6.12.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 314/64


VERORDNUNG (EU) 2022/2372 DES RATES

vom 24. Oktober 2022

über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 122 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Ad-hoc-Maßnahmen der Kommission zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 waren reaktiv, und die Union war — insbesondere in der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie — nicht hinreichend vorbereitet, um eine effiziente Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verteilung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen sicherzustellen. Die Pandemie hat auch offenbart, dass es keinen zufriedenstellenden Überblick über die Forschungstätigkeiten und Produktionskapazitäten sowie die Schwachstellen bei globalen Lieferketten gibt.

(2)

Die gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, dass es eines Rahmens für Maßnahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage bedarf, damit die Union die Maßnahmen ergreifen kann, die notwendig sind, um die ausreichende und rechtzeitige Verfügbarkeit und Bereitstellung von derartigen Gegenmaßnahmen sicherzustellen, wenn dies der Wirtschaftslage angemessen ist. Mit dieser Verordnung soll zu diesem Zweck ein wirtschaftspolitisches Instrument geschaffen werden, das von grundlegender Bedeutung ist, um die negativen wirtschaftlichen Folgen von Gesundheitskrisen — etwa Negativwachstum, Arbeitslosigkeit, Marktstörungen, Fragmentierung des Binnenmarkts und Hindernisse für eine rasche Herstellung —, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in großem Umfang festgestellt wurden, zu vermeiden und letztlich die wirtschaftliche Stabilität der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

(3)

Wird eine gesundheitliche Notlage auf Unionsebene festgestellt, sollte der Rat gemäß Artikel 122 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auf Vorschlag der Kommission beschließen können, den Rahmen für Maßnahmen zu aktivieren, soweit die entsprechenden Maßnahmen unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, gemäß Artikel 9 AEUV ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, und dem möglichen Risiko einer globalen Unterbrechung der Versorgung mit krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen, das sich auf die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten auswirken könnte, der Wirtschaftslage angemessen sind. Im Vorschlag der Kommission sollten die Gründe für die vorgeschlagene Aktivierung eines Notfallrahmens für Maßnahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage, wie mit dieser Verordnung festgelegt (im Folgenden „Notfallrahmen“), und jeder der vorgeschlagenen Maßnahmen sowie deren Notwendigkeit erläutert werden; dies umfasst eine Analyse der voraussichtlichen Auswirkungen, der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und der finanziellen Auswirkungen für jede der vorgeschlagenen Maßnahmen. Die Anwendung von Maßnahmen innerhalb dieses Notfallrahmens sollte auf höchstens sechs Monate begrenzt werden. Es sollte möglich sein, die Anwendung dieser Maßnahmen der Lage entsprechend zu verlängern. Bei der Durchführung dieser Maßnahmen sollte die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung, einschließlich der Zuweisung der Mittel auf nationaler Ebene, gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV gewahrt werden.

(4)

Der Notfallrahmen sollte die Einrichtung eines Gesundheitskrisenstabs für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen umfassen, damit die Koordinierung von Vorgehensweisen auf Unionsebene gewährleistet werden kann. Dies ist aufgrund der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Unionsebene und der nationalen Ebene von besonderer Bedeutung. Die Kommission sollte in der Lage sein, auf eigene Initiative oder auf Vorschlag des Gesundheitskrisenstabs Untergruppen oder Ad-hoc-Arbeitsgruppen zur Unterstützung des Gesundheitskrisenstabs einzusetzen, gegebenenfalls auch für industrielle Aspekte. Um eine wirksame und systematische Beteiligung der Mitgliedstaaten an den zur Durchführung dieser Verordnung getroffenen Entscheidungen zu gewährleisten, sollten Regeln für die Beratungen des Gesundheitskrisenstabs festgelegt werden. Bei ihren Beratungen sollten sich die Mitglieder des Gesundheitskrisenstabs nach Kräften um Einvernehmen bemühen. Kann kein Einvernehmen erzielt werden, und um einen reibungslosen Beratungsmechanismus sicherzustellen, sollte der Gesundheitskrisenstab mit Zweidrittelmehrheit handeln, wobei jeder Mitgliedstaat eine Stimme abgibt. Damit der Gesundheitskrisenstab wirksam arbeiten und rasch Entscheidungen treffen kann, ist es darüber hinaus sinnvoll, dass er mittels Vorsorge- und Reaktionsplanung durch die mit einem Beschluss der Kommission (1) vom 16. September 2021 eingerichtete Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) unterstützt wird. Diese Vorsorge- und Reaktionsplanung hat eine Bewertung für die Zwecke der Aktivierung von Maßnahmen nach dieser Verordnung bereitzustellen, die Geschäftsordnung des Gesundheitskrisenstabs vorzuschlagen, Verhandlungsmandate und Verfahrensvorschriften für gemeinsame Beschaffungen zu entwerfen und relevante Informationen für die Erstellung eines Verzeichnisses der Produktion und Produktionsanlagen für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen bereitzustellen. Die Beteiligung der Mitgliedstaaten sollte auch zur notwendigen Koordinierung zwischen der Durchführung dieser Verordnung und den Tätigkeiten der HERA beitragen. Der Gesundheitskrisenstab sollte sich gegebenenfalls auch mit dem in dem Beschluss der Kommission vom 16. September 2021 genannten HERA-Board abstimmen können.

(5)

Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten ihren Vertreter und einen stellvertretenden Vertreter im Gesundheitskrisenstab ernennen.

(6)

Die Kommission sollte sicherstellen, dass ein Verzeichnis krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe erstellt wird und dass Angebot und Nachfrage beobachtet werden. Dies sollte einen umfassenden Überblick über die erforderlichen krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen sowie über die Fähigkeit der Union geben, dem jeweiligen Bedarf gerecht zu werden, und in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit Orientierung für die entsprechenden Entscheidungen bieten.

(7)

In Anbetracht des Mandats der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und ihrer Rolle bei der Überwachung und bei der Minderung potenzieller und tatsächlicher Engpässe bei Arzneimitteln, Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika, einschließlich der Erstellung von Listen kritischer Arzneimittel und kritischer Medizinprodukte, sollte gemäß der Verordnung (EU) 2022/123 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eine enge Zusammenarbeit und Koordination zwischen der Kommission und der EMA sichergestellt werden, um die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Bei der Wahrnehmung der in den Artikeln 7 bis 13 der vorliegenden Verordnung genannten Aufgaben sollte die Kommission, einschließlich der HERA, die Zuständigkeiten der EMA uneingeschränkt achten. Ein Vertreter der Hochrangigen Lenkungsgruppe für Engpässe bei Medizinprodukten, die mit Artikel 21 der Verordnung (EU) 2022/123 eingerichtet wurde, ein Vertreter der Notfall-Einsatzgruppe, die mit Artikel 15 der genannten Verordnung eingerichtet wurde, und ein Vertreter der Hochrangigen Lenkungsgruppe zur Überwachung von Engpässen bei Arzneimitteln und zur Sicherheit von Arzneimitteln, die mit Artikel 3 der genannten Verordnung eingerichtet wurde, sollten als Beobachter in den Gesundheitskrisenstab eingeladen werden. Dies sollte die reibungslose Übermittlung von Daten und Informationen in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf Unionsebene — auch über integrierte IT-Systeme — ergänzen.

