9.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 186/1


BESCHLUSS (EU) 2016/1112 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 6. Juli 2016

über eine weitere Makrofinanzhilfe für Tunesien

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 212 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (im Folgenden „Union“) und der Tunesischen Republik (im Folgenden „Tunesien“) entwickeln sich im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP). Tunesien hat als erstes Land im Mittelmeerraum am 17. Juli 1995 ein Assoziierungsabkommen (2) mit der Union geschlossen, das am 1. März 1998 in Kraft trat. Im Rahmen dieses Abkommens führte Tunesien 2008 den Abbau der Zölle auf gewerbliche Erzeugnisse zum Abschluss und wurde so zum ersten Land im Mittelmeerraum, das mit der Union eine Freihandelszone bildete. Der bilaterale politische Dialog und die wirtschaftliche Zusammenarbeit wurden im Rahmen von ENP-Aktionsplänen, von denen der letzte für den Zeitraum 2013-2017 gilt, weiter vorangetrieben.

(2)

Nach der Revolution und der Absetzung von Präsident Ben Ali am 14. Januar 2011 fanden am 23. Oktober 2011 die ersten freien und demokratischen Wahlen in Tunesien statt. Im Januar 2014 gab sich das Land eine neue Verfassung und im vierten Quartal desselben Jahres fanden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt; seitens der wichtigsten politischen Akteure bestehen konzertierte Anstrengungen zur Weiterführung der Reformen, bis ein vollständiges demokratisches System erreicht ist.

(3)

Während dieses politischen Übergangsprozesses litt die tunesische Wirtschaft unter anhaltenden Unruhen im Land, regionaler Instabilität (u. a. durch die Auswirkungen der Situation in Libyen) und einem schwachen internationalen Umfeld (insbesondere in der Union, dem Haupthandelspartner Tunesiens). Diese ungünstigen Entwicklungen haben das Wachstum des Landes sowie seine Zahlungsbilanz und Haushaltslage erheblich geschwächt.

(4)

Seit den 2011 eingetretenen politischen Veränderungen in Tunesien hat die Union ihre uneingeschränkte Unterstützung des Landes bei seinem wirtschaftlichen und politischen Reformprozess zum Ausdruck gebracht. Sie hat ihre finanzielle Unterstützung für Tunesien erhöht und die Zusammenarbeit in vielen Bereichen gestärkt, etwa in Bezug auf die Zivilgesellschaft, das Wahlsystem, die Sicherheit, die regionale Entwicklung sowie soziale und wirtschaftliche Reformen. Außerdem hat sie die Möglichkeit in Aussicht gestellt, ein Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone zu schließen; die Verhandlungen darüber wurden im Oktober 2014 aufgenommen.

(5)

Vor diesem schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Hintergrund haben die tunesischen Behörden und der Internationale Währungsfonds (IWF) im April 2013 eine nicht der Vorsorge dienende Bereitschaftskreditvereinbarung mit einer Laufzeit von drei Jahren über 1 146 Mio. SZR (Sonderziehungsrechte) zur Unterstützung des wirtschaftlichen Anpassungs- und Reformprogramms Tunesiens geschlossen, die in der Folge bis Ende 2015 verlängert wurde. Insgesamt wurden im Rahmen des IWF-Programms nach sechs abgeschlossenen Programmüberprüfungen 1 500 Mio. USD in Anspruch genommen.

(6)

Im August 2013 ersuchte Tunesien die Union um ergänzende Makrofinanzhilfe von der Union. Daraufhin wurde im Mai 2014 ein Beschluss über eine Makrofinanzhilfe in Höhe von 300 Mio. EUR in Form von Darlehen (MFA I) angenommen (3). Die Vereinbarung, in der die politischen Auflagen im Zusammenhang mit der MFA I festgelegt sind, trat am 4. März 2015 in Kraft. Nach Durchführung der vereinbarten politischen Maßnahmen wurde die erste Tranche der MFA I am 7. Mai 2015 ausgezahlt, die zweite Tranche folgte am 1. Dezember 2015.

(7)

Die Union hat im Rahmen ihres regulären Kooperationsprogramms zur Unterstützung von Tunesiens wirtschaftlicher und politischer Reformagenda für den Zeitraum 2011-2015 524 Mio. EUR an Finanzhilfen bereitgestellt. Zusätzlich wurden Tunesien in den Jahren 2011 bis 2013 155 Mio. EUR aus dem Programm zur „Förderung von Partnerschaft, Reformen und breitenwirksamem Wachstum“ (SPRING) und in den Jahren 2014 bis 2015 122 Mio. EUR aus dem Rahmenprogramm zugewiesen. Ferner hat die Europäische Investitionsbank seit 2011 Darlehen in Höhe von 1 338 Mio. EUR bereitgestellt.

