der italienischen Wirtschaftspolitik zweimal im Jahr, falls erforderlich auch häufiger, im Rahmen der multilateralen Überwachung überprüft -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Gemeinschaft gewährt der Italienischen Republik aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 ein Darlehen in Höhe von 8 000 Millionen ECU oder seines Gegenwerts in anderen Währungen.

Artikel 2

Das Darlehen wird der Italienischen Republik in vier Tranchen zur Verfügung gestellt. Die durchschnittliche Laufzeit der einzelnen Tranchen beträgt höchstens sechs Jahre; dementsprechend beträgt die durchschnittliche Laufzeit des Darlehens höchstens sechs Jahre. Die beiden ersten Tranchen werden wie folgt bereitgestellt:

- die erste Tranche in Höhe von 2 000 Millionen ECU oder des Gegenwerts in anderen Währungen frühestens zum 1. Februar 1993;

- die zweite Tranche in Höhe von 2 000 Millionen ECU oder des Gegenwerts in anderen Währungen frühestens zum 31. Juli 1993; sie wird auf jeden Fall erst dann freigegeben, wenn sich die Kommission in Konsultation mit dem Rat aufgrund einer in Zusammenarbeit mit dem Währungsausschuß vorgenommenen Prüfung der bei der Durchführung des Programms erzielten Fortschritte vergewissert hat, daß etwa notwendig gewordene zusätzliche Maßnahmen bereits getroffen wurden und daß die Haushaltsziele des Programms für 1993 unter Berücksichtigung eines schwächeren Wirtschaftswachstums oder höherer Zinsen als vorausgeschätzt wahrscheinlich erreicht werden.

Die dritte und die vierte Tranche werden wie folgt bereitgestellt:

- Vor dem 30. September 1993 nimmt die italienische Regierung in Zusammenarbeit mit der Kommission eine Neubewertung der Haushaltsziele für 1994 vor, um unter Berücksichtigung der aktuellen und vorhersehbaren makroökonomischen Entwicklungen die Schlüsselziele des mittelfristigen Programms zu erreichen. Die dritte Tranche in Höhe von 2 000 Millionen ECU oder des Gegenwerts in anderen Währungen wird frühestens zum 1. Februar 1994 und auf jeden Fall erst dann freigegeben, wenn sich die Kommission in Konsultation mit dem Rat aufgrund einer in Zusammenarbeit mit dem Währungsausschuß vorgenommenen Prüfung vergewissert hat, daß die zur Erreichung der für 1994 festgelegten Haushaltsziele notwendigen Maßnahmen eingeleitet worden sind.

- Vor dem 30. September 1994 nimmt die italienische Regierung in Zusammenarbeit mit der Kommission eine Neubewertung der Haushaltsziele für 1995 vor, um unter Berücksichtigung der aktuellen und vorhersehbaren makroökonomischen Entwicklungen die Schlüsselziele des mittelfristigen Programms zu erreichen. Die vierte Tranche in Höhe von 2 000 Millionen ECU oder des Gegenwerts in anderen Währungen wird frühestens zum 1. Februar 1995 und auf jeden Fall erst dann freigegeben, wenn sich die Kommission in Konsultation mit dem Rat und aufgrund einer in Zusammenarbeit mit dem Währungsausschuß vorgenommenen Prüfung vergewissert hat, daß die zur Erreichung der für 1995 festgelegten Haushaltsziele notwendigen Maßnahmen eingeleitet worden sind.

Artikel 3

(1) Das Darlehen wird abhängig von dem Beschluß der Italienischen Republik gewährt, das von ihr unterbreitete Haushaltsanpassungs- und Reformprogramm durchzuführen, dessen Ziele in der Begründung dieser Entscheidung genannt sind.

(2) Die Kommission prüft in Zusammenarbeit mit dem Währungsausschuß in regelmässigen Zeitabständen die Entwicklung der Wirtschaftslage in Italien und die Durchführung des Haushaltsanpassungs- und Reformprogramms. Diese Prüfungen werden fortgesetzt, bis das Darlehen in voller Höhe zurückgezahlt ist.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Geschehen zuBrüssel am 18. Januar 1993.

Im Namen des Rates

Der Präsident

T. PEDERSEN

(1) ABl. Nr. L 178 vom 8. 7. 1988, S. 1.