20.12.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 325/94


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2022/2506 DES RATES

vom 15. Dezember 2022

über Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union (1), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 10,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 24. November 2021 übermittelte die Kommission ein Auskunftsersuchen gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 an Ungarn, auf das die ungarischen Behörden am 27. Januar 2022 antworteten.

(2)

Am 27. April 2022 übermittelte die Kommission Ungarn eine schriftliche Mitteilung gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 (im Folgenden „Mitteilung“). In der Mitteilung brachte die Kommission ihre Bedenken zum Ausdruck und legte ihre Feststellungen in Bezug auf eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit dem System der öffentlichen Auftragsvergabe in Ungarn vor, darunter:

a)

systemische Unregelmäßigkeiten, Mängel und Schwachstellen bei den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge;

b)

der hohe Anteil von Verfahren mit nur einem Bieter sowie die geringe Wettbewerbsintensität bei öffentlichen Vergabeverfahren;

c)

Probleme im Zusammenhang mit der Nutzung von Rahmenvereinbarungen;

d)

die Aufdeckung, Prävention und Behebung von Interessenkonflikten; und

e)

Probleme im Zusammenhang mit Trusts von öffentlichem Interesse.

(3)

Diese Probleme und ihr wiederholtes Auftreten im Laufe der Zeit zeigen, dass die ungarischen Behörden nicht in der Lage oder nicht willens sind, Entscheidungen, die gegen geltendes Recht in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und Interessenkonflikte verstoßen, zu verhindern und somit das Korruptionsrisiko angemessen zu bekämpfen. Sie stellen Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit dar, insbesondere gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz des Verbots der willkürlichen Ausübung von Hoheitsgewalt, und lassen Bedenken hinsichtlich der Gewaltenteilung aufkommen.

(4)

Die Kommission brachte in der Mitteilung zusätzliche Gründe vor und erläuterte ihre Feststellungen bezüglich einer Reihe von Problemen im Zusammenhang mit der Ermittlung und Strafverfolgung sowie dem Rahmen für die Korruptionsbekämpfung, einschließlich Beschränkungen für die wirksame Ermittlungen und Verfolgung mutmaßlicher Straftaten, die Organisation der Staatsanwaltschaften und das Fehlen eines funktionierenden und wirksamen Rahmens für die Korruptionsbekämpfung in der Praxis. Diese Probleme stellen Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit dar, insbesondere gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, gegen das Verbot der willkürlichen Ausübung von Hoheitsgewalt und gegen den Grundsatz des wirksamen Rechtsschutzes.

(5)

In der Mitteilung legte die Kommission die Tatsachen und spezifischen Gründe dar, auf die sie ihre Feststellungen stützte, und ersuchte Ungarn überdies, bestimmte Informationen und Daten zu diesen Tatsachen und Gründen zu übermitteln. Die Kommission räumte den ungarischen Behörden in der Mitteilung eine Frist von zwei Monaten für ihre Stellungnahme ein.

(6)

Am 27. Juni 2022 antwortete Ungarn auf die Mitteilung (im Folgenden „erste Antwort“). Mit Schreiben vom 30. Juni und 5. Juli 2022 übermittelte Ungarn weitere Informationen zur Ergänzung der ersten Antwort. Darüber hinaus übermittelte Ungarn am 19. Juli 2022 ein zusätzliches Schreiben, in dem es eine Reihe von Abhilfemaßnahmen vorschlug, um die in der Mitteilung festgestellten Missstände zu beheben.

(7)

Die Kommission bewertete die in der ersten Antwort übermittelten Stellungnahmen und gelangte zu dem Schluss, dass die ungarischen Behörden die in der Mitteilung dargelegten Bedenken nicht ausräumen und den darin enthaltenen Feststellungen nicht gerecht werden. Darüber hinaus vertrat die Kommission die Auffassung, dass weder die erste Antwort noch die zusätzlichen Schreiben vom 30. Juni und 5. Juli 2022 geeignete Abhilfemaßnahmen enthielten, die vor dem Hintergrund der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 ernsthafte Bemühungen erkennen ließen. Aufgrund der verspäteten Übermittlung des Schreibens vom 19. Juli 2022 konnte dieses bei der Bewertung der ersten Antwort nicht berücksichtigt werden. Im Einklang mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten hat die Kommission jedoch alle in diesem Schreiben enthaltenen einschlägigen Informationen bei den nächsten Schritten des in Artikel 6 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt.

(8)

Im Einklang mit Artikel 6 Absatz 7 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 richtete die Kommission am 20. Juli 2022 ein Schreiben (im Folgenden „Absichtsschreiben“) an Ungarn, in dem sie den Mitgliedstaat von ihrer Bewertung nach Artikel 6 Absatz 6 der genannten Verordnung sowie von den Maßnahmen in Kenntnis setzte, die sie dem Rat in Ermangelung einer Verpflichtung seitens Ungarns, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, nach Artikel 6 Absatz 9 jener Verordnung zur Annahme vorzuschlagen beabsichtigte. In dem Absichtsschreiben räumte die Kommission Ungarn Gelegenheit zur Stellungnahme ein, insbesondere zur Verhältnismäßigkeit der geplanten Maßnahmen.

(9)

Ungarn beantwortete das Absichtsschreiben am 22. August 2022 (im Folgenden „zweite Antwort“) und bezog Stellung zu den Feststellungen der Kommission, zum Verfahren und zur Verhältnismäßigkeit der im Absichtsschreiben vorgesehenen Maßnahmen. Obwohl Ungarn die Feststellungen der Kommission angefochten hatte, schlug es eine Reihe von Abhilfemaßnahmen vor, um den von der Kommission geäußerten Bedenken zu begegnen. Am 13. September 2022 übermittelte Ungarn der Kommission ein Schreiben mit Klarstellungen und weiteren Verpflichtungen bezüglich der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen. Ungarn ist der Ansicht, dass die Abhilfemaßnahmen, einschließlich der zusätzlichen in dem Schreiben vom 13. September 2022 enthaltenen Verpflichtungen, den Bedenken der Kommission in vollem Umfang Rechnung tragen und die Kommission dem Rat daher keine Maßnahmen vorschlagen hätte sollen.

(10)

Angesichts der Tatsache, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 erfüllt waren, hat die Kommission am 18. September 2022 einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates über Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn (im Folgenden „Kommissionsvorschlag“) angenommen.

(11)

Gemäß den Feststellungen im Kommissionsvorschlag sind erstens schwerwiegende systemische Unregelmäßigkeiten, Mängel und Schwächen bei den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge in Ungarn zu verzeichnen. Derartige Unregelmäßigkeiten wurden bei aufeinanderfolgenden Prüfungen durch die Kommissionsdienststellen in den Programmplanungszeiträumen 2007-2013 und 2014-2020 festgestellt. Diese Prüfungen zogen Finanzkorrekturen über beträchtliche Gesamtbeträge sowie mehrere Untersuchungen des OLAF nach sich, die zu finanziellen Empfehlungen über die Einziehung erheblicher Beträge von Ungarn führten. Darüber hinaus deuten die verfügbaren Daten darauf hin, dass ungewöhnlich viele Aufträge im Rahmen von Verfahren vergeben wurden, an denen nur ein einziger Bieter teilnahm, Aufträge an bestimmte Unternehmen vergeben werden, die nach und nach große Marktanteile erreichen konnten, sowie schwerwiegende Mängel bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen bestehen. Darüber hinaus bestehen Bedenken hinsichtlich der Nichtanwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vorschriften über Interessenkonflikte auf „Trusts von öffentlichem Interesse“ und die von ihnen verwalteten Einrichtungen sowie hinsichtlich der mangelnden Transparenz bei der Verwaltung der in diesen Trusts gehaltenen Vermögenswerte. Diese Probleme und ihr wiederholtes Auftreten im Laufe der Zeit zeigen, dass die ungarischen Behörden nicht in der Lage oder nicht willens sind, Entscheidungen, die gegen geltendes Recht in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Interessenkonflikte verstoßen, zu verhindern und somit das Korruptionsrisiko angemessen zu bekämpfen. Sie stellen Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit dar, insbesondere gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Verbots der willkürlichen Ausübung von Hoheitsgewalt, und lassen Bedenken hinsichtlich der Gewaltenteilung aufkommen.

(12)

Zweitens wurden zusätzliche Probleme in Bezug auf Beschränkungen bei der wirksamen Untersuchung und Verfolgung mutmaßlicher Straftaten sowie hinsichtlich der Organisation der Staatsanwaltschaften beanstandet und das Fehlen eines funktionierenden und wirksamen Rahmens für die Korruptionsbekämpfung bemängelt. Insbesondere fehlt es an wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelfen eines unabhängigen Gerichts gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft, in Bezug auf mutmaßliche Korruption, Betrug und andere Straftaten, die den finanziellen Interessen der Union zuwiderlaufen, nicht zu ermitteln und diese nicht zu verfolgen, mangelt es bei der Zuteilung und Umverteilung derartiger Fälle an einer Begründungspflicht und lässt das ungarische System Vorschriften zur Verhinderung willkürlicher Entscheidungen im Zusammenhang mit derartigen Fällen vermissen. Darüber hinaus fehlt auch in den wichtigsten Bereichen der Korruptionsprävention eine umfassende Antikorruptionsstrategie, wird bei Korruptionsfällen, insbesondere auf hoher Ebene, das verfügbare Spektrum an Präventivinstrumenten zur Unterstützung der Korruptionsermittlung nicht vollständig ausgeschöpft und mangelt es grundsätzlich an wirksamer Prävention und Bekämpfung von kriminellem Betrug und Korruptionsdelikten. Diese Probleme stellen Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit dar, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz des Verbots der willkürlichen Ausübung von Hoheitsgewalt und den Grundsatz des wirksamen Rechtsschutzes.

