1.5.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 130/1


RICHTLINIE 2014/41/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 3. April 2014

über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 1 Buchstabe a,

auf Initiative des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, der Republik Estland, des Königreichs Spanien, der Republik Österreich, der Republik Slowenien und des Königreichs Schweden,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln.

(2)

Nach Artikel 82 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen, der seit der Tagung des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere allgemein als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union bezeichnet wird.

(3)

Mit dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates (2) ist der Notwendigkeit einer sofortigen gegenseitigen Anerkennung von Anordnungen, mit denen die Vernichtung, Veränderung, Verbringung, Übertragung oder Veräußerung von Beweismitteln verhindert werden soll, Rechnung getragen worden. Da jenes Instrument jedoch auf die Phase der Sicherstellung beschränkt ist, ist der Sicherstellungsentscheidung gemäß den Vorschriften für die Rechtshilfe in Strafsachen ein getrenntes Ersuchen um Übergabe der Beweismittel an den Staat, der die Entscheidung erlassen hat, beizufügen. Dies führt zu einem zweistufigen Verfahren, das der Effizienz des Instruments abträglich ist. Außerdem bestehen neben dieser Regelung noch die traditionellen Instrumente der Zusammenarbeit, sodass die zuständigen Behörden die Regelung in der Praxis nur selten verwenden.

(4)

Der Rahmenbeschluss 2008/978/JI des Rates (3) betreffend die Europäische Beweisanordnung (im Folgenden „EBA“) wurde angenommen, um den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zum Zwecke der Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen anzuwenden. Die EBA gilt allerdings nur für bereits erhobene Beweismittel und deckt daher nur ein begrenztes Spektrum der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in Bezug auf Beweismittel ab. Wegen ihres begrenzten Anwendungsbereichs stand es den zuständigen Behörden frei, die neue Regelung zu verwenden oder auf die Verfahren der Rechtshilfe zurückzugreifen, die auf jeden Fall weiterhin für Beweismittel gelten, die nicht in den Anwendungsbereich der EBA fallen.

(5)

Seit Annahme der Rahmenbeschlüsse 2003/577/JI und 2008/978/JI ist deutlich geworden, dass der bestehende Rahmen für die Erhebung von Beweismitteln zu fragmentiert und zu kompliziert ist. Daher ist ein neuer Ansatz erforderlich.

(6)

In dem vom Europäischen Rat vom 10./11. Dezember 2009 angenommenen Stockholmer Programm hat der Europäische Rat die Auffassung vertreten, dass die Einrichtung eines umfassenden Systems für die Beweiserhebung in Fällen mit grenzüberschreitenden Bezügen, das auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung basiert, weiter verfolgt werden sollte. Dem Europäischen Rat zufolge stellten die bestehenden Rechtsinstrumente auf diesem Gebiet eine lückenhafte Regelung dar und bedurfte es eines neuen Ansatzes, der auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruht, aber auch der Flexibilität des traditionellen Systems der Rechtshilfe Rechnung trägt. Der Europäische Rat hat daher ein umfassendes System gefordert, das sämtliche bestehenden Instrumente in diesem Bereich ersetzen soll, unter anderem auch den Rahmenbeschluss 2008/978/JI, und das so weit wie möglich alle Arten von Beweismitteln erfasst, Vollstreckungsfristen enthält und das die Versagungsgründe so weit wie möglich beschränkt.

(7)

Diesem neuen Ansatz liegt ein einheitliches Instrument zugrunde, das als Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden „EEA“) bezeichnet wird. Die EEA sollte zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahmen im Staat, in dem die EEA vollstreckt wird (im Folgenden „Vollstreckungsstaat“) im Hinblick auf die Erhebung von Beweismitteln erlassen werden. Dies schließt auch die Erlangung von Beweismitteln ein, die sich bereits im Besitz der Vollstreckungsbehörde befinden.

(8)

Die EEA sollte übergreifenden Charakter haben und sollte daher für alle Ermittlungsmaßnahmen gelten, die der Beweiserhebung dienen. Allerdings erfordern die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und die Beweiserhebung im Rahmen einer solchen Gruppe spezifische Vorschriften, die besser getrennt geregelt werden. Unbeschadet der Anwendung dieser Richtlinie sollten die bestehenden Instrumente daher weiterhin auf diese Arten von Ermittlungsmaßnahmen Anwendung finden.

(9)

Diese Richtlinie sollte nicht für grenzüberschreitende Observationen nach dem Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (4) gelten.

(10)

Die EEA sollte sich auf die durchzuführende Ermittlungsmaßnahme konzentrieren. Die Anordnungsbehörde ist aufgrund ihrer Kenntnis der Einzelheiten der betreffenden Ermittlung am besten in der Lage zu entscheiden, welche Ermittlungsmaßnahme anzuwenden ist. Jedoch sollte die Vollstreckungsbehörde, wann immer möglich, eine Ermittlungsmaßnahme anderer Art anwenden, wenn die angegebene Maßnahme nach ihrem nationalen Recht nicht existiert oder in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde. Verfügbarkeit sollte sich auf Anlässe beziehen, bei denen die angegebene Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats zwar existiert, aber nur unter bestimmten Umständen rechtmäßig zur Verfügung steht, beispielsweise wenn die Ermittlungsmaßnahme nur bei Straftaten eines gewissen Schweregrads, nur gegen Personen, gegen die bereits bestimmte Verdachtsmomente bestehen, oder nur mit der Zustimmung der betreffenden Personen durchgeführt werden kann. Die Vollstreckungsbehörde ist befugt, auch auf eine Ermittlungsmaßnahme anderer Art zurückgreifen, wenn damit mit weniger stark in die Grundrechte der betroffenen Person eingreifenden Mitteln das gleiche Ergebnis wie mit der in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme erreicht würde.

(11)

Von der EEA sollte Gebrauch gemacht werden, wenn die Vollstreckung einer Ermittlungsmaßnahme in dem betreffenden Fall verhältnismäßig, angemessen und durchführbar erscheint. Daher sollte sich die Anordnungsbehörde vergewissern, ob das erbetene Beweismittel für den Zweck des Verfahrens notwendig ist und in angemessenem Verhältnis zu diesem Zweck steht, ob die gewählte Ermittlungsmaßnahme für die Erhebung des betreffenden Beweismittels notwendig ist und in angemessenem Verhältnis dazu steht und ob durch den Erlass einer EEA ein anderer Mitgliedstaat an der Erhebung dieses Beweismittels beteiligt werden sollte. Dieselbe Beurteilung sollte im Rahmen des Validierungsverfahrens durchgeführt werden, wenn diese Richtlinie die Validierung einer EEA vorschreibt. Die Vollstreckung einer EEA sollte nur aus den in dieser Richtlinie aufgeführten Gründen versagt werden. Jedoch sollte sich die Vollstreckungsbehörde auch für eine Ermittlungsmaßnahme entscheiden können, die weniger eingreifend ist als die in der EEA angegebene Maßnahme, wenn sich damit vergleichbare Ergebnisse erzielen lassen.

(12)

Die Anordnungsbehörde sollte beim Erlass einer EEA in besonderem Maße darauf achten, dass die in Artikel 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „die Charta“) verankerten Rechte uneingeschränkt gewahrt werden. Die Unschuldsvermutung und die Verteidigungsrechte in Strafsachen sind Eckpfeiler der Grundrechte, die in der Charta im Bereich der Strafgerichtsbarkeit anerkannt werden. Jede Einschränkung derartiger Rechte durch eine nach dieser Richtlinie angeordnete Ermittlungsmaßnahme sollte in jeder Hinsicht den Anforderungen des Artikels 52 der Charta hinsichtlich ihrer Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und ihrer Zielsetzungen, insbesondere dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, entsprechen.

(13)

Zur Übermittlung der EEA an die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann die Anordnungsbehörde von jedem möglichen oder einschlägigen Übermittlungsweg Gebrauch machen, einschließlich des gesicherten Telekommunikationssystems des Europäischen Justiziellen Netzes, Eurojust oder sonstiger Geschäftswege, die von den Justiz- oder Strafverfolgungsbehörden genutzt werden.

(14)

Die Mitgliedstaaten werden ermutigt, in der von ihnen bezüglich der Sprachenregelung abgegebenen Erklärung außer ihrer Amtssprache mindestens eine in der Union häufig verwendete Sprache anzugeben.

(15)

Bei der Durchführung dieser Richtlinie sollte der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5), der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (6) sowie der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (7), welche die Verfahrensrechte in Strafverfahren betreffen, Rechnung getragen werden.

(16)

Nicht invasive Ermittlungsmaßnahmen könnten beispielsweise Maßnahmen sein, die das Recht auf den Schutz der Privatsphäre oder das Recht auf Eigentum gemäß dem nationalen Recht nicht verletzen.

(17)

Der Grundsatz „ne bis in idem“ ist ein wesentlicher Rechtsgrundsatz der Union, der in der Charta anerkannt wird und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weiterentwickelt wurde. Die Vollstreckungsbehörde sollte daher befugt sein, die Vollstreckung einer EEA zu versagen, wenn ihre Vollstreckung diesem Grundsatz zuwiderläuft. In Anbetracht der Vorläufigkeit des der EEA zugrunde liegenden Verfahrens sollte die Vollstreckung einer solchen Anordnung nicht versagt werden, wenn festgestellt werden soll, ob sie möglicherweise mit dem Grundsatz „ne bis in idem“ kollidiert, oder wenn die Anordnungsbehörde zugesichert hat, dass die aufgrund der Vollstreckung der EEA übermittelten Beweismittel nicht dazu verwendet würden, eine Person, deren Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat wegen desselben Sachverhalts rechtskräftig abgeschlossen wurde, zu verfolgen oder zu bestrafen.

(18)

Wie andere Rechtsakte, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhen, berührt auch diese Richtlinie nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und der Charta. Um dies deutlich zu machen, wurde eine spezifische Bestimmung in den Text aufgenommen.

(19)

Die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts innerhalb der Union beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen sowie auf der Vermutung, dass andere Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die Grundrechte einhalten. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar. Wenn berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Vollstreckung einer in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme einen Verstoß gegen ein Grundrecht der betreffenden Person zur Folge hätte und der Vollstreckungsstaat seine Verpflichtungen zum Schutz der in der Charta anerkannten Grundrechte nicht achten würde, so sollte die Vollstreckung der EEA verweigert werden.