(8)

Was die Beobachtung von Nachfrage und Angebot bezüglich medizinischer Gegenmaßnahmen in den Drittländern betrifft, sollte die Kommission im Interesse der internationalen Zusammenarbeit einen Dialog mit ihren Amtskollegen führen.

(9)

Bei den Maßnahmen sollten auch die Strukturen und Mechanismen berücksichtigt werden, die durch die Rechtsakte der Union zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren — die Verordnung (EU) 2022/2371 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) — und zur Erweiterung des Mandats des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) — die Verordnung (EU) 2022/2370 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) — geschaffen wurden, um die Reaktionskoordinierung innerhalb des Gesundheitssicherheitsausschusses und des Beratenden Ausschusses für gesundheitliche Notlagen, die gemäß der Artikel 4 bzw. Artikel 24 der Verordnung (EU) 2022/2371 eingerichtet wurden, unter Berücksichtigung der Beiträge des ECDC zur epidemiologischen Überwachung und Beobachtung zu gewährleisten. Zu den Sitzungen des Gesundheitskrisenstabs sollte der Direktor des ECDC und ein Vertreter des Beratenden Ausschusses für gesundheitliche Notlageneingeladen werden. Ein Mitglied des Gesundheitssicherheitsausschusses sollte ebenfalls — als Beobachter — zum Gesundheitskrisenstab geladen werden.

(10)

Für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen und Rohstoffe sollten effiziente Beschaffungsverfahren sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang kann die Kommission im Rahmen der Vorschriften und Verfahren der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) und gegebenenfalls der Verordnung (EU) 2016/369 des Rates (6) sowie des gemeinsamen Beschaffungsverfahrens gemäß Artikel 12 der Verordnung (EU) 2022/2371 als zentrale Beschaffungsstelle für die teilnehmenden Mitgliedstaaten fungieren. Um eine zügige und effiziente Beschaffung in Krisenzeiten zu ermöglichen, könnten Vereinfachungen der Verfahren erforderlich sein. Außerdem sollte nach den Erfahrungen im Zusammenhang mit der Beschaffung während der COVID-19-Pandemie dafür gesorgt werden, dass die Mitgliedstaaten besser in die Vorbereitung und die Vergabe von Aufträgen einbezogen werden. Durch Vereinbarungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sollte sichergestellt werden, dass alle Mitgliedstaaten gleichberechtigten und rechtzeitigen Zugang zu allen Informationen haben und ihren Bedürfnissen gebührend Rechnung getragen wird. Die Beschaffung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen im Rahmen dieser Verordnung kann in Abhängigkeit von der Zustimmung der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu solchen Beschränkungen in ausschließlicher oder nicht ausschließlicher Form erfolgen.

(11)

Ausgehend vom Bedarf der Mitgliedstaaten sollte sich die Kommission nach Beratung durch den Gesundheitskrisenstab bemühen sicherzustellen, dass alle krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen, die im Rahmen dieser Verordnung beschafft oder entwickelt werden, den einschlägigen rechtlichen Anforderungen der Union — wobei gegebenenfalls abweichende Regelungen oder andere nationale Ausnahmen zulässig sein sollten — oder des nationalen Rechts entsprechen.

(12)

Diese Beschaffungsverfahren können durch jegliche erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen unterstützt werden, einschließlich Ortsbesichtigungen am Standort der Produktionsstätten für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen. Dies sollte die rechtzeitige Beschaffung und den rechtzeitigen Ankauf krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen in der gesamten Union ermöglichen und die Zugänglichkeit in den Mitgliedstaaten fördern, wobei das vorrangige Ziel darin besteht, die schnellstmögliche gerechte Bereitstellung und Verteilung der krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen in der erforderlichen, von den einzelnen Mitgliedstaaten benötigten Menge und mit allen erforderlichen Garantien sicherzustellen. Die Möglichkeit von Verlagerung, Umverteilung, Weiterverkauf, Leihe und Spende sollte bereits zum Zeitpunkt des Ankaufs vertraglich berücksichtigt werden.

(13)

In den von dieser Verordnung erfassten Fällen könnte es angesichts der äußersten Dringlichkeit der Gesundheitskrise und der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten gerechtfertigt sein, die Aufträge, die aus den für die Zwecke dieser Verordnung durchgeführten Beschaffungsverfahren hervorgegangen sind, sofort zu vergeben und auszuführen. Außerdem könnte es nötig sein, an den Aufträgen Anpassungen vorzunehmen, die unbedingt erforderlich sind, um sie an die Entwicklung der gesundheitlichen Notlage Rechnung anzupassen, und während der Ausführung des Auftrags öffentliche Auftraggeber hinzuzufügen. Für diesen besonderen Zweck müssen Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 zugelassen werden, die von dem öffentlichen Auftraggeber ordnungsgemäß zu dokumentieren sind. Da diese Ausnahmeregelungen für die Zwecke des Notfallrahmens eingeführt werden, sollten sie befristet sein und nur für den Zeitraum der Aktivierung der in Artikel 8 der vorliegenden Verordnung genannten Maßnahme gelten.

(14)

In einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene könnte die Nachfrage nach krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen größer als das Angebot sein. In einer solchen Situation ist das rasche Hochfahren der Produktion krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung, und die Kommission sollte damit betraut werden, beispielsweise im Rahmen des Netzes „ständig einsatzbereiter“ Produktionskapazitäten für die Herstellung von Impfstoffen und Arzneimitteln (im Folgenden „EU-FAB“) die Produktionskapazitätspuffer der Union für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen zu aktivieren, wozu auch die Sicherstellung widerstandsfähiger Lieferketten für die benötigten Rohstoffe und Hilfsgüter gehört. Wie in der Mitteilung der Kommission vom 17. Februar 2021 mit dem Titel „HERA-Inkubator: unsere gemeinsame proaktive Antwort auf die Bedrohung durch COVID-19-Varianten“ dargelegt, handelt es sich bei einem „EU-FAB“-Projekt um ein Netz aus ständig einsatzbereiten Produktionskapazitäten (für einzelne oder mehrere Nutzer und für einzelne oder mehrere Technologien) zur Impfstoff- und Arzneimittelherstellung auf europäischer Ebene.

(15)

Auf Unionsebene sollten wirksame Mechanismen entwickelt und vereinbart werden, um für eine Umverteilung zu sorgen, wenn es durch einen sprunghaften Anstieg der Produktion zu Angebotsüberschüssen kommt.

(16)

Es werden geeignete Instrumente im Bereich des geistigen Eigentums benötigt, um Risiken wie die Einstellung von Entwicklungsarbeiten oder Probleme bei der Bereitstellung in Bezug auf krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen in einer gesundheitlichen Notlage zu begrenzen, insbesondere wenn Behörden finanzielle Unterstützung für die Entwicklung und Produktion solcher Gegenmaßnahmen zur Verfügung gestellt haben. Die Kommission sollte daher die Möglichkeit haben, in begründeten Ausnahmefällen die Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums und von Know-how im Zusammenhang mit derartigen Gegenmaßnahmen, deren Entwicklung und Herstellung die Kommission finanziert hat als Sicherheitsnetz und Anreiz, zu fairen und angemessenen Bedingungen zu verlangen. Bezüglich der Erleichterung der Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums und Know-hows im Zusammenhang mit derartigen Gegenmaßnahmen sollte die Kommission der seitens der Union oder der Mitgliedstaaten erfolgten Anfangsfinanzierung der Entwicklung und der Herstellung derartiger Gegenmaßnahmen Rechnung tragen.