(13)

Nach Einschätzung der Kommission gehen die in den Antworten Ungarns übermittelten Stellungnahmen nicht in angemessener Weise auf die Feststellungen in der Mitteilung und dem Absichtsschreiben ein. Insbesondere enthielten die Antworten keine Belege für die Verbesserungen des ungarischen Auftragswesens (in Bezug auf Transparenz, Intensität des Wettbewerbs, Prüfungen von Interessenkonflikten), die Ungarn in letzter Zeit vorgenommen hat. Zwar wurden im ungarischen System der öffentlichen Auftragsvergabe im Anschluss an die Prüfungen der Kommissionsdienststellen einige Änderungen vorgenommen, jedoch deutet nichts darauf hin, dass diese Änderungen zu einer Intensivierung des Wettbewerbs auf dem ungarischen Markt geführt hätten. Aus den der Kommission vorliegenden Daten geht nicht nur hervor, dass die Konzentration bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zugenommen hat, sondern auch, dass für Mitglieder der ungarischen Regierungspartei die Chancen gestiegen sind, den Zuschlag zu erhalten. Die Kommission hat eine Studie in Auftrag gegeben, in deren Rahmen eine empirische Analyse der Statistiken zu mehr als 270 000 zwischen 2005 und 2021 in Ungarn vergebenen öffentlichen Aufträgen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Studie wurden mit den Ergebnissen einer Prüfung bestimmter Angebotsdaten hinsichtlich Aufträgen untermauert, die an einige der Unternehmen vergeben wurden, bei denen es sich um politisch vernetzte Unternehmen handelt. Darüber hinaus hat die Kommission Medienberichte und Berichte von Interessenträgern in den Bereichen Tourismus, Kommunikation und Sport zusammengetragen. Ungarn legte keine Nachweise dafür vor, dass die Vorschriften über Interessenkonflikte, die für den Schutz des Unionshaushalts relevant sind, auf Trusts von öffentlichem Interesse anwendbar sind (auch nicht dafür, dass sie in der Praxis angewendet würden).

(14)

Die festgestellten Unregelmäßigkeiten, Mängel und Schwachstellen sind weitverbreitet und miteinander verflochten, was bedeutet, dass sich die Risiken für den Unionshaushalt am wirksamsten mit den in der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 vorgesehenen Verfahren beheben lassen. Selbst wenn bestimmte im Rahmen sektorspezifischer Vorschriften festgelegte Maßnahmen angewandt werden könnten, etwa Prüfungen durch die Kommissionsdienststellen und Finanzkorrekturen für von den ungarischen Behörden nicht berichtigte Unregelmäßigkeiten, finden diese Maßnahmen in der Regel Anwendung auf Ausgaben, die bei der Kommission bereits geltend gemacht wurden; dass die Mängel über viele Jahre fortbestehen, zeigt, dass Finanzkorrekturen unzureichend sind, um die finanziellen Interessen der Union vor aktuellen oder künftigen Risiken zu schützen.

(15)

In Bezug auf die Einhaltung und Überwachung der in der Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) verankerten grundlegenden Voraussetzungen besteht die einzige Folge der Nichterfüllung einer grundlegenden Voraussetzung nach Artikel 15 Absatz 5 jener Verordnung darin, dass die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat Ausgaben für Maßnahmen zur Erreichung des spezifischen Ziels nicht erstattet. Die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 bietet weiter reichende Möglichkeiten zum Schutz des Haushalts der Union, einschließlich der Aussetzung der Genehmigung eines oder mehrerer Programme sowie der Aussetzung von Mittelbindungen im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung. Im Gegensatz zu Artikel 15 der Verordnung (EU) 2021/1060 sind gemäß Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 auch Maßnahmen bezüglich Vorfinanzierungen möglich.

(16)

In Bezug auf die Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge und deren Auslegung wird in Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 klargestellt, dass es sich bei der Gesetzgebung der Union, auf die in Artikel 6 Absatz 1 jener Verordnung Bezug genommen wird, um Finanzgesetzgebung und sektorspezifische Vorschriften handelt. Vertragsverletzungsverfahren beruhen nicht auf einem Gesetzgebungsakt, sondern unmittelbar auf Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Diese primärrechtliche Bestimmung kann nicht als „Gesetzgebung der Union“ im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 angesehen werden.

(17)

Gemäß Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) ergreifen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität alle geeigneten Maßnahmen, um die finanziellen Interessen der Union zu schützen. Um die Einhaltung des Artikels 22 der genannten Verordnung sicherzustellen, legte die Kommission am 30. November 2022 einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Ungarns vor, der Etappenziele enthält, in denen die von Ungarn gemäß den mit der Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vereinbarten Abhilfemaßnahmen eingegangenen Verpflichtungen aufgenommen wurden.

Bei der Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität liegt die Hauptverantwortung für die Einhaltung von Unionsrecht und nationalem Recht gemäß Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2021/241 bei den Mitgliedstaaten, während die Kommission gemäß Artikel 22 Absatz 5 der genannten Verordnung im Falle von Betrug, Korruption und Interessenkonflikten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, die von dem Mitgliedstaat nicht behoben wurden, oder bei einem gravierenden Verstoß gegen eine sich aus der Darlehens- oder der Finanzierungsvereinbarung ergebende Verpflichtung Korrekturmaßnahmen ergreifen kann. Darüber hinaus handelt es sich bei den Etappenzielen um Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Ungarn Anträge auf künftige Zahlungen im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans eingereicht werden können. Als solche können sie nicht die finanziellen Interessen der Union im Zusammenhang mit Verstößen gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, die die Durchführung anderer aus dem Haushalt der Union finanzierter Ausgabenprogramme in Ungarn bereits hinreichend unmittelbar beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, schützen. Daher könnte die Kommission den Unionshaushalt in diesem Fall durch die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung (EU) 2021/241 nicht wirksamer schützen.

(18)

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen könnte die Kommission den Unionshaushalt mit keinem in der Unionsgesetzgebung festgelegten Verfahren wirksamer schützen als mit dem Verfahren nach Artikel 6 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092.

(19)

Die potenziellen Auswirkungen der festgestellten Verstöße auf die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder den Schutz der finanziellen Interessen der Union werden als besonders bedeutsam angesehen, da diese Verstöße untrennbar mit dem Verfahren verbunden sind, das bei der Verwendung von Unionsmitteln durch Ungarn zur Anwendung kommt, da es die Folge des unsachgemäßen Funktionierens der ungarischen Behörden ist, die über die Vergabe von aus dem Unionshaushalt finanzierten Aufträgen entscheiden. Darüber hinaus ergeben sich beim Zusammenspiel der festgestellten Verstöße mit den Beschränkungen und Hindernissen bei der Aufdeckung, Untersuchung und Behebung von Betrug, die als zusätzliche Gründe hinsichtlich Ermittlungen, Strafverfolgung und des Rahmens für die Korruptionsbekämpfung ermittelt wurden, noch gravierendere Auswirkungen.

(20)

Angesichts der Art der Feststellungen bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge sollten sich die gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 zu ergreifenden geeigneten Maßnahmen (im Folgenden „geeignete Maßnahmen“) auf Unionsmittel beziehen, die hauptsächlich durch Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeführt werden. Die Prüfungen der Kommission, bei denen Mängel und Unregelmäßigkeiten bei den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellt wurden, deckten den Bereich der Kohäsionspolitik ab, und wenngleich die Auswirkungen dieser Mängel und Unregelmäßigkeiten auf den Unionshaushalt durch Anwendung der kohäsionspolitischen Vorschriften finanziell korrigiert wurden, legen sie offen, dass die ungarischen Behörden nicht in der Lage oder nicht willens sind, Entscheidungen, die gegen geltendes Recht in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Interessenkonflikte verstoßen, zu verhindern und somit das Korruptionsrisiko angemessen zu bekämpfen.

(21)

Durch geeignete Maßnahmen geschützt werden sollten vornehmlich die kohäsionspolitischen Programme des Programmplanungszeitraums 2021-2027, die Ungarn aller Voraussicht nach hauptsächlich durch Vergabe öffentlicher Aufträge durchführen wird, so wie es auch die entsprechenden Programme im Mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 durchgeführt hat. Bei diesen Programmen handelt es sich um das Operationelle Programm Plus für Umwelt und Energieeffizienz, das Operationelle Programm Plus für integrierten Verkehr und das Operationelle Programm Plus zur territorialen Entwicklung und Siedlungsentwicklung (im Folgenden die „betroffenen Programme“). Bei den betroffenen Programmen erfolgt die Durchführung in schätzungsweise 85-90 % der Fälle über die Vergabe öffentliche Aufträge.