(20)

Es sollte möglich sein, eine EEA abzulehnen, wenn mit ihrer Anerkennung oder Vollstreckung im Vollstreckungsstaat Immunitäten oder Vorrechte in diesem Staat verletzt würden. Es gibt im Unionsrecht keine gemeinsame Definition dessen, was unter Immunitäten oder Vorrechten zu verstehen ist; die genaue Definition dieser Begriffe bleibt daher dem nationalen Recht überlassen, das Schutzvorschriften für medizinische Berufe und Rechtsberufe umfassen kann; es sollte jedoch nicht in einer Weise ausgelegt werden, die im Widerspruch zu der Verpflichtung steht, bestimmte Versagungsgründe gemäß dem Protokoll zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (8) aufzuheben. Dazu können ebenso, auch wenn sie nicht notwendigerweise als Vorrecht oder Immunität gelten, Regeln über die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit in anderen Medien gehören.

(21)

Zur Gewährleistung einer raschen, effektiven und kohärenten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Strafsachen ist es erforderlich, Fristen zu setzen. Die Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstreckung sowie die eigentliche Durchführung der Ermittlungsmaßnahme sollten genauso rasch und vorrangig wie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall erfolgen. Mit dem Setzen von Fristen soll sichergestellt werden, dass eine Entscheidung oder Vollstreckung innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt oder Verfahrenszwängen im Anordnungsstaat Rechnung getragen wird.

(22)

Die Rechtsbehelfe gegen eine EEA sollten zumindest den Rechtsbehelfen gleichwertig sein, die in einem innerstaatlichen Fall gegen die betreffende Ermittlungsmaßnahme zur Verfügung stehen. Die Mitgliedstaaten sollten gemäß ihrem nationalen Recht die Anwendbarkeit dieser Rechtsbehelfe sicherstellen, auch indem sie alle Betroffenen rechtzeitig über die Möglichkeiten und Modalitäten zur Einlegung der Rechtsbehelfe belehren. In Fällen, in denen Einwände gegen die EEA von einem Beteiligten im Vollstreckungsstaat in Bezug auf die Sachgründe für den Erlass der EEA geltend gemacht werden, ist es angebracht, dass Informationen über diese Einwände an die Anordnungsbehörde übermittelt werden und der Beteiligte entsprechend unterrichtet wird.

(23)

Die Kosten, die durch die Vollstreckung einer EEA im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats entstehen, sollten ausschließlich von diesem getragen werden. Diese Regelung entspricht dem allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Die Vollstreckung einer EEA kann jedoch außergewöhnlich hohe Kosten für den Vollstreckungsstaat nach sich ziehen. Diese außergewöhnlich hohen Kosten können beispielsweise durch komplexe Sachverständigengutachten oder polizeiliche Großeinsätze oder Überwachungstätigkeiten über einen langen Zeitraum anfallen. Dies sollte der Vollstreckung der EEA jedoch nicht entgegenstehen, und die Anordnungs- und die Vollstreckungsbehörden sollten sich darum bemühen festzulegen, welche Kosten als außergewöhnlich hoch zu betrachten sind. Die Frage der Kosten könnte Konsultationen zwischen dem Anordnungs- und dem Vollstreckungsstaat erforderlich machen; ihnen wird empfohlen, diese Frage in der Konsultationsphase zu klären. Als letztes Mittel kann die Anordnungsbehörde beschließen, die EEA zurückzuziehen oder aber diese aufrechtzuerhalten, wobei der Teil der Kosten, die vom Vollstreckungsstaat als außergewöhnlich hoch erachtet werden, im Laufe des Verfahrens aber unbedingt erforderlich sind, vom Anordnungsstaat getragen werden sollte. Dieser Mechanismus sollte keinen zusätzlichen Versagungsgrund darstellen und sollte unter keinen Umständen zur Verzögerung oder Verhinderung der Vollstreckung der EEA missbraucht werden.

(24)

Die EEA schafft eine einheitliche Regelung für die Erlangung von Beweismitteln. Bei einigen Arten von Ermittlungsmaßnahmen, wie beispielsweise der zeitweiligen Überstellung inhaftierter Personen, der Vernehmung per Video- oder Telefonkonferenz, der Erlangung von Auskünften zu Bankkonten oder Bankgeschäften, der kontrollierten Lieferung oder der verdeckten Ermittlung, bedarf es jedoch zusätzlicher Vorschriften, die in der EEA angegeben werden sollten. Ermittlungsmaßnahmen, die die Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum beinhalten, sollten von der EEA erfasst werden; jedoch sollten der Anordnungs- und der Vollstreckungsstaat, wann immer dies nötig ist, die praktischen Modalitäten vereinbaren, um den Unterschieden des nationalen Rechts dieser Staaten Rechnung zu tragen.

(25)

Diese Richtlinie legt Vorschriften über die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen zur Erhebung von Beweismitteln in sämtlichen Phasen des Strafverfahrens, einschließlich der Gerichtsphase, fest, erforderlichenfalls mit Beteiligung der betroffenen Person. So kann zum Beispiel eine EEA für die zeitweilige Überstellung dieser Person an den Anordnungsstaat oder zur Durchführung einer Vernehmung per Videokonferenz erlassen werden. Dient die Überstellung dieser Person an einen anderen Mitgliedstaat jedoch Verfolgungszwecken, einschließlich der Verbringung der Person vor ein Gericht, um sich dort zu verantworten, so sollte ein Europäischer Haftbefehl (im Folgenden „EuHb“) gemäß dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates (9) erlassen werden.

(26)

Um die Verhältnismäßigkeit der Verwendung eines EuHb zu gewährleisten, sollte die Anordnungsbehörde prüfen, ob eine EEA ein wirksames und verhältnismäßiges Mittel zur weiteren Strafverfolgung wäre. Die Anordnungsbehörde sollte insbesondere prüfen, ob der Erlass einer EEA zum Zwecke der Vernehmung einer verdächtigen oder beschuldigten Person mittels Videokonferenz eine wirksame Alternative sein könnte.

(27)

Eine EEA kann erlassen werden, um Beweismittel über Konten gleich welcher Art zu erhalten, welche eine Person, gegen die ein Strafverfahren geführt wird, bei einer Bank oder einem Finanzinstitut außerhalb des Bankensektors hält. Diese Möglichkeit ist weit auszulegen, das heißt, sie gilt nicht nur für verdächtige oder beschuldigte Personen, sondern auch für alle anderen Personen, in Bezug auf die die zuständigen Behörden solche Informationen im Zuge von Strafverfahren für notwendig erachten.

(28)

Wird in dieser Richtlinie auf den Begriff „Finanzinstitute“ Bezug genommen, so ist der Begriff im Sinne der einschlägigen Begriffsbestimmung des Artikels 3 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (10) zu verstehen.

(29)

Wird eine EEA erlassen, um „Angaben“ über ein bestimmtes Konto zu erlangen, so sollten als Angaben mindestens der Name und die Anschrift des Kontoinhabers, Informationen zu Vollmachten für das Konto und sonstige Informationen oder Dokumente gelten, die der Kontoinhaber bei Kontoeröffnung vorgelegt hat und über die die Bank noch verfügt.

(30)

Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Rahmen dieser Richtlinie über die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs sollten nicht auf den Inhalt des Telekommunikationsverkehrs beschränkt sein, sondern könnten sich auch auf die Erhebung von Verkehrs- und Standortdaten im Zusammenhang mit diesem Telekommunikationsverkehr erstrecken und es den zuständigen Behörden erlauben, eine EEA zu erlassen, um Telekommunikationsdaten zu erlangen, die mit einem geringeren Eingriff in die Privatsphäre verbunden sind. Eine EEA, die erlassen wurde, um historische Verkehrs- und Standortdaten zum Telekommunikationsverkehr zu erlangen, sollte im Rahmen der allgemeinen Regelung zur Vollstreckung einer EEA behandelt werden und kann gemäß dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats als invasive Ermittlungsmaßnahme betrachtet werden.

(31)

Sind mehrere Mitgliedstaaten in der Lage, die erforderliche technische Hilfe zu leisten, so sollte eine EEA nur an einen dieser Staaten gerichtet werden und es sollte der Mitgliedstaat vorrangig sein, in dem sich die Zielperson befindet. Mitgliedstaaten, in denen sich diese Person befindet und deren technische Hilfe für die Überwachung nicht erforderlich ist, sollten darüber gemäß dieser Richtlinie unterrichtet werden. Wird die technische Hilfe jedoch möglicherweise nicht nur von einem Mitgliedstaat benötigt, so kann eine EEA an mehr als einen Vollstreckungsstaat übermittelt werden.

(32)

In einer EEA, mit der um die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs ersucht wird, sollte die Anordnungsbehörde der Vollstreckungsbehörde ausreichende Informationen wie Angaben zu der strafbaren Handlung, die Gegenstand der Ermittlungen ist, übermitteln, damit die Vollstreckungsbehörde beurteilen kann, ob die Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall genehmigt würde.

(33)

Die Mitgliedstaaten sollten berücksichtigen, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass technische Hilfe von einem Diensteanbieter, der öffentlich zugängliche Telekommunikationsnetze und -dienste im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats betreibt, geleistet werden kann, damit die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Rechtsinstruments in Bezug auf die rechtmäßige Überwachung des Telekommunikationsverkehrs erleichtert wird.

(34)

Diese Richtlinie erfasst aufgrund ihres Anwendungsbereichs einstweilige Maßnahmen nur im Hinblick auf die Beweiserhebung. In diesem Zusammenhang sei betont, dass Gegenstände, einschließlich finanzieller Vermögenswerte, im Laufe des Strafverfahrens verschiedenen vorläufigen Maßnahmen unterliegen können, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Beweiserhebung, sondern auch im Hinblick auf die Einziehung. Die Unterscheidung zwischen den beiden Zielen vorläufiger Maßnahmen ist nicht immer deutlich und das Ziel der vorläufigen Maßnahme kann sich im Laufe des Verfahrens ändern. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass weiterhin für eine reibungslose Beziehung zwischen den verschiedenen Instrumente, die auf diesem Gebiet anwendbar sind, gesorgt wird. Darüber hinaus sollte — aus demselben Grund — die Beurteilung, ob der Gegenstand als Beweismittel zu verwenden ist und daher einer EEA unterliegen sollte, Sache der Anordnungsbehörde sein.

(35)

Wird in einschlägigen internationalen Instrumenten, wie etwa in den im Rahmen des Europarats geschlossenen Übereinkünften, auf die Rechtshilfe Bezug genommen, so sollte davon ausgegangen werden, dass im Verhältnis zwischen den an diese Richtlinie gebundenen Mitgliedstaaten diese den genannten Übereinkünften vorgeht.

(36)

Die in Anhang D aufgelisteten Kategorien von Straftatbeständen sollten im Einklang mit ihrer Auslegung im Rahmen der bereits bestehenden Rechtsinstrumente über die gegenseitige Anerkennung ausgelegt werden.

