30.7.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 198/1


VERORDNUNG (EU) Nr. 679/2010 DES RATES

vom 26. Juli 2010

zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 479/2009 im Hinblick auf die Qualität der statistischen Daten im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 126 Absatz 14 Unterabsatz 3,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Glaubwürdigkeit der Haushaltsüberwachung hängt entscheidend von verlässlichen Haushaltsstatistiken ab. Es ist von größter Bedeutung, dass die Daten, die von den Mitgliedstaaten nach der Verordnung (EG) Nr. 479/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (2) gemeldet werden, von hoher Qualität und Zuverlässigkeit sind.

(2)

In den letzten Jahren kam es zu einer Weiterentwicklung des Governance-Rahmens der Europäischen Union für die Finanzstatistik und zu einer Anpassung der institutionellen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf eine verbesserte Überwachung der Haushaltsdaten durch die Kommission (Eurostat).

(3)

Der überarbeitete Governance-Rahmen für die Finanzstatistik hat insgesamt gut funktioniert und im Allgemeinen bei der Meldung der einschlägigen Finanzdaten zum öffentlichen Defizit und zum öffentlichen Schuldenstand befriedigende Ergebnisse gebracht. Insbesondere haben die Mitgliedstaaten überwiegend eine solide und vertrauensvolle Zusammenarbeit an den Tag gelegt sowie die Fähigkeit zur Übermittlung von Finanzdaten hoher Qualität unter Beweis gestellt.

(4)

Die jüngsten Entwicklungen haben jedoch auch klar gezeigt, dass der derzeitige Governance-Rahmen für die Finanzstatistik das Risiko der Meldung unrichtiger oder ungenauer Daten an die Kommission nicht ausreichend eindämmt.

(5)

In diesem Zusammenhang sollte die Kommission (Eurostat) in einigen Ausnahmefällen (methodenbezogene Besuche) über zusätzliche Zugangsrechte zu einer erweiterten Palette von Informationen zwecks Beurteilung der Datenqualität in vollem Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken (3) hinsichtlich der fachlichen Unabhängigkeit verfügen.

(6)

Für die Durchführung von methodenbezogenen Besuchen in einem Mitgliedstaat, dessen statistische Informationen einer Überprüfung unterliegen, sollte die Kommission (Eurostat) deshalb das Recht erhalten, auf die Haushaltsdaten staatlicher Einheiten auf Bundes- bzw. zentralstaatlicher, Länder- und Gemeindeebene sowie auf Sozialversicherungsebene zuzugreifen; zudem sollten ihr ausführliche Angaben über die zugrunde liegende Rechnungslegung, die einschlägigen statistischen Erhebungen und Fragebogen sowie sonstige sachdienliche Informationen unter Einhaltung der Rechtsvorschriften über Datenschutz und statistische Geheimhaltung vorgelegt werden.

(7)

Die Haushalte einzelner staatlicher Einrichtungen sowie öffentlicher Stellen, die nicht zum Staatssektor gehören, sollten der Hauptgegenstand der Kontrollen sein, und die Haushaltsdaten sollten in Bezug auf ihren statistischen Nutzen beurteilt werden.

(8)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Institutionen und Beamten, die für die Meldung der tatsächlichen Daten an die Kommission (Eurostat) und die zugrunde liegenden Haushaltsdaten zuständig sind, die Verpflichtungen aufgrund der statistischen Grundsätze vollständig einhalten.

(9)

Die Verordnung (EG) Nr. 479/2009 sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 479/2009

Die Verordnung (EG) Nr. 479/2009 wird wie folgt geändert:

1.

Folgender Artikel wird eingefügt:

„Artikel 2a

‚Zugang‘ bedeutet, dass die einschlägigen Unterlagen und sonstigen Informationen auf Verlangen entweder unverzüglich oder so bald danach vorzulegen sind, wie dies mit der benötigten Zeit für die Einholung der verlangten Informationen vereinbar ist.“

2.

Artikel 8 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2)   Unbeschadet der die statistische Geheimhaltung betreffenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken (4) übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission (Eurostat) so rasch wie möglich die für die Beurteilung der Datenqualität angeforderten relevanten statistischen Informationen.

Statistische Informationen im Sinne des Unterabsatzes 1 sind nur solche Angaben, die für die Prüfung der Einhaltung der ESVG-Vorschriften unbedingt erforderlich sind. Der Begriff ‚statistische Informationen‘ bezeichnet insbesondere:

a)

Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen;

b)

Aufstellungen;

c)

VÜD-Datenübermittlungstabellen;

d)

zusätzliche Fragebogen und Präzisierungen im Zusammenhang mit den Datenübermittlungen.

