1.10.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 245/9


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2018/1463 DES RATES

vom 28. September 2018

über Kontrollmaßnahmen für die neuen psychoaktiven Substanzen N-Phenyl-N-[1-(2-phenylethyl)piperidin-4-yl]cyclopropancarboxamid (Cyclopropylfentanyl) und 2-Methoxy-N-phenyl-N-[1-(2-phenylethyl)piperidin-4-yl]acetamid (Methoxyacetylfentanyl)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf den Beschluss 2005/387/JI des Rates vom 10. Mai 2005 betreffend den Informationsaustausch, die Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen psychoaktiven Substanzen (1), insbesondere Artikel 8 Absatz 3,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß Artikel 6 des Beschlusses 2005/387/JI wurden in einer Sondersitzung des erweiterten Wissenschaftlichen Ausschusses der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht vom 21. März 2018 Berichte zur Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit den neuen psychoaktiven Substanzen N-Phenyl-N-[1-(2-phenylethyl)piperidin-4-yl]cyclopropancarboxamid (im Folgenden „Cyclopropylfentanyl“) und 2-Methoxy-N-phenyl-N-[1-(2-phenylethyl)piperidin-4-yl]acetamid (im Folgenden „Methoxyacetylfentanyl“) verfasst und der Kommission und dem Rat am 23. März 2018 vorgelegt.

(2)

Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl sind synthetische Opioide, die strukturell Fentanyl ähneln, einem kontrollierten Stoff, der in der Medizin häufig als Zusatz zur Vollnarkose bei Operationen und zur Schmerzbehandlung verwendet wird. Cyclopropylfentanyl ist außerdem strukturverwandt mit Butyrfentanyl, einem anderen international geregelten Stoff. Methoxyacetylfentanyl ist strukturverwandt mit Ocfentanil (3) und Acetylfentanyl, zwei anderen international kontrollierten Stoffen.

(3)

Cyclopropylfentanyl ist seit mindestens Juni 2017 in der Union verfügbar. Es wurde in der Zeit zwischen Juni 2017 und Januar 2018 in 140 Fällen in sechs Mitgliedstaaten sichergestellt. Da keine routinemäßigen Kontrollen zu Cyclopropylfentanyl erfolgen, ist von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. In den meisten Fällen wurde Cyclopropylfentanyl als Pulver, in geringerem Umfang aber auch in flüssiger Form und in Tablettenform sichergestellt. Die gefundenen Mengen sind relativ gering. Sie sollten jedoch vor dem Hintergrund der hohen Wirksamkeit der Fentanyle bewertet werden.

(4)

Zwei Mitgliedstaaten haben 77 mit Cyclopropylfentanyl im Zusammenhang stehende Todesfälle gemeldet. Die Todesfälle haben sich innerhalb kurzer Zeit, d. h. zwischen Juni und Dezember 2017, ereignet. In den meisten Fällen wurden zusammen mit Cyclopropylfentanyl auch andere Drogen entdeckt. In mindestens 74 Fällen war Cyclopropylfentanyl die Todesursache oder hat mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod beigetragen. Es wurden keine akuten Vergiftungen im Zusammenhang mit Cyclopropylfentanyl gemeldet. Naloxon dürfte als Gegenmittel bei einer Vergiftung durch Cyclopropylfentanyl wirken. Da keine routinemäßigen Kontrollen zu Cyclopropylfentanyl erfolgen, ist von einer höheren Dunkelziffer sowohl für nicht tödlich verlaufene Vergiftungen als auch für Todesfälle durch Cyclopropylfentanyl auszugehen. Eine unbeabsichtigte Exposition gegenüber Cyclopropylfentanyl kann ein Risiko für die Familie und Freunde des Nutzers, für Strafverfolgungsbeamte, Notfallpersonal, medizinisches und forensisches Laborpersonal sowie Gefängnis- und Postbedienstete darstellen.

(5)

Es gibt keine direkten Hinweise auf eine Beteiligung der organisierten Kriminalität an der Herstellung, dem Vertrieb, dem Handel und der Beschaffung von Cyclopropylfentanyl innerhalb der Union. Da der Stoff aber in Heroinproben und gefälschten Arzneimitteln gefunden wurde, kann die Beteiligung der organisierten Kriminalität nicht ausgeschlossen werden. Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin' dass Cyclopropylfentanyl von Chemieunternehmen in China hergestellt wird, doch ist nicht auszuschließen, dass Fentanyle auch in der Union hergestellt werden können.

