16.12.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 329/4


VERORDNUNG (EG) Nr. 2049/2005 DER KOMMISSION

vom 15. Dezember 2005

zur Festlegung, aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, von Regeln für die Entrichtung von Gebühren an die Europäische Arzneimittel-Agentur durch Kleinstunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen sowie für deren administrative Unterstützung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (1), insbesondere auf Artikel 70 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

In der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, die Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (2) ersetzt, ist vorgesehen, dass sich die Einnahmen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (nachstehend „Agentur“ genannt) aus einem Beitrag der Gemeinschaft und Gebühren von Unternehmen zusammensetzen.

(2)

Im Kontext des durch die Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 eingeführten Systems sieht die Verordnung (EG) Nr. 297/95 des Rates (3) die Gebühren vor, die an die Agentur zu entrichten sind.

(3)

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 muss die Situation von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gesondert behandelt werden. Zur Reduzierung der Kosten, die KMU für das Inverkehrbringen von über das zentralisierte Verfahren zugelassenen Arzneimitteln entstehen, ist daher der Erlass besonderer Bestimmungen für eine Gebührenermäßigung, einen Zahlungsaufschub für die Gebühren und für administrative Unterstützung vorgesehen. Derartige Bestimmungen sollten gleichermaßen für Human- und für Tierarzneimittel gelten und die Innovation und die Entwicklung neuer Arzneimittel durch KMU fördern.

(4)

Aus Gründen der Kohärenz und Transparenz sollte die in der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission (4) enthaltene Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen gelten.

(5)

Die Erfahrungen seit dem Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 zeigen, dass die größten finanziellen und administrativen Markteintrittshürden für KMU in den Zulassungsverfahren vor dem Inverkehrbringen, wie wissenschaftliche Beratung, Einreichung des Zulassungsantrags und Inspektionen, bestehen. Daher sollte der Schwerpunkt der Bestimmungen dieser Verordnung auf diesen Aspekten liegen.

(6)

Die Gebühren für die Zulassungsanträge und die zur Beurteilung des Antrags durchgeführten Inspektionen könnten die finanziellen Möglichkeiten von KMU übersteigen. Damit die Finanzlage von Unternehmen im Verlauf der Beurteilung des Zulassungsantrags nicht geschwächt wird, sollte die Zahlung dieser Gebühren bis zum Abschluss des Verfahrens aufgeschoben werden.

(7)

KMU im Arzneimittelsektor sind häufig innovative Unternehmen, etwa im Bereich der Gentechnik oder der Körperzellentherapie, die aus einem Zusammenführen der wissenschaftlichen Kompetenz auf Gemeinschaftsebene beträchtlichen Nutzen ziehen können. Außerdem haben Arzneimittel, für die eine wissenschaftliche Beratung erteilt wurde, bessere Aussichten auf ein positives Ergebnis der wissenschaftlichen Bewertung des Zulassungsantrags. Daher sollte der Zugang von KMU, die eine Zulassung anstreben, zu wissenschaftlicher Beratung durch die Agentur durch Gebührenermäßigungen erleichtert werden. Als zusätzlicher Anreiz sollte den Antragstellern, die um eine derartige Beratung ersucht und sie bei der Entwicklung des Arzneimittels tatsächlich berücksichtigt haben, eine Gebührenbefreiung unter Vorbehalt gewährt werden.

(8)

Ein weiterer Anreiz sollte in Form einer Gebührenermäßigung für die Festlegung von Höchstgrenzen für Rückstände (HGR) für Tierarzneimittel geboten werden, um die Festlegung derartiger Grenzwerte weiter zu fördern.

(9)

Übersetzungen können einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand für KMU bedeuten. Daher sollte die Agentur Vorkehrungen dafür treffen, die Übersetzungen bestimmter Unterlagen, die für die Gewährung einer Zulassung erforderlich sind, bereitzustellen, insbesondere des Entwurfs der Zusammenfassung der Produktmerkmale und des Textentwurfs für die Etikettierung und Packungsbeilage.