(8)

Im Jahr 2015 wurde die tunesische Wirtschaft durch mehrere Terroranschläge erheblich beeinträchtigt, die auf wirtschaftliche Schlüsselsektoren wie Tourismus und Verkehr abzielten und die Konsolidierung des politischen Übergangs stören sollten. Diese Angriffe haben die einsetzende wirtschaftliche Erholung Tunesiens in Mitleidenschaft gezogen. Zusammen mit der anhaltenden Instabilität in der Region (auch durch den wiederaufflammenden Libyen-Konflikt) und dem noch immer schwachen europäischen und globalen wirtschaftlichen Umfeld haben diese Ereignisse dazu geführt, dass sich Tunesiens ohnehin schon schwache Zahlungsbilanz- und Haushaltslage weiter zugespitzt hat. Dies hat zu erheblichen Finanzlücken in Zahlungsbilanz und Haushalt geführt.

(9)

In diesem schwierigen Umfeld hat die Union erneut ihre Entschlossenheit zur Unterstützung Tunesiens bei seinem wirtschaftlichen und politischen Reformprozess zum Ausdruck gebracht. Ihr Engagement wurde insbesondere in den Schlussfolgerungen der Sitzung des Assoziationsrats Union-Tunesien im März 2015 sowie in den Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juli 2015 nach dem Terroranschlag in der Nähe von Sousse im Juni 2015 bekräftigt. Die politische und wirtschaftliche Unterstützung der Union für den Reformprozess Tunesiens steht im Einklang mit der Politik der Union gegenüber dem südlichen Mittelmeerraum, wie sie im Rahmen der ENP festgelegt ist.

(10)

Infolge der Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage Tunesiens nahmen der IWF und Tunesien Gespräche über eine Nachfolgevereinbarung mit einem höheren Volumen auf, die die Form einer Erweiterten Finanzierungsfazilität (im Folgenden „IWF-Programm“) haben könnte und sich — beginnend im Frühjahr 2016 — voraussichtlich über einen Zeitraum von vier Jahren erstrecken würde. Das neue IWF-Programm würde Tunesien bei der Bewältigung seiner kurzfristigen Zahlungsbilanzschwierigkeiten unterstützen und die Umsetzung weitreichender Korrekturmaßnahmen stimulieren.

(11)

Im August 2015 ersuchte Tunesien angesichts der sich verschlechternden Wirtschaftslage und -aussichten um zusätzliche Makrofinanzhilfe von der Union.

(12)

Da Tunesien ein unter die ENP fallendes Land ist, sollte es für eine Makrofinanzhilfe von der Union in Betracht kommen.

(13)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte ein in Ausnahmefällen zum Einsatz kommendes Finanzinstrument in Form einer ungebundenen und nicht zweckgebundenen Zahlungsbilanzhilfe sein, das zur Deckung des unmittelbaren Außenfinanzierungsbedarfs des Empfängers beitragen und die Umsetzung eines politischen Programms unterstützen soll, das tiefgreifende unmittelbare Anpassungs- und Strukturreformmaßnahmen zur kurzfristigen Verbesserung der Zahlungsbilanzsituation umfasst.

(14)

Da in der Zahlungsbilanz Tunesiens noch eine erhebliche Außenfinanzierungslücke verbleibt, die die vom IWF und anderen multilateralen Einrichtungen zur Verfügung gestellten Mittel übersteigt, ist die Tunesien zu gewährende Makrofinanzhilfe der Union, in Verbindung mit dem IWF-Programm, unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen als angemessene Antwort auf Tunesiens Ersuchen um Unterstützung der wirtschaftlichen Stabilisierung zu betrachten. Die Makrofinanzhilfe der Union würde die wirtschaftliche Stabilisierung und die Strukturreformagenda Tunesiens in Ergänzung der im Rahmen der Finanzierungsvereinbarung mit dem IWF bereitgestellten Mittel unterstützen.

(15)

Mit der Makrofinanzhilfe der Union sollte die Wiederherstellung einer tragfähigen Außenfinanzierungssituation in Tunesien und somit seine wirtschaftliche und soziale Entwicklung unterstützt werden.