(6)

Cyclopropylfentanyl scheint im Internet in kleinen und großen Mengen als „Forschungschemikalie“ oder als „legaler“ Ersatz für illegale Opioide verkauft zu werden, und zwar in den meisten Fällen als Pulver oder in flüssiger Form als gebrauchsfertiges Nasenspray. Darüber hinaus deuten Hinweise aufgrund von Sicherstellungen darauf hin, dass Cyclopropylfentanyl auch zur Herstellung gefälschter Benzodiazepine und Analgetika verwendet wird. Hinweise aufgrund von Sicherstellungen deuten darauf hin, dass Cyclopropylfentanyl möglicherweise auch auf dem illegalen Markt für Opioide gehandelt wird, wo die Substanz als Methoxyacetylfentanyl, als Heroin und vermischt mit anderen Opioiden wie Heroin verkauft wird. Daher wissen Nutzer möglicherweise nicht, dass sie ein Fentanyl verwenden.

(7)

Methoxyacetylfentanyl ist seit mindestens November 2016 in der Union verfügbar. Es wurde in der Zeit zwischen Juni und Dezember 2017 in 44 Fällen in elf Mitgliedstaaten sichergestellt. Da keine routinemäßigen Kontrollen zu Methoxyacetylfentanyl erfolgen, ist von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. In den meisten Fällen wurde Methoxyacetylfentanyl als Pulver oder in flüssiger Form sichergestellt, in geringerem Umfang aber auch in Tablettenform. Die gefundenen Mengen sind relativ gering. Sie sollten jedoch vor dem Hintergrund der hohen Wirksamkeit der Fentanyle bewertet werden.

(8)

Vier Mitgliedstaaten haben 13 mit Methoxyacetylfentanyl im Zusammenhang stehende Todesfälle gemeldet. In allen Fällen wurden zusammen mit Methoxyacetylfentanyl auch andere Drogen entdeckt. In mindestens sieben Fällen war Methoxyacetylfentanyl die Todesursache oder hat mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod beigetragen. Es wurden zwei Fälle von akuten Vergiftungen im Zusammenhang mit Methoxyacetylfentanyl gemeldet. Naloxon dürfte als Gegenmittel bei einer Vergiftung durch Methoxyacetylfentanyl wirken. Da keine routinemäßigen Kontrollen zu Methoxyacetylfentanyl erfolgen, ist von einer höheren Dunkelziffer sowohl für nicht tödlich verlaufene Vergiftungen als auch für Todesfälle durch Methoxyacetylfentanyl auszugehen. Eine unbeabsichtigte Exposition gegenüber Methoxyacetylfentanyl kann ein Risiko für die Familie und Freunde des Nutzers, für Strafverfolgungsbeamte, Notfallpersonal, medizinisches und forensisches Laborpersonal sowie Gefängnis- und Postbedienstete darstellen.

(9)

Es gibt keine Hinweise auf eine Beteiligung der organisierten Kriminalität an der Herstellung, dem Vertrieb, dem Handel und der Beschaffung von Methoxyacetylfentanyl innerhalb der Union. Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin' dass Methoxyacetylfentanyl von Chemieunternehmen in China hergestellt wird, doch ist nicht auszuschließen, dass Fentanyle auch in der Union hergestellt werden können.

(10)

Methoxyacetylfentanyl scheint im Internet in kleinen und großen Mengen als „Forschungschemikalie“ oder als „legaler“ Ersatz für illegale Opioide verkauft zu werden, und zwar als Pulver oder in flüssiger Form als gebrauchsfertiges Nasenspray. Hinweise aufgrund von Sicherstellungen deuten darauf hin, dass Methoxyacetylfentanyl möglicherweise auch auf dem illegalen Markt für Opioide gehandelt wird, wo die Substanz als Opioid-Analgetika und Benzodiazepine verkauft oder zur Herstellung gefälschter Opioid-Analgetika und Benzodiazepine verwendet wird. Daher wissen Nutzer möglicherweise nicht, dass sie ein Fentanyl verwenden.