(10)

Mangelnde Erfahrung mit dem zentralisierten Verfahren und der Agentur als Verwaltungsorganisation sollte nicht die Entwicklung und das Inverkehrbringen neuer Arzneimittel behindern. Daher ist es angebracht, ein KMU-Büro zu schaffen, dessen einziger Auftrag darin besteht, die KMU administrativ zu unterstützen. Das KMU-Büro sollte als einzige Anlaufstelle zwischen den antragstellenden KMU und der Agentur dienen, um die Kommunikation zu vereinfachen und praktische oder verfahrenstechnische Fragen zu beantworten.

(11)

Als praktische Handreichung für antragstellende KMU sollte die Agentur einen Leitfaden über die Verwaltungs- und Verfahrensschritte des zentralisierten Verfahrens veröffentlichen, die für KMU von besonderer Bedeutung sind.

(12)

Die Agentur sollte jährlich über die Durchführung der Bestimmungen dieser Verordnung berichten, damit Rückmeldungen über ihre praktische Anwendung zur Verfügung stehen.

(13)

Um sicherzustellen, dass KMU möglichst umfassend von der in dieser Verordnung vorgesehenen Abweichung profitieren, sollte diese Verordnung sofort in Kraft treten.

(14)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen stehen in Einklang mit der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Humanarzneimittel und des Ständigen Ausschusses für Tierarzneimittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN

Artikel 1

Gegenstand

Diese Verordnung legt die Voraussetzungen fest, unter denen in Abweichung von den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 297/95 Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Gebührenermäßigungen, Zahlungsaufschub oder administrative Unterstützung in Zusammenhang mit der Vorlage von Anträgen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur, nachstehend „Agentur“ genannt, gewährt werden können.

Artikel 2

Geltungsbereich

(1)   Diese Verordnung gilt für in der Gemeinschaft niedergelassene KMU im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG in der Fassung vom 6. Mai 2003.

(2)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung gleichermaßen für Anträge auf Zulassung von Humanarzneimitteln wie für Anträge auf Zulassung von Tierarzneimitteln im Sinne der Richtlinien 2001/83/EG (5) bzw. 2001/82/EG (6) des Europäischen Parlaments und des Rates.

Artikel 3

Begriffsbestimmung

Im Sinne dieser Verordnung ist ein Antragsteller ein Unternehmen, das die Bestimmungen der Kapitel II und III in Anspruch nehmen möchte.

Artikel 4

Vorlage von Informationen

KMU, die die Bestimmungen dieser Verordnung in Anspruch nehmen wollen, müssen der Agentur gegenüber nachweisen, dass sie die Kriterien des Artikels 2 Absatz 1 erfüllen.

KAPITEL II

ZAHLUNGSAUFSCHUB UND GEBÜHRENERMÄSSIGUNGEN

Artikel 5

Zahlungsaufschub

(1)   Die Zahlung folgender Gebühren wird bis zur Mitteilung der endgültigen Zulassungsentscheidung oder bis zum Rückzug des Antrags aufgeschoben:

a)

Gebühr für einen Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b der Verordnung (EG) Nr. 297/95;

b)

Gebühr für Inspektionen zur Beurteilung eines Antrags auf Zulassung eines Arzneimittels gemäß Artikel 3 Absatz 4 und Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 297/95.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Gebühren sind innerhalb von 45 Tagen nach dem Zeitpunkt der Mitteilung der endgültigen Zulassungsentscheidung oder innerhalb von 45 Tagen nach dem Zeitpunkt der Mitteilung über den Rückzug des Antrags zu entrichten.

Artikel 6

Gebührenbefreiung unter Vorbehalt

Unbeschadet des Artikels 5 wird bei Vorlage eines Zulassungsantrags für ein Arzneimittel, für das die Agentur bereits eine wissenschaftliche Beratung geleistet hat, die Gebühr für die Prüfung dieses Antrags nur dann fällig, wenn die Zulassung gewährt wird.

Artikel 7

Gebührenermäßigungen

(1)   Es gelten folgende Ermäßigungen:

a)

bei Inspektionen eine 90 %ige Ermäßigung der Inspektionsgebühr gemäß Artikel 3 Absatz 4 und Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 297/95;

b)

bei wissenschaftlicher Beratung eine 90 %ige Ermäßigung der Gebühr für wissenschaftliche Beratung gemäß Artikel 8 Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 297/95;

c)

bei wissenschaftlichen Diensten eine 90 %ige Ermäßigung der Gebühr für wissenschaftliche Dienste gemäß Artikel 8 Nummer 2 der Verordnung (EG) Nr. 297/95.

