31988L0146

Richtlinie 88/146/EWG des Rates vom 7. März 1988 zum Verbot des Gebrauchs von bestimmten Stoffen mit hormonaler Wirkung im Tierbereich

Amtsblatt Nr. L 070 vom 16/03/1988 S. 0016 - 0018
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 3 Band 26 S. 0109
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 3 Band 26 S. 0109


*****

RICHTLINIE DES RATES

vom 7. März 1988

zum Verbot des Gebrauchs von bestimmten Stoffen mit hormonaler Wirkung im Tierbereich

(88/146/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN

GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 43,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Die Verabfolgung bestimmter Stoffe mit hormonaler Wirkung an Nutztiere ist in den Mitgliedstaatan zur Zeit unterschiedlich geregelt. Wenn die Bedeutung dieser Substanzen für die Aufzuchtbedingungen auch auf der Hand liegt, so werden ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit von diesen Regelungen doch unterschiedlich beurteilt. Diese Unterschiede führen sowohl zu einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen unter den Erzeugnissen, die Bestandteil gemeinsamer Marktorganisationen sind, als auch zu erheblichen Hindernissen im innergemeinschaftlichen Handel.

Es ist darum notwendig, diese Verzerrungen und Hindernisse zu beseitigen; hiermit wird sichergestellt, daß alle Verbraucher Einkaufsbedingungen vorfinden, die merklich identisch sind, und daß ihnen gleichzeitig ein Erzeugnis geliefert wird, das möglichst weit ihrer Besorgnis und ihrer Erwartung entspricht. Die Absatzmöglichkeiten für die betreffenden Produkte können dadurch nur verbessert werden.

Demzufolge erscheint es angebracht, die Verwendung von Stoffen mit hormonaler Wirkung zu Mastzwecken zu verbieten. Die Verabfolgung bestimmter Stoffe zu therapeutischen Zwecken kann erlaubt sein, muß jedoch streng kontrolliert werden, um eine mißbräuchliche Verwendung zu verhindern.

Ferner können so behandelte lebende Tiere und ihr Fleisch angesichts der sich daraus für die Wirksamkeit der Kontrolle des gesamten Systems ergebenden Risiken grundsätzlich nicht am Warenaustausch teilnehmen. Gleichwohl können Ausnahmen von diesem Verbot unter der Voraussetzung gewährt werden, daß bestimmte Sicherheiten gegeben werden.

Die Verabschiedung einer harmonisierten Regelung führt in der Gemeinschaft zur Einrichtung eines Systems für die Einfuhr aus Drittländern, die gleichwertige Garantien bieten. Diese Garantien können im Rahmen der Anwendung der Richtlinien 72/462/EWG (3) und 85/358/EWG (4) verlangt werden.

Um die Wirksamkeit der Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie sicherzustellen, ist es wichtig, vorzusehen, daß der letztmögliche Termin zur Umsetzung der Richtlinie 85/358/EWG vor dem für die vorliegende Richtlinie festgesetzten Datum liegt. Es ist nämlich angebracht, daß die gemeinschaftlichen Kontrollmaßnahmen die einheitliche Anwendung der Normen im Bereich der Verabfolgung von Stoffen mit hormonaler und thyreostatischer Wirkung in allen Mitgliedstaaten sicherstellen -

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Für diese Richtlinie gelten die Begriffsbestimmungen für Fleisch und Nutztiere nach Artikel 1 der Richtlinie 81/602/EWG (5).

Im Sinne dieser Richtlinie und der Richtlinie 81/602/EWG ist unter therapeutischer Behandlung zu verstehen: die Verabfolgung eines nach Artikel 3 zugelassenen Stoffes an einzelne Nutztiere zur Behandlung einer Fruchtbarkeitsstörung, die nach Untersuchung des betreffenden Tieres durch einen Tierarzt festgestellt worden ist. Diese therapeutische Behandlung ist bei Masttieren verboten.

Artikel 2

Unbeschadet des Artikels 4 der Richtlinie 81/602/EWG dürfen die Mitgliedstaaten keine Abweichung von Artikel 2 derselben Richtlinie zulassen. Jedoch kann die Verabfolgung folgender Stoffe an Nutztiere zur therapeutischen Behandlung zugelassen werden: Östradiol 17v, Testosteron. Progesteron und Folgeerzeugnisse, bei denen sich bei Hydrolyse nach Resorption an der Verabreichungsstelle die Ausgangsverbindung ohne Schwierigkeit ergibt.