(22)

Die geeigneten Maßnahmen sollten auch Maßnahmen im Rahmen von Unionsprogrammen betreffen, die in direkter und indirekter Mittelverwaltung durchgeführt werden und deren Begünstigte oder durchführende Stellen Trusts von öffentlichem Interesse und von diesen unterhaltene Einrichtungen sein können, die als staatliche Einrichtungen im Sinne des Artikels 2 Buchstabe b und des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 gelten. In Bezug auf bei Trusts von öffentlichem Interesse festgestellte Verstöße, sollten die geeigneten Maßnahmen auf alle Unionsprogramme abzielen, die im Rahmen der direkten und indirekten Mittelverwaltung durchgeführt werden.

(23)

Im Einklang mit den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 sollte das angemessene Ausmaß der anzuwendenden Maßnahmen anhand eines Prozentsatzes bestimmt werden, der das Risiko für den Unionshaushalt zum Ausdruck bringt.

(24)

Angesichts der Schwere, Häufigkeit und Dauer der bei der Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellten systemischen Verstöße kann das finanzielle Risiko für die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union als sehr bedeutend angesehen werden, und rechtfertigt daher Maßnahmen mit sehr hohen finanziellen Auswirkungen.

(25)

Im Einklang mit Artikel 6 Absatz 6 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 sind bei der Entscheidung über geeignete Maßnahmen die von dem betreffenden Mitgliedstaat erhaltenen Informationen und dessen etwaigen Stellungnahmen sowie die Angemessenheit der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen zu berücksichtigen. Daher sollten die von Ungarn vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen in die Bewertung einbezogen werden.

(26)

In seiner zweiten Antwort legte Ungarn 17 Abhilfemaßnahmen vor, deren Verpflichtungen anschließend durch einen der Kommission am 13. September 2022 übermittelten Schreiben ergänzt wurden. Nach Auffassung Ungarns behandelten sie alle von der Kommission in der Mitteilung beanstandeten Probleme. Bei den vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen handelt es sich um die folgenden:

a)

Stärkung der Prävention, Aufdeckung und Behebung von Verstößen und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Ausführung von Unionsmitteln durch eine neu eingerichtete Integritätsbehörde;

b)

eine Taskforce zur Korruptionsbekämpfung;

c)

Stärkung des Rahmens für die Korruptionsbekämpfung;

d)

Gewährleistung der Transparenz bei der Verwendung von Unterstützung durch die Union seitens Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse;

e)

die Einführung eines besonderen Verfahrens bei besonderen Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder der Verwaltung öffentlichen Eigentums;

f)

Stärkung der Prüf- und Kontrollmechanismen zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Verwendung von Unterstützung durch die Union;

g)

Verringerung des Anteils von mit Unionsmitteln finanzierten Verfahren mit nur einem Bieter;

h)

Verringerung des Anteils von staatlich finanzierten Verfahren mit nur einem Bieter;

i)

die Entwicklung eines Instruments zur Überwachung und Meldung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die mit einem einzigen Angebot abgeschlossen wurden;

j)

die Entwicklung des elektronischen Systems für die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Erhöhung der Transparenz;

k)

die Entwicklung eines Rahmens für die Leistungsmessung, die die Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bewertet;

l)

die Annahme eines Aktionsplans zur Steigerung des Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge;

m)

Schulungen für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge;

n)

Einführung einer Unterstützungsregelung zum Ausgleich der Kosten, die Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen durch die Teilnahme an der Vergabe öffentlicher Aufträge entstehen;

o)

die Anwendung von ARACHNE, dem Risikobewertungsinstrument der Kommission;

p)

Stärkung der Zusammenarbeit mit dem OLAF; und

q)

die Annahme eines Gesetzgebungsakts zur Gewährleistung einer verbesserten Transparenz bei öffentlichen Ausgaben.

(27)

Durch dreizehn der Abhilfemaßnahmen wurden wichtige Umsetzungsschritte festgelegt, die bis zum 19. November 2022 zu erreichen waren. Ungarn verpflichtete sich, die Kommission bis zum 19. November 2022 und danach alle drei Monate über die Umsetzung der Abhilfemaßnahmen, einschließlich der im Schreiben vom 13. September 2022 enthaltenen zusätzlichen Verpflichtungen, in Kenntnis zu setzen. Für vier Abhilfemaßnahmen, nämlich die Abhilfemaßnahmen h) sowie l) bis n) gab die Kommission an, dass keine sofortigen wichtigen Umsetzungsschritte festgelegt wurden, da sie einen längeren Umsetzungszeitraum erfordern, und dass sie ihre Umsetzung im Rahmen der Überwachung aller Abhilfemaßnahmen auf der Grundlage der vierteljährlichen Berichterstattung, zu der sich Ungarn mit dem Schreiben vom 19. November 2022 verpflichtet hat, bis zum 31. Dezember 2028 überwachen wird.

(28)

Im Allgemeinen hat sich Ungarn verpflichtet, die in seiner zweiten Antwort vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um die in der Mitteilung dargelegten Missstände bedingungslos anzugehen, und diese Abhilfemaßnahmen sowie die entsprechenden Rechtsvorschriften zeitlich unbegrenzt aufrechtzuerhalten und die darin festgelegten Vorschriften ordnungsgemäß durchzusetzen.

(29)

Wie die Kommission in der Begründung zu ihrem Vorschlag präzisiert hat, vertrat die Kommission die Auffassung, dass die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen zusammengenommen grundsätzlich geeignet sein könnten, die Probleme in Bezug auf systembedingte Unregelmäßigkeiten, Mängel und Schwächen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, das Risiko von Interessenkonflikten und Bedenken gegenüber Trusts von öffentlichem Interesse sowie die zusätzlichen Gründe hinsichtlich Ermittlungen, Strafverfolgung sowie des Korruptionsbekämpfungsrahmens anzugehen, sofern alle Maßnahmen korrekt und wirksam umgesetzt werden.

(30)

Die Kommission fügte jedoch auch hinzu, dass die genauen Durchführungsbestimmungen für die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen noch festgelegt werden müssten, insbesondere wie die wichtigsten Elemente der Abhilfemaßnahmen in den eigentlichen für die Umsetzung der Abhilfemaßnahmen anzunehmenden Rechtstexten umgesetzt würden. Angesichts der Tatsache, dass es bei einigen der in Ungarn festgestellten Probleme nicht nur um Änderungen des Rechtsrahmens, sondern vor allem um die konkrete Umsetzung von Änderungen in der Praxis geht, was einen längeren Zeitrahmen für die Erzielung konkreter Ergebnisse erfordert, bestand bis zur Umsetzung zumindest der wichtigsten Elemente einiger Abhilfemaßnahmen entsprechend dem von Ungarn in seiner zweiten Antwort vorgelegten Zeitplan für die Abhilfemaßnahmen zum Zeitpunkt des Kommissionsvorschlags nach wie vor ein Risiko für den Unionshaushalt. Bis zum Inkrafttreten der wichtigsten Rechtstexte, die viele der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen umsetzen würden, und unter Berücksichtigung der in der Begründung zum Kommissionsvorschlag enthaltenen Einschätzung sowie der Möglichkeit, dass die Maßnahmen nicht ordnungsgemäß umgesetzt oder ihre Wirksamkeit durch ihre konkrete Ausgestaltung geschwächt werden könnten, schätzte die Kommission das Risiko für den Unionshaushalt auf 65 % des betroffenen Programms, d. h. 5 Prozentpunkte weniger als das geschätzte Risiko ohne Abhilfemaßnahmen. Daher schlug sie dem Rat vor, angemessene Maßnahmen nach Artikel 6 Absatz 9 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 zu erlassen.

(31)

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Ungarn sich verpflichtet hatte, Abhilfemaßnahmen nach einem detaillierten Zeitplan zu ergreifen, sowie dass die Kommission der Auffassung war, dass die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen zusammengenommen, sofern sie korrekt festgelegt und gemäß dem erwähnten Zeitplan umgesetzt würden, grundsätzlich geeignet sein könnten, die Probleme zu beheben, beschloss der Rat am 13. Oktober 2022 auf Antrag Ungarns, die Frist für den Erlass des Durchführungsbeschlusses wegen außergewöhnlicher Umstände gemäß Artikel 6 Absatz 10 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 um zwei weitere Monate zu verlängern, um der Kommission und dem Rat ausreichend Zeit für die Bewertung der Annahme und wirksamen Umsetzung der Abhilfemaßnahmen angesichts ihrer großen Zahl und technischen Komplexität zu geben.

(32)

Um die in den wichtigen Umsetzungsschritten festgelegten Fristen einzuhalten, nahm Ungarn zwischen Ende September und Anfang Oktober mehrere Rechtsakte an. Es waren weitere intensive Gespräche zwischen den ungarischen Behörden und den Kommissionsdienststellen erforderlich, um nach Möglichkeit sicherzustellen, dass diese Rechtsakte vollständig mit den Abhilfemaßnahmen in Einklang stehen und wirksam sein würden. Als Ergebnis dieser Gespräche legte die Regierung Ungarns der Nationalversammlung am 15. November 2022 ein sogenanntes „Leistungspaket“ vor, in dem eine Reihe von Änderungen der Ende September 2022 und Anfang Oktober angenommenen Rechtstexte vorgeschlagen wurden.

