21.6.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 182/4


BESCHLUSS Nr. 377/2014 DES RATES

vom 12. Juni 2014

über die Anwendung der AIEM-Steuer auf den Kanarischen Inseln

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 349,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,

gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Rat beschließt gemäß Artikel 349 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unter Berücksichtigung der strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage der Regionen in äußerster Randlage, die durch die Faktoren Abgelegenheit, Insellage, geringe Größe, schwierige Relief- und Klimabedingungen und wirtschaftliche Abhängigkeit von einigen wenigen Erzeugnissen erschwert wird, spezifische Maßnahmen, die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung der Verträge auf die genannten Gebiete, einschließlich gemeinsamer Politiken, festzulegen.

(2)

Daher sollten spezifische Maßnahmen erlassen werden, um die Bedingungen für die Anwendung des AEUV auf diese Gebiete zu schaffen. Bei diesen Maßnahmen sind die Besonderheiten und Sachzwänge dieser Gebiete zu berücksichtigen, ohne die Geschlossenheit und Einheitlichkeit der Rechtsordnung der Union zu gefährden, die auch den Binnenmarkt und die gemeinsamen Politiken umfasst.

(3)

Der größte Nachteil für die Kanarischen Inseln ist die hohe Abhängigkeit ihrer Wirtschaft vom Dienstleistungssektor, insbesondere der Tourismusbranche zusammen mit dem geringen Anteil der gewerblichen Wirtschaft am BIP der Inseln.

(4)

An zweiter Stelle steht die Abgelegenheit der Inselgruppe, die den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr beeinträchtigt. Die Abhängigkeit von bestimmten Verkehrsträgern — Luft- und Seeverkehr — hat besonders schwerwiegende Auswirkungen, da in diesen Bereichen noch keine vollständige Liberalisierung erreicht wurde. Zudem sind die Produktionskosten höher, da diese Verkehrsträger weniger effizient, aber kostspieliger sind als der Straßen- und Schienenverkehr.

(5)

Höhere Produktionskosten aufgrund der Abgelegenheit entstehen auch durch die Abhängigkeit in Bezug auf Rohstoffe und Energie, durch den Zwang zur Lagerhaltung und durch die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Fertigungsausrüstung.

(6)

Die Enge des Marktes und die nur schwach entwickelte Exporttätigkeit, die geografische Zersplitterung der Inselgruppe und die Verpflichtung, unterschiedliche Produktionslinien für die Herstellung geringer Stückzahlen einzusetzen, um der Nachfrage auf diesem engen Markt gerecht zu werden, beeinträchtigen die Nutzung von Größenvorteilen.

(7)

Auch die Inanspruchnahme von Spezial- und Wartungsdiensten, die Ausbildung von leitenden Angestellten und Technikern, die Vergabe von Unteraufträgen oder eine Expansion außerhalb des kanarischen Marktes sind erheblich schwieriger. Darüber hinaus sind die Unternehmen aufgrund der eingeschränkten Vertriebsmöglichkeiten zur Bildung großer Lagerbestände gezwungen.

(8)

Im Umweltbereich fallen höhere Kosten für die Entsorgung von Industrieabfällen und die Behandlung giftiger Abfälle an. Diese Kosten sind höher, weil es nur für bestimmte Erzeugnisse Verwertungsanlagen gibt und daher Abfälle zum Kontinent befördert bzw. giftige Abfälle außerhalb der Inseln behandelt werden müssen.

(9)

Aufgrund der der obigen Feststellungen und entsprechend der Mitteilung der spanischen Behörden an die Kommission vom 4. März 2013 sollte die Ermächtigung bezüglich der Erhebung einer Steuer auf bestimmte, in einer Liste zusammengefasste Erzeugnisse, bei der es zulässig ist, lokale Erzeugnisse zu befreien, verlängert werden.

(10)

Mit der Entscheidung 2002/546/EG (1), die auf der Grundlage von Artikel 299 EG-Vertrag erging, wurde Spanien ursprünglich ermächtigt, bis zum 31. Dezember 2011 bestimmte auf den Kanarischen Inseln hergestellte Erzeugnisse ganz oder teilweise von der Steuer mit der Bezeichnung „Arbitrio sobre Importaciones y Entregas de Mercancías en las Islas Canarias“ (AIEM) zu befreien. Im Anhang dieser Entscheidung sind die Erzeugnisse aufgeführt, die ganz oder teilweise von der Steuer befreit werden können. Die Differenz zwischen den auf lokale Erzeugnisse angewendeten Steuersätzen und den auf auswärtige Erzeugnisse angewendeten Steuersätzen darf je nach Erzeugnis 5, 15 oder 25 Prozentpunkte nicht überschreiten.