(16)

Die Höhe der Makrofinanzhilfe der Union wird auf Grundlage einer umfassenden quantitativen Bewertung des verbleibenden Außenfinanzierungsbedarfs Tunesiens festgesetzt, wobei seine Möglichkeiten, sich mit eigenen Mitteln zu finanzieren, insbesondere die ihm zur Verfügung stehenden Währungsreserven, berücksichtigt werden. Die Makrofinanzhilfe der Union sollte die vom IWF und der Weltbank bereitgestellten Programme und Mittel ergänzen. Bei der Festlegung der Höhe der Finanzhilfe werden erwartete finanzielle Beiträge multilateraler Geber und die Notwendigkeit einer angemessenen Lastenverteilung zwischen der Union und anderen Gebern berücksichtigt und auch ein bereits bestehender Einsatz anderer Außenfinanzierungsinstrumente der Union in Tunesien und die Wertschöpfung durch das gesamte Engagement der Union werden einbezogen.

(17)

Die Kommission sollte sicherstellen, dass die Makrofinanzhilfe der Union rechtlich und inhaltlich mit den wichtigsten Grundsätzen, Zielsetzungen und Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen der Außenpolitik und mit anderen relevanten Politikbereichen der Union im Einklang steht.

(18)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte die Außenpolitik der Union gegenüber Tunesien stützen. Die Dienststellen der Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst sollten im Verlauf der Makrofinanzhilfetransaktion eng zusammenarbeiten, um die Außenpolitik der Union zu koordinieren und um sicherzustellen, dass diese in sich kohärent ist.

(19)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte Tunesien bei seinem Eintreten für die Werte, die es mit der Union teilt, unter anderem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, Achtung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Bekämpfung der Armut, sowie sein Eintreten für die Grundsätze eines offenen, auf Regeln beruhenden und fairen Handels unterstützen.

(20)

Eine Vorbedingung für die Gewährung der Makrofinanzhilfe der Union sollte sein, dass Tunesien sich wirksame demokratische Mechanismen, einschließlich eines parlamentarischen Mehrparteiensystems und des Rechtsstaatsprinzips, zu eigen macht und die Achtung der Menschenrechte garantiert. Darüber hinaus sollten spezifischen Ziele der Makrofinanzhilfe der Union Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Finanzverwaltungssysteme in Tunesien stärken und Strukturreformen mit dem Ziel der Unterstützung eines nachhaltigen, integrativen Wachstums, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Haushaltskonsolidierung fördern. Sowohl die Erfüllung der Vorbedingungen als auch die Erreichung dieser Ziele sollten von der Kommission und vom Europäischen Auswärtigen Dienst regelmäßig überprüfen werden.

(21)

Um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union im Zusammenhang mit der Makrofinanzhilfe der Union zu gewährleisten, sollte Tunesien geeignete Maßnahmen treffen, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dieser Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Darüber hinaus sollte vorgesehen werden, dass die Kommission Kontrollen und der Rechnungshof Prüfungen durchführt.

(22)

Eine Freigabe von Makrofinanzhilfe der Union lässt die Befugnisse des Europäischen Parlaments und des Rates als Haushaltsbehörde unberührt.

(23)

Die Beträge der für die Makrofinanzhilfe benötigten Rückstellungen müssen mit den im Mehrjährigen Finanzrahmen vorgesehenen Haushaltsmitteln im Einklang stehen.

(24)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte von der Kommission verwaltet werden. Um sicherzustellen, dass das Europäische Parlament und der Rat in der Lage sind, die Durchführung dieses Beschlusses zu verfolgen, sollte die Kommission sie regelmäßig über die Entwicklungen in Bezug auf die Hilfe informieren und ihnen die einschlägigen Dokumente zur Verfügung stellen.

(25)

Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieses Beschlusses sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) ausgeübt werden.

(26)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte an wirtschaftspolitische Auflagen geknüpft sein, die in einer Vereinbarung festzulegen sind. Im Interesse einheitlicher Durchführungsbedingungen und aus Gründen der Effizienz sollte die Kommission die Befugnis erhalten, diese Bedingungen unter Aufsicht des in der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 vorgesehenen Ausschusses aus Vertretern der Mitgliedstaaten mit den tunesischen Behörden auszuhandeln. Das Beratungsverfahren nach jener Verordnung sollte grundsätzlich in allen Fällen, die in jener Verordnung nicht genannt werden, angewandt werden. Da Hilfen von mehr als 90 Mio. EUR möglicherweise bedeutende Auswirkungen haben, sollte bei Transaktionen oberhalb dieser Grenze das Prüfverfahren angewandt werden. In Anbetracht des Umfangs der Makrofinanzhilfe der Union für Tunesien sollte bei der Verabschiedung der Vereinbarung und bei jeglicher Verringerung, Aussetzung oder Einstellung der Hilfe das Prüfverfahren angewandt werden —