(37)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 (11) zu erläuternden Dokumenten haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie halten das Europäische Parlament und der Rat die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

(38)

Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen zur Erlangung von Beweismitteln von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(39)

Diese Richtlinie wahrt die Grundrechte und Grundsätze, die in Artikel 6 EUV und in der Charta, insbesondere deren Titel VI, in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen im Völkerrecht und durch internationale Übereinkünfte, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie in den Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden. Diese Richtlinie darf nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie es verbietet, die Vollstreckung einer EEA zu versagen, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die EEA zum Zwecke der Verfolgung oder Bestrafung einer Person wegen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, ethnischen Herkunft, Religion, sexuellen Ausrichtung, Nationalität, Sprache oder ihrer politischen Überzeugungen erlassen wurde oder dass die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe beeinträchtigt werden kann.

(40)

Der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Grundrecht. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Charta und Artikel 16 Absatz 1 AEUV hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(41)

Die Mitgliedstaaten sollten bei der Anwendung dieser Richtlinie transparente Strategien für die Verarbeitung personenbezogener Daten und die Ausübung der der betroffenen Person zustehenden Rechte auf Einlegung von Rechtsbehelfen zum Schutz ihrer personenbezogenen Daten vorsehen.

(42)

Nach dieser Richtlinie erlangte personenbezogene Daten sollten nur dann verarbeitet werden, wenn dies für Zwecke, die mit der Prävention, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder mit der Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen und der Ausübung des Rechts auf Verteidigung vereinbar sind, notwendig und diesbezüglich verhältnismäßig ist. Der Zugang zu Informationen mit personenbezogenen Daten sollte befugten Personen vorbehalten sein, wobei dies durch Authentifizierungsverfahren gewährleistet werden kann.

(43)

Gemäß Artikel 3 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat das Vereinigte Königreich mitgeteilt, dass es sich an der Annahme dieser Richtlinie beteiligen möchte.

(44)

Gemäß den Artikeln 1, 2 und 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich Irland nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(45)

Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(46)

Der europäische Datenschutzbeauftragte hat am 5. Oktober 2010, gestützt auf Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (12), eine Stellungnahme abgegeben (13) —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

DIE EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG

Artikel 1

Die Europäische Ermittlungsanordnung und die Verpflichtung zu ihrer Vollstreckung

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden „EEA“) ist eine gerichtliche Entscheidung, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats („Anordnungsstaat“) zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahme(n) in einem anderen Mitgliedstaat („Vollstreckungsstaat“) zur Erlangung von Beweisen gemäß dieser Richtlinie erlassen oder validiert wird.

Die Europäische Ermittlungsanordnung kann auch in Bezug auf die Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, erlassen werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten vollstrecken jede EEA nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß dieser Richtlinie.

(3)   Der Erlass einer EEA kann von einer verdächtigen oder beschuldigten Person oder in deren Namen von einem Rechtsanwalt im Rahmen der geltenden Verteidigungsrechte im Einklang mit dem nationalen Strafverfahrensrecht beantragt werden.

(4)   Diese Richtlinie berührt nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der Rechtsgrundsätze, die in Artikel 6 EUV verankert sind, einschließlich der Verteidigungsrechte von Personen, gegen die ein Strafverfahren geführt wird; die Verpflichtungen der Justizbehörden in dieser Hinsicht bleiben unberührt.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)

„Anordnungsstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die EEA erlassen wird;

b)

„Vollstreckungsstaat“ den die EEA vollstreckenden Mitgliedstaat, in dem die Ermittlungsmaßnahme durchzuführen ist,

c)

„Anordnungsbehörde“

i)

einen Richter, ein Gericht, einen Ermittlungsrichter oder einen Staatsanwalt, der/das in dem betreffenden Fall zuständig ist, oder

ii)

jede andere vom Anordnungsstaat bezeichnete zuständige Behörde, die in dem betreffenden Fall in ihrer Eigenschaft als Ermittlungsbehörde in einem Strafverfahren nach nationalem Recht für die Anordnung der Erhebung von Beweismitteln zuständig ist. Zudem wird die EEA vor ihrer Übermittlung an die Vollstreckungsbehörde von einem Richter, einem Gericht, einem Ermittlungsrichter oder einem Staatsanwalt im Anordnungsstaat validiert, nachdem dieser bzw. dieses überprüft hat, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer EEA nach dieser Richtlinie, insbesondere die Voraussetzungen des Artikels 6 Absatz 1, eingehalten sind. Ist die EEA von einer Justizbehörde validiert worden, so kann auch diese Behörde als Anordnungsbehörde für die Zwecke der Übermittlung einer EEA betrachtet werden;

d)

„Vollstreckungsbehörde“ eine Behörde, die für die Anerkennung einer EEA und für die Sicherstellung ihrer Vollstreckung gemäß dieser Richtlinie und den in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen anzuwendenden Verfahren zuständig ist. Gegebenenfalls erfordern derartige Verfahren eine richterliche Genehmigung im Vollstreckungsstaat, sofern das nationale Recht dieses Staates dies vorsieht.

Artikel 3

Anwendungsbereich der EEA

Die EEA erfasst alle Ermittlungsmaßnahmen, mit Ausnahme der in Artikel 13 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (14) (im Folgenden „Übereinkommen“) und in dem Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates (15) vorgesehenen Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und der Erhebung von Beweismitteln innerhalb einer solchen Ermittlungsgruppe, es sei denn, dies erfolgt zum Zwecke der Anwendung des Artikels 13 Absatz 8 des Übereinkommens und des Artikels 1 Absatz 8 des Rahmenbeschlusses.

Artikel 4

Verfahren, für die die EEA erlassen werden kann

Eine EEA kann erlassen werden:

a)

in Bezug auf Strafverfahren, die eine Justizbehörde wegen einer nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaats strafbaren Handlung eingeleitet hat oder mit denen sie befasst werden kann;

b)

bei Verfahren, die Verwaltungsbehörden wegen Handlungen eingeleitet haben, die nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaats als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden können, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann;

c)

bei Verfahren, die Justizbehörden wegen Handlungen eingeleitet haben, die nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaats als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden können, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann, und

d)

im Zusammenhang mit Verfahren gemäß den Buchstaben a, b und c, die sich auf Straftaten oder Zuwiderhandlungen beziehen, für die im Anordnungsstaat eine juristische Person zur Verantwortung gezogen oder bestraft werden kann.

Artikel 5

Inhalt und Form der EEA

(1)   Die in dem Formblatt in Anhang A wiedergegebene EEA wird von der Anordnungsbehörde ausgefüllt und unterzeichnet; die Anordnungsbehörde bestätigt ferner die Genauigkeit und inhaltliche Richtigkeit der in der EEA enthaltenen Angaben.

Die EEA enthält insbesondere folgende Angaben:

a)

Angaben zur Anordnungsbehörde und gegebenenfalls zur validierenden Behörde;

b)

Gegenstand und Gründe der EEA;

c)

die erforderlichen verfügbaren Angaben zu der/den betroffenen Person(en);

d)

eine Beschreibung der strafbaren Handlung, die Gegenstand der Ermittlungen oder des Verfahrens ist, sowie die anwendbaren Bestimmungen des Strafrechts des Anordnungsstaats;

e)

eine Beschreibung der erbetenen Ermittlungsmaßnahme(n) und der zu erhebenden Beweismittel.

(2)   Jeder Mitgliedstaat gibt an, welche Amtssprache(n) der Organe der Union außer seiner/seinen eigene(n) Amtssprache(n) beim Ausfüllen oder bei der Übersetzung der EEA in den Fällen verwendet werden kann (können), wenn der betreffende Mitgliedstaat selbst Vollstreckungsstaat ist.

(3)   Die zuständige Behörde des Anordnungsstaats übersetzt die EEA nach Anhang A in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats oder in eine vom Vollstreckungsstaat gemäß Absatz 2 dieses Artikels angegebene andere Sprache.

KAPITEL II

VERFAHREN UND SCHUTZGARANTIEN FÜR DEN ANORDNUNGSSTAAT

Artikel 6

Bedingungen für den Erlass und die Übermittlung einer EEA

(1)   Die Anordnungsbehörde darf nur dann eine EEA erlassen, wenn die die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

Der Erlass der EEA ist für die Zwecke der Verfahren nach Artikel 4 unter Berücksichtigung der Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person notwendig und verhältnismäßig und

b)

die in der EEA angegebene(n) Ermittlungsmaßnahme(n) hätte(n) in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen angeordnet werden können.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Bedingungen werden von der Anordnungsbehörde in jedem einzelnen Fall geprüft.

(3)   Hat eine Vollstreckungsbehörde Grund zu der Annahme, dass die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so kann sie die Anordnungsbehörde zu der Frage konsultieren, wie wichtig die Durchführung der EEA ist. Nach dieser Konsultation kann die Anordnungsbehörde entscheiden, die EEA zurückzuziehen.

Artikel 7

Übermittlung der EEA

(1)   Die gemäß Artikel 5 erstellte EEA wird der Vollstreckungsbehörde von der Anordnungsbehörde in einer Form übermittelt, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die dem Vollstreckungsstaat die Feststellung der Echtheit gestatten.

(2)   Weitere amtliche Mitteilungen erfolgen unmittelbar zwischen der Anordnungsbehörde und der Vollstreckungsbehörde.

(3)   Unbeschadet des Artikels 2 Buchstabe d kann jeder Mitgliedstaat eine zentrale Behörde oder, wenn sein Rechtssystem dies vorsieht, mehr als eine zentrale Behörde zur Unterstützung der zuständigen Behörden benennen. Ein Mitgliedstaat kann, wenn sich dies aufgrund des Aufbaus seines Justizsystems als erforderlich erweist, seine zentrale(n) Behörde(n) mit der administrativen Übermittlung und Entgegennahme der EEA sowie des gesamten übrigen sie betreffenden amtlichen Schriftverkehrs betrauen.

(4)   Die Anordnungsbehörde kann die EEA über das Telekommunikationssystem des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN), das mit der Gemeinsamen Maßnahme 98/428/JI des Rates (16) errichtet wurde, übermitteln.

(5)   Ist die Vollstreckungsbehörde nicht bekannt, so nimmt die Anordnungsbehörde alle erforderlichen Anfragen vor — auch über die Kontaktstellen des EJN —, um diese beim Vollstreckungsstaat in Erfahrung zu bringen.

(6)   Ist die Behörde, die im Vollstreckungsstaat die EEA erhält, nicht dafür zuständig, die EEA anzuerkennen oder die erforderlichen Maßnahmen zu deren Vollstreckung zu treffen, so übermittelt sie die EEA von Amts wegen der Vollstreckungsbehörde und unterrichtet die Anordnungsbehörde entsprechend.