Artikel 3

Für die Anwendung dieser Richtlinie gilt folgendes:

a) Nach Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel werden für die in den ersten beiden Gedankenstrichen vorgesehenen Maßnahmen gemäß dem Verfahren des Artikels 8 festgelegt:

- das Verzeichnis der Eurzeugnisse, die als Wirkstoffe die in Artikel 2 genannten Stoffe enthalten und den einschlägigen Grundsätzen und Kriterien der Richtlinien 81/851/EWG (1) und 81/852/EWG (2) entsprechen und die von den Mitgliedstaaten zugelassen werden können;

- die Bedingungen für die Verwendung dieser Erzeugnisse, insbesondere die erforderliche Wartefrist, sowie genaue Kontrollbestimmungen hierzu;

- die Art und Weise der Identifizierung der Tiere.

Bis zum Vorliegen der Entscheidungen nach Unterabsatz 1 sind die Erzeugnisse, denen bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist, weiterhin zugelassen.

Die nach den vorstehenden Bestimmungen zugelassenen Erzeugnisse unterliegen den Vorschriften der Artikel 24 bis 50 der Richtlinie 81/851/EWG; ausgenommen sind die Vorschriften über die einzelstaatliche Genehmigung für das Inverkehrbringen.

b) Die zu therapeutischer Behandlung eingesetzten Erzeugnisse dürfen nur durch Injektion (ausser bei Implantaten) von einem Tierarzt an deutlich identifizierte Nutztiere verabfolgt werden.

Die Behandlung der identifizierten Tiere muß vom Tierarzt registriert werden.

Das behandelte Tier darf nicht vor Ablauf der gemäß Buchstabe a) festgesetzten Wartefrist geschlachtet werden.

c) Beschlüsse über die Aufnahme eines neuen Stoffes, der unmittelbar oder mittelbar östrogene, androgene oder gestagene Wirkung hat, in die Gruppe der in Artikel 2 genannten Stoffe wird vom Rat auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages gefasst. Ein neuer Stoff muß für einen solchen Beschluß den einschlägigen Grundsätzen und Kriterien der Richtlinien 81/851/EWG und 81/852/EWG entsprechen.

Artikel 4

Die Mitgliedstaaten schreiben vor, daß die Unternehmen, die Stoffe mit thyreostatischer, östrogener, androgener und gestagener Wirkung herstellen, und die Unternehmen, die eine Genehmigung gleich welcher Art für den Handel mit diesen Stoffen besitzen, sowie die Unternehmen, die anhand dieser Stoffe Arzneimittel und Tierarzneimittel herstellen, ein Verzeichnis führen, in dem die erzeugten, erworbenen, abgegebenen oder für die Erzeugung der Arzneimittel oder Tierarzneimittel verwendeten Mengen chronologisch erfasst werden.

Artikel 5

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß aus ihrem Gebiet keine Tiere, denen, gleich auf welche Art, Stoffe mit thyreostatischer, östrogener, androgener oder gestagener Wirkung verabfolgt worden sind, und Fleisch solcher Tiere in einen anderen Mitgliedstaat verbracht werden. Sie beschränken den Gebrauch des Gemeinschaftsstempels auf Fleisch von unbehandelten Tieren.

Vom Tag der Bekanntgabe dieser Richtlinie bis zum Zeitpunkt, zu dem die aufgrund der Artikel 2 und 6 erlassenen Maßnahmen anwendbar sind,

- bleiben die einzelstaatlichen Vorschriften über die für den Binnenmarkt der Mitgliedstaaten bestimmte Erzeugung unberührt.

- dürfen die Mitgliedstaaten, die den Gebrauch der in Artikel 5 der Richtlinie 81/602/EWG genannten Stoffe zu Mastzwecken verbieten, die Verbringung in ihr Gebiet von der Voraussetzung abhängig machen, daß die Masttiere unbehandelt sind bzw. das Fleisch nicht von hormonbehandelten Tieren stammt.

Artikel 6

(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Einfuhr aus Drittländern bei Nutztieren, denen, gleich auf welche Art, Stoffe mit thyreostatischer, östrogener, androgener oder gestagener Wirkung verabreicht worden sind, und bei Fleisch von solchen Tieren.

(2) Zu diesem Zweck müssen die in Anweundung der Richtlinie 72/462/EWG notwendigen Beschlüsse mit Bick auf die in Artikel 13 der Richtlinie 85/358/EWG getroffenen Bestimmungen für Fleisch und auf gleichwertige Garantien für lebende Tiere vor dem 1. Januar 1988 gefasst werden.

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß eingeführtes Frischfleisch aus zugelassenen Schlachthöfen der Drittländer, gegenüber denen ein Beschluß nach Absatz 2 gefasst worden ist, gemäß Artikel 25 der Richtlinie 72/462/EWG in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden können, jedoch unbeschadet viehseuchenrechtlicher Maßnahmen.