HABEN FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Union stellt Tunesien eine Makrofinanzhilfe in Höhe von höchstens 500 Mio. EUR (im Folgenden „Makrofinanzhilfe der Union“) zur Unterstützung der wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes und zur Durchführung eines umfassenden Reformprogramms zur Verfügung. Mit der Finanzhilfe wird ein Beitrag zur Deckung des im IWF-Programm festgestellten Zahlungsbilanzbedarfs Tunesiens geleistet.

(2)   Der volle Betrag der Makrofinanzhilfe der Union wird Tunesien in Form von Darlehen zur Verfügung gestellt. Die Kommission wird ermächtigt, im Namen der Union die erforderlichen Mittel auf den Kapitalmärkten oder bei Finanzinstitutionen aufzunehmen und sie an Tunesien weiterzuleihen. Die Laufzeit der Darlehen beträgt im Durchschnitt höchstens 15 Jahre.

(3)   Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt durch die Kommission im Einklang mit den zwischen dem IWF und Tunesien getroffenen Vereinbarungen oder Absprachen und den wichtigsten Grundsätzen und Zielen der Wirtschaftsreformen, die in dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Tunesien festgelegt sind. Die Kommission informiert das Europäische Parlament und den Rat regelmäßig über Entwicklungen bezüglich der Makrofinanzhilfe der Union, einschließlich über deren Auszahlung, und stellt diesen Organen die einschlägigen Dokumente rechtzeitig zur Verfügung.

(4)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren ab dem ersten Tag nach Inkrafttreten der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Vereinbarung bereitgestellt.

(5)   Sollte der Finanzbedarf Tunesiens im Zeitraum der Auszahlung der Makrofinanzhilfe der Union gegenüber den ursprünglichen Prognosen erheblich sinken, kürzt die Kommission die Hilfe nach dem in Artikel 7 Absatz 2 genannten Prüfverfahren oder setzt ihre Auszahlung aus oder stellt sie ein.

Artikel 2

(1)   Eine Vorbedingung für die Gewährung der Makrofinanzhilfe der Union besteht darin, dass Tunesien wirksame demokratische Mechanismen, einschließlich eines parlamentarischen Mehrparteiensystems und des Rechtsstaatsprinzips, achtet und die Achtung der Menschenrechte garantiert.

(2)   Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst überwachen die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Vorbedingung während der gesamten Laufzeit der Makrofinanzhilfe der Union.

(3)   Die Absätze 1 und 2 werden gemäß dem Beschluss 2010/427/EU des Rates (5) angewendet.

Artikel 3

(1)   Die Kommission vereinbart gemäß dem in Artikel 7 Absatz 2 genannten Prüfverfahren mit den tunesischen Behörden klar definierte, auf Strukturreformen und solide öffentliche Finanzen abstellende wirtschaftspolitische und finanzielle Auflagen, an die die Makrofinanzhilfe der Union geknüpft wird und die in einer Vereinbarung (im Folgenden „Vereinbarung“) festzulegen sind. Die in der Vereinbarung festgelegten wirtschaftspolitischen und finanziellen Auflagen müssen mit den in Artikel 1 Absatz 3 genannten Vereinbarungen und Absprachen, einschließlich mit den von Tunesien mit Unterstützung des IWF durchgeführten makroökonomischen Anpassungs- und Strukturreformprogrammen, in Einklang stehen.

(2)   Mit den Auflagen nach Absatz 1 wird insbesondere bezweckt, die Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Finanzverwaltungssysteme in Tunesien, auch im Hinblick auf die Verwendung der Makrofinanzhilfe der Union, zu stärken. Bei der Gestaltung der politischen Maßnahmen werden auch die Fortschritte bei der gegenseitigen Marktöffnung, der Entwicklung eines auf Regeln beruhenden, fairen Handels sowie in Bezug auf weitere außenpolitische Prioritäten der Union angemessen berücksichtigt. Die Fortschritte bei der Verwirklichung dieser Ziele werden von der Kommission regelmäßig überwacht.

(3)   Die finanziellen Bedingungen der Makrofinanzhilfe der Union werden in einer zwischen der Kommission und den tunesischen Behörden zu schließenden Darlehensvereinbarung im Einzelnen festgelegt.