(7)   Alle Schwierigkeiten in Verbindung mit der Übermittlung oder der Echtheit der zur Vollstreckung der EEA erforderlichen Unterlagen werden unmittelbar zwischen der beteiligten Anordnungsbehörde und Vollstreckungsbehörde oder gegebenenfalls unter Einschaltung der zentralen Behörden der Mitgliedstaaten zur Sprache gebracht.

Artikel 8

EEA in Bezug auf eine frühere EEA

(1)   Erlässt eine Anordnungsbehörde eine EEA, die eine frühere EEA ergänzt, so gibt sie dies in der EEA entsprechend dem Abschnitt D des Formblatts, das in Anhang A aufgeführt ist, an.

(2)   Wirkt die Anordnungsbehörde gemäß Artikel 9 Absatz 4 an der Vollstreckung der EEA im Vollstreckungsstaat unterstützend mit, so kann sie während ihrer Anwesenheit in diesem Staat — unbeschadet der Mitteilungen nach Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c — eine frühere EEA ergänzende EEA direkt an die zuständige Vollstreckungsbehörde richten.

(3)   Die EEA, die eine frühere EEA ergänzt, muss nach Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 1 bestätigt und, soweit anwendbar, nach Artikel 2 Buchstabe c validiert werden.

KAPITEL III

VERFAHREN UND SCHUTZGARANTIEN FÜR DEN VOLLSTRECKUNGSSTAAT

Artikel 9

Anerkennung und Vollstreckung

(1)   Die Vollstreckungsbehörde erkennt eine nach dieser Richtlinie übermittelte EEA ohne jede weitere Formalität an und gewährleistet deren Vollstreckung in derselben Weise und unter denselben Modalitäten, als wäre die betreffende Ermittlungsmaßnahme von einer Behörde des Vollstreckungsstaats angeordnet worden, es sei denn, die Vollstreckungsbehörde beschließt, einen der Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung oder einen der Gründe für den Aufschub der Vollstreckung nach dieser Richtlinie geltend zu machen.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde hält die von der Anordnungsbehörde ausdrücklich angegebenen Formvorschriften und Verfahren ein, soweit in dieser Richtlinie nichts anderes bestimmt ist und sofern die angegebenen Formvorschriften und Verfahren nicht im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats stehen.

(3)   Erhält eine Vollstreckungsbehörde eine EEA, die nicht von einer Anordnungsbehörde im Sinne des Artikels 2 Buchstabe c erlassen worden ist, so gibt sie die EEA an den Anordnungsstaat zurück.

(4)   Die Anordnungsbehörde kann darum ersuchen, dass eine oder mehrere Behörden des Anordnungsstaats die zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats bei der Vollstreckung der EEA unterstützen, soweit die benannten Behörden des Anordnungsstaats in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall an der Durchführung der in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme(n) mitwirken könnten. Die Vollstreckungsbehörde entspricht dem Ersuchen, sofern diese Unterstützung nicht den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats zuwiderläuft und nicht seinen wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen schadet.

(5)   Die im Vollstreckungsstaat anwesenden Behörden des Anordnungsstaats sind bei der Vollstreckung der EEA an das Recht des Vollstreckungsstaats gebunden. Für sie sind damit keine Strafverfolgungsbefugnisse im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats verbunden, es sei denn, die Wahrnehmung solcher Befugnisse im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats steht im Einklang mit dem Recht des Vollstreckungsstaats und dem zwischen der Anordnungsbehörde und der Vollstreckungsbehörde vereinbarten Umfang.

(6)   Die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde können einander in geeigneter Weise konsultieren, um die effiziente Anwendung dieses Artikels zu erleichtern.

Artikel 10

Rückgriff auf eine Ermittlungsmaßnahme anderer Art

(1)   Die Vollstreckungsbehörde greift, wann immer möglich, auf eine nicht in der EEA vorgesehene Ermittlungsmaßnahme zurück, wenn

a)

die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht besteht oder

b)

die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stehen würde.

(2)   Unbeschadet des Artikels 11 gilt Absatz 1 nicht für folgende Ermittlungsmaßnahmen, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats stets zur Verfügung stehen müssen:

a)

die Erlangung von Informationen oder Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der Vollstreckungsbehörde befinden, wenn die Informationen oder Beweismittel nach dem Recht des Vollstreckungsstaats im Rahmen eines Strafverfahrens oder für die Zwecke der EEA hätten erlangt werden können;

b)

die Erlangung von Informationen, die in Datenbanken der Polizei oder der Justizbehörden enthalten sind und zu denen die Vollstreckungsbehörde im Rahmen eines Strafverfahrens unmittelbar Zugang hat;

c)

die Vernehmung eines Zeugen, eines Sachverständigen, eines Opfers, einer verdächtigen oder beschuldigten Person oder einer dritten Partei im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats;

d)

eine nicht invasive Ermittlungsmaßnahme nach Maßgabe des Rechts des Vollstreckungsstaats;

e)

die Identifizierung von Inhabern eines bestimmten Telefonanschlusses oder einer bestimmten IP-Adresse.

(3)   Die Vollstreckungsbehörde kann auch auf eine andere als die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme zurückgreifen, wenn die von der Vollstreckungsbehörde gewählte Ermittlungsmaßnahme mit weniger einschneidenden Mitteln das gleiche Ergebnis wie die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme erreichen würde.

(4)   Beschließt die Vollstreckungsbehörde, von der in den Absätzen 1 und 3 genannten Möglichkeit Gebrauch zu machen, so unterrichtet sie zuerst die Anordnungsbehörde; diese kann entscheiden, die EEA zurückzunehmen oder zu ergänzen.

(5)   Wenn die in der EEA angegebene Maßnahme gemäß Absatz 1 nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht besteht oder in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stehen würde und es keine andere Ermittlungsmaßnahme gibt, die zu dem gleichen Ergebnis führen würde wie die erbetene Ermittlungsmaßnahme, so teilt die Vollstreckungsbehörde der Anordnungsbehörde mit, dass es nicht möglich war, die erbetene Unterstützung zu leisten.

Artikel 11

Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung

(1)   Unbeschadet des Artikels 1 Absatz 4 kann die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA im Vollstreckungsstaat versagt werden, wenn

a)

nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Immunitäten oder Vorrechte bestehen, die es unmöglich machen, die EEA zu vollstrecken, oder wenn Vorschriften zur Bestimmung und Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Bezug auf die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien bestehen, die es unmöglich machen, die EEA zu vollstrecken;

b)

die Vollstreckung der EEA in einem bestimmten Fall wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen schaden, die Informationsquelle gefährden oder die Verwendung von Verschlusssachen über spezifische nachrichtendienstliche Tätigkeiten voraussetzen würde;

c)

die EEA in einem Verfahren nach Artikel 4 Buchstaben b und c erlassen wurde und die Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zulässig wäre;

d)

die Vollstreckung der EEA dem Grundsatz „ne bis in idem“ zuwiderlaufen würde;

e)

die EEA sich auf eine Straftat bezieht, die außerhalb des Hoheitsgebiets des Anordnungsstaats und ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen worden sein soll, und die Handlung, aufgrund deren die EEA erlassen wird, im Vollstreckungsstaat keine Straftat darstellt;

f)

berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Vollstreckung einer in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme mit den Verpflichtungen des Vollstreckungsstaats nach Artikel 6 EUV und der Charta unvereinbar wäre;

g)

die Handlung, aufgrund deren die EEA erlassen wurde, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt, es sei denn, sie betrifft eine Straftat, die unter den in Anhang D aufgeführten Kategorien von Straftaten genannt wird — wie von der Anordnungsbehörde in der EEA angegeben —, und sofern die Straftat im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist, oder

h)

die Anwendung der in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats auf eine Liste oder Kategorie von Straftaten oder auf Straftaten, die mit einem bestimmten Mindeststrafmaß bedroht sind, beschränkt ist, und die Straftat, die der EEA zugrunde liegt, keine dieser Straftaten ist.

(2)   Absatz 1 Buchstaben g und h finden keine Anwendung auf die unter Artikel 10 Absatz 2 aufgeführten Ermittlungsmaßnahmen.

(3)   Betrifft die EEA eine Straftat in Verbindung mit Steuern oder Abgaben, Zöllen und Devisen, so kann die Vollstreckungsbehörde die Anerkennung oder Vollstreckung nicht aus dem Grund ablehnen, dass das Recht des Vollstreckungsstaats keine gleichartigen Steuern oder Abgaben vorschreibt oder keine gleichartige Steuer- oder Abgabe-, Zoll- und Devisenregelung enthält wie das Recht des Anordnungsstaats.

(4)   Bevor die Vollstreckungsbehörde in den Fällen des Absatzes 1 Buchstaben a, b, d, e und f beschließt, eine EEA ganz oder teilweise nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken, konsultiert sie in geeigneter Weise die Anordnungsbehörde und ersucht sie gegebenenfalls um unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen zusätzlichen Angaben.

(5)   Ist in einem Fall nach Absatz 1 Buchstabe a eine Behörde des Vollstreckungsstaats für die Aufhebung des Vorrechts oder der Immunität zuständig, so ersucht die Vollstreckungsbehörde sie unverzüglich, die entsprechende Zuständigkeit auszuüben. Ist eine Behörde eines anderen Mitgliedstaates oder eine internationale Organisation für die Aufhebung des Vorrechts oder der Immunität zuständig, so ist es an der Anordnungsbehörde, die betreffende Behörde um Ausübung dieser Zuständigkeit zu ersuchen.

Artikel 12

Fristen für die Anerkennung oder Vollstreckung

(1)   Die Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstreckung und die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erfolgen genauso rasch und vorrangig wie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall, auf jeden Fall aber innerhalb der in diesem Artikel vorgesehenen Fristen.

(2)   Hat die Anordnungsbehörde in der EEA angegeben, dass aufgrund von Verfahrensfristen, der Schwere der Straftat oder anderer besonders dringender Umstände eine kürzere Frist als die in diesem Artikel vorgesehenen Fristen notwendig ist, oder wenn die Anordnungsbehörde in der EEA angegeben hat, dass die Ermittlungsmaßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen ist, so wird dies von der Vollstreckungsbehörde möglichst weitgehend berücksichtigt.

(3)   Die Vollstreckungsbehörde trifft die Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstreckung der EEA so bald wie möglich, unbeschadet des Absatzes 5 jedoch spätestens 30 Tage nach Eingang der EEA bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde.

(4)   Sofern keine Gründe für einen Aufschub nach Artikel 15 vorliegen oder sich die Beweismittel, die in der von der EEA erfassten Ermittlungsmaßnahme genannt werden, nicht bereits im Besitz des Vollstreckungsstaats befinden, führt die Vollstreckungsbehörde die Ermittlungsmaßnahme unverzüglich, unbeschadet des Absatzes 5 jedoch spätestens 90 Tage nach Erlass der in Absatz 3 genannten Entscheidung durch.