(17)

Um Verzögerungen im Zuge der Entwicklung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen zu verringern, sollten die Aktivierung von Notfallplänen für Forschung und Innovation sowie die Umwidmung von Arzneimitteln und die Aktivierung von Netzen für klinische Prüfungen und die Durchführung klinischer Prüfungen sichergestellt werden. Für den Zugang zu Daten (aus der realen Praxis) zur raschen Prüfung sollten im Rahmen von Forschungs- und Innovationstätigkeiten die europäische digitale Infrastruktur und die über die Europäische Cloud für offene Wissenschaft betriebene Plattform sowie andere zugängliche digitale Plattformen der EU genutzt werden können. Es sollte eine enge Koordinierung der Kommission mit dem ECDC und der EMA als der für wissenschaftliche Beratung und Bewertung neuer und umgewidmeter Arzneimittel zuständigen Agentur gewährleistet werden, und zwar sowohl in Bezug auf diese Fragen als auch in Bezug auf Regulierungsaspekte im Zusammenhang mit der Zulassung von Arzneimitteln, einschließlich der Einrichtung neuer Produktionsstätten für zugelassene Arzneimittel, und zur Gewährleistung der Akzeptanz der klinischen Prüfungen und der durch sie gewonnenen Nachweise für die Zulassung neuer oder umgewidmeter Arzneimittel. Die Notfallforschung kann auch diagnostische Vorsorge umfassen. Dadurch sollten die wichtigsten Akteure und die relevante Infrastruktur in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sofort einsatzbereit sein, sodass möglichst wenige Verzögerungen entstehen.

(18)

In einer gesundheitlichen Notlage ist eine detaillierte Übersicht über die derzeitigen und die in Zukunft kurzfristig erreichbaren Produktionskapazitäten krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen der Union integraler Bestandteil des Nachfrage- und Angebotsmanagements. Daher sollte ein Verzeichnis der Produktion und der Produktionsanlagen krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen erstellt und regelmäßig auf der Grundlage der für die betreffenden Wirtschaftsakteure obligatorischen Übermittlung von Informationen aktualisiert werden.

(19)

Versorgungsengpässe bei Rohstoffen, Verbrauchsgütern, Medizinprodukten, Ausrüstungen oder Infrastruktur könnten sich auf die Herstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen auswirken. Bei Feststellung eines tatsächlichen oder drohenden Versorgungsengpasses sollte die Bestandsaufnahme auch diese Elemente umfassen. Dies ergänzt den detaillierten Überblick über die derzeitigen und kurzfristig verfügbaren Produktionskapazitäten der Union und erlaubt es, Angebotselemente einzubeziehen, die sich auf die Produktionskapazitäten auswirken könnten, sowie das Nachfrage- und Angebotsmanagement krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen auf Unionsebene zu verbessern.

(20)

Aus den detaillierten Übersichten über Produktionskapazitäten, Rohstoffe, Verbrauchsgüter, Medizinprodukte, Ausrüstung und Infrastruktur könnte hervorgehen, dass weitere Maßnahmen zur Stärkung der Lieferketten und Produktionskapazitäten erforderlich sind. Wenn der Markt keine ausreichende Bereitstellung von notwendigen krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen gewährleistet oder nicht dazu in der Lage ist, sollte die Kommission die Möglichkeit haben, Maßnahmen in jenen Bereichen zu ergreifen, die dazu dienen, die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe zu verbessern.

(21)

Die Verordnung (EU) 2016/369 sieht einen flexiblen Rahmen für finanzielle Soforthilfen vor. Sie ermöglicht die Bereitstellung von Unterstützung, die nicht durch die bestehenden Ausgabenprogramme erfolgen kann. Ein solches Instrument sollte zur Verfügung gestellt werden, wenn eine gesundheitliche Notlage auf Unionsebene festgestellt wird, soweit dies unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, der Wirtschaftslage angemessen ist. Soforthilfe sollte im Einklang mit den entsprechenden Haushaltsverfahren über das Soforthilfeinstrument bereitgestellt werden.

(22)

Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) ausgeübt werden. Die Kommission sollte sofort geltende Durchführungsrechtsakte erlassen, wenn dies in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit im Zusammenhang mit einer gesundheitlichen Notlage erforderlich ist.

(23)

Umfassen die gemäß dieser Verordnung durchzuführenden Tätigkeiten die Verarbeitung personenbezogener Daten, so sollte diese Verarbeitung den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zum Schutz personenbezogener Daten entsprechen, insbesondere den Verordnungen (EU) 2016/679 (8) und (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (9).

(24)

Die Umsetzung des Notfallrahmens sollte von der Kommission überprüft werden. Während der Überprüfung sollten die Krisenmaßnahmen der HERA im Zusammenhang mit ihren Vorsorgemaßnahmen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollte auch den sowohl aus dem Vorbereitungs- als auch aus dem Krisenmodus gezogenen entsprechenden Lehren Rechnung getragen und darauf eingegangen werden, ob eine eigenständige Einrichtung, beispielsweise eine Agentur, eingerichtet werden muss.

(25)

Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Einrichtung eines Rahmens für Maßnahmen zurGewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahmen, die zur Sicherstellung der ausreichenden und rechtzeitigen Verfügbarkeit und Bereitstellung solcher medizinischer Gegenmaßnahmen in allen Mitgliedstaaten auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip einen Rahmen für Maßnahmen erlassen. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)   Mit dieser Verordnung wird ein Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage (im Folgenden „Notfallrahmen“) geschaffen.

(2)   Der Notfallrahmen umfasst folgende Maßnahmen:

a)

Einrichtung eines Gesundheitskrisenstabs;

b)

Beobachtung, Beschaffung und Ankauf krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe;

c)

Aktivierung von Notfallplänen für Forschung und Innovation, einschließlich der Nutzung von unionsweiten Netzen für klinische Prüfungen und Plattformen für den Datenaustausch;

d)

Soforthilfen der Union, einschließlich im Rahmen der Verordnung (EU) 2016/369;

e)

Maßnahmen zur Produktion, Verfügbarkeit und Bereitstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen, wozu auch die Erstellung eines Verzeichnisses der Produktion und Produktionsanlagen für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen gehört sowie gegebenenfalls krisenrelevanter Rohstoffe, Verbrauchsgüter, Medizinprodukte, Geräte, Ausrüstung und Infrastruktur, einschließlich Maßnahmen zur Steigerung der entsprechenden Produktion in der Union.

(3)   Der Notfallrahmen darf nur insoweit aktiviert werden, als das unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, der Wirtschaftslage angemessen ist.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.

„Beobachtung“ die Beobachtung im Sinne von Artikel 3 Nummer 6 der Verordnung (EU) 2022/2371;

2.