(11)

Durch den Beschluss Nr. 895/2011/EU des Rates (2) wurde die Entscheidung 2002/546/EG geändert und ihre Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2013 verlängert.

(12)

Durch den Beschluss Nr. 1413/2013/EU (3) wurde die Entscheidung 2002/546/EG des Rates weiter geändert und ihre Geltungsdauer bis zum 30. Juni 2014 verlängert.

(13)

Die Steuer mit der Bezeichnung AIEM dient der autonomen Entwicklung der Sektoren der industriellen Produktion auf den Kanarischen Inseln und der Diversifizierung der Wirtschaft auf den Kanarischen Inseln.

(14)

Die höchstzulässigen Steuerbefreiungen für diese gewerblichen Waren liegen je nach Sektor und Erzeugnis zwischen 5 % und 15 %.

(15)

Für Tabakfertigerzeugnisse ist jedoch eine höhere Steuerbefreiung zulässig, da die Tabakindustrie einen Sonderfall darstellt. Die Tabakindustrie, die sich auf den Kanarischen Inseln zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt hatte, ist in den letzten Jahren stark geschrumpft. Ursache dafür sind die bekannten Benachteiligungen aufgrund der Insellage. Eine substanzielle Steuerbefreiung für Tabakerzeugnisse ist gerechtfertigt. Eine solche Steuerbefreiung steht in direktem Zusammenhang mit dem Ziel, die Produktionstätigkeit auf den Kanarischen Inseln aufrecht zu erhalten.

(16)

Der Einsatz der Mittel für die Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Kanarischen Inseln wird auf nationaler Ebene durch die Zweckbindung der Einnahmen aus der AIEM gewährleistet. Es besteht die rechtliche Verpflichtung, diese Steuereinnahmen in die Wirtschafts- und Steuerregelung der Kanarischen Inseln (REF) einzubeziehen und zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Inseln durch die Unterstützung der lokalen Wirtschaftstätigkeit einzusetzen.

(17)

Die Steuerbefreiungen von bzw. -ermäßigungen der AIEM sollten für 6,5 Jahre gelten. Allerdings ist eine Evaluierung der Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen erforderlich. Daher sollten die spanischen Behörden der Kommission bis zum 30. September 2017 einen Bericht über die Anwendung der Steuerbefreiungen von bzw. -ermäßigungen der AIEM vorlegen, um die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen sowie deren Beitrag zur Förderung oder Erhaltung von lokalen Wirtschaftstätigkeiten unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, mit denen die Gebiete in äußerster Randlage konfrontiert sind, zu überprüfen. Auf dieser Grundlage wird gegebenenfalls eine Anpassung des Anwendungsbereichs und der zulässigen Steuerbefreiungen, die in der Unionsvorschrift festgelegt sind, vorgenommen.

(18)

Der in Bezug auf die AIEM gewährte Steuervorteil muss verhältnismäßig bleiben, um die Aushöhlung der Geschlossenheit und Einheitlichkeit der Rechtsordnung der Union zu verhindern, zu der der Schutz eines funktionierenden Wettbewerbs im Binnenmarkt und eine Beihilfenpolitik gehören.

(19)

Dieser Beschluss berührt nicht die etwaige Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Abweichend von den Artikeln 28, 30 und 110 AEUV werden die spanischen Behörden ermächtigt, für die im Anhang aufgeführten Erzeugnisse, die lokal auf den Kanarischen Inseln hergestellt werden, bis zum 31. Dezember 2020 Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen in Bezug auf die Steuer mit der Bezeichnung „Arbitrio sobre las Importaciones y Entregas de Mercancias en las islas Canarias“ (AIEM) zu gewähren. Diese Befreiungen müssen sich in die Strategie zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Kanarischen Inseln einfügen und zur Förderung der lokalen Wirtschaftstätigkeit beitragen.

(2)   Die Anwendung der in Absatz 1 genannten Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen darf nicht zu Abweichungen führen von mehr als:

a)

5 % bei den im Anhang unter Abschnitt A aufgeführten Erzeugnissen;

b)

10 % bei den im Anhang unter Abschnitt B aufgeführten Erzeugnissen;

c)

15 % bei den im Anhang unter Abschnitt C aufgeführten Erzeugnissen;

d)

25 % bei den im Anhang unter Abschnitt D aufgeführten Erzeugnissen. Die spanischen Behörden dürfen jedoch bei Zigaretten einen Steuermindestbetrag von höchstens 18 EUR pro 1 000 Zigaretten festsetzen, der nur gilt, wenn der aus der Anwendung der allgemeinen Besteuerungsregeln resultierende AIEM-Steuersatz unterhalb dieses Betrags liegen würde.