(5)   Ist es der zuständigen Vollstreckungsbehörde in einem spezifischen Fall praktisch nicht möglich, die Frist nach Absatz 3 oder den bestimmten Zeitpunkt nach Absatz 2 einzuhalten, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in beliebiger Form und gibt dabei die Gründe für die Verzögerung und die voraussichtliche Dauer, die sie für die Entscheidung benötigt, an. In einem solchen Fall kann die Frist nach Absatz 3 um höchstens 30 Tage verlängert werden.

(6)   Ist es der zuständigen Vollstreckungsbehörde in einem spezifischen Fall praktisch nicht möglich, die Frist nach Absatz 4 einzuhalten, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in beliebiger Form, gibt dabei die Gründe für die Verzögerung an und stimmt sich mit der Anordnungsbehörde über den geeigneten Zeitpunkt für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme ab.

Artikel 13

Übermittlung der Beweismittel

(1)   Die Vollstreckungsbehörde übermittelt dem Anordnungsstaat ohne unnötige Verzögerung die Beweismittel, die aufgrund der Vollstreckung der EEA erlangt wurden oder sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden.

Auf ein entsprechendes Ersuchen in der EEA hin werden die Beweismittel, sofern dies nach dem Recht des Vollstreckungsstaats zulässig ist, unmittelbar den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats, die an der Vollstreckung der EEA gemäß Artikel 9 Absatz 4 unterstützend mitwirken, übermittelt.

(2)   Die Übermittlung des Beweismittels kann so lange ausgesetzt werden, bis über einen Rechtsbehelf entschieden wurde, es sei denn, in der EEA werden ausreichende Gründe dafür angegeben, dass eine sofortige Übermittlung für die ordnungsgemäße Durchführung ihrer Ermittlungen oder die Wahrung von individuellen Rechten unerlässlich ist. Allerdings wird die Übermittlung des Beweismittels ausgesetzt, wenn sie der betroffenen Person einen schweren und irreparablen Schaden zufügen würde.

(3)   Die Vollstreckungsbehörde gibt bei der Übermittlung der erlangten Beweismittel an, ob sie verlangt, dass die Beweismittel an den Vollstreckungsstaat zurückzugeben sind, sobald sie von dem Anordnungsstaat nicht mehr benötigt werden.

(4)   Werden die betreffenden Gegenstände, Schriftstücke oder Daten bereits für andere Verfahren benötigt, so kann die Vollstreckungsbehörde auf ausdrückliches Ersuchen der Anordnungsbehörde und nach deren Konsultierung die Beweismittel unter der Voraussetzung vorübergehend übermitteln, dass sie, sobald sie im Anordnungsstaat nicht mehr benötigt werden oder zu einem zwischen den zuständigen Behörden vereinbarten Zeitpunkt oder bei einer zwischen den zuständigen Behörden vereinbarten Gelegenheit an den Vollstreckungsstaat zurückgegeben werden.

Artikel 14

Rechtsbehelfe

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass gegen die in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahmen Rechtsbehelfe eingelegt werden können, die den Rechtsbehelfen gleichwertig sind, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zur Verfügung stehen.

(2)   Die sachlichen Gründe für den Erlass der EEA können nur durch eine Klage im Anordnungsstaat angefochten werden; dies lässt die Garantien der Grundrechte im Vollstreckungsstaat unberührt.

(3)   Wird das Erfordernis der Gewährleistung der Vertraulichkeit einer Ermittlung nach Artikel 19 Absatz 1 dadurch nicht untergraben, so ergreifen die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde die geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Informationen über die nach nationalem Recht bestehenden Möglichkeiten zur Einlegung der Rechtsbehelfe bereitgestellt werden, sobald diese anwendbar werden, und zwar so rechtzeitig, dass die Rechtsbehelfe effektiv wahrgenommen werden können.

(4)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Fristen für die Einlegung eines Rechtsbehelfs mit denen identisch sind, die in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen zur Verfügung stehen, und so angewendet werden, dass gewährleistet ist, dass die betroffenen Parteien diese Rechtsbehelfe wirksam ausüben können.

(5)   Die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde unterrichten einander über die Rechtsbehelfe, die gegen den Erlass bzw. die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA eingelegt werden.

(6)   Die rechtliche Anfechtung bewirkt nicht, dass die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme aufgeschoben wird, es sei denn, dies ist in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen vorgesehen.

(7)   Der Anordnungsstaat berücksichtigt eine erfolgreiche Anfechtung der Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA im Einklang mit seinem nationalen Recht. Unbeschadet der nationalen Verfahrensvorschriften stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass in einem Strafverfahren im Anordnungsstaat bei der Bewertung der mittels einer EEA erlangten Beweismittel die Verteidigungsrechte gewahrt und ein faires Verfahren gewährleistet werden.

Artikel 15

Gründe für den Aufschub der Anerkennung oder der Vollstreckung

(1)   Die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA kann im Vollstreckungsstaat aufgeschoben werden, wenn

a)

die Vollstreckung der Anordnung eine laufende strafrechtliche Ermittlung oder Verfolgung beeinträchtigen könnte, und zwar so lange, wie der Vollstreckungsstaat dies für angemessen hält;

b)

die betreffenden Sachen, Schriftstücke oder Daten bereits in anderen Verfahren verwendet werden, und zwar so lange, bis sie zu diesem Zweck nicht mehr benötigt werden.

(2)   Sobald der Grund für den Aufschub nicht mehr besteht, trifft die Vollstreckungsbehörde unverzüglich die notwendigen Maßnahmen für die Vollstreckung der EEA und unterrichtet hiervon die Anordnungsbehörde in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 16

Informationspflicht

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats, bei der die EEA eingeht, bestätigt deren Eingang unverzüglich, in jedem Fall aber binnen einer Woche nach Eingang der EEA, indem sie das in Anhang B enthaltene Formblatt ausfüllt und entsprechend weiterleitet.

Sofern nach Artikel 7 Absatz 3 eine zentrale Behörde benannt wurde, gilt diese Pflicht sowohl für die zentrale Behörde als auch für die Vollstreckungsbehörde, die die EEA von der zentralen Behörde entgegennimmt.

In den Fällen des Artikels 7 Absatz 6 gilt diese Pflicht sowohl für die zuständige Behörde, die die EEA zuerst entgegengenommen hat, als auch für die Vollstreckungsbehörde, der sie schließlich übermittelt wird.

(2)   Unbeschadet des Artikels 10 Absätze 4 und 5 unterrichtet die Vollstreckungsbehörde die Anordnungsbehörde unverzüglich in beliebiger Form,

a)

wenn sie nicht über die Anerkennung oder Vollstreckung entscheiden kann, weil das im Anhang A vorgesehene Formblatt nicht vollständig oder offensichtlich unrichtig ausgefüllt wurde;

b)

wenn die Vollstreckungsbehörde bei der Vollstreckung der EEA ohne weitere Erkundigungen zu der Auffassung gelangt, dass es sachgerecht sein könnte, Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, die zunächst nicht vorgesehen waren oder die zum Zeitpunkt des Erlasses der EEA nicht angegeben werden konnten, um die Anordnungsbehörde in die Lage zu versetzen, im Einzelfall weitere Maßnahmen zu ergreifen, oder

c)

wenn die Vollstreckungsbehörde feststellt, dass sie im Einzelfall die von der Anordnungsbehörde ausdrücklich angegebenen Formvorschriften und Verfahren nach Artikel 9 nicht einhalten kann.

Auf Ersuchen der Anordnungsbehörde ist die Information unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, zu bestätigen.

(3)   Unbeschadet des Artikels 10 Absätze 4 und 5 informiert die Vollstreckungsbehörde die Anordnungsbehörde unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht,

a)

über alle Entscheidungen nach Artikel 10 oder 11;

b)

über alle Entscheidungen, die Vollstreckung oder Anerkennung der EEA aufzuschieben, die Gründe für den Aufschub und nach Möglichkeit die zu erwartende Dauer des Aufschubs.

Artikel 17

Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten

Bei ihrer Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats im Rahmen der Anwendung dieser Richtlinie werden Beamte des Anordnungsstaats in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, den Beamten des Vollstreckungsstaats gleichgestellt.

Artikel 18

Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten

(1)   Sind im Rahmen der Anwendung dieser Richtlinie Beamte eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats anwesend, so haftet der erstgenannte Mitgliedstaat nach Maßgabe des Rechts des letztgenannten Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Einsatz erfolgt, für den durch seine Beamten bei ihrem Einsatz verursachten Schaden.

(2)   Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der in Absatz 1 genannte Schaden verursacht wurde, ersetzt diesen Schaden so, wie er ihn ersetzen müsste, wenn seine eigenen Beamten ihn verursacht hätten.

(3)   Der Mitgliedstaat, dessen Beamte im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einer Person Schaden zugefügt haben, erstattet diesem anderen Mitgliedstaat den Gesamtbetrag des Schadenersatzes, den dieser letztgenannte Mitgliedstaat an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleistet hat.

(4)   Unbeschadet der Ausübung seiner Rechte gegenüber Dritten und mit Ausnahme des Absatzes 3 verzichtet jeder Mitgliedstaat in den Fällen des Absatzes 1 darauf, den Betrag des erlittenen Schadens anderen Mitgliedstaaten gegenüber geltend zu machen.

Artikel 19

Vertraulichkeit

(1)   Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde bei der Vollstreckung einer EEA der Vertraulichkeit der Ermittlung gebührend Rechnung tragen.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde gewährleistet gemäß ihrem nationalen Recht die Vertraulichkeit des Sachverhalts und des Inhalts der EEA, außer in dem Umfang, der für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erforderlich ist. Kann die Vollstreckungsbehörde dem Erfordernis der Vertraulichkeit nicht entsprechen, so setzt sie die Anordnungsbehörde unverzüglich davon in Kenntnis.

(3)   Die Anordnungsbehörde legt von der Vollstreckungsbehörde zur Verfügung gestellte Beweismittel oder Informationen, sofern die Vollstreckungsbehörde nichts anderes angibt, gemäß ihrem nationalen Recht nicht offen, soweit die Offenlegung nicht für die in der EEA beschriebenen Ermittlungen oder Verfahren erforderlich ist.

(4)   Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Banken die betroffenen Bankkunden oder sonstige Dritte nicht davon in Kenntnis setzen, dass dem Anordnungsstaat eine Information gemäß den Artikeln 26 und 27 erteilt worden ist oder dass Ermittlungen durchgeführt werden.

Artikel 20

Schutz personenbezogener Daten

Bei der Durchführung dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass personenbezogene Daten geschützt werden und nur im Einklang mit dem Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates (17) sowie den Grundsätzen des Übereinkommens des Europarates vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten und dem dazugehörigen Zusatzprotokoll verarbeitet werden dürfen.