„gesundheitliche Notlage“ eine gesundheitliche Notlage auf Unionsebene, die von der Kommission gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) 2022/2371 festgestellt wurde;

3.

„medizinische Gegenmaßnahmen“ medizinische Gegenmaßnahmen im Sinne von Artikel 3 Nummer 10 der Verordnung (EU) 2022/2371, einschließlich persönlicher Schutzausrüstungen und Substanzen menschlichen Ursprungs;

4.

„Rohstoffe“ die Materialien, die erforderlich sind, um die notwendige Menge an krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen herzustellen;

5.

„Daten aus der realen Praxis“ Daten aus anderen Quellen als klinischen Prüfungen über den Gesundheitszustand von Patienten oder über die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen.

Artikel 3

Aktivierung des Notfallrahmens

(1)   Wird eine gesundheitliche Notlage festgestellt, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission eine Verordnung zur Aktivierung des Notfallrahmens annehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, der Wirtschaftslage angemessen ist.

(2)   Wenn der Rat eine oder mehrere der in den Artikeln 7 bis 13 genannten Maßnahmen ergreift, gilt Artikel 5.

(3)   Der Rat legt in der Verordnung zur Aktivierung des Notfallrahmens fest, welche der in den Artikeln 7 bis 13 genannten Maßnahmen unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, der Wirtschaftslage angemessen sind und welche Maßnahmen daher aktiviert werden sollen.

(4)   Der Notfallrahmen wird für höchstens sechs Monate aktiviert. Dieser Zeitraum kann nach dem Verfahren des Artikels 4 verlängert werden.

(5)   Die Verordnung zur Aktivierung des Notfallrahmens lässt den Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (10) und die allgemeine Koordinierungsrolle des Zentrums für die Koordination von Notfallmaßnahmen im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union, die beide durch den genannten Beschluss festgelegt wurden, sowie die politische Koordinierungsrolle der durch den Beschluss 2014/415/EU des Rates (11) festgelegten Integrierten Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (Integrated Political Crisis Response, IPCR) unberührt.

Artikel 4

Verlängerung, Deaktivierung und Auslaufen des Zeitraums, für den der Notfallrahmen aktiviert wurde

(1)   Spätestens drei Wochen vor Ablauf des Zeitraums, für den der Notfallrahmen aktiviert wurde, legt die Kommission dem Rat einen in Absprache mit dem Gesundheitskrisenstab erstellten Bericht vor, in dem bewertet wird, ob dieser Zeitraum verlängert werden sollte. In dem Bericht werden insbesondere die Lage im Bereich der öffentlichen Gesundheit und die wirtschaftlichen Folgen der Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit in der Union insgesamt und in den Mitgliedstaaten sowie die Auswirkungen von zuvor im Rahmen dieser Verordnung aktivierten Maßnahmen analysiert.

(2)   Die Kommission kann dem Rat eine Verlängerung vorschlagen und dabei angeben, bei welchen Maßnahmen eine Verlängerung angemessen ist, wenn bei der Bewertung nach Absatz 1 der Schluss gezogen wird, dass der Zeitraum der Aktivierung des Notfallrahmens verlängert werden sollte. Die Verlängerung beläuft sich auf einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten. Der Rat kann wiederholt beschließen, den Zeitraum der Aktivierung des Notfallrahmens zu verlängern, wenn dies unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, der Wirtschaftslage angemessen ist.

(3)   Die Kommission kann dem Rat vorschlagen, eine Verordnung anzunehmen, mit der zusätzlich zu den bereits aktivierten Maßnahmen weitere Maßnahmen oder die Deaktivierung von aktivierten Maßnahmen gemäß den Artikeln 7 bis 13 eingeleitet werden, sofern dies unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, der Wirtschaftslage angemessen ist.

(4)   Nach Ablauf des für die Aktivierung des Notfallrahmens vorgesehenen Zeitraums werden die gemäß den Artikeln 7 bis 13 getroffenen Maßnahmen nicht mehr angewandt.

(5)   Bei Aufhebung der gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/2371 werden die Maßnahmen gemäß den Artikeln 7 bis 13 automatisch deaktiviert.

Artikel 5

Der Gesundheitskrisenstab

(1)   Wenn der Rat eine oder mehrere der in den Artikeln 7 bis 13 genannten Maßnahmen gemäß Artikel 3 ergreift, wird ein Gesundheitskrisenstab eingerichtet, der für die Koordinierung der Maßnahmen des Rates, der Kommission, der einschlägigen Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie der Mitgliedstaaten sorgt, um die Bereitstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und den Zugang dazu sicherzustellen.

Der Gesundheitskrisenstab unterstützt und berät die Kommission bei der Ausarbeitung und Durchführung von Maßnahmen gemäß den Artikeln 7 bis 13. Zu diesem Zweck stellt die Kommission dem Gesundheitskrisenstab kontinuierlich Informationen über jegliche geplanten oder getroffenen Maßnahmen zur Verfügung.

(2)   Der Gesundheitskrisenstab stellt seine Tätigkeit ein, wenn alle Maßnahmen gemäß den Artikeln 7 bis 13 deaktiviert werden oder auslaufen.

(3)   Der Gesundheitskrisenstab setzt sich aus der Kommission und einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen. Jeder Mitgliedstaat benennt seinen Vertreter und einen stellvertretenden Vertreter. Die Sekretariatsgeschäfte des Gesundheitskrisenstabs werden durch die Kommission gewährleistet.

(4)   Den gemeinsamen Vorsitz im Gesundheitskrisenstab führen die Kommission und der Mitgliedstaat, der den turnusmäßig wechselnden Ratsvorsitz innehat.

Der Gesundheitskrisenstab gewährleistet die Beteiligung aller einschlägigen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, einschließlich der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und des Beratenden Ausschusses für gesundheitliche Notlagen, als Beobachter. Der Gesundheitskrisenstab lädt einen Vertreter des Europäischen Parlaments und einen Vertreter eines Mitgliedstaats des Gesundheitssicherheitsausschusses sowie, gegebenenfalls und im Einklang mit seiner Geschäftsordnung, einen Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Beobachter ein.

(5)   Der Gesundheitskrisenstab sorgt für die Koordinierung und den Informationsaustausch mit den Strukturen, die im Rahmen der nachstehenden Rechtsakte eingerichtet wurden:

a)

der Verordnung (EU) 2022/123 während der Dauer der gesundheitlichen Notlage in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte;

b)

der Verordnung (EG) Nr. 851/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (12) während der gesundheitlichen Notlage;

c)

der Verordnung (EU) 2022/2371, insbesondere dem Gesundheitssicherheitsausschuss und dem Beratenden Ausschuss für gesundheitliche Notlagen;

d)

dem Beschluss Nr. 1313/2013/EU, insbesondere mit dem Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen, um operative Lücken beim Zugang zu krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen und Rohstoffen zu schließen und erforderlichenfalls entsprechende Beobachtungs- und Koordinierungsaufgaben vor Ort zu gewährleisten.

(6)   Der Gesundheitskrisenstab stellt den Informationsaustausch mit der IPCR sicher.