Das Leistungspaket besteht aus zwei Gesetzesentwürfen: einem Gesetzesentwurf (T/2033) zur Annahme nach dem ordentlichen Verfahren, über den die Schlussabstimmung am 22. November 2022 stattfand, und dem anderen Gesetzesentwurf (T/2032) zur Annahme nach dem Verfahren für Kardinalgesetze (Zweidrittelmehrheit zur Annahme erforderlich), über den die Schlussabstimmung am 7. Dezember 2022 stattfand. Die Nationalversammlung hat beide Gesetze angenommen. Mit Schreiben an die Kommission vom 19. November, 26. November, 6. Dezember und 7. Dezember 2022 unterrichtete Ungarn die Kommission über die Maßnahmen, die zur Umsetzung der zuvor eingegangenen Verpflichtungen ergriffen wurden.

(33)

Am 30. November 2022 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung über die von Ungarn notifizierten Abhilfemaßnahmen, in der sie dem Rat eine Bewertung der Angemessenheit der von Ungarn bis zum 19. November 2022 verabschiedeten Abhilfemaßnahmen vorlegt. Auf Antrag des Rates vom 6. Dezember 2022 legte die Kommission am 9. Dezember 2022 eine aktualisierte Bewertung der von Ungarn bis zum 7. Dezember 2022 ergriffenen weiteren Maßnahmen vor. Die Mitteilung der Kommission vom 30. November 2022 und die aktualisierte Bewertung vom 9. Dezember 2022 bildet zusammen mit der Begründung zum Kommissionsvorschlag die Grundlage für die Beratungen des Rates.

a)   Stärkung der Prävention, Aufdeckung und Behebung von Verstößen und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Ausführung von Unionsmitteln durch eine neu eingerichtete Integritätsbehörde

(34)

Ungarn verpflichtete sich, eine Integritätsbehörde einzurichten, deren Ziel es ist, die Prävention, Aufdeckung und Behebung von Betrug, Interessenkonflikten und Korruption sowie anderer Verstöße und Unregelmäßigkeiten in der Ausführung der finanziellen Förderung durch die Union zu verbessern. Die Schaffung der Integritätsbehörde, einer neuen Einrichtung im ungarischen Kontext, ist eine horizontale Maßnahme, mit der die systembedingten Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die den finanziellen Interessen der Union zuwiderlaufen, behoben werden sollen. Es handelt sich daher um eine der zentralen Abhilfemaßnahmen, die Ungarn vorgeschlagen hat, um auf die von der Kommission geäußerten Bedenken zu reagieren.

(35)

Ungarn hat im Rahmen der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahme eine Reihe von Elementen vorgesehen, die zum Zeitpunkt des Kommissionsvorschlags positiv bewertetet wurden, insbesondere in Bezug auf das Folgende: i) den Zweck und die Ziele der neuen Integritätsbehörde, ii) den Umfang ihres Mandats und ihre umfassenden Befugnisse, einschließlich der Befugnis, öffentliche Auftraggeber anzuweisen, Angebote auszusetzen, der Befugnis, Untersuchungsbehörden mit der Durchführung von Untersuchungen zu beauftragen, der Befugnis, den Ausschluss bestimmter Wirtschaftsteilnehmer von der Finanzierung durch die Union zu empfehlen; das Recht, eine gerichtliche Überprüfung aller Entscheidungen von Behörden in Bezug auf Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu beantragen, die eine Unterstützung durch die Union beinhalten (und Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung sein können) usw.; iii) die Vorschriften für die Ernennung des Verwaltungsrats der Integritätsbehörde und die Beteiligung eines „Prüfungsausschusses“, durch den die uneingeschränkte Unabhängigkeit der Integritätsbehörde gewährleistet werden soll. Außerdem hat sich Ungarn verpflichtet, dass die Integritätsbehörde sich auf im Rahmen gerichtlicher Entscheidungen festgestellte Tatsachen stützt, dass sie die Gerichte anrufen kann und dass ihre eigenen Beschlüsse gerichtlichen Prüfungen unterliegen.

Aus diesem Grund hat sich Ungarn ferner verpflichtet, dass alle Zivil-, Verwaltungs- und Strafgerichte in Ungarn, einschließlich der für den Schutz der finanziellen Interessen der Union zuständigen Gerichte, den Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit genügen und rechtmäßig gemäß Artikel 19 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union (TEU) und unter Achtung des einschlägigen Besitzstands der Union errichtet werden müssen. Ungarn verpflichtete sich ferner, bis zum 19. November 2022 wichtige Umsetzungsschritte für die Schaffung der Integritätsbehörde zu ergreifen. Nach der Übermittlung des Kommissionsvorschlags verabschiedete Ungarn am 4. Oktober 2022 das Gesetz zur Einrichtung der Integritätsbehörde (Gesetz XXVII von 2022 über die Kontrolle der Verwendung von Haushaltsmitteln der Europäischen Union, im Folgenden „Gesetz über die Integritätsbehörde“), das am 11. Oktober 2022 in Kraft getreten ist. Weitere Änderungen am Gesetz über die Integritätsbehörde wurden als Teil der beiden Gesetzesentwürfe eingeführt, die das „Leistungspaket“ bilden und die der Nationalversammlung am 15. November 2022 vorgelegt wurden und über die am 22. November 2022 und am 7. Dezember 2022 abgestimmt wurde. Wie in der Abhilfemaßnahme gefordert, konsultierte Ungarn im Laufe des Verfahrens zur Annahme des Gesetzes über die Integritätsbehörde den Europarat und die OECD und trug bestimmten Empfehlungen Rechnung. Parallel zu den Gesetzgebungsverfahren begannen die ungarischen Behörden am 23. September 2022 mit dem Verfahren zur Auswahl und Ernennung des Prüfungsausschusses und anschließend am 14. Oktober 2022 mit dem Verfahren zur Auswahl und Ernennung des Verwaltungsrats der Integritätsbehörde, dessen Mitglieder schließlich bis zum 4. November 2022 ernannt wurden. Die Integritätsbehörde hielt ihre erste offizielle Sitzung am 18. November 2022 ab.

(36)

Die Kommission hat jedoch in ihrer Mitteilung vom 30. November 2022 nach gründlicher Bewertung festgestellt und am 9. Dezember 2022 bestätigt, dass der im Gesetz über die Integritätsbehörde festgelegte Rechtsrahmen für die Integritätsbehörde einige der im Rahmen der Abhilfemaßnahme eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt, sodass diese nicht als uneingeschränkt wirksam und angemessen im Sinne der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 angesehen werden kann. Bei den Schwächen, Risiken und Mängeln der Abhilfemaßnahme, die die Wirksamkeit und Unabhängigkeit der Integritätsbehörde und ihre Fähigkeit, auf die Feststellungen der Kommission zu reagieren, beeinträchtigen, handelt es sich insbesondere um folgende: i) das Fehlen einer klaren Regelung, in der festgelegt ist, dass die Integritätsbehörde ihre Zuständigkeit behält, nachdem ein Projekt von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen wurde; ii) die Schwächen des Systems der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber, die den Empfehlungen der Integritätsbehörde nicht nachkommen; iii) die Schwächen des Entlassungsverfahrens; iv) dass die Integritätsbehörde bei Erklärungen mancher Personenkreise keine direkten Befugnisse, sondern nur Aufsichtsbefugnisse hat, und dass der Integritätsbehörde nicht die Befugnis übertragen wurde, die Vermögenserklärungen von Mitgliedern der Regierung zu überprüfen; v) dass die Integritätsbehörde nicht befugt ist, die Vermögenserklärungen aller Personenkreise zu überprüfen, da sich die Überprüfungsbefugnisse der Integritätsbehörde nicht auf alle mit hohem Risiko behafteten Beamten erstrecken. Der Rat ist der Auffassung, dass aus diesen Gründen, die in der Mitteilung der Kommission ausführlicher dargelegt werden, die festgestellten Schwachstellen, insbesondere diejenigen, durch die die Befugnisse der Integritätsbehörde eingeschränkt werden, so schwerwiegend sind, dass sie die Kapazität der Integritätsbehörde zur Behebung systembedingter Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die den finanziellen Interessen der Union zuwiderlaufen, erheblich beeinträchtigen.

b)   Taskforce für Korruptionsbekämpfung

(37)

Ungarn verpflichtete sich, eine Taskforce für Korruptionsbekämpfung einzurichten, deren Aufgabe unter anderem darin besteht, die bestehenden Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung zu prüfen und Vorschläge zur Verbesserung der Prävention, Aufdeckung, Ermittlung, Verfolgung und Sanktionierung korrupter Praktiken auszuarbeiten. Ein Schlüsselelement der Abhilfemaßnahme war die umfassende, strukturierte und wirksame Beteiligung von im Bereich der Korruptionsbekämpfung tätigen nichtstaatlichen Akteuren sowie von Regierungsvertretern. Darüber hinaus verpflichtete sich Ungarn zu umfassenden Konsultationen mit nationalen und internationalen Interessenträgern, einschließlich der Kommission während der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs. Ungarn sicherte zu, wichtige Umsetzungsschritte zu unternehmen, um bis zum 30. September 2022 den Rechtsrahmen für die neue Taskforce für Korruptionsbekämpfung festzulegen. Im Einklang mit der Abhilfemaßnahme ist in den einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die Integritätsbehörde vorgesehen, dass 50 % der Mitglieder der neuen Taskforce für Korruptionsbekämpfung nichtstaatliche Akteure vertreten und auf der Grundlage eines offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Auswahlverfahrens mit objektiven Kriterien in Bezug auf Fachwissen und Leistung ausgewählt werden. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags konsultierte Ungarn die OECD und den Europarat und sah die Einrichtung der neuen Taskforce für Korruptionsbekämpfung im Rahmen des Gesetzes über die Integritätsbehörde vor. Die neue Taskforce für Korruptionsbekämpfung wurde schließlich am 1. Dezember 2022 eingerichtet.