Der Zugang zu solchen Daten wird, unbeschadet der Rechte der von der Datenverarbeitung betroffenen Person, beschränkt. Nur befugte Personen haben Zugang zu solchen Daten.

Artikel 21

Kosten

(1)   Sofern in dieser Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist, trägt der Vollstreckungsstaat alle Kosten, die im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats im Zusammenhang mit der Vollstreckung einer EEA entstehen.

(2)   Ist die Vollstreckungsbehörde der Auffassung, dass die Kosten der Vollstreckung einer EEA als außergewöhnlich hoch angesehen werden können, so kann sie die Anordnungsbehörde konsultieren, um zu klären, ob und wie die Kosten geteilt werden könnten bzw. ob und wie die EEA geändert werden könnte.

Die Vollstreckungsbehörde informiert die Anordnungsbehörde vorab im Einzelnen über den Teil der Kosten, der als außergewöhnlich hoch betrachtet wird.

(3)   In Ausnahmefällen, in denen keine Einigung über die in Absatz 2 genannten Kosten herbeigeführt werden kann, kann die Anordnungsbehörde beschließen:

a)

die EEA ganz oder teilweise zurückzuziehen oder

b)

die EEA aufrechtzuerhalten und den Teil der Kosten zu tragen, der als außergewöhnlich hoch betrachtet wird.

KAPITEL IV

BESONDERE BESTIMMUNGEN FÜR BESTIMMTE ERMITTLUNGSMASSNAHMEN

Artikel 22

Zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen an den Anordnungsstaat zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme

(1)   Eine EEA kann für die zeitweilige Überstellung einer im Vollstreckungsstaat inhaftierten Person zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme zur Erhebung von Beweismitteln erlassen werden, bei der die Anwesenheit dieser Person im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats erforderlich ist, sofern die Person innerhalb der vom Vollstreckungsstaat gesetzten Frist zurücküberstellt wird.

(2)   Zusätzlich zu den Gründen für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Artikel 11 kann die Vollstreckung der EEA auch versagt werden, wenn

a)

die inhaftierte Person nicht zustimmt oder

b)

die Überstellung geeignet ist, die Haft der inhaftierten Person zu verlängern.

(3)   Unbeschadet des Absatzes 2 Buchstabe a wird dem gesetzlichen Vertreter der inhaftierten Person die Gelegenheit gegeben, zu der zeitweiligen Überstellung Stellung zu nehmen, wenn der Vollstreckungsstaat dies in Anbetracht des Alters der Person oder ihres körperlichen oder geistigen Zustands für erforderlich hält.

(4)   In den in Absatz 1 genannten Fällen wird die Beförderung der inhaftierten Person durch das Hoheitsgebiet eines dritten Mitgliedstaats (im Folgenden „Transitmitgliedstaat“) auf Antrag gewährt, dem alle notwendigen Schriftstücke beigefügt werden.

(5)   Die praktischen Vorkehrungen für die zeitweilige Überstellung der Person, einschließlich der Angaben zu ihren Haftbedingungen im Anordnungsstaat, und die Termine, an denen sie aus dem Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats zu überstellen und in dieses zurück zu überstellen ist, werden zwischen dem Anordnungsstaat und dem Vollstreckungsstaat vereinbart; dabei wird sichergestellt, dass der körperliche und geistige Zustand der betroffenen Person sowie das im Anordnungsstaat geforderte Sicherheitsniveau berücksichtigt werden.

(6)   Die überstellte Person bleibt im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats und, soweit dies zutrifft, im Hoheitsgebiet des Transitmitgliedstaats, in Haft wegen der Handlungen oder Verurteilungen, für die sie im Vollstreckungsstaat in Haft gehalten wurde, es sei denn, der Vollstreckungsstaat beantragt ihre Freilassung.

(7)   Die Haft im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats wird auf die Dauer des Freiheitsentzugs, dem die betreffende Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats unterliegt oder unterliegen wird, angerechnet.

(8)   Unbeschadet des Absatzes 6 darf eine überstellte Person wegen vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangener Handlungen oder ergangener Verurteilungen, die nicht in der EEA angegeben sind, im Anordnungsstaat weder verfolgt noch inhaftiert noch einer anderen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden.

(9)   Die in Absatz 8 genannte Immunität endet, wenn die überstellte Person während 15 aufeinander folgender Tage ab dem Tag, an dem ihre Anwesenheit von den Anordnungsbehörden nicht länger verlangt wird, die Möglichkeit gehabt hat, das Hoheitsgebiet zu verlassen, und

a)

entweder trotzdem dort verbleibt, oder

b)

wenn sie nach Verlassen des Gebiets dorthin zurückgekehrt ist.

(10)   Die durch die Anwendung dieses Artikels entstehenden Kosten werden gemäß Artikel 21 getragen, mit Ausnahme der Kosten für die Überstellung der Person in den Anordnungsstaat und der Rücküberstellung aus diesem, die vom Anordnungsstaat getragen werden.

Artikel 23

Zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen an den Vollstreckungsstaat zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme

(1)   Eine EEA kann für die zeitweilige Überstellung einer im Anordnungsstaat inhaftierten Person zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme zur Erhebung von Beweismitteln erlassen werden, bei der die Anwesenheit der Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats erforderlich ist.

(2)   Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 22 Absätze 3 bis 9 gelten entsprechend für eine zeitweilige Überstellung nach dem vorliegenden Artikel.

(3)   Die durch die Anwendung des vorliegenden Artikels entstehenden Kosten werden gemäß Artikel 21 getragen, mit Ausnahme der Kosten für die Überstellung der betroffenen Person in den Vollstreckungsstaat und der Rücküberstellung aus diesem, die vom Anordnungsstaat getragen werden.

Artikel 24

Vernehmung per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung

(1)   Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats vernommen werden, so kann die Anordnungsbehörde eine EEA erlassen, um den Zeugen oder Sachverständigen per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 zu vernehmen.

Die Anordnungsbehörde kann eine EEA auch zum Zweck der Vernehmung einer verdächtigen oder beschuldigten Person per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung erlassen.

(2)   Zusätzlich zu den Gründen für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Artikel 11 kann die Vollstreckung einer EEA versagt werden, wenn

a)

die verdächtige oder beschuldigte Person nicht zustimmt oder

b)

die Durchführung dieser Ermittlungsmaßnahme in einem spezifischen Fall im Widerspruch zu den wesentlichen Grundsätzen des Rechts des Vollstreckungsstaats stünde.

(3)   Die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde vereinbaren die praktischen Vorkehrungen für die Vernehmung. Bei der Vereinbarung dieser Modalitäten verpflichtet sich die Vollstreckungsbehörde,

a)

den jeweiligen Zeugen oder Sachverständigen mit Angabe des Zeitpunkts und Orts der Vernehmung vorzuladen;

b)

die verdächtigen oder beschuldigten Personen im Einklang mit den besonderen Vorschriften des Rechts des Vollstreckungsstaats zur Vernehmung vorzuladen und diese Personen in einem Zeitrahmen über ihre Rechte nach dem Recht des Anordnungsstaats zu belehren, der es ihnen ermöglicht, ihre Verteidigungsrechte wirksam auszuüben;

c)

die Identität der zu vernehmenden Person festzustellen.

(4)   Falls die Vollstreckungsbehörde unter den Umständen des Einzelfalls nicht über die technischen Vorrichtungen für eine mittels Videokonferenz abgehaltene Vernehmung verfügt, so können ihr diese von dem Anordnungsstaat in gegenseitigem Einvernehmen zur Verfügung gestellt werden.

(5)   Für eine Vernehmung per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung gelten folgende Regeln:

a)

Bei der Vernehmung ist ein Vertreter der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats, bei Bedarf unterstützt von einem Dolmetscher, anwesend, der auch die Identität der zu vernehmenden Person feststellt und auf die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze des Rechts des Vollstreckungsstaats achtet.

Werden nach Ansicht der Vollstreckungsbehörde bei der Vernehmung die wesentlichen Grundsätze des Rechts des Vollstreckungsstaats verletzt, so trifft er sofort die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit bei der weiteren Vernehmung diese Prinzipien beachtet werden;

b)

zwischen den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats und des Vollstreckungsstaats werden gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der zu vernehmenden Person vereinbart;

c)

die Vernehmung wird unmittelbar von oder unter Leitung der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats nach deren nationalem Recht durchgeführt;

d)

auf Wunsch des Anordnungsstaats oder der zu vernehmenden Person stellt der Vollstreckungsstaat sicher, dass die zu vernehmende Person bei Bedarf von einem Dolmetscher unterstützt wird;

e)

die verdächtigen oder beschuldigten Personen werden vor der Vernehmung darüber belehrt, welche Verfahrensrechte ihnen nach dem Recht des Vollstreckungsstaats und des Anordnungsstaats zustehen, unter anderem auch über das Aussageverweigerungsrecht. Zeugen und Sachverständige können sich auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihnen nach dem Recht des Vollstreckungs- oder des Anordnungsstaats zusteht, und sie sind vor der Vernehmung über dieses Recht zu belehren.

(6)   Unbeschadet etwaiger zum Schutz von Personen vereinbarter Maßnahmen erstellt die Vollstreckungsbehörde nach der Vernehmung ein Protokoll, das Angaben zum Termin und zum Ort der Vernehmung, zur Identität der vernommenen Person, zur Identität und zur Funktion aller anderen im Vollstreckungsstaat an der Vernehmung teilnehmenden Personen, zu einer etwaigen Vereidigung und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Vernehmung stattfand, enthält. Die Vollstreckungsbehörde übermittelt das Dokument der Anordnungsbehörde.

(7)   Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen die Person gemäß diesem Artikel in seinem Hoheitsgebiet vernommen wird und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigert oder falsch aussagt, sein nationales Recht genauso gilt, als wäre die Vernehmung in einem nationalen Verfahren erfolgt.

Artikel 25

Vernehmung per Telefonkonferenz

(1)   Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats vernommen werden, so kann die Anordnungsbehörde des letzteren Mitgliedstaats, wenn ein persönliches Erscheinen der zu vernehmenden Person in seinem Hoheitsgebiet nicht zweckmäßig oder möglich ist, nach Prüfung anderer geeigneter Mittel eine EEA erlassen, um den Zeugen oder Sachverständigen per Telefonkonferenz nach Maßgabe des Absatzes 2 zu vernehmen.

(2)   Sofern nichts anderes vereinbart wird, gilt Artikel 24 Absätze 3, 5, 6 und 7 für Vernehmungen per Telefonkonferenz sinngemäß.