(7)   Der gemeinsame Vorsitz des Gesundheitskrisenstabs kann in Bezug auf ein auf der Tagesordnung stehendes Thema Experten mit besonderem Fachwissen ad hoc als Beobachter zur Teilnahme an der Arbeit des Gesundheitskrisenstabs oder der Untergruppen einladen. Diese Experten können umfassen: Vertreter der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, Vertreter nationaler Behörden, einschließlich zentraler Beschaffungsstellen und Gesundheitsorganisationen oder -verbände, Vertreter internationaler Organisationen wie der WHO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (World Organisation for Animal Health, WOAH), und Experten aus dem Privatsektor sowie von anderen Interessenträgern.

(8)   Der Gesundheitskrisenstab tritt auf Ersuchen der Kommission oder eines Mitgliedstaats immer dann zusammen, wenn die Lage dies erforderlich macht.

(9)   Bei der Vorbereitung und Durchführung der in den Artikeln 7 bis 13 genannten Maßnahmen handelt die Kommission in enger Abstimmung mit dem Gesundheitskrisenstab. Insbesondere konsultiert die Kommission rechtzeitig den Gesundheitskrisenstab — sofern möglich, bevor sie tätig wird — und trägt den Ergebnissen der Beratungen im Gesundheitskrisenstab weitestgehend Rechnung. Die Kommission erstattet dem Gesundheitskrisenstab Bericht über die ergriffenen Maßnahmen.

(10)   Der Gesundheitskrisenstab kann auf Ersuchen der Kommission oder von sich aus Stellungnahmen abgeben. Folgt die Kommission der Stellungnahme des Gesundheitskrisenstabs nicht, so erläutert sie dem Gesundheitskrisenstab unbeschadet des Initiativrechts der Kommission die Gründe für ihr Vorgehen.

(11)   Der Gesundheitskrisenstab legt das Ergebnis seiner Beratungen nach Möglichkeit einvernehmlich fest. Wenn kein Einvernehmen erzielt werden kann, legt der Gesundheitskrisenstab das Ergebnis seiner Beratungen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Vertreter der Mitgliedstaaten fest. Jeder Mitgliedstaat verfügt über eine Stimme.

Der Gesundheitskrisenstab gibt sich auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission eine Geschäftsordnung. In der Geschäftsordnung wird festgelegt, wann und wann nicht Beobachter zur Teilnahme an den Beratungen des Gesundheitskrisenstabs eingeladen werden und wie potenzielle Interessenkonflikte zu handhaben sind.

(12)   Die Kommission kann auf eigene Initiative oder auf Vorschlag des Gesundheitskrisenstabs ad hoc Arbeitsgruppen einsetzen, die den Gesundheitskrisenstab bei der Prüfung spezifischer Fragen auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Aufgaben unterstützen. Die Arbeitsgruppen beraten im Einklang mit den Bestimmungen des Absatzes 11. Die Mitgliedstaaten benennen Sachverständige für die Arbeitsgruppen.

(13)   Die Kommission sorgt für Transparenz und gewährt allen Vertretern der Mitgliedstaaten gleichberechtigten Zugang zu Informationen, um sicherzustellen, dass der Entscheidungsprozess der Lage und den Bedürfnissen aller Mitgliedstaaten entspricht.

Artikel 6

Interessenerklärung

(1)   Die Mitglieder des Gesundheitskrisenstabs verpflichten sich, im öffentlichen Interesse zu handeln.

(2)   Die Mitglieder des Gesundheitskrisenstabs sowie die Beobachter und die an den Sitzungen teilnehmenden externen Sachverständigen geben eine Verpflichtungserklärung sowie eine Interessenerklärung ab, aus der entweder hervorgeht, dass keinerlei Interessen bestehen, die als ihre Unabhängigkeit beeinträchtigend angesehen werden könnten, oder in der die unmittelbaren oder mittelbaren Interessen genannt werden, die als ihre Unabhängigkeit beeinträchtigend angesehen werden könnten. Diese Erklärungen werden schriftlich bei der Einrichtung des Gesundheitskrisenstabs und in jeder Sitzung abgegeben, um etwaige Interessen zu erklären, die in Bezug auf bestimmte Tagesordnungspunkte als ihre Unabhängigkeit beeinträchtigend angesehen werden könnten. Wenn Interessen vorliegen, die in Bezug auf bestimmte Tagesordnungspunkte als ihre Unabhängigkeit beeinträchtigend angesehen werden könnten, werden die betreffenden Personen von den betreffenden Beratungen und Entscheidungen ausgeschlossen.

Artikel 7

Mechanismus zur Beobachtung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen

(1)   Wird diese Maßnahme aktiviert, so erstellt die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten, nach Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitskrisenstabs, ein Verzeichnis krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe sowie eine Formatvorlage für die Beobachtung von Angebot und Nachfrage, einschließlich Produktionskapazitäten, Vorräten, möglicher kritischer Aspekte oder Risiken bezüglich Lieferketten und Kaufvereinbarungen, und aktualisiert dieses regelmäßig.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 14 Absatz 2 genannten Prüfverfahren und in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit gemäß dem in Artikel 14 Absatz 3 genannten Verfahren für sofort geltende Durchführungsrechtsakte erlassen.

(2)   Das in Absatz 1 genannte Verzeichnis enthält eine Auswahlliste spezifischer krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe für die Vorbereitung der gemäß diesem Artikel und den Artikeln 8 bis 13 zu treffenden Maßnahmen, wobei die Informationen zu berücksichtigen sind, die auf der Grundlage der nachstehenden Rechtsakte gewonnen wurden:

a)

der Verordnung (EU) 2022/123 und insbesondere Artikel 3 bis 14 und Artikel 21 bis 30 der genannten Verordnung betreffend die Überwachung und die Minderung von Engpässen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, die in den Listen von kritischen Arzneimitteln und kritischen Medizinprodukten bei einer gesundheitlichen Notlage aufgeführt sind;

b)

der Verordnung (EG) Nr. 851/2004, insbesondere Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe f der genannten Verordnung betreffend verfügbare Daten für die Kapazitäten der Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten, die für das Management von und die Reaktion auf Bedrohungen durch übertragbare Krankheiten erforderlich sind.

(3)   Unbeschadet nationaler Sicherheitsinteressen stellen die Mitgliedstaaten der Kommission gegebenenfalls zusätzliche, noch nicht von Agenturen der Union erhobene Informationen auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Formatvorlage zur Verfügung.

(4)   Unbeschadet nationaler Sicherheitsinteressen und des Schutzes wirtschaftlich sensibler Informationen, die sich aus von Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen ergeben, kann ein Mitgliedstaat, der beabsichtigt, auf nationaler Ebene Maßnahmen für die Beschaffung, den Ankauf oder die Herstellung von in dem Verzeichnis gemäß Absatz 1 aufgeführten krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen oder Rohstoffen zu ergreifen, den Gesundheitskrisenstab rechtzeitig darüber unterrichten.

(5)   Auf Ersuchen der Kommission, auch im Namen des Gesundheitskrisenstabs, stellt die EMA Informationen über die Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, einschließlich zu Nachfrage und Angebot, gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben c und d sowie Artikel 25 Absatz 2 Buchstaben c und d der Verordnung (EU) 2022/123 zur Verfügung.