(38)

Angesichts dieser Entwicklung und auf der Grundlage der Bewertung der Kommission ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn die einschlägigen wichtigen Umsetzungsschritte unternommen hat und dass der im Gesetz über die Integritätsbehörde festgelegte Rechtsrahmen für die neue Taskforce für Korruptionsbekämpfung die mit der Abhilfemaßnahme eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.

c)   Stärkung des Rahmens für die Korruptionsbekämpfung

(39)

Ungarn sicherte zu, bis zum 30. September 2022 Strategien zur Betrugs- und Korruptionsbekämpfung anzunehmen, in denen die Aufgaben der an der Durchführung jeglicher finanziellen Unterstützung durch die Union beteiligten Stellen in Bezug auf die Prävention, Aufdeckung und Behebung von Betrug, Interessenkonflikten und Korruption festgelegt werden. Ungarn verpflichtete sich ferner, den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich von Vermögenserklärungen ab dem 1. November 2022 auszuweiten. Diese Abhilfemaßnahme ist horizontaler und systemischer Natur, um Korruption zu bekämpfen und die Transparenz im politischen Bereich zu gewährleisten. Sie ist daher eine der zentralen von Ungarn vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen.

(40)

Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags unternahm Ungarn eine Reihe von Schritten, um die wichtigen Umsetzungsschritte für diese Abhilfemaßnahme anzugehen. Am 30. September 2022 hat Ungarn die Strategie zur Bekämpfung von Betrug und Korruption für den Programmplanungszeitraum 2021-2027 und für die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans angenommen (Regierungsbeschluss 1470/2022). Die Strategie wurde anschließend geändert, und am 15. November 2022 wurde eine neue Fassung angenommen und veröffentlicht (Regierungsbeschluss 1540/2022). Die Nationalversammlung hat am 25. Oktober 2022 das „Gesetz über Vermögenserklärungen“ (Gesetz XXXI von 2022) angenommen, das mit einigen Ausnahmen am 1. November 2022 in Kraft getreten ist. Am 15. November 2022 hat Ungarn der Nationalversammlung als Teil des am 7. Dezember 2022 angenommenen Dienstleistungspakets einen Gesetzentwurf zur Änderung des „Gesetzes über Vermögenserklärungen“ vorgelegt.

(41)

In Bezug auf die Strategien zur Betrugs- und Korruptionsbekämpfung stellte die Kommission in ihrer Mitteilung vom 30. November 2022 fest, dass Ungarn — obwohl es die vereinbarte Frist aufgrund der Annahme von Änderungen nicht eingehalten hat — die in der Abhilfemaßnahme festgelegten Verpflichtungen erfüllt hat. In Bezug auf die Vermögenserklärungen stellte die Kommission fest, dass der persönliche Anwendungsbereich von Vermögenserklärungen durch das Gesetz über Vermögenserklärungen im Einklang mit der Abhilfemaßnahme auf mit hohen politischen Ämtern betraute Personen und Mitglieder der Nationalversammlung sowie im selben Haushalt lebende Verwandte ausgeweitet wird. Mit dem Gesetz wird auch der sachliche Anwendungsbereich von Vermögenserklärungen auf alle einschlägigen Vermögenswerte ausgeweitet. Ausgehend von der Bewertung der Kommission weist der von Ungarn geschaffene Rechtsrahmen für die Vermögenserklärung jedoch nach wie vor erhebliche Schwachstellen, Risiken und Mängel auf, insbesondere: i) einen Mangel an Klarheit und Rechtssicherheit bei Offenlegungspflichten für Immobilien, einschließlich Immobilien außerhalb des ungarischen Hoheitsgebiets; ii) einen Mangel an Klarheit über den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Erklärung von Vermögenswerten, Einkünften und wirtschaftlichen Interessen bestimmter Führungskräfte, Beamter und Mitglieder der Nationalversammlung sowie ihrer Ehepartner oder Lebensgefährten und im selben Haushalt lebenden Kinder; iii) das Versäumnis, in das Gesetz über Vermögenserklärungen einen ausdrücklichen Verweis auf die Einrichtung eines Systems zur elektronischen Einreichung von Vermögenserklärungen in einem digitalen Format aufzunehmen, die in einer öffentlichen Datenbank gespeichert werden, welche gebühren- und registrierungsfrei abgefragt werden kann. Der Rat ist der Auffassung, dass die festgestellten Schwachstellen aus diesen Gründen, die in der Mitteilung der Kommission näher erläutert werden, zu möglichen Gesetzeslücken führen und folglich die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahme untergraben.

d)   Gewährleistung der Transparenz bei der Verwendung von Unionsunterstützung durch Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse

(42)

Ungarn hat sich verpflichtet, durch eine Änderung des einschlägigen Rechtsrahmens bis zum 30. September 2022 die Transparenz bei der Verwendung von Unionsunterstützung durch Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse zu gewährleisten. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags nahm die Nationalversammlung ein Gesetz zur Änderung bestimmter Gesetze über Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, über die nationale Steuer- und Zollverwaltung und über die Kontrollen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung im Zusammenhang mit der Kontrolle der Verwendung von Haushaltsmitteln der Europäischen Union (Gesetz XXIX von 2022) an, das am 13. Oktober 2022 in Kraft trat.

(43)

Im Einklang mit der Abhilfemaßnahme wurden mit dem Gesetz XXIX von 2022 Änderungen eingeführt, mit denen der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge und über Interessenkonflikte ausgeweitet wurde, um auch Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, abzudecken. Der Rechtsrahmen hindert jedoch hochrangige Beamte, einschließlich hochrangiger politischer Führungskräfte der Nationalversammlung und der autonomen Einrichtungen Ungarns, nach wie vor nicht daran — wie von der Kommission wiederholt gefordert —, Leitungsorganen von Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse anzugehören. Zudem hat Ungarn mit Wirkung vom 1. November 2022 die Möglichkeit für hochrangige politische Führungskräfte (im Wege einer Ausnahme vom allgemeinen Verbot) wieder eingeführt, andere vergütete Tätigkeiten auszuüben, unter anderem in Leitungsorganen von Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse. Der Rat ist der Auffassung, dass aus diesen Gründen, die in der Mitteilung der Kommission näher erläutert werden, die Schwachstellen des Rechtsrahmens in Verbindung mit den neuen legislativen Entwicklungen den möglichen Interessenkonflikt, den die Abhilfemaßnahmen beheben sollten, noch verschärfen und daher nicht geeignet sind, die ursprünglich von der Kommission geäußerten Bedenken auszuräumen.

e)   Einführung eines spezifischen Verfahrens bei besonderen Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder der Verwaltung öffentlichen Eigentums

(44)

Ungarn verpflichtete sich, ein neues Verfahren der gerichtlichen Überprüfung für besondere Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder der Verwaltung öffentlichen Eigentums. Gemäß der Abhilfemaßnahme muss das neue Verfahren die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder der Ermittlungsbehörde über die Abweisung einer Strafanzeige oder die Einstellung des Strafverfahrens (d. h. die Einstellung strafrechtlicher Ermittlungen ohne Anklageerhebung) in Bezug auf Korruption und korruptionsbezogene Praktiken vorsehen. Das neue Verfahren muss einem Ermittlungsrichter die Befugnis verleihen, die Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens anzuordnen. Jede natürliche und juristische Person, mit Ausnahme von Behörden, kann im Rahmen des Verfahrens Anträge stellen, was auch zur Anklageerhebung vor einem Gericht führen kann. Bei dieser Abhilfemaßnahme handelt es sich um eine horizontale Maßnahme, die darauf abzielt, strukturelle Probleme bei der Wirksamkeit von Strafverfolgungsmaßnahmen in Ungarn zu beheben und sicherzustellen, dass wirksame und abschreckende Maßnahmen ergriffen werden, um den Schutz der finanziellen Interessen der Union im Einklang mit Artikel 325 AEUV zu gewährleisten. Sie ist daher eine der zentralen Abhilfemaßnahmen, die Ungarn vorgeschlagen hat, um die von der Kommission geäußerten Bedenken auszuräumen.