(2)   Die Verwaltungsdienste gemäß Artikel 8 Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 297/95 sind gebührenfrei, außer wenn diese Dienste den Parallelvertrieb von Arzneimitteln nach Artikel 57 Absatz 1 Buchstabe o der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 betreffen.

(3)   Abweichend von Absatz 1 Buchstaben b und c sind wissenschaftliche Beratung und Dienste für ausgewiesene Arzneimittel für seltene Leiden nach der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) gebührenfrei.

Artikel 8

Gebührenermäßigung für die Festsetzung von Höchstmengen für Arzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs

(1)   In Übereinstimmung mit Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 297/95 werden die Grundgebühr und die zusätzlichen Gebühren in Zusammenhang mit Höchstgrenzen für Rückstände (HGR) um 90 % ermäßigt.

(2)   Beim Abzug der HGR-Gebühren von der Gebühr für einen Zulassungsantrag oder einen Antrag auf Erweiterung einer Zulassung für ein Arzneimittel, das den Stoff enthält, für den die HGR festgelegt wurde, wird die in Absatz 1 genannte Ermäßigung nicht berücksichtigt, wenn diese Anträge von ein und demselben Antragsteller vorgelegt werden.

Dieser Abzug darf jedoch nicht mehr als die Hälfte der betreffenden Gebühr betragen.

Artikel 9

Mehrfache Gebührenermäßigungen

Abweichend von den Artikeln 7 und 8 gelten für den Antragsteller im Falle sonstiger im Gemeinschaftsrecht vorgesehener Gebührenermäßigungen für ein und dieselbe Gebühr die für ihn günstigsten Bestimmungen.

Antragsteller dürfen Gebührenermäßigungen für ein und dieselbe Gebühr nicht kumulieren.

KAPITEL III

ADMINISTRATIVE UNTERSTÜTZUNG

Artikel 10

Übersetzungen

Die Agentur trägt für die Übersetzung der Unterlagen gemäß Artikel 9 Absatz 4 Buchstaben a bis d und gemäß Artikel 34 Absatz 4 Buchstaben a bis e der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, die zur Erteilung einer Gemeinschaftszulassung erforderlich sind, Sorge.

Artikel 11

KMU-Büro

(1)   Der Verwaltungsdirektor der Agentur trägt für eigene Verwaltungsstrukturen und besondere Verfahren für die Einrichtung eines KMU-Büros Sorge.

(2)   Das KMU-Büro hat folgende Aufgaben:

a)

Beratung von Antragstellern über die Verwaltungs- und Verfahrensschritte zur Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 726/2004;

b)

Gewährleistung einer angemessenen Begleitung aller Ersuchen und Anträge eines Antragstellers in Bezug auf ein bestimmtes Arzneimittel;

c)

Organisation von Workshops und Fortbildungsveranstaltungen für Antragsteller über die Verwaltungs- und Verfahrensschritte zur Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 726/2004.

Artikel 12

Leitfaden

Die Agentur veröffentlicht im Einvernehmen mit der Kommission einen ausführlichen Leitfaden über die Verwaltungs- und Verfahrensaspekte der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, die für KMU von besonderer Bedeutung sind. Der Leitfaden wird laufend aktualisiert.

Der Leitfaden enthält außerdem Verweise auf einzelstaatliche Rechtsvorschriften für KMU im Arzneimittelsektor.

Für die Zwecke von Absatz 2 teilen die Mitgliedstaaten der Agentur derartige Verweise mit.

KAPITEL IV

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 13

Bericht

Die Agentur nimmt in ihren jährlichen Tätigkeitsbericht einen Abschnitt über die bei der Anwendung dieser Verordnung gewonnenen Erfahrungen auf.

Artikel 14

Übergangsbestimmung

Diese Verordnung gilt nicht für zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorliegende gültige Anträge.

Artikel 15

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 15. Dezember 2005

Für die Kommission

Günter VERHEUGEN

Vizepräsident


(1)  ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1.

(2)  ABl. L 214 vom 24.8.1993, S. 1.

(3)  ABl. L 35 vom 15.2.1995, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1905/2005 (ABl. L 304 vom 23.11.2005, S. 1).

(4)  ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36.

(5)  ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67.

(6)  ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1.

(7)  ABl. L 18 vom 22.1.2000, S. 1.