(6)   Die Kommission sammelt über ein gesichertes IT-System zusätzliche, noch nicht von Agenturen der Union erhobene Informationen und führt auf der Grundlage der Formatvorlage eine Beobachtung aller relevanten Informationen über Angebot und Nachfrage bei krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen und Rohstoffen innerhalb und außerhalb der Union durch. Die Interoperabilität des IT-Systems mit den von der EMA gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2022/123 entwickelten elektronischen Überwachungs- und Berichterstattungssystemen wird von der Kommission gewährleistet.

(7)   Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig Informationen über die Ergebnisse der Beobachtung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe.

Die Kommission stellt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Gesundheitssicherheitsausschuss, gegebenenfalls mit Unterstützung der einschlägigen Agenturen der Union, Modelle und Prognosen zum Bedarf an krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen und Rohstoffen zur Verfügung.

Die Kommission unterrichtet anschließend den Gesundheitskrisenstab über die Beobachtung und deren Ergebnisse.

Artikel 8

Beschaffung, Ankauf und Herstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe

(1)   Wird diese Maßnahme aktiviert, so berät der Gesundheitskrisenstab die Kommission zu dem geeigneten Mechanismus für den Ankauf krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und Rohstoffe, entweder, indem bestehende Verträge aktiviert oder neue Verträge unter Einsatz verfügbarer Instrumente ausgehandelt werden, wie etwa Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/369, das gemeinsame Beschaffungsverfahren gemäß Artikel 12 der Verordnung (EU) 2022/2371 oder die mit der Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates (13) eingerichteten Europäischen Innovationspartnerschaften.

Insbesondere berät der Gesundheitskrisenstab die Kommission in Bezug auf die Notwendigkeit, eine Beschaffungsmethode anzuwenden, bei der die Kommission im Namen der Mitgliedstaaten entweder in Verbindung mit anderen verfügbaren Instrumenten oder eigenständig als zentrale Beschaffungsstelle tätig wird.

(2)   Gegebenenfalls können die Mitgliedstaaten die Kommission beauftragen, als zentrale Beschaffungsstelle tätig zu werden, um in ihrem Namen krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen und Rohstoffe unter den im vorliegenden Artikel festgelegten Bedingungen zu beschaffen.

Den Mitgliedstaaten steht es frei, am Beschaffungsverfahren teilzunehmen, auch per „Opt-out“-Mechanismus und in hinreichend begründeten Fällen per „Opt-in“- Mechanismus.

Die Kommission erstellt in enger Abstimmung mit dem Gesundheitskrisenstab den Vorschlag für eine Rahmenvereinbarung, die von den Mitgliedstaaten, die sich durch die Kommission vertreten lassen möchten (im Folgenden „teilnehmende Mitgliedstaaten“), zu unterzeichnen ist, um als zentrale Beschaffungsstelle für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen zu fungieren.

(3)   Die in Absatz 2 genannte Rahmenvereinbarung enthält Verfahrensregeln für die Einleitung und Vorbereitung von Beschaffungsverfahren gemäß dem vorliegenden Artikel, die praktischen Vorkehrungen für die freie Teilnahme der Mitgliedstaaten, einschließlich der Bedingungen und zeitlichen Vorgaben für ein mögliches „Opt-in“ und „Opt-out“ der Mitgliedstaaten, die praktischen Vorkehrungen für die Beteiligung der teilnehmenden Mitgliedstaaten am gesamten Beschaffungsverfahren sowie die Zuteilungsverfahren für beschaffte medizinische Gegenmaßnahmen.

(4)   Die Kommission führt die Beschaffungsverfahren mit Unterstützung des Gesundheitskrisenstabs durch und schließt die daraus resultierenden Vereinbarungen mit den Wirtschaftsteilnehmern im Namen der teilnehmenden Mitgliedstaaten im Einklang mit der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046.

Die Kommission unterrichtet den Gesundheitskrisenstab regelmäßig über die Fortschritte bei der Beschaffung und über den Inhalt der Verhandlungen. Die Kommission trägt den Empfehlungen des Gesundheitskrisenstabs und den tatsächlichen Bedürfnissen der Mitgliedstaaten weitestgehend Rechnung. Insbesondere zieht die Kommission die Aufnahme von Verhandlungen nur in Betracht, wenn eine ausreichende Anzahl von Mitgliedstaaten ihre Unterstützung bekundet hat.

(5)   Alle teilnehmenden Mitgliedstaaten werden in das Beschaffungsverfahren einbezogen. Zu diesem Zweck fordert die Kommission die teilnehmenden Mitgliedstaaten auf, Vertreter zu benennen, die an der Vorbereitung der Beschaffungsverfahren und der Aushandlung der Beschaffungsvereinbarungen teilnehmen. Vertreter der teilnehmenden Mitgliedstaaten haben im Einklang mit der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 den Status von Sachverständigen, die am Beschaffungsverfahren beteiligt sind.

Beabsichtigt die Kommission, einen Vertrag zu schließen, der eine Verpflichtung zum Erwerb krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen enthält, so unterrichtet sie die teilnehmenden Mitgliedstaaten über diese Absicht und die genauen Bedingungen. Die teilnehmenden Mitgliedstaaten erhalten die Möglichkeit, ihre Anmerkungen zu den Vertragsentwürfen zu übermitteln, denen die Kommission Rechnung trägt. Soll der „Opt-out“-Mechanismus zur Anwendung kommen, so stehen den teilnehmenden Mitgliedstaaten mindestens fünf Tage zur Verfügung, um ihn zur Anwendung zu bringen.

(6)   Die Beschaffung gemäß Absatz 2 wird von der Kommission im Einklang mit den für ihre eigenen Beschaffungsverfahren geltenden Vorschriften der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 durchgeführt. Wenn es angesichts der äußersten Dringlichkeit der Gesundheitskrise gerechtfertigt oder wenn es dringend erforderlich ist, um unvorhergesehenen Umständen in der Entwicklung der gesundheitlichen Notlage Rechnung zu tragen, können die Beschaffungsverfahren wie folgt vereinfacht werden:

a)

Abweichend von Artikel 137 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 besteht die Möglichkeit, nach Unterzeichnung des Vertrags Belege oder Nachweise zu den Ausschluss- und Auswahlkriterien vorzulegen, sofern vor der Vergabe eine entsprechende ehrenwörtliche Erklärung vorgelegt wurde.

b)

Abweichend von Artikel 172 Absatz 2 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 kann die Kommission den Vertrag ändern, wenn dies erforderlich ist, um der Entwicklung der gesundheitlichen Notlage Rechnung zu tragen.

c)

Abweichend von Artikel 165 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 besteht die Möglichkeit, nach Unterzeichnung des Vertrags öffentliche Auftraggeber hinzuzufügen, die in den Auftragsunterlagen nicht genannt sind.

d)

Abweichend von Artikel 172 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 sind die öffentlichen Auftraggeber befugt, die Lieferung der Güter oder die Erbringung der Dienstleistungen ab dem Tag der Übersendung der Vertragsentwürfe, die aus den für die Zwecke dieser Verordnung durchgeführten Beschaffungsverfahren hervorgegangen sind, zu fordern, was spätestens 24 Stunden nach dem Zuschlag sein darf.