Das Format der Fragebogen wird von der Kommission (Eurostat) nach Anhörung des Ausschusses für die Währungs-, Finanz- und Zahlungsbilanzstatistiken (im Folgenden ‚AWFZ‘ genannt) festgelegt.

3.

Artikel 11 erhält folgende Fassung:

„Artikel 11

(1)   Die Kommission (Eurostat) unterhält einen ständigen Dialog mit den statistischen Behörden der Mitgliedstaaten. Hierzu führt die Kommission (Eurostat) in allen Mitgliedstaaten regelmäßige Gesprächsbesuche und gegebenenfalls methodenbezogene Besuche durch.

(2)   Wenn die Kommission (Eurostat) Gesprächsbesuche und methodenbezogene Besuche durchführt, übermittelt sie den betroffenen Mitgliedstaaten ihre vorläufigen Feststellungen zur Stellungnahme.“

4.

Folgende Artikel werden eingefügt:

„Artikel 11a

Die Gesprächsbesuche dienen der Überprüfung der gemeldeten tatsächlichen Daten nach Artikel 8, der Untersuchung methodischer Fragen, der Erörterung der in den Aufstellungen beschriebenen statistischen Verfahren und Quellen sowie der Beurteilung, ob die Verbuchungsregeln eingehalten wurden. Die Gesprächsbesuche sind dazu zu nutzen, um Risiken oder potenzielle Probleme bei der Qualität der gemeldeten Daten zu ermitteln.

Artikel 11b

(1)   Die methodenbezogenen Besuche dienen dazu, die den gemeldeten Daten zugrunde liegenden Verfahren und Haushaltsdaten zu überprüfen und eine detaillierte Bewertung der Qualität der gemeldeten Daten nach Artikel 8 Absatz 1 vorzunehmen.

(2)   Die methodenbezogenen Besuche finden nur in Ausnahmefällen statt, in denen eindeutige Hinweise auf erhebliche Risiken oder Probleme bei der Datenqualität vorliegen.

(3)   Für die Zwecke dieser Verordnung könnte beispielsweise in folgenden Fällen davon ausgegangen werden, dass erhebliche Risiken oder Probleme bei der Qualität der von einem Mitgliedstaat gemeldeten Daten bestehen:

a)

Die Defizit- oder Schuldenstandsdaten unterliegen häufigen und umfänglichen Korrekturen, für die keine klare und angemessene Rechtfertigung vorgebracht wird;

b)

der betreffende Mitgliedstaat übermittelt der Kommission (Eurostat) nicht alle im Rahmen der Runden zur Klärung der VÜD-Datenmeldung oder infolge eines Gesprächsbesuchs verlangten statistischen Informationen innerhalb des zwischen beiden Seiten vereinbarten Zeitraums und legt keine klare und angemessene Begründung für die Verzögerung oder sein Nichtreagieren vor;

c)

der betreffende Mitgliedstaat ändert einseitig und ohne klare Rechtfertigung die in der Aufstellung dargelegten Quellen und Methoden für die Schätzung des öffentlichen Defizits und der öffentlichen Schuldenstände — mit erheblichen Folgen für die Schätzungen;

d)

es liegen — mit möglicherweise erheblichen Folgen für die Schuldenstands- oder Defizitstatistiken — noch offene zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission (Eurostat) ungelöste methodenbezogene Fragen vor, die sich aus den Klärungsrunden oder früheren Gesprächsbesuchen ergeben haben, was zu Vorbehalten der Kommission (Eurostat) bei zwei aufeinanderfolgenden VÜD-Datenmeldungen geführt hat;

e)

es werden anhaltende, ungewöhnlich hohe Bestandsanpassungen verzeichnet, für die keine klare Rechtfertigung vorgebracht wird.

(4)   Hauptsächlich unter Berücksichtigung der in Absatz 3 genannten Kriterien trifft die Kommission (Eurostat) nach Unterrichtung des AWFZ eine Entscheidung über die Durchführung eines methodenbezogenen Besuchs.

(5)   Die Kommission sollte dem Wirtschafts- und Finanzausschuss umfassende Informationen über die Gründe für die methodenbezogenen Besuche übermitteln.“

5.

Artikel 12 Absätze 1 und 2 erhalten folgende Fassung:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sollen auf Verlangen der Kommission (Eurostat) auf freiwilliger Basis Experten für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zur Unterstützung, auch bei der Vorbereitung und Durchführung methodenbezogener Besuche, bereitstellen. Im Rahmen ihrer Aufgaben stellen diese Experten unabhängiges Fachwissen zur Verfügung. Eine Liste solcher Experten für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wird auf der Grundlage von Vorschlägen erstellt, die der Kommission (Eurostat) von den für Meldungen im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zuständigen nationalen Behörden übermittelt werden.