(4)   Die Kommission überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die in Artikel 4 Absatz 3 genannten Auflagen weiter erfüllt sind, darunter auch, ob die Wirtschaftspolitik Tunesiens mit den Zielen der Makrofinanzhilfe der Union übereinstimmt. Dabei stimmt sich die Kommission eng mit dem IWF und der Weltbank und, soweit erforderlich, mit dem Europäischen Parlament und dem Rat ab.

Artikel 4

(1)   Vorbehaltlich der in Absatz 3 festgelegten Auflagen wird die Makrofinanzhilfe der Union von der Kommission in drei Tranchen zur Verfügung gestellt. Die Höhe der einzelnen Tranchen wird in der Vereinbarung festgelegt.

(2)   Für die Beträge der Makrofinanzhilfe der Union werden erforderlichenfalls gemäß der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates (6) Rückstellungen gebildet.

(3)   Die Kommission beschließt die Freigabe der Tranchen unter dem Vorbehalt, dass sämtliche nachstehende Auflagen erfüllt sind:

a)

die in Artikel 2 genannte Vorbedingung;

b)

kontinuierliche zufriedenstellende Erfolge bei der Durchführung eines politischen Programms, das energische Anpassungs- und Strukturreformmaßnahmen vorsieht und durch eine nicht der Vorsorge dienende IWF-Kreditvereinbarung unterstützt wird; und

c)

eine zufriedenstellende Erfüllung der in der Vereinbarung vereinbarten wirtschaftspolitischen und finanziellen Auflagen.

Die Freigabe der zweiten Tranche erfolgt grundsätzlich frühestens drei Monate nach Freigabe der ersten Tranche. Die Freigabe der dritten Tranche erfolgt grundsätzlich frühestens drei Monate nach Freigabe der zweiten Tranche.

(4)   Wenn die in Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Auflagen dauerhaft nicht erfüllt sind, setzt die Kommission die Auszahlung der Makrofinanzhilfe der Union vorübergehend aus oder stellt sie ganz ein. In solchen Fällen teilt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat die Gründe für die Aussetzung oder Einstellung mit.

(5)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird an die Zentralbank von Tunesien ausgezahlt. Vorbehaltlich der in der Vereinbarung festzulegenden Bedingungen, einschließlich einer Bestätigung des verbleibenden Haushaltsbedarfs, können die Gelder der Union an das tunesische Finanzministerium als Endbegünstigten überwiesen werden.

Artikel 5

(1)   Die Anleihe- und Darlehenstransaktionen im Zusammenhang mit der Makrofinanzhilfe der Union werden in Euro mit gleicher Wertstellung abgewickelt und dürfen für die Union weder Fristenänderungen noch ein Wechselkurs- oder Zinsrisiko oder sonstige kommerzielle Risiken mit sich bringen.

(2)   Soweit die Umstände dies zulassen und sofern Tunesien darum ersucht kann, die Kommission die notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass eine Klausel über eine vorzeitige Rückzahlung in die allgemeinen Darlehensbedingungen aufgenommen wird und dass dieser Klausel eine entsprechende Klausel in den Bedingungen für die Anleihetransaktionen gegenübersteht.

(3)   Soweit die Umstände eine Verbesserung des Darlehenszinssatzes gestatten und sofern Tunesien darum ersucht, kann die Kommission beschließen, ihr ursprüngliches Darlehen ganz oder teilweise zu refinanzieren oder sie kann die entsprechenden finanziellen Bedingungen neu festsetzen. Refinanzierungen und Neufestsetzungen erfolgen nach Maßgabe der Absätze 1 und 4 und dürfen weder zur Verlängerung der Laufzeit der betreffenden Anleihen noch zur Erhöhung des zum Zeitpunkt der Refinanzierung bzw. Neufestsetzung ausstehenden Kapitalbetrags führen.

(4)   Alle Kosten, die der Union durch die in diesem Beschluss vorgesehenen Anleihe- und Darlehenstransaktionen entstehen, gehen zu Lasten Tunesiens.

(5)   Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Entwicklungen in Bezug auf die in den Absätzen 2 und 3 genannten Transaktionen.

Artikel 6

(1)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird im Einklang mit der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) und der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission (8) durchgeführt.

(2)   Die Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt im Wege der direkten Mittelverwaltung.