(45)

Ungarn nahm in die vorgeschlagene Abhilfemaßnahme eine Reihe von Elementen auf, die zum Zeitpunkt des Kommissionsvorschlags positiv bewertet wurden, wie etwa die Möglichkeit für Rechtsträger, die gerichtliche Überprüfung zu beantragen, eine garantierte bevorzugte verfahrensrechtliche Stellung der Person, die eine Straftat anzeigt, einen Verweis darauf, dass die ausschließliche Zuständigkeit für Verhandlungen im Rahmen des neuen Verfahrens bei einem Fachgericht (nämlich dem Zentralen Bezirksgericht Buda) liegen wird, einen Verweis darauf, dass alle an dem neuen Verfahren beteiligten Gerichte und Ermittlungsrichter den Artikel 19 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union und den einschlägigen EU-Besitzstand einhalten werden, sowie einen angemessenen Zeitrahmen für das Verfahren im Allgemeinen. Ungarn sicherte ferner zu, bis zum 15. November 2022 wichtige Umsetzungsschritte für die Annahme und das Inkrafttreten der erforderlichen Änderungen der Strafprozessordnung sowie der einschlägigen Durchführungsverordnungen zu unternehmen. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags nahm die Nationalversammlung am 3. Oktober 2022 ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes XC von 2017 über die Strafprozessordnung („Gesetz über die gerichtliche Überprüfung“) an, das am 15. November 2022 in Kraft getreten ist und nach einem Austausch mit der Kommission weiter überarbeitet und am 22. November 2022 in einer geänderten Fassung angenommen wurde. Ungarn leitete eine Ex-ante-Überprüfung vor dem ungarischen Verfassungsgericht ein, das das Gesetz über die gerichtliche Überprüfung für vereinbar mit dem im ungarischen Grundgesetz verankerten Grundsatz des Strafverfolgungsmonopols befand. Schließlich legte Ungarn der Kommission die Entwürfe der Erlasse zur Festlegung der für die Anwendung des neuen Überprüfungsverfahrens erforderlichen Durchführungsverordnungen vor und verpflichtete sich, diese unverzüglich anzunehmen, um sicherzustellen, dass sie am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

(46)

Mit dem Gesetz über die gerichtliche Überprüfung wird eine Reihe der im Rahmen der Abhilfemaßnahmen vorgeschlagenen Verpflichtungen durch entsprechende Änderungen der Strafprozessordnung umgesetzt. Weitere Maßnahmen, die Ungarn im Rahmen der Änderung des Gesetzes über die gerichtliche Überprüfung ergriffen hat, wie die Befugnis der Integritätsbehörde, einen Antrag auf Wiederaufnahme oder wiederholte Wiederaufnahme zu stellen, und die Abschaffung der Befugnis des Generalstaatsanwalts, gegen Entscheidungen einen außerordentlichen Rechtsbehelf einzulegen, wurden von der Kommission ebenfalls begrüßt. Wie die Bewertung der Kommission gezeigt hat, wird jedoch durch spezifische Bestimmungen des Gesetzes über die gerichtliche Überprüfung ein Ermessensspielraum im Verfahren eingeführt, der genutzt werden könnte, um das Ergebnis eines Antrags auf Wiederaufnahme oder auf Strafverfolgung zu beeinflussen, wodurch die Wirksamkeit und Gesamteignung der Abhilfemaßnahme beeinträchtigt wird. Insbesondere (i) ist in den anwendbaren Vorschriften nicht klar geregelt, welche Rechtsfolgen eine gerichtliche Entscheidung, mit der die Entscheidung nach einem Wiederaufnahmeantrag aufgehoben wird, für den Staatsanwalt hat. Da es keine Garantie dafür gibt, dass Entscheidungen über eine gerichtliche Überprüfung durch ordnungsgemäße Strafverfolgungsmaßnahmen gebührend weiterverfolgt werden, untergräbt das dem Staatsanwalt eingeräumte Ermessen die Wirksamkeit und damit die Eignung der Abhilfemaßnahme erheblich. Darüber hinaus (ii) schreibt das Gesetz über die gerichtliche Überprüfung in Fällen, in denen ein Antrag auf Strafverfolgung gestellt werden kann, eine Prüfung der Begründung für den Antrag auf Strafverfolgung durch das Prozessgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Beweisaufnahme vor, was zusätzlich zur Vorprüfung der im Rahmen des neuen Verfahrens festgestellten formalen Gründe erfolgt.

Ausgehend von der Bewertung der Kommission und der darin dargelegten Gründe kommt eine solche Prüfung der Begründung für den Antrag auf Strafverfolgung durch das Prozessgericht einer substanziellen Filterung gleich, die die Gefahr birgt, dass eine Entscheidung in der Sache vorweggenommen oder verhindert wird, ohne dass die Möglichkeit besteht, in der Sache Beweise einzuholen und zu vernehmen. Dies stellt einen unnötigen Schritt dar und untergräbt die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahme. Schließlich wird im Gesetz über die gerichtliche Überprüfung der zeitliche Anwendungsbereich der neuen Vorschriften nicht klargestellt, insbesondere nicht, dass das neue Verfahren auch für (nicht verjährte) Straftaten gelten wird, die vor dem 1. Januar 2023 begangen wurden. Der Rat ist der Auffassung, dass die festgestellten Schwachstellen aus diesen und den in der Mitteilung der Kommission näher erläuterten Gründen so schwerwiegend sind, dass sie die Eignung der Abhilfemaßnahme zur Bewältigung der Probleme der unwirksamen Ermittlung, Verfolgung und Sanktionierung von Straftaten im Bereich der Verwaltung öffentlichen Eigentums ernsthaft infrage stellen.

f)   Stärkung der Prüf- und Kontrollmechanismen zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Verwendung von EU-Unterstützung

(47)

Ungarn verpflichtete sich, die Prüf- und Kontrollmechanismen zu stärken, um die wirtschaftliche Verwendung von Unionsunterstützung zu gewährleisten, indem in die einschlägige nationale Gesetzgebung Bestimmungen zur Stärkung von Vorschriften und Verfahren aufgenommen werden, damit Interessenkonflikte bei der Verwendung von Unionsmitteln im Einklang mit in Artikel 61 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) wirksamer verhindert, aufgedeckt und behoben werden, einschließlich eines wirksamen Kontrollmechanismus für die Gültigkeit von Erklärungen zu Interessenkonflikten. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags unternahm Ungarn eine Reihe von Schritten, um die wichtigen Umsetzungsschritte für diese Abhilfemaßnahme anzugehen. Insbesondere nahm die Nationalversammlung das Gesetz XXVIII von 2022 an, mit dem die Direktion Interne Prüfung und Integrität in der Kanzlei des Ministerpräsidenten eingerichtet und mit Garantien für ihre Unabhängigkeit und Wirksamkeit ausgestattet wurde, und überarbeitete es weiter. Das Dienstleistungspaket umfasste ferner einen Gesetzentwurf zur Änderung des Rechtsrahmens für die Generaldirektion Prüfung europäischer Mittel („EUTAF“). Ungarn nahm ferner den Regierungserlass 373/2022 zur Änderung des Erlasses 374/2022 sowie des Regierungserlasses 463/2022 zur Stärkung der Vorschriften und Verfahren zur wirksameren Prävention, Aufdeckung und Behebung von Interessenkonflikten an. Ausgehend von der Mitteilung der Kommission vom 30. November 2022 und der darin dargelegten Gründe ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn die wichtigen Umsetzungsschritte unternommen hat und dass die einschlägigen Gesetzestexte die mit der Abhilfemaßnahme eingegangenen Verpflichtungen erfüllen.

g)   Verringerung des Anteils der aus Unionsmitteln finanzierten Ausschreibungsverfahren mit einem einzigen Angebot

(48)

Ungarn sicherte zu, den Anteil der aus Unionsmitteln finanzierten und im Jahr 2022 abgeschlossenen Ausschreibungsverfahren mit einem einzigen Angebot bis zum 31. Dezember 2022 auf unter 15 % zu senken, gemessen nach der Methodik des Binnenmarktanzeigers. Der wichtige Umsetzungsschritt für diese Maßnahme war die Durchführung der ersten Prüfung durch die EUTAF hinsichtlich der Befolgung der Methodik des Binnenmarktanzeigers bis zum 30. September 2022. Ungarn übermittelte den Bericht am 7. Oktober 2022 und im Anschluss an die Bemerkungen der Kommission am 3. November 2022 eine überarbeitete endgültige Fassung. Die Prüfung ergab, dass die verwendete Methodik geeignet ist und mit der im Binnenmarktanzeiger verwendeten Methodik in Einklang steht, mit einer Ausnahme, zu der die EUTAF eine Empfehlung ausgesprochen hat. Ausgehend von der Mitteilung der Kommission vom 30. November 2022 und der darin dargelegten Gründe ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn den in der Abhilfemaßnahme geforderten wichtigen Umsetzungsschritt unternommen hat.

i)   Die Entwicklung eines Meldeinstruments für einzige Angebote zur Überwachung und Meldung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die mit einem einzigen Angebot abgeschlossen wurden

(49)

Ungarn verpflichtete sich, bis zum 30. September 2022 ein neues Überwachungs- und Meldeinstrument zu entwickeln, mit dem der Anteil der aus nationalen Mitteln oder aus Unterstützung durch die Union oder aus beiden finanzierten Vergabeverfahren gemessen werden kann, bei denen ein einziges Angebot eingereicht wird. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags unternahm Ungarn eine Reihe von Schritten, um die wichtigen Umsetzungsschritte für diese Abhilfemaßnahme anzugehen. Insbesondere entwickelte Ungarn ein neues Überwachungs- und Meldeinstrument, das als einsatzbereit, funktionsfähig und geeignet, den Anteil von Vergabeverfahren mit einem einzigen Angebot zu überwachen, eingestuft wurde. Im Einklang mit der Abhilfemaßnahme wird das Meldeinstrument bis zum 31. Dezember 2022 weiterentwickelt werden, um Daten zu geografischen Angaben einzuschließen. Ausgehend von der Mitteilung der Kommission vom 30. November 2022 und der darin dargelegten Gründe ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn die wichtigen Umsetzungsschritte unternommen hat und dass das Meldeinstrument für einzige Angebote entwickelt wurde und einsatzbereit ist, wie in der Abhilfemaßnahme gefordert.