(7)   Im Einklang mit der in Absatz 2 genannten Rahmenvereinbarung kann die Kommission befähigt und verantwortlich dafür sein, im Namen der teilnehmenden Mitgliedstaaten und auf Grundlage von deren Bedürfnissen Verträge mit Wirtschaftsteilnehmern, einschließlich einzelnen Herstellern krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen zu schließen. Diese Verträge können einen Vorauszahlungsmechanismus für die Produktion oder Entwicklung solcher Gegenmaßnahmen im Austausch gegen das Recht am erzielten Ergebnis einschließen.

Um im Namen aller teilnehmenden Mitgliedstaaten Verträge mit Wirtschaftsteilnehmern zu schließen, können Vertreter der Kommission oder von der Kommission benannte Sachverständige in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden Ortstermine an den Produktionsstätten krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen durchführen.

(8)   Die Kommission ist befähigt und dafür verantwortlich, das Netz „ständig einsatzbereiter“ Produktionskapazitäten für die Herstellung von Impfstoffen und Arzneimitteln (im Folgenden „EU-FAB“) zu aktivieren, um die Reserve zusätzlicher Produktionskapazitäten auszuschöpfen, damit krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen und Rohstoffe entsprechend den vereinbarten Mengen und im Einklang mit dem Zeitplan der EU-FAB-Verträge bereitgestellt werden. Die Kommission führt spezifische Beschaffungsverfahren für diese vereinbarten Mengen krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen durch.

(9)   Stellt die Kommission Finanzmittel für die Herstellung und/oder Entwicklung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen bereit, so hat sie das Recht, die Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums und von Know-how im Zusammenhang mit solchen Gegenmaßnahmen zu fairen und angemessenen Bedingungen zu verlangen, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer seine Entwicklungsarbeiten einstellt oder nicht ausreichend und rechtzeitig gemäß den Bestimmungen der geschlossenen Vereinbarung leisten kann. Weitere Bedingungen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts können in den spezifischen Vereinbarungen mit Wirtschaftsteilnehmern festgelegt werden.

(10)   Für die Einführung und Anwendung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen sind weiterhin die teilnehmenden Mitgliedstaaten zuständig. In Fällen, in denen die ausgehandelten Mengen die Nachfrage übersteigen, arbeitet die Kommission auf Antrag der betreffenden Mitgliedstaaten einen Mechanismus für Neuzuweisung, Weiterverkauf und Spende aus.

(11)   Die Kommission stellt sicher, dass die teilnehmenden Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Beschaffungsverfahren und der Umsetzung der daraus resultierenden Vereinbarungen gleich behandelt werden.

Artikel 9

Notlagenbezogenen Aspekte der Vorsorge- und Reaktionspläne für Forschung und Innovation sowie Nutzung von Netzen für klinische Prüfungen und Plattformen für den Datenaustausch

(1)   Wird diese Maßnahme aktiviert, so aktivieren die Kommission und die Mitgliedstaaten nach Konsultation des Gesundheitskrisenstabs die notlagenbezogenen Aspekte Forschung und Innovation des Präventions-, Vorsorge- und Reaktionsplans der Union gemäß der Verordnung (EU) 2022/2371.

(2)   Die Kommission unterstützt den Zugang zu einschlägigen Daten aus klinischen Prüfungen, aber auch zu Daten aus der realen Praxis. Soweit möglich stützt sich die Kommission auf bestehende Forschungsinitiativen zur Vorsorge wie EU-weite und internationale Netze für klinische Prüfungen sowie Beobachtungsstudien einschließlich strategischer Kohorten, unterstützt durch digitale Plattformen und Infrastrukturen wie Hochleistungsrechner, die den offenen Austausch von auffindbaren, zugänglichen, interoperablen und wiederverwendbaren Daten (findable, accessible, interoperable and reusable, FAIR) ermöglichen, sowie auf die Tätigkeiten der zuständigen nationalen Stellen zur Unterstützung der Verfügbarkeit und des Zugangs zu Daten, einschließlich Gesundheitsdaten im Einklang mit Artikel 15.

(3)   Bei der Festlegung von Maßnahmen zu klinischen Prüfungen bezieht die Kommission die durch die Verordnung (EU) 2022/123 eingerichtete EMA-Notfall-Einsatzgruppe sowie bestehende Netze wie das Europäische Infrastrukturnetz für klinische Forschung ein und sorgt für die Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (14) sowie die Koordinierung mit dem ECDC.

(4)   Die Beteiligung und der Beitrag der Union und aller Mitgliedstaaten an bzw. zu den Forschungs- und Innovationsaspekten des Präventions-, Vorsorge- und Reaktionsplans der Union erfolgen im Einklang mit den Vorschriften und Verfahren der Programme des mehrjährigen Finanzrahmens.

Artikel 10

Verzeichnis der Produktion und Produktionsanlagen für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen

(1)   Wird diese Maßnahme aktiviert, so kann die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten ein Verzeichnis der Produktion und Produktionsanlagen für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen sowie eine Formatvorlage für die Beobachtung von Produktionskapazitäten und Vorräten erstellen und regelmäßig aktualisieren.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 14 Absatz 2 genannten Prüfverfahren und in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit gemäß dem in Artikel 14 Absatz 3 genannten Verfahren für sofort geltende Durchführungsrechtsakte erlassen.

(2)   Die Kommission kann unter Nutzung der in Absatz 1 genannten Formatvorlage die Hersteller krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen auffordern, sie innerhalb von fünf Tagen bei uneingeschränkter Achtung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen über die tatsächliche Gesamtproduktionskapazität und über etwaige bestehende Lagerbestände krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und deren Bestandteile in ihren Produktionsanlagen in der Union und den Anlagen in Drittländern, die die Hersteller betreiben, unter Vertrag haben oder von denen sie Güter beziehen, zu unterrichten. Die Kommission kann diese Hersteller auch auffordern, ihr für jede Produktionsanlage in der Union einen Zeitplan für die voraussichtliche Produktion der folgenden drei Monate zu übermitteln.

(3)   Auf Ersuchen der Kommission unterrichtet jeder Hersteller krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen die Kommission innerhalb von höchstens fünf Tagen über jede von ihm in der Union betriebene krisenrelevante Produktionsanlage für medizinische Gegenmaßnahmen, einschließlich Informationen über ihre Produktionskapazität für solche Gegenmaßnahmen durch regelmäßig aktualisierte Angaben. In Bezug auf Arzneimittel umfassen diese Informationen Anlagen für Fertigerzeugnisse sowie für pharmazeutische Wirkstoffe.

(4)   Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat regelmäßig über die Produktion krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen und die erwartete Produktionsrate in der Union, die Produktion von Gütern in Drittlandsanlagen sowohl in Bezug auf Fertigerzeugnisse, Zwischenprodukte als auch andere Bestandteile sowie über die Kapazität der Produktionsanlagen der Union und von Drittländern für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen, wobei sie wirtschaftlich sensible Informationen der Hersteller angemessen schützt.