(11)

Es bestehen keine anerkannten Einsatzmöglichkeiten von Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl zu human- oder veterinärmedizinischen Zwecken in der Union und dem Anschein nach auch nicht anderswo. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie neben ihrem Einsatz als analytischer Referenzstandard und in der wissenschaftlichen Forschung zu anderen Zwecken genutzt werden könnten.

(12)

Die Risikobewertungsberichte zeigen, dass viele mit Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl im Zusammenhang stehende Fragen, die der Mangel an Informationen zu den Risiken für die Gesundheit von Einzelpersonen sowie die öffentliche Gesundheit und die Gesellschaft aufwirft, durch weitere Forschung geklärt werden könnten. Die vorhandenen Nachweise und Informationen zu den mit Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl verbundenen gesundheitlichen und sozialen Risiken, auch vor dem Hintergrund ihrer Ähnlichkeiten zu Fentanyl, geben jedoch ausreichenden Anlass dazu, unionsweite Kontrollmaßnahmen für Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl einzuführen.

(13)

Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl sind nicht auf der Liste der Substanzen verzeichnet, die gemäß dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe Kontrollmaßnahmen unterliegen. Sie werden derzeit keiner Bewertung im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen unterzogen.

(14)

Acht Mitgliedstaaten haben Cyclopropylfentanyl und neun Mitgliedstaaten haben Methoxyacetylfentanyl gesetzlichen Kontrollmaßnahmen aufgrund ihrer nationalen Drogenkontrollgesetze unterworfen; fünf Mitgliedstaaten kontrollieren Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl im Rahmen sonstiger legislativer Maßnahmen; die Einführung unionsweiter Kontrollmaßnahmen für Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl würde daher dazu beitragen, Probleme bei der grenzübergreifenden Strafverfolgung und justiziellen Zusammenarbeit zu vermeiden und vor den mit der Verfügbarkeit und dem Konsum der Substanzen verbundenen Risiken zu schützen.

(15)

Durch den Beschluss 2005/387/JI werden dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen, damit auf Unionsebene zügig und fachkompetent auf von den Mitgliedstaaten ermittelte und gemeldete neue psychoaktive Substanzen reagiert werden kann, indem diese Substanzen unionsweit Kontrollmaßnahmen unterworfen werden. Da die Voraussetzungen und das Verfahren für die Ausübung derartiger Durchführungsbefugnisse erfüllt bzw. eingehalten wurden, sollte ein Durchführungsbeschluss erlassen werden, um Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl in der gesamten Union Kontrollmaßnahmen zu unterwerfen.

(16)

Dänemark ist durch den Beschluss 2005/387/JI gebunden und beteiligt sich daher an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses, mit dem der Beschluss 2005/387/JI durchgeführt wird.

(17)

Irland ist durch den Beschluss 2005/387/JI gebunden und beteiligt sich daher an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses, mit dem der Beschluss 2005/387/JI durchgeführt wird.

(18)

Das Vereinigte Königreich ist nicht durch den Beschluss 2005/387/JI gebunden und beteiligt sich daher nicht an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses und ist weder durch diesen gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die neuen psychoaktiven Substanzen N-Phenyl-N-[1-(2-phenylethyl)piperidin-4-yl]cyclopropancarboxamid (Cyclopropylfentanyl) und 2-Methoxy-N-phenyl-N-[1-(2-phenylethyl)piperidin-4-yl]acetamid (Methoxyacetylfentanyl) werden hiermit in der gesamten Union Kontrollmaßnahmen unterworfen.

Artikel 2

Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften bis zum 29. September 2019 die Maßnahmen, die erforderlich sind, um Cyclopropylfentanyl und Methoxyacetylfentanyl den Kontrollmaßnahmen und strafrechtlichen Sanktionen zu unterwerfen, die in den Rechtsvorschriften vorgesehen sind, mit denen sie ihren Verpflichtungen aus dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe oder aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe nachkommen.

Artikel 3

Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Dieser Beschluss wird gemäß den Verträgen angewandt.

Geschehen zu Brüssel am 28. September 2018.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

M. SCHRAMBÖCK


(1)  ABl. L 127 vom 20.5.2005, S. 32.

(2)  Stellungnahme vom 11. September 2018 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)  Ocfentanil wurde auf der 61. Tagung der Suchtstoffkommission im März 2018 in den Anhang I des Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 geänderten Fassung aufgenommen.