Die Kommission legt die Regeln und Verfahren zur Auswahl der Experten — unter Berücksichtigung einer geeigneten Streuung und Rotation der Experten zwischen den Mitgliedstaaten — sowie deren Arbeitsbedingungen und die finanziellen Einzelheiten fest. Die Kommission trägt gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die gesamten Kosten, die den Mitgliedstaaten im Rahmen der Unterstützung durch ihre nationalen Experten entstehen.

(2)   Im Rahmen der methodenbezogenen Besuche hat die Kommission (Eurostat) das Recht, auf die Haushaltsdaten sämtlicher staatlichen Einheiten auf Bundes- bzw. zentralstaatlicher, Landes- und Gemeindeebene sowie auf Sozialversicherungsebene zuzugreifen; zudem sind ihr Angaben über die bestehende zugrunde liegende detaillierte Rechnungslegung und Haushaltsführung zur Verfügung zu stellen.

In diesem Sinne umfassen die Angaben zur Rechnungslegung und Haushaltsführung:

Transaktionen und Vermögensbilanzen,

relevante statistische Erhebungen und Fragebogen des Staatssektors sowie sonstige sachdienliche Informationen wie Analysen,

Angaben der einschlägigen nationalen, regionalen und kommunalen Behörden zu der Ausführung des Haushalts aller Teilsektoren des Staatssektors,

die Haushaltsdaten außerbudgetärer Einrichtungen, Verbände und nicht-gewinnorientierter sowie sonstiger Einrichtungen, die in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zum Staatssektor gehören,

die Haushaltsdaten der Sozialversicherungsfonds.

Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um die methodenbezogenen Besuche zu erleichtern. Diese Besuche können bei den nationalen Behörden, die an den Meldungen im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit beteiligt sind, sowie bei allen direkt oder indirekt mit der Erstellung der Haushaltsdaten und der Daten zum öffentlichen Schuldenstand befassten Stellen stattfinden. In beiden Fällen unterstützen die nationalen statistischen Ämter als die nationalen Koordinatoren nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 die Kommission (Eurostat) bei der Organisation und Koordinierung der Besuche. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese nationalen Behörden und Stellen sowie erforderlichenfalls ihre nationalen Behörden, zu deren Aufgaben die Überwachung des Haushalts gehört, den Beamten der Kommission oder den anderen in Absatz 1 genannten Experten die Unterstützung gewähren, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, und ihnen unter anderem Unterlagen zugänglich machen, die zum Nachweis der gemeldeten tatsächlichen Defizit- und Schuldenstandszahlen und der ihnen zugrunde liegenden Haushaltsdaten herangezogen werden. Vertrauliche Aufzeichnungen des nationalen statistischen Systems sowie sonstige vertrauliche Daten sollten der Kommission (Eurostat) nur zwecks Beurteilung der Qualität zur Verfügung gestellt werden. Die Experten für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die die Kommission (Eurostat) im Rahmen der methodenbezogenen Besuche unterstützen, unterzeichnen vor dem Zugriff auf diese vertraulichen Aufzeichnungen oder Daten eine Verpflichtungserklärung über die Wahrung der Geheimhaltung.“

6.

Artikel 16 erhält folgende Fassung:

„Artikel 16

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die der Kommission (Eurostat) gemeldeten tatsächlichen Daten in Übereinstimmung mit den in Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 festgelegten Grundsätzen geliefert werden. Die nationalen Statistikämter gewährleisten in diesem Zusammenhang, dass die gemeldeten Daten mit Artikel 1 der vorliegenden Verordnung und den zugrunde liegenden Verbuchungsregeln des ESVG 95 im Einklang stehen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Statistikämter Zugang zu allen für die Erfüllung dieser Aufgaben sachdienlichen Informationen erhalten.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass die für die Meldung der tatsächlichen Daten an die Kommission (Eurostat) und der zugrunde liegenden Haushaltsdaten verantwortlichen Institutionen und Beamten rechenschaftspflichtig sind und nach den in Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 festgelegten Grundsätzen handeln.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 26. Juli 2010

Im Namen des Rates

Der Präsident

S. VANACKERE


(1)  ABl. C 103 vom 22.4.2010, S. 1.

(2)  ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 1.

(3)  ABl. L 87 vom 31.3.2009, S. 164.

(4)  ABl. L 87 vom 31.3.2009, S. 164.“