Artikel 11

Verzeichnis krisenrelevanter Rohstoffe, Verbrauchsgüter, Medizinprodukte, Ausrüstung und Infrastruktur

Wird diese Maßnahme aktiviert, so weitet die Kommission das Verzeichnis und die Formatvorlage, die in Artikel 10 vorgesehen sind, auf krisenrelevante Rohstoffe, Verbrauchsgüter, Medizinprodukte, Ausrüstungen und Infrastrukturen aus, wenn sie das Risiko von Lieferengpässen bei krisenrelevanten Rohstoffen, Verbrauchsgütern, Medizinprodukte, Ausrüstungen oder ein Risiko von Problemen bei der Infrastruktur sieht.

Artikel 12

Maßnahmen zur Gewährleistung der Verfügbarkeit und Bereitstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen

(1)   Wird diese Maßnahme aktiviert, so kann die Kommission, wenn sie das Risiko von Lieferengpässen bei krisenrelevanten Rohstoffen, Verbrauchsgütern, Medizinprodukten und anderen Geräten, Ausrüstungen und Infrastrukturen sieht, im Einvernehmen mit den betroffenen Mitgliedstaaten und nach Absprache mit den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern so schnell wie möglich spezifische Maßnahmen durchführen, um eine effiziente Neuorganisation der Lieferketten und Produktionslinien zu gewährleisten, und die vorhandenen Vorräte nutzen, um die Verfügbarkeit und Bereitstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen zu verbessern.

(2)   Insbesondere können die in Absatz 1 genannten Maßnahmen Folgendes umfassen:

a)

Erleichterung des Ausbaus oder Umwidmung bestehender Produktionskapazitäten oder des Aufbaus neuer Produktionskapazitäten für krisenrelevante medizinische Gegenmaßnahmen;

b)

Erleichterung des Ausbaus bestehender Kapazitäten oder des Aufbaus neuer spezifischer Kapazitäten sowie die Einführung von Maßnahmen zur Gewährleistung von regulatorischer Flexibilität zur Unterstützung der Produktion und des Inverkehrbringens krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen, wobei die Zuständigkeit der EMA und der nationalen Arzneimittelbehörden im Hinblick auf die Bewertung und Überwachung von Arzneimitteln zu achten sind;

c)

Durchführung von Beschaffungsinitiativen, Reservierung von Lagerbeständen und Produktionskapazitäten zur Koordinierung von Vorgehensweisen sowie Bereitstellung kritischer Güter, Dienstleistungen und Ressourcen für die Produktion krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen;

d)

Erleichterung der Zusammenarbeit einschlägiger Unternehmen im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen der Industrie, die Verfügbarkeit und Bereitstellung krisenrelevanter medizinischer Gegenmaßnahmen sicherzustellen; und

e)

Erleichterung der Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums und Know-hows im Zusammenhang mit krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen.

(3)   Die Kommission kann zeitnah finanzielle Anreizmechanismen schaffen, die erforderlich sind, um die rasche Durchführung der in Absatz 2 genannten Maßnahmen zu gewährleisten.

Artikel 13

Soforthilfe

Wird diese Maßnahme aktiviert und sind die in der Verordnung (EU) 2016/369 genannten Voraussetzungen erfüllt, so wird die Soforthilfe gemäß der genannten Verordnung aktiviert, um Ausgaben zu finanzieren, die zur Bewältigung der gesundheitlichen Notlage erforderlich sind.

Artikel 14

Ausschussverfahren

(1)   Die Kommission wird von einem Durchführungsausschuss für Gesundheitskrisen unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Gibt der Ausschuss keine Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den Durchführungsrechtsakt nicht und Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 findet Anwendung.

(3)   In hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Notlage erlässt die Kommission gemäß dem in Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 genannten Verfahren sofort geltende Durchführungsrechtsakte.

Artikel 15

Schutz personenbezogener Daten

(1)   Diese Verordnung lässt die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (15) bzw. die Verpflichtungen der Kommission und gegebenenfalls anderer Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725 zur Erfüllung ihrer Aufgaben unberührt.

(2)   Personenbezogene Daten dürfen nur dann verarbeitet oder weitergegeben werden, wenn es für die Zwecke dieser Verordnung unbedingt erforderlich ist. In solchen Fällen gelten gegebenenfalls die Bedingungen der Verordnungen (EU) 2016/679 und (EU) 2018/1725.

(3)   Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Inanspruchnahme der in dieser Verordnung festgelegten Mechanismen nicht unbedingt erforderlich, so werden personenbezogene Daten so anonymisiert, dass die betroffene Person nicht identifizierbar ist.

(4)   Die Kommission erlässt im Wege eines Durchführungsrechtsakts detaillierte Vorschriften, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des Unionsrechts in Bezug auf die jeweilige Rolle der an der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten beteiligten Akteure vollständig eingehalten werden.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 14 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 16

Überprüfung

Bis spätestens 2024 nimmt die Kommission eine Überprüfung dieser Verordnung vor und unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die wichtigsten Ergebnisse der Überprüfung. Diese Überprüfung umfasst eine Evaluierung der Arbeit der Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Health Preparedness and Emergency Response Authority, HERA) im Rahmen des durch diese Verordnung geschaffenen Notfallrahmens und ihre Beziehung zu den Vorsorgetätigkeiten der HERA. Diese Überprüfung umfasst auch eine Bewertung der Notwendigkeit, angesichts der einschlägigen Agenturen oder Behörden, die im Bereich Gesundheitskrisen tätig sind, die HERA als eigenständige Einrichtung einzurichten. Die Mitgliedstaaten werden konsultiert und ihre Ansichten und Empfehlungen zur Umsetzung des Notfallrahmens werden im Abschlussbericht berücksichtigt. Die Kommission legt gegebenenfalls auf der Grundlage dieses Berichts Vorschläge zur Änderung der vorliegenden Verordnung vor oder unterbreitet weitere Vorschläge.

Artikel 17

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Luxemburg am 24. Oktober 2022.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

A. HUBÁČKOVÁ


(1)  Beschluss der Kommission vom 16. September 2021 zur Einrichtung der Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (ABl. C 393 I vom 29.9.2021, S. 3).

(2)  Verordnung (EU) 2022/123 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Januar 2022 zu einer verstärkten Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur bei der Krisenvorsorge und dem Krisenmanagement in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte (ABl. L 20 vom 31.1.2022, S. 1).

(3)  Verordnung (EU) 2022/2371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. November 2022 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU (ABl. L 314 vom 6.12.2022, S. 26).

(4)  Verordnung (EU) 2022/2370 des Europäischen Parlaments und des Rates 23. November 2022 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 851/2004 zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ABl. L 314 vom 6.12.2022, S. 1).

(5)  Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

(6)  Verordnung (EU) 2016/369 des Rates vom 15. März 2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union (ABl. L 70 vom 16.3.2016, S. 1).

(7)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(8)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(9)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

(10)  Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastrophenschutzverfahren der Union (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 924).

(11)  Beschluss 2014/415/EU des Rates vom 24. Juni 2014 über die Vorkehrungen für die Anwendung der Solidaritätsklausel durch die Union (ABl. L 192 vom 1.7.2014, S. 53).

(12)  Verordnung (EG) Nr. 851/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 1).

(13)  Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung von „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, sowie über dessen Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1290/2013 und (EU) Nr. 1291/2013 (ABl. L 170 vom 12.5.2021, S. 1).

(14)  Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1).

(15)  Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).