j)   Entwicklung des Elektronischen Systems für die Vergabe öffentlicher Aufträge (EPS) zur Erhöhung der Transparenz

(50)

Um die Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu erhöhen, verpflichtete sich Ungarn, eine Datenbank einzurichten und auf der Website des elektronischen Systems für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu veröffentlichen, die in strukturierter Form Informationen über alle Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge enthält, einschließlich Unternehmensidentifikationsnummern und der Namen jedes einzelnen Mitglieds der Konsortien und der Unterauftragnehmer. Diese Datenbank wird regelmäßig aktualisiert und der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stehen. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags teilte Ungarn der Kommission mit, dass die Entwicklung einer Datenbank mit den erforderlichen Funktionalitäten bis zum 30. September 2022 abgeschlossen wurde. Ausgehend von der Bewertung der Funktionalitäten der neuen Datenbank durch die Kommission ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn den einschlägigen wichtigen Umsetzungsschritt für diese Maßnahme unternommen und erfüllt hat.

k)   Die Entwicklung eines Rahmens für die Leistungsmessung zur Bewertung der Effizienz und Kostenwirksamkeit der Vergabe öffentlicher Aufträge

(51)

Um seiner Verpflichtung nachzukommen, bis zum 30. September 2022 einen Rahmen für die Leistungsmessung zur Bewertung der Effizienz und Kostenwirksamkeit der Vergabe öffentlicher Aufträge zu entwickeln, der bis zum 30. November 2022 einsatzbereit sein soll, nahm Ungarn am 5. September 2022 den Regierungsbeschluss 1425/2022 an. Am 30. November 2022 veröffentlichte Ungarn auf der EPS-Website ein Dokument, mit dem der Rahmen für die Leistungsmessung festgelegt wurde. Ausgehend von der Bewertung des im Regierungsbeschluss 1425/2022 festgelegten Rahmens durch die Kommission ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn den einschlägigen wichtigen Umsetzungsschritt unternommen und seine Verpflichtungen in Bezug auf diese Maßnahme erfüllt hat.

o)   Anwendung von ARACHNE, dem Risikobewertungsinstrument der Kommission

(52)

In Bezug auf die Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit Ungarns, die Prüfung von Interessenkonflikten bei der Verwendung von Unionsmitteln zu verbessern, sicherte Ungarn zu, Verfahren für die systematische und erweiterte Nutzung aller Funktionen des einheitlichen Instruments zur Datenauswertung und Risikobewertung (ARACHNE) anzuwenden, das die Kommission den Mitgliedstaaten für jede Unionsunterstützung und für alle Programmplanungszeiträume zur Verfügung stellt, um Interessenkonflikte, Betrug, Korruption, Doppelfinanzierung und andere Unregelmäßigkeiten wirksam zu verhindern und aufzudecken. Am 30. September 2022 nahm die ungarische Regierung den Regierungserlass 373/2022 und den Änderungserlass 374/2022 an, die am selben Tag in Kraft traten und Bestimmungen zur Gewährleistung der regelmäßigen Übermittlung bestimmter Daten an ARACHNE enthalten. Am selben Tag wurde das erste Datenpaket an das Instrument ARACHNE übermittelt. Ausgehend von der Bewertung der Kommission, dass der Regierungserlass 373/2022 und der Änderungserlass 374/2022 die detaillierten Vorschriften für die systematische und wirksame Nutzung von ARACHNE enthalten, ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn den einschlägigen wichtigen Umsetzungsschritt unternommen und seine Verpflichtungen in Bezug auf diese Maßnahme erfüllt hat.

p)   Verstärkung der Zusammenarbeit mit dem OLAF

(53)

Ungarn verpflichtete sich, die Zusammenarbeit mit dem OLAF zu verstärken, indem es eine zuständige nationale Behörde benennt, die das OLAF bei der Durchführung von Vor-Ort-Kontrollen in Ungarn unterstützt, wenn ein von diesen Kontrollen betroffener Wirtschaftsteilnehmer die Zusammenarbeit verweigert. Ungarn verpflichtete sich ferner, eine abschreckende finanzielle Sanktion einzuführen, die zu verhängen ist, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer sich weigert, mit dem OLAF für die Zwecke der Vor-Ort-Kontrollen und -Überprüfungen des OLAF zusammenzuarbeiten. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags nahm die Nationalversammlung am 4. Oktober 2022 das Gesetz XXIX von 2022 an, mit dem die bestehende Gesetzgebung dahin gehend geändert wurde, dass die nationale Steuer- und Zollverwaltung als zuständige nationale Behörde zur Unterstützung des OLAF benannt und eine abschreckende finanzielle Sanktion eingeführt wird, die zu verhängen ist, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer sich weigert, mit dem OLAF zusammenzuarbeiten. Ausgehend von der Bewertung der Kommission ist der Rat der Auffassung, dass Ungarn die einschlägigen wichtigen Umsetzungsschritte unternommen und seine Verpflichtungen in Bezug auf diese Maßnahme erfüllt hat.

q)   Die Annahme eines Gesetzes zur Gewährleistung von mehr Transparenz bei öffentlichen Ausgaben

(54)

Als Teil des Pakets von Abhilfemaßnahmen verpflichtete sich Ungarn, bis zum 31. Oktober 2022 ein Gesetz anzunehmen, das mehr Transparenz bei öffentlichen Ausgaben gewährleistet, indem alle öffentlichen Stellen verpflichtet werden, proaktiv eine Reihe vorab festgelegter Informationen über die Verwendung öffentlicher Mittel in einem zentralen Register zu veröffentlichen. Nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags nahm die Nationalversammlung am 8. November 2022 das Gesetz XL von 2022 an, das anschließend am 22. November 2022 als Teil des Dienstleistungspakets geändert wurde. Eine zusätzliche Änderung der Bestimmungen über die Einrichtung eines zusätzlichen Verwaltungsverfahrens wurde am 7. Dezember 2022 angenommen. Die Kommission kam in ihrer Bewertung zu dem Schluss, dass Ungarn trotz einer Verzögerung bei der Umsetzung die geforderten wichtigen Umsetzungsschritte unternommen hat. Ausgehend von der am 9. Dezember 2022 aktualisierten Bewertung der Kommission weist der Rechtsrahmen jedoch nach wie vor eine Schwachstelle auf, die seine Wirksamkeit beeinträchtigen, insbesondere das Fehlen einer Verpflichtung für alle öffentlichen Auftraggeber, Informationen zu veröffentlichen, wenn der in das zentrale Register hochzuladende Mindestdatensatz keine Daten über die „zuständige Stelle“ für öffentliche Ausgaben, den öffentlichen Auftraggeber oder die Dienstleister, Lieferanten und Kapazitätsanbieter enthält.

(55)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ungarn eine Reihe von Schritten unternommen hat, um die im Anhang der Begründung zum Kommissionsvorschlag aufgeführten (legislativen und nichtlegislativen) wichtigen Umsetzungsschritte anzugehen, und dass viele der von Ungarn im Rahmen der Abhilfemaßnahmen eingegangenen Verpflichtungen, wie vorstehend dargelegt, als erfüllt angesehen werden können. Diese positiven Bewertungen greifen weiteren Entwicklungen in Bezug auf diejenigen Abhilfemaßnahmen, die in der Praxis nachgewiesen werden müssen oder die im Einklang mit den Zusagen Ungarns eine längere Umsetzungsfrist erfordern, nicht vor.

(56)

Gleichwohl bestehen bei einer Reihe von Abhilfemaßnahmen nach wie vor erhebliche Schwachstellen, Risiken und Mängel. Insbesondere die Eignung derjenigen Abhilfemaßnahmen, die horizontaler, struktureller und systemischer Natur und von zentraler Bedeutung für die Behebung der systemischen Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge, die Wirksamkeit von Strafverfolgungsmaßnahmen und die Korruptionsbekämpfung in Ungarn sind, wird weiterhin durch erhebliche Schwachstellen ernsthaft untergraben. Diese Schwachstellen gefährden daher die Wirksamkeit der ergriffenen Abhilfemaßnahmen als Ganzes. Angesichts des horizontalen, strukturellen und systemischen Charakters der noch zu erfüllenden Maßnahmen ändert die Tatsache, dass Ungarn eine Reihe von Verpflichtungen in Bezug auf andere sektorspezifische Abhilfemaßnahmen zufriedenstellend erfüllt hat, nichts an dieser Schlussfolgerung.