(4) Bis zum Beginn der Anweundung jedes einzelnen der in Absatz 2 genannten Beschlüsse finden die für die Einfuhr aus Drittländern geltenden einzelstaatlichen Vorschriften über Stoffe mit hormonaler Wirkung weiterhin Anwendung, und zwas unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Vertrages.

(5) Die Mitgliedstaaten setzen die Einfuhr aus denjenigen Drittländern, gegenüber denen bis zum 1. Januar 1988 kein Beschluß nach Absatz 2 gefasst wurde, von diesem Zeitpunkt an aus.

(6) Die Kommission erstellt zum Zwecke der Anwendung der Absätze 1 bis 5 ein Verzeichnis der von den Drittländern zur therapeutischen Behandlung gemäß Artikel 4 der Richtlinie 81/602/EWG zugelassenen Erzeugnisse.

(7) Nach dem Verfahren des Artikels 8 wird ein Programm zur Kontrolle der Einfuhr aus Drittländern aufgestellt, um zu gewährleisten, daß die Einfuhrerzeugnisse nicht günstiger behandelt werden, als die Gemeinschaftserzeugnisse.

Hinsichtlich der Routinekontrollen wird in diesem Programm

- die Häufigkeit der Einfuhrkontrollen je Drittland festgelegt,

- berücksichtigt, welche Garantien von den Kontrollregelungen der Drittländer geboten werden.

Fällt eine Kontrolle positiv aus, so wird die Einfuhr aus Drittländern systematisch kontrolliert, bis die Lage wieder normal ist.

Artikel 7

Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission Abweichungen von den Artikeln 5 und 6 für den Handel mit Zuchttieren und ausgedienten Zuchttieren, die im Laufe ihres Lebens im Rahmen der in Artikel 4 der Richtlinie 81/602/EWG getroffenen Bestimmungen behandelt worden sind, und mit dem Fleisch letzterer Tiere zulassen, und zwar unter Berücksichtigung gegebener Garantien.

Artikel 8

(1) Wird auf das Verfahren dieses Artikels Bezug genommen, so befasst der Vorsitzende unverzueglich den durch Beschluß des Rates vom 15. Oktober 1968 eingesetzten Ständigen Veterinärausschuß - im folgenden »Ausschuß" genannt - entweder von sich aus oder auf Antrag eines Mitgliedstaats.

(2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuß einen Entwurf für die zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuß nimmt dazu innerhalb einer Frist, die der Vorsitzende je nach der Dringlichkeit der zu prüfenden Frage bestimmen kann, Stellung. Die Stellungnahme kommt mit einer Mehrheit von vierundfünfzig Stimmen zustande, wobei die Stimmen der Mitgliedstaaten nach Artikel 148 Absatz 2 des Vertrages gewogen werden. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

(3) Die Kommission erlässt die Maßnahmen und bringt sie sofort zur Anwendung, wenn sie der Stellungnahme des Ausschusses entsprechen. Entsprechen sie der Stellungnahme des Ausschusses nicht oder ist keine Stellungnahme ergangen, so schlägt die Kommission dem Rat unverzueglich die zu treffenden Maßnahmen vor. Der Rat beschließt die Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit.

Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Unterbreitung des Vorschlags keine Maßnahmen beschlossen, so trifft die Kommission die vorgeschlagenen Maßnahmen und bringt sie sofort zur Anwendung, es sei denn, der Rat hat sich mit einfacher Mehrheit gegen die genannten Maßnahmen ausgesprochen.

Artikel 9

Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Übergang zu der endgültigen Regelung der Einbeziehung der einzelstaatlichen Erzeugung in das durch Artikel 2 vorgesehene Verbot zu gewährleisten, können nach dem Verfahren des Artikels 8 höchstens für die Dauer eines Jahres erlassen werden.

Artikel 10

Die Mitgliedstaaten setzen die notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um

- der Richtlinie 85/358/EWG spätestens zum 1. Januar 1987

und

- der vorliegenden Richtlinie spätestens zum 1. Januar 1988

nachzukommen.

Sie setzen die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis.

Artikel 11

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 7. März 1988.

Im Namen des Rates

Der Präsident

I. KIECHLE

(1) ABl. Nr. C 288 vom 11. 11. 1985, S. 158.

(2) ABl. Nr. C 44 vom 15. 2. 1985, S. 14.

(3) ABl Nr. L 302 vom 31. 12. 1972, S. 28.

(4) ABl. Nr. L 191 vom 23. 7. 1985, S. 46.

(5) ABl. Nr. L 222 vom 7. 8. 1981, S. 32.

(1) ABl. Nr. L 317 vom 6. 11. 1981, S. 1.

(2) ABl. Nr. L 317 vom 6. 11. 1981, S. 16.