Artikel 26

Informationen über Bank- und sonstige Finanzkonten

(1)   Eine EEA kann erlassen werden, um festzustellen, ob eine natürliche oder juristische Person, gegen die das betreffende Strafverfahren geführt wird, ein oder mehrere Bankkonten gleich welcher Art bei einer im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats niedergelassenen Bank unterhält oder kontrolliert, und — falls dies der Fall ist — sämtliche Angaben zu den identifizierten Konten zu erhalten.

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft nach Maßgabe der Voraussetzungen dieses Artikels die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit er die Informationen nach Absatz 1 zur Verfügung stellen kann.

(3)   Die Informationen nach Absatz 1 erstrecken sich ferner — falls in der EEA darum ersucht wurde — auf Konten, für die die Person, gegen die das betreffende Strafverfahren geführt wird, eine Vollmacht besitzt.

(4)   Die Verpflichtung nach diesem Artikel gilt nur insoweit, als die kontoführende Bank über die diesbezüglichen Informationen verfügt.

(5)   Die Anordnungsbehörde gibt in der EEA die Gründe an, weshalb die erbetenen Auskünfte für das betreffende Strafverfahren wahrscheinlich von wesentlichem Wert sind und weshalb sie annimmt, dass die Konten von Banken im Vollstreckungsstaat geführt werden, und — soweit dies möglich ist — welche Banken möglicherweise betroffen sind. Sie teilt in der EEA ferner die verfügbaren Informationen mit, die die Vollstreckung der EEA erleichtern können.

(6)   Eine EEA kann auch erlassen werden, um festzustellen, ob eine natürliche oder juristische Person, gegen die das betreffende Strafverfahren geführt wird, ein oder mehrere Konten bei einem im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats niedergelassenen Finanzinstitut außerhalb des Bankensektors unterhält. Die Absätze 3 bis 5 gelten sinngemäß. In einem solchen Fall kann die Vollstreckung der EEA zusätzlich zu den in Artikel 11 genannten Gründen für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.

Artikel 27

Informationen über Bank- und sonstige Finanzgeschäfte

(1)   Eine EEA kann erlassen werden, um Angaben über bestimmte Bankkonten sowie über Bankgeschäfte zu erlangen, die während eines bestimmten Zeitraums über ein oder mehrere in der EEA angegebenes/angegebene Bankkonto/Bankkonten getätigt wurden, einschließlich der Angaben über sämtliche Überweisungs- und Empfängerkonten.

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft nach Maßgabe der Voraussetzungen dieses Artikels die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit er die Angaben nach Absatz 1 zur Verfügung stellen kann.

(3)   Die Verpflichtung nach diesem Artikel gilt nur insoweit, als die kontoführende Bank über die diesbezüglichen Informationen verfügt.

(4)   Die Anordnungsbehörde gibt in der EEA die Gründe dafür an, weshalb sie die erbetenen Auskünfte für das betreffende Strafverfahren für relevant erachtet.

(5)   Eine EEA kann auch im Hinblick auf die Angaben nach Absatz 1 zu Finanzgeschäften von Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors erlassen werden. Die Absätze 3 bis 4 gelten sinngemäß. In einem solchen Fall kann die Vollstreckung der EEA zusätzlich zu den in Artikel 11 genannten Gründen für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.

Artikel 28

Ermittlungsmaßnahmen zur Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum

(1)   Wird eine EEA zum Zweck der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme erlassen, die die Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum beinhaltet, wie beispielsweise

a)

die Überwachung von Bank- oder sonstigen Finanzgeschäften, die über ein oder mehrere konkret benannte Bankkonten durchgeführt werden,

b)

kontrollierte Lieferungen im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats,

so kann ihre Vollstreckung zusätzlich zu den in Artikel 11 genannten Gründen für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn die Durchführung der betreffenden Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.

(2)   Die praktischen Vorkehrungen für die Ermittlungsmaßnahme nach Absatz 1 Buchstabe b und in etwaigen anderen Fällen, in denen praktische Vorkehrungen erforderlich sind, werden zwischen dem Anordnungsstaat und dem Vollstreckungsstaat vereinbart.

(3)   Die Anordnungsbehörde gibt in der EEA die Gründe dafür an, weshalb sie die erbetenen Auskünfte für das betreffende Strafverfahren für relevant erachtet.

(4)   Die Befugnis zum Handeln, zur Leitung und zur Kontrolle der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vollstreckung der EEA gemäß Absatz 1 liegt bei den zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats.

Artikel 29

Verdeckte Ermittlungen

(1)   Eine EEA kann erlassen werden, um den Vollstreckungsstaat zu ersuchen, den Anordnungsstaat bei strafrechtlichen Ermittlungen durch verdeckt oder unter falscher Identität handelnde Beamte zu unterstützen (verdeckte Ermittlungen).

(2)   Die Anordnungsbehörde gibt in der EEA an, warum sie der Auffassung ist, dass die verdeckte Ermittlung für das Strafverfahren voraussichtlich relevant ist. Die Entscheidung über die Anerkennung und Vollstreckung einer EEA, die nach diesem Artikel erlassen wurde, wird in jedem Einzelfall von den zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats unter gebührender Beachtung seiner nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren getroffen.

(3)   Zusätzlich zu den in Artikel 11 genannten Gründen für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung einer EEA gemäß Absatz 1 versagen, wenn

a)

die Durchführung der verdeckten Ermittlung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde oder

b)

keine Einigung über die in Absatz 4 genannte Ausgestaltung der verdeckten Ermittlungen erzielt werden konnte.

(4)   Verdeckte Ermittlungen werden nach den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren des Mitgliedstaats durchgeführt, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfinden. Die Befugnis zum Handeln und zur Leitung und Kontrolle der Maßnahmen im Zusammenhang mit verdeckten Ermittlungen liegt ausschließlich bei den zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats. Die Dauer der verdeckten Ermittlungen, die genauen Voraussetzungen und die Rechtsstellung der betreffenden Beamten bei den verdeckten Ermittlungen werden zwischen dem Anordnungsstaat und dem Vollstreckungsstaat unter Beachtung ihrer nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren vereinbart.

KAPITEL V

ÜBERWACHUNG DES TELEKOMMUNIKATIONSVERKEHRS

Artikel 30

Überwachung des Telekommunikationsverkehrs mit technischer Hilfe eines anderen Mitgliedstaats

(1)   Eine EEA kann zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in dem Mitgliedstaat, dessen technische Unterstützung erforderlich ist, erlassen werden.

(2)   Ist mehr als ein Mitgliedstaat in der Lage, im vollen Umfang die erforderliche technische Hilfe für die gleiche Überwachung des Telekommunikationsverkehrs zu leisten, so wird die EEA an nur einen dieser Mitgliedstaaten gerichtet. Es ist stets der Mitgliedstaat vorrangig, in dem sich die Zielperson befindet oder befinden wird.

(3)   Eine EEA gemäß Absatz 1 enthält ferner folgende Angaben:

a)

Angaben, die zum Zwecke der Identifizierung der Zielperson der Überwachung erforderlich sind;

b)

die gewünschte Dauer der Überwachung und

c)

ausreichende technische Daten, insbesondere die Zielkennung, damit gewährleistet wird, dass die EEA vollstreckt werden kann.

(4)   Die Anordnungsbehörde gibt in der EEA die Gründe dafür an, weshalb sie die angegebene Ermittlungsmaßnahme für das betreffende Strafverfahren als relevant erachtet.

(5)   Zusätzlich zu den in Artikel 11 genannten Gründen für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung kann die Vollstreckung einer EEA gemäß Absatz 1 auch versagt werden, wenn die Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde. Der Vollstreckungsstaat kann seine Zustimmung von der Erfüllung jeglicher Bedingungen abhängig machen, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zu erfüllen wären.

(6)   Eine EEA gemäß Absatz 1 kann vollstreckt werden

a)

durch unmittelbare Übertragung des Telekommunikationsverkehrs an den Anordnungsstaat oder

b)

durch Überwachung, Aufzeichnung und anschließende Übermittlung des Ergebnisses der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs an den Anordnungsstaat.

Die Anordnungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde konsultieren einander, um zu vereinbaren, ob die Überwachung gemäß Buchstabe a oder b durchgeführt wird.

(7)   Die Anordnungsbehörde kann, vorbehaltlich der Zustimmung der Vollstreckungsbehörde, bei Erlass einer EEA gemäß Absatz 1 oder während der Überwachung auch um eine Transkription, eine Dekodierung oder eine Entschlüsselung der Aufzeichnung ersuchen, wenn sie besondere Gründe für ein solches Ersuchen hat.

(8)   Die mit der Anwendung dieses Artikels verbundenen Kosten werden gemäß Artikel 21 getragen, mit Ausnahme der Kosten der Transkription, Dekodierung und Entschlüsselung des überwachten Fernmeldeverkehrs, die der Anordnungsstaat trägt.

Artikel 31

Unterrichtung des Mitgliedstaats, in dem sich die Zielperson der Überwachung befindet und dessen technische Hilfe nicht erforderlich ist

(1)   Wenn zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats („überwachender Mitgliedstaat“) genehmigt wurde und der in der Überwachungsanordnung bezeichnete Kommunikationsanschluss der Zielperson der Überwachung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats („unterrichteter Mitgliedstaat“) genutzt wird, von dem für die Durchführung der Überwachung keine technische Hilfe benötigt wird, so hat der überwachende Mitgliedstaat die zuständige Behörde des unterrichteten Mitgliedstaats von der Überwachung wie folgt zu unterrichten:

a)

vor der Überwachung in Fällen, in denen die zuständige Behörde des überwachenden Mitgliedstaats bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der Überwachung davon Kenntnis hat, dass sich die Zielperson der Überwachung im Hoheitsgebiet des unterrichteten Mitgliedstaats befindet oder befinden wird;

b)

während oder nach der Überwachung, und zwar unmittelbar nachdem sie davon Kenntnis erhält, dass sich die Zielperson der Überwachung während der Überwachung im Hoheitsgebiet des unterrichteten Mitgliedstaats befindet oder befunden hat.

(2)   Für die Unterrichtung gemäß Absatz 1 wird das in Anhang C festgelegte Formblatt verwendet.

(3)   Die zuständige Behörde des unterrichteten Mitgliedstaats kann in dem Fall, dass die Überwachung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde, der zuständigen Behörde des überwachenden Mitgliedstaats unverzüglich und spätestens innerhalb von 96 Stunden nach Erhalt der Unterrichtung gemäß Absatz 1 mitteilen,

a)

dass die Überwachung nicht durchgeführt werden kann oder zu beenden ist und

b)

erforderlichenfalls, dass das Material, das bereits gesammelt wurde, während sich die Zielperson der Überwachung im Hoheitsgebiet des unterrichteten Mitgliedstaats befand, nicht oder nur unter den von ihm festzulegenden Bedingungen verwendet werden darf. Die zuständige Behörde des unterrichteten Mitgliedstaats setzt die zuständige Behörde des überwachenden Mitgliedstaats von den Gründen für diese Bedingungen in Kenntnis.