(57)

Angesichts des horizontalen, strukturellen und systemischen Charakters der noch zu erfüllenden Maßnahmen genügt die Tatsache, dass Ungarn eine Reihe von Verpflichtungen in Bezug auf andere punktuelle Abhilfemaßnahmen zufriedenstellend erfüllt hat, nicht, um die festgestellten Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und die Auswirkungen, die sie auf den EU-Haushalt haben oder zu haben drohen, zu beheben. Wie die Kommission in ihrer aktualisierten Bewertung vom 9. Dezember 2022 präzisiert hat, müssen die Abhilfemaßnahmen – mit der alleinigen Ausnahme der Abhilfemaßnahme in Bezug auf Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten von öffentlichem Interesse – in ihrer Gesamtheit, als Gesamtpaket, im Hinblick auf ihre allgemeine Eignung, die Situation zu beenden, und auf der Grundlage einer qualitativen und nicht nur quantitativen Bewertung bewertet werden.

(58)

In Anbetracht der vorstehenden Bewertung sollte daher der Schluss gezogen werden, dass die von Ungarn mitgeteilten Abhilfemaßnahmen in ihrer Gesamtheit, in ihrer angenommenen Form und angesichts ihrer Einzelheiten sowie der daraus resultierenden Ungewissheit hinsichtlich ihrer Anwendung in der Praxis die festgestellten Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nicht abstellen. Da es sich bei den festgestellten Unregelmäßigkeiten um systemische Verstöße handelt, beeinträchtigen sie weitgehend die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung der Union und den Schutz der finanziellen Interessen der Union hinreichend unmittelbar.

(59)

Stellt der Rat fest, dass die in der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 festgelegten Bedingungen erfüllt sind, so erlässt er Maßnahmen in angemessener Höhe, um sicherzustellen, dass der Unionshaushalt vor den tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen der festgestellten Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit geschützt ist.

(60)

In Anbetracht der im vorliegenden Beschluss festgestellten Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und ihrer erheblichen Auswirkungen auf den Haushalt der Union, und da die bisher von Ungarn ergriffenen Abhilfemaßnahmen erhebliche Schwachstellen aufweisen, die ihre Eignung zur Behebung der genannten Verstöße ernsthaft infrage stellen, ist der Rat der Auffassung, dass das daraus resultierende Risiko für den Haushalt der Union nach wie vor hoch ist. Gemäß Erwägungsgrund 18 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 sollte das Ausmaß der Mitarbeit des betreffenden Mitgliedstaats bei der Festsetzung der anzunehmenden Maßnahmen gebührend berücksichtigt werden. Die Kommission kam ursprünglich zu dem Ergebnis, dass 65 % der Mittel der betroffenen Programme ein angemessener Näherungswert für das Risiko für den Haushalt sind. In Anbetracht der Zahl und der Bedeutung der Abhilfemaßnahmen, die Ungarn zur Behebung der festgestellten Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit zufriedenstellend umgesetzt hat, wäre es jedoch ein „angemessener Näherungswert“, das Risiko für den Haushalt bei 55 % der betreffenden Programme anzusetzen. Dementsprechend sollten 55 % der Mittelbindungen für die betreffenden Programme nach ihrer Genehmigung ausgesetzt werden. Dieser Wert kann infolge der umgesetzten Abhilfemaßnahmen und unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Mitarbeit Ungarns im Laufe des Verfahrens als angemessener Annäherungswert an die Auswirkungen der festgestellten Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit auf oder deren ernsthafte Risiken für den Unionshaushalt angesehen werden und ist daher im Hinblick auf das in der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 festgelegte Ziel des Schutzes des Unionshaushalts verhältnismäßig.

(61)

Was die Wahl zwischen den verschiedenen Arten von Maßnahmen gemäß Artikel 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 betrifft, so ist der Rat der Auffassung, dass die Aussetzung von Mittelbindungen aus den betreffenden Programmen nach ihrer Genehmigung einen wirksamen und rechtzeitigen Schutz des Haushalts der Union gewährleistet, indem damit verhindert wird, dass sich die in diesem Beschluss festgestellten Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit auf die den betreffenden Programmen zugewiesenen Haushaltsmittel auswirken. Gleichzeitig ermöglicht es die Aussetzung der Mittelbindungen Ungarn nach wie vor, mit der Durchführung dieser Programme gemäß den geltenden Vorschriften zu beginnen, sodass die Ziele der Kohäsionspolitik und die Stellung der Endbegünstigten gewahrt bleiben. Darüber hinaus ist die Aussetzung von Mittelbindungen im Gegensatz zu anderen möglichen Maßnahmen vorübergehender Natur und hat gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 keine endgültigen Auswirkungen. Die Maßnahme kann daher nach dem in dem genannten Artikel vorgesehenen Verfahren aufgehoben werden, ohne dass Unionsmittel verloren gehen, sofern die Situation innerhalb von zwei Jahren vollständig behoben wird. Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit reicht die gewählte Maßnahme daher aus, um den Schutz des Haushalts der Union zu gewährleisten, während sie unter Berücksichtigung der Umstände des Falles die am wenigsten belastende ist.

(62)

Was die festgestellten Verstöße in Bezug auf Trusts von öffentlichem Interesse betrifft, hat der Rechtsrahmen in Ungarn, wie oben dargelegt, Schwachstellen aufgewiesen, die das Risiko von Interessenkonflikten, das mit der Abhilfemaßnahmen behoben werden sollte, nicht behoben haben. In Anbetracht dessen, dass die Abhilfemaßnahme ungeeignet ist, besteht nach wie vor ein Risiko für den Unionshaushalt, das am besten durch ein Verbot, im Rahmen von Programmen mit direkter oder indirekter Mittelverwaltung neue rechtliche Verpflichtungen mit Trusts von öffentlichem Interesse und von ihnen unterhaltenen Einrichtungen einzugehen, behoben werden kann. Eine solche Maßnahme wirkt sich nicht auf die Gesamtzuweisung von Mitteln aus Unionsprogrammen mit direkter und indirekter Mittelverwaltung aus, da diese Mittel noch für andere Einrichtungen verwendet werden können, und reicht daher aus, um den Schutz des Haushalts der Union zu gewährleisten, während sie zugleich in einem angemessenen Verhältnis zu dem für die Verwirklichung dieses Ziels unbedingt erforderlichen Maß steht.

(63)

Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 berührt dieser Beschluss nicht die Verpflichtungen Ungarns, die von dem Beschluss betroffenen Programme und Mittel auszuführen, insbesondere nicht seine Verpflichtungen gegenüber Endempfängern oder Begünstigten, einschließlich der Verpflichtung zur Leistung von Zahlungen gemäß den anwendbaren sektorspezifischen Vorschriften oder Haushaltsvorschriften. Ungarn muss der Kommission nach Annahme dieses Beschlusses alle drei Monate über die Einhaltung dieser Verpflichtungen Bericht erstatten.

(64)

Ungarn sollte die Kommission regelmäßig über die Umsetzung der Abhilfemaßnahmen, zu denen es sich verpflichtet hat, unterrichten, insbesondere derjenigen, die in der Praxis nachgewiesen werden müssen oder längere Umsetzungsfristen erfordern.

(65)

Die Kommission sollte die Lage in Ungarn weiterhin überwachen und gegebenenfalls von ihren Vorrechten im Rahmen der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 Gebrauch machen. Insbesondere sollte die Kommission jede Entwicklung bei der Umsetzung der von Ungarn vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen zügig bewerten, um dem Rat unverzüglich die erforderlichen Vorschläge für die Aufhebung der Maßnahmen nach Artikel 7 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 zu unterbreiten, falls die Bedingungen für ihre Annahme nicht mehr erfüllt sind. Die Kommission sollte den Rat in regelmäßigen Abständen auf dem Laufenden halten —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 festgelegten Bedingungen für die Annahme geeigneter Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn sind erfüllt.

(2)   Die von Ungarn auf der Grundlage von Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen sind nicht in vollem Umfang angemessen, den Feststellungen in der Mitteilung der Kommission an Ungarn vom 27. April 2022 gerecht zu werden.

Artikel 2

(1)   55 % der Mittelbindungen im Rahmen der folgenden operationelle Programme der Kohäsionspolitik werden nach ihrer Genehmigung ausgesetzt:

a)

Operationelles Programm Plus für Umwelt und Energieeffizienz,

b)

Operationelles Programm Plus für integrierten Verkehr,

c)

Operationelles Programm Plus zur territorialen Entwicklung und Siedlungsentwicklung.

(2)   Wenn die Kommission den Haushaltsplan der Union in direkter oder indirekter Mittelverwaltung gemäß Artikel 62 Absatz 1 Buchstaben a und c der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 ausführt, werden keine rechtlichen Verpflichtungen mit auf der Grundlage des ungarischen Gesetzes IX von 2021 eingerichteten Trusts von öffentlichem Interesse oder mit von diesen Trusts von öffentlichem Interesse unterhaltenen Einrichtungen eingegangen.

Artikel 3

Ungarn unterrichtet die Kommission bis zum 16. März 2023 und danach alle drei Monate über die Umsetzung der Abhilfemaßnahmen, zu denen sich Ungarn in seiner zweiten Antwort verpflichtet hat, einschließlich der im Schreiben Ungarns vom 13. September 2022 eingegangenen zusätzlichen Verpflichtungen.

Artikel 4

Dieser Beschluss wird am Tag seiner Bekanntgabe wirksam.

Artikel 5

Dieser Beschluss ist an Ungarn gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 15. Dezember 2022.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. BEK


(1)  ABl. L 433 I vom 22.12.2020, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 159).

(3)  Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17).

(4)  Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (Abl. L 193, 30.7.2018, S. 1)