30.5.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 135/19


ENTSCHEIDUNG DES RATES

vom 27. April 2009

über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Frankreich

(2009/414/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 104 Absatz 6,

auf Empfehlung der Kommission,

unter Berücksichtigung der Bemerkungen Frankreichs,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 104 des Vertrags müssen die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite vermeiden.

(2)

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht auf dem Ziel einer gesunden öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein kräftiges tragfähiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist.

(3)

Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit nach Artikel 104, das durch die (zum Stabilitäts- und Wachstumspakt gehörende) Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (1) näher geregelt wird, sieht eine Entscheidung über das Bestehen eines übermäßigen Defizits vor. Das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im Anhang des Vertrags enthält weitere Bestimmungen zur Durchführung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit. In der Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates (2) werden detaillierte Regeln und Definitionen für die Anwendung des genannten Protokolls festgelegt.

(4)

Die Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 2005 diente dem Ziel, die Haushaltsdisziplin stärker zu verankern, seine Effizienz und wirtschaftlichen Grundlagen zu stärken und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten. Ferner sollte sichergestellt werden, dass die wirtschaftliche und budgetäre Lage auf allen Stufen des Defizitverfahrens in vollem Umfang berücksichtigt wird. Auf diese Weise bietet der Stabilitäts- und Wachstumspakt einen Rahmen, der die Politik der Regierungen zur umgehenden Wiederherstellung einer soliden Haushaltsposition mit Rücksicht auf die Wirtschaftslage unterstützt.

(5)

Nach Artikel 104 Absatz 5 des Vertrags hat die Kommission dem Rat eine Stellungnahme vorzulegen, wenn sie der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte. Angesichts ihres Berichts nach Artikel 104 Absatz 3 und nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses gemäß Artikel 104 Absatz 4 ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass in Frankreich ein übermäßiges Defizit besteht. Deshalb übermittelte sie dem Rat am 24. März 2009 eine Stellungnahme zu Frankreich (3).

(6)

Nach Artikel 104 Absatz 6 des Vertrags hat der Rat die Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, zu berücksichtigen, bevor er nach Prüfung der Gesamtlage entscheidet, ob ein übermäßiges Defizit besteht. Im Falle Frankreichs führt die Prüfung der Gesamtlage zu folgenden Schlussfolgerungen.

(7)

Nach den von den französischen Behörden am 6. Februar 2009 gemeldeten Daten erreichte das gesamtstaatliche Defizit Frankreichs im Jahr 2008 3,2 % des BIP (4) und lag damit über dem Referenzwert von 3 % des BIP. In ihrem Bericht nach Artikel 104 Absatz 3 kam die Kommission zu dem Schluss, dass das Defizit zwar in der Nähe des Referenzwerts von 3 % des BIP lag, das Überschreiten des Referenzwerts im Sinne des Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts aber nicht als ausnahmsweise angesehen werden kann. Im Sinne des Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts kann es vor allem nicht als Folge eines schweren Wirtschaftsabschwungs im Jahr 2008 betrachtet werden. Laut dem Statistischen Amt Frankreichs (INSEE) ist das BIP-Wachstum nach 2,2 % im Jahr 2007 auf 0,7 % im Jahr 2008 gefallen. Die Überschreitung des Referenzwerts kann auch nicht als vorübergehend angesehen werden. Das gesamtstaatliche Defizit wird der Zwischenprognose der Kommissionsdienststellen vom Januar 2009 zufolge im Jahr 2009 5,4 % des BIP erreichen und im Jahr 2010 unter Annahme einer unveränderten Politik nur leicht auf 5 % sinken, da sich das Konjunkturprogramm dann nicht mehr auf den Haushalt auswirken wird. Das Defizitkriterium des Vertrags ist somit nicht erfüllt.

(8)

Gemäß Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 können „einschlägige Faktoren“ bei den Verfahrensschritten, die zur Entscheidung des Rates über das Bestehen eines übermäßigen Defizits nach Artikel 104 Absatz 6 führen, nur dann berücksichtigt werden, wenn die doppelte Bedingung, dass das Defizit in der Nähe des Referenzwertes bleibt und der Referenzwert vorübergehend überschritten wird, vollständig erfüllt ist. Dies ist bei Frankreich nicht der Fall. Daher werden in den Verfahrensschritten auf dem Weg zu dieser Entscheidung keine sonstigen einschlägigen Faktoren berücksichtigt —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Nach Prüfung der Gesamtlage ist festzustellen, dass in Frankreich ein übermäßiges Defizit besteht.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Französische Republik gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 27. April 2009.

Im Namen des Rates

Der Präsident

A. VONDRA


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.

(2)  ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 7.

(3)  Alle Dokumente zum Defizitverfahren gegen Frankreich können abgerufen werden unter:

http://ec.europa.eu/economy_finance/netstartsearch/pdfsearch/pdf.cfm?mode=_m2.

(4)  Die Regierung teilte am 4. März mit, dass das Defizit im Jahr 2008 3,4 % des BIP erreicht. Hierbei handelt es sich um eine vorläufige Schätzung.