(3)   Die in Artikel 3 Absatz 3 genannte Darlehensvereinbarung hat Bestimmungen zu enthalten,

a)

die sicherstellen, dass Tunesien regelmäßig kontrolliert, ob die aus dem Haushalt der Union bereitgestellten Mittel ordnungsgemäß verwendet wurden, und dass Tunesien angemessene Maßnahmen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten und Betrug trifft und bei Bedarf rechtliche Schritte zur Einziehung von im Rahmen dieses Beschlusses bereitgestellten Mitteln unternimmt, bei denen es zu widerrechtlicher Aneignung kam;

b)

die im Einklang mit der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates (9), der Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates (10) und der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (11) den Schutz der finanziellen Interessen der Union sicherstellen, wobei insbesondere geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu bekämpfen, die sich auf die Makrofinanzhilfe der Union auswirken;

c)

mit denen die Kommission, einschließlich des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung, und ihre Vertreter ausdrücklich ermächtigt werden, Kontrollen — auch Kontrollen und Überprüfungen vor Ort — durchzuführen;

d)

mit denen die Kommission und der Rechnungshof ausdrücklich ermächtigt werden, während und nach dem Zeitraum, in dem die Makrofinanzhilfe der Union bereitgestellt wird, Rechnungsprüfungen durchzuführen, darunter Dokumentenprüfungen und Rechnungsprüfungen vor Ort, wie etwa operative Bewertungen;

e)

die sicherstellen, dass die Union Anspruch auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens hat, wenn sich Tunesien im Zusammenhang mit der Verwaltung der Makrofinanzhilfe der Union nachweislich des Betrugs, der Korruption oder einer sonstigen rechtswidrigen Handlung zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union schuldig gemacht hat.

(4)   Vor der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union prüft die Kommission mittels einer operativen Bewertung, wie solide die für die Finanzhilfe relevanten Finanzregelungen, Verwaltungsverfahren sowie Mechanismen der internen und externen Kontrolle Tunesiens sind.

Artikel 7

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 8

(1)   Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat alljährlich vor dem 30. Juni einen Bericht über die Durchführung dieses Beschlusses im Vorjahr mit einer Bewertung der Durchführung. Darin

a)

prüft sie den bei der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union erzielten Fortschritt;

b)

bewertet sie die Wirtschaftslage und -aussichten Tunesiens und die Fortschritte, die bei der Durchführung der in Artikel 3 Absatz 1 genannten politischen Maßnahmen erzielt worden sind;

c)

legt sie den Zusammenhang zwischen den in der Vereinbarung festgelegten wirtschaftspolitischen Auflagen, der aktuellen Wirtschafts- und Finanzlage Tunesiens und den Beschlüssen der Kommission über die Auszahlung der einzelnen Tranchen der Makrofinanzhilfe der Union dar.

(2)   Spätestens zwei Jahre nach Ablauf des in Artikel 1 Absatz 4 genannten Bereitstellungszeitraums legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Ex-post-Bewertungsbericht vor, in dem sie die Ergebnisse und die Effizienz der abgeschlossenen Makrofinanzhilfe der Union bewertet und beurteilt, inwieweit diese zur Verwirklichung der angestrebten Ziele beigetragen hat.

Artikel 9

Dieser Beschluss tritt am dritten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Straßburg am 6. Juli 2016.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

M. SCHULZ

Im Namen des Rates

Der Präsident

I. KORČOK


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 8. Juni 2016 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 24. Juni 2016.

(2)  Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits (ABl. L 278 vom 21.10.2005, S. 9).

(3)  Beschluss Nr. 534/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über eine Makrofinanzhilfe für die Tunesische Republik (ABl. L 151 vom 21.5.2014, S. 9).

(4)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(5)  Beschluss 2010/427/EU des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (ABl. L 201 vom 3.8.2010, S. 30).

(6)  Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 zur Einrichtung eines Garantiefonds für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen (ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 10).

(7)  Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. L 298 vom 26.10.2012, S. 1).

(8)  Delegierte Verordnung (EU) Nr.1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. L 362 vom 31.12.2012, S. 1).

(9)  Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312 vom 23.12.1995, S. 1).

(10)  Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten (ABl. L 292 vom 15.11.1996, S. 2).

(11)  Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. L 248 vom 18.9.2013, S. 1).


Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und des Rates

Dieser Beschluss wird unbeschadet der Gemeinsamen Erklärung erlassen, die zusammen mit dem Beschluss 778/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über eine weitere Makrofinanzhilfe für Georgien angenommen wurde und weiterhin als Grundlage für alle Beschlüsse des Europäischen Parlaments und des Rates über Makrofinanzhilfen für Drittländer und Drittlandsgebiete zu betrachten ist.