(4)   Artikel 5 Absatz 2 gilt sinngemäß für die Mitteilung gemäß Absatz 2.

KAPITEL VI

VORLÄUFIGE MASSNAHMEN

Artikel 32

Vorläufige Maßnahmen

(1)   Die Anordnungsbehörde kann eine EEA erlassen, damit Maßnahmen ergriffen werden, mit denen die Vernichtung, Veränderung, Entfernung, Übertragung oder Veräußerung von Gegenständen, die als Beweismittel dienen können, vorläufig verhindert wird.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde entscheidet so schnell wie möglich und sofern praktikabel innerhalb von 24 Stunden nach Erhalt der EEA über die vorläufige Maßnahme und teilt diese Entscheidung innerhalb der genannten Frist mit.

(3)   Die Anordnungsbehörde gibt in der EEA, mit der um eine vorläufige Maßnahme gemäß Absatz 1 ersucht wird, an, ob die Beweismittel an den Anordnungsstaat zu übermitteln sind oder im Vollstreckungsstaat verbleiben sollen. Die Anerkennung und Vollstreckung der EEA und die Übermittlung der Beweismittel durch die Vollstreckungsbehörde erfolgen gemäß den in der Richtlinie festgelegten Verfahren.

(4)   Geht eine EEA gemäß Absatz 3 mit dem Ersuchen einher, dass die Beweismittel im Vollstreckungsstaat verbleiben, so gibt die Anordnungsbehörde den Zeitpunkt der Aufhebung der vorläufigen Maßnahme gemäß Absatz 1 oder den voraussichtlichen Zeitpunkt der Vorlage des Ersuchens um Übermittlung der Beweismittel an den Anordnungsstaat an.

(5)   Die Vollstreckungsbehörde kann nach ihrem nationalen Recht und ihren nationalen Gepflogenheiten und nach Anhörung der Anordnungsbehörde den Umständen des Falles angemessene Bedingungen festlegen, um die Dauer, während der die vorläufige Maßnahme gemäß Absatz 1 aufrechterhalten werden soll, zu begrenzen. Beabsichtigt sie, die vorläufige Maßnahme entsprechend diesen Bedingungen zu beenden, so unterrichtet die Vollstreckungsbehörde die Anordnungsbehörde hiervon und gibt ihr die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Die Anordnungsbehörde teilt der Vollstreckungsbehörde unverzüglich mit, dass die vorläufige Maßnahme gemäß Absatz 1 aufgehoben wurde.

KAPITEL VII

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 33

Mitteilungen

(1)   Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission bis zum 22. Mai 2017 Folgendes mit:

a)

die Behörde oder die Behörden, die gemäß seinem nationalen Recht gemäß Artikel 2 Buchstaben c und d zuständig ist bzw. sind, wenn dieser Mitgliedstaat Anordnungsstaat oder Vollstreckungsstaat ist;

b)

die Sprachen, die nach Artikel 5 Absatz 2 für die EEA zugelassen sind;

c)

die Angaben zu der(den) bezeichneten zentralen Behörde(n), wenn der Mitgliedstaat die Möglichkeit nach Artikel 7 Absatz 3 in Anspruch nehmen möchte. Diese Angaben sind für die Behörden des Anordnungsstaats verbindlich;

(2)   Jeder Mitgliedstaat kann der Kommission ferner die Liste der notwendigen Schriftstücke übermitteln, die er im Rahmen des Artikels 22 Absatz 4 verlangen würde.

(3)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über spätere Änderungen der Angaben gemäß Absätze 1 und 2.

(4)   Die Kommission macht die nach diesem Artikel erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Justiziellen Netz (EJN) zugänglich. Das EJN macht die Angaben auf der in Artikel 9 des Beschlusses 2008/976/JI des Rates (18) genannten Website zugänglich.

Artikel 34

Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten, Übereinkünften und Vereinbarungen

(1)   Diese Richtlinie ersetzt ab dem 22. Mai 2017 die entsprechenden Bestimmungen der zwischen den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, geltenden folgenden Übereinkommen, unbeschadet von deren Anwendbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten und deren vorübergehender Anwendbarkeit nach Artikel 35:

a)

das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen des Europarats vom 20. April 1959 sowie die zugehörigen beiden Zusatzprotokolle und die nach Artikel 26 jenes Übereinkommens geschlossenen zweiseitigen Vereinbarungen;

b)

das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen;

c)

das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und das zugehörige Protokoll.

(2)   Der Rahmenbeschluss 2008/978/JI wird für diejenigen Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, ersetzt. Die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2003/577/JI werden für diejenigen Mitgliedstaaten, die in Bezug auf die Sicherstellung von Beweismitteln an diese Richtlinie gebunden sind, ersetzt.

Für diejenigen Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, sind die Bezugnahmen auf den Rahmenbeschluss 2008/978/JI und, in Bezug auf die Sicherstellung von Beweismitteln, auf den Rahmenbeschluss 2003/577/JI als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie zu lesen.

(3)   Über diese Richtlinie hinaus dürfen die Mitgliedstaaten nach dem 22. Mai 2017 nur dann bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit anderen Mitgliedstaaten schließen oder weiterhin anwenden, wenn diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen die Möglichkeit bieten, die Vorschriften dieser Richtlinie weiter zu verstärken, oder zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Verfahren zur Beweiserhebung beitragen, und sofern das in dieser Richtlinie niedergelegte Schutzniveau gewahrt ist.

(4)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission bis zum 22. Mai 2017 über bestehende Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 3, die sie weiterhin anwenden wollen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission ferner über alle neuen Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 3 binnen drei Monaten nach deren Unterzeichnung.

Artikel 35

Übergangsbestimmungen

(1)   Für vor dem 22. Mai 2017 eingegangene Rechtshilfeersuchen gelten weiterhin die bestehenden Rechtsinstrumente zur Rechtshilfe in Strafsachen. Für Entscheidungen über die Sicherstellung von Beweismitteln gemäß dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI, die vor dem 22. Mai 2017 entgegengenommen wurden, gilt ferner jener Rahmenbeschluss.

(2)   Artikel 8 Absatz 1 gilt sinngemäß für die EEA aufgrund einer Sicherstellungsentscheidung, die gemäß dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI erlassen wurde.

Artikel 36

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die Maßnahmen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 22. Mai 2017 nachzukommen.

(2)   Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(3)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis zum 22. Mai 2017 den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in ihr nationales Recht umgesetzt haben.

Artikel 37

Bericht über die Anwendung

Die Kommission legt spätestens fünf Jahre nach dem 21. Mai 2014 dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vor, der sich auf qualitative und quantitative Angaben stützt, einschließlich insbesondere der Bewertung der Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in Strafsachen und den Schutz von Personen sowie der Durchführung der Bestimmungen über die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung. Dem Bericht werden gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie beigefügt.

Artikel 38

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 39

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 3. April 2014.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

M. SCHULZ

Im Namen des Rates

Der Präsident

D. KOURKOULAS


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 14. März 2014.

(2)  Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen zur Sicherstellung von Vermögensgegenständen und Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 45).

(3)  Rahmenbeschluss 2008/978/JI des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen (ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 72).

(4)  Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19).

(5)  Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (ABl. L 280 vom 26.10.2010, S. 1).

(6)  Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl. L 142 vom 1.6.2012, S. 1).

(7)  Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 1).

(8)  Vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstelltes Protokoll zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 326 vom 21.11.2001, S. 2).

(9)  Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1).

(10)  Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15).

(11)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

(12)  Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).

(13)  ABl. C 355 vom 29.12.2010, S. 1.

(14)  Übereinkommen — gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt — über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 3).

(15)  Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (ABl. L 162 vom 20.6.2002, S. 1).

(16)  Gemeinsame Maßnahme 98/428/JI vom 29. Juni 1998 — vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen — zur Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes (ABl. L 191 vom 7.7.1998, S. 4).

(17)  Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden (ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60).

(18)  Beschluss 2008/976/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 über das Europäische Justizielle Netz (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 130).


ANHANG A

EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG (EEA)

Diese EEA wurde von einer zuständigen Behörde angeordnet. Die Anordnungsbehörde bescheinigt, dass der Erlass dieser EEA für die Zwecke des darin angegebenen Verfahrens unter Berücksichtigung der Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person notwendig und angemessen ist, und die Ermittlungsmaßnahmen, um die ersucht wird, unter den gleichen Bedingungen in einem ähnlichen innerstaatlichen Fall hätten angeordnet werden können. Ich ersuche um Durchführung der nachstehend angegebenen Ermittlungsmaßnahme(n) unter gebührender Berücksichtigung der Vertraulichkeit der Ermittlung und um Übermittlung der aufgrund der Vollstreckung der EEA erlangten Beweismittel.

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ANHANG B

EMPFANGSBESTÄTIGUNG FÜR DIE EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG (EEA)

Dieses Formblatt ist von der Behörde des Vollstreckungsstaats auszufüllen, die die nachstehend bezeichnete EEA entgegengenommen hat.

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ANHANG C

UNTERRICHTUNG

Dieses Formblatt wird verwendet, um einen Mitgliedstaat über eine Überwachung des Telekommunikationsverkehrs zu unterrichten, die in seinem Hoheitsgebiet ohne seine technische Unterstützung bereits durchgeführt wurde, gegenwärtig durchgeführt wird oder in Zukunft durchgeführt werden soll. Hiermit unterrichte ich … (unterrichteter Mitgliedstaat) über die Überwachung.

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ANHANG D

KATEGORIEN VON STRAFTATEN GEMÄSS ARTIKEL 11

Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung

Terrorismus

Menschenhandel

Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie

Illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen

Illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen

Korruption

Betrugsdelikte, einschließlich des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union im Sinne des Übereinkommens vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften

Wäsche von Erträgen aus Straftaten

Geldfälschung einschließlich der Euro-Fälschung

Cyberkriminalität

Umweltkriminalität, einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder mit bedrohten Pflanzen- und Baumarten

Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen Aufenthalt

Vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung

Illegaler Handel mit menschlichen Organen und menschlichem Gewebe

Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Raub in organisierter Form oder mit Waffen

Illegaler Handel mit Kulturgütern, einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenständen

Betrug

Erpressung und Schutzgelderpressung

Nachahmung und Produktpiraterie

Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit

Fälschung von Zahlungsmitteln

Illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern

Illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen

Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen

Vergewaltigung

Brandstiftung

Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen

Flugzeug- und Schiffsentführung

Sabotage