Artikel 2

Die spanischen Behörden unterbreiten der Kommission bis zum 30. September 2017 einen Bericht über die Anwendung der Maßnahmen gemäß Artikel 1, damit diese unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, mit denen die Gebiete in äußerster Randlage konfrontiert sind, die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen sowie deren Beitrag zur Förderung bzw. Erhaltung der lokalen Wirtschaftstätigkeiten überprüfen kann.

Auf dieser Grundlage unterbreitet die Kommission dem Rat einen Bericht mit einer umfassenden wirtschaftlichen und sozialen Analyse sowie gegebenenfalls einen Vorschlag für die Anpassung der Bestimmungen dieses Beschlusses.

Artikel 3

Dieser Beschluss gilt ab dem 1. Juli 2014.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an das Königreich Spanien gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 12. Juni 2014.

Im Namen des Rates

Der Präsident

Y. MANIATIS


(1)  Entscheidung des Rates vom 20. Juni 2002 über die Anwendung der AIEM-Steuer auf den Kanarischen Inseln (2002/546/EG) (ABl. L 179 vom 9.7.2002, S. 22).

(2)  Beschluss Nr. 895/2011/EU des Rates vom 19. Dezember 2011 zur Änderung der Entscheidung 2002/546/EG hinsichtlich ihrer Geltungsdauer (ABl. L 345 vom 29.12.2011, S. 17).

(3)  Beschluss Nr. 1413/2013/EU des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Änderung der Entscheidung 2002/546/EG hinsichtlich ihrer Geltungsdauer (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 13).


ANHANG

A.   Liste der unter Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a fallenden Erzeugnisse gemäß der Einreihung in der Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs

Agrar- und Fischereierzeugnisse:

0207 11/0207 13

Mineralische Stoffe:

2516900000/6801/6802

Baumaterialien:

3816/3824400000/3824 50/3824904500/3824907000/3824909799/6809

Chemische Erzeugnisse:

2804300000/2804400000/3105209000/3208/3209/3210/3212900000/3213/3214/3304990000/3925908000/3401/3402/3406/3814 00 90/3923900000/4012 11 00/4012 12 00/4012 13/4012 19

Erzeugnisse der Metallindustrie:

7604/7608

Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie:

 

0210121100/0210121900/0210194000/0210 19 81/0305 41 00/0305430090/

 

0901220000/1101/1102/1601/1602/1704903000/1704905100/1704905500/

 

1704907500/1704907100/1806/1901200000/1901909100/1901 90 99/

 

1904 10 10/1905/2005 20 20/2006003100/2008119600/2008119800/2008 19 92/

 

2008 19 93/2008 19 95/2008 19 99/2309

Getränke:

2009 11/2009 12 00/2009 19/2009 41/2009 49/2009 50/2009 61/2009 71/2009 79/2009 89/2009 90/2201/2202/2204

Textil- und Lederwaren:

6112 31/6112 41

Papier:

4818909000/4823908590

Erzeugnisse der grafischen Industrie und der Verlage:

4910

B.   Liste der unter Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b fallenden Erzeugnisse gemäß der Einreihung in der Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs

Agrar- und Fischereierzeugnisse:

0203 11/0203 12/0203 19/0701 90/0703

Baumaterialien:

2523290000/

Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie:

0210111100/0210113100/1905/2105

Papier:

4808/4819/4823904000

C.   Liste der unter Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c fallenden Erzeugnisse gemäß der Einreihung in der Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs

Agrar- und Fischereierzeugnisse:

0407210000/0407291000/0407901000

Baumaterialien:

2523 90/7010

Chemische Erzeugnisse:

3809 91 00/3917 21/3917 23/3917 32 00/3917 33 00/3917 39 00/3917 40 00/3923 10 00/3923 21 00/3923 30 10/3924 10 00

Erzeugnisse der Metallindustrie:

7309 00/7610100000/9403208090

Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie:

0403/0901 21/1902/2103200000/2103 30/2103 90 90/2106 90 98/

Getränke:

2203/2208 40

Textil- und Lederwaren:

6302

Papier:

4818 10/4818 20/4818 30/4821

Erzeugnisse der grafischen Industrie und der Verlage:

4909/4911

D.   Liste der unter Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d fallenden Erzeugnisse gemäß der Einreihung in der Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs

Tabakwaren:

2402