27.5.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 140/1


VERORDNUNG (EG) Nr. 472/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 21. Mai 2013

über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 136 in Verbindung mit Artikel 121 Absatz 6,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank (1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die beispiellose globale Krise seit 2007 hat das Wirtschaftswachstum und die finanzielle Stabilität stark beeinträchtigt und eine erhebliche Verschlechterung des Haushaltsdefizits und der Schuldenposition der Mitgliedstaaten verursacht, so dass eine Reihe von ihnen sich außerhalb und innerhalb des Rahmens der Union um Finanzhilfe bemühte.

(2)

Nach Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) trägt die Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.

(3)

Eine uneingeschränkte Kohärenz zwischen dem im AEUV dargelegten multilateralen Überwachungsrahmen der Union und den unter Umständen mit einer Finanzhilfe verbundenen politischen Auflagen sollte im Unionsrecht verankert werden. Die wirtschaftliche und finanzielle Integration aller Mitgliedstaaten, insbesondere derjenigen, deren Währung der Euro ist, erfordert eine verstärkte Überwachung, um ein Übergreifen der Schwierigkeiten eines Mitgliedstaats in Bezug auf seine finanziellen Stabilität auf das übrige Euro-Währungsgebiet und – allgemeiner – weiter auf die Union als Ganzes zu verhindern.

(4)

Die Intensität der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung sollte der Schwere der aufgetretenen finanziellen Schwierigkeiten und der Art der erhaltenen Finanzhilfe, die von einer rein vorsorglichen, auf der Grundlage von Anspruchsvoraussetzungen gewährten Unterstützung, bis hin zu einem umfassenden, an strenge politische Auflagen gebundenen makroökonomischen Anpassungsprogramm reichen kann, in angemessener Weise Rechnung tragen und in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen. Jedes makroökonomische Anpassungsprogramm sollte dem nationalen Reformprogramm des betroffenen Mitgliedstaats im Rahmen der Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung Rechnung tragen.

(5)

Ein Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, sollte einer verstärkten Überwachung im Rahmen dieser Verordnung unterstellt werden, wenn er von schweren finanziellen Schwierigkeiten betroffen oder bedroht ist, um seine rasche Rückkehr zu einer normalen Situation zu gewährleisten und die übrigen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vor möglichen nachteiligen Auswirkungen zu schützen. Eine derartige verstärkte Überwachung sollte der Schwere der Probleme angemessen und entsprechend angepasst sein. Sie sollte einen umfassenderen Zugang zu den für eine enge Überwachung der wirtschaftlichen, haushaltspolitischen und finanziellen Situation erforderlichen Informationen und eine regelmäßige Berichterstattung an den zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments und den Wirtschafts- und Finanzausschuss bzw. an einen von diesem möglicherweise designierten Unterausschuss beinhalten. Dieselben Überwachungsregelungen sollten für Mitgliedstaaten gelten, die bei einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern, dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), oder einer anderen einschlägigen internationalen Finanzinstitution wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um eine vorsorgliche Hilfe ersuchen.

(6)

Ein Mitgliedstaat unter verstärkter Überwachung sollte auch Maßnahmen ergreifen, die auf die Behebung der Ursachen bzw. potenziellen Ursachen der Schwierigkeiten zielen. Dafür sollten alle an ihn gerichteten Empfehlungen, die im Laufe des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit oder des Verfahrens bei übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichten abgegeben werden, berücksichtigt werden.

(7)

Die wirtschaftliche und haushaltspolitische Überwachung sollte bei Mitgliedstaaten, die einem Programm zur makroökonomischen Anpassung unterliegen, maßgeblich intensiviert werden. Angesichts des umfassenden Charakters eines derartigen Programms sollten die anderen Verfahren der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung für die Dauer des Programms zur makroökonomischen Anpassung ausgesetzt oder gegebenenfalls optimiert werden, um die Einheitlichkeit der Überwachung der Wirtschaftspolitik sicherzustellen und eine doppelte Berichterstattungspflicht zu vermeiden. Bei der Ausarbeitung des Programms zur makroökonomischen Anpassung sollten jedoch alle an einen Mitgliedstaat gerichteten Empfehlungen, die im Laufe des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit oder des Verfahrens bei übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichten abgegeben werden, berücksichtigt werden.

(8)

Die sich durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ergebenden Herausforderungen haben beträchtlich zugenommen. Die Globalisierung der Wirtschaft, technologische Entwicklungen, die Internationalisierung des Betrugs und die daraus resultierende gegenseitige Abhängigkeit der Mitgliedstaaten zeigen die Grenzen rein nationaler Vorgehensweisen auf und machen die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens deutlich.

(9)

Die durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung in den Mitgliedstaaten, die einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegen, entstehenden Probleme sollten durch eine bessere Einziehung von Steuern und Abgaben in diesen Mitgliedstaaten und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Finanzverwaltungen der Union und von Drittländern angegangen werden.

(10)

Es sollten Regeln festgelegt werden, um den Dialog zwischen den Organen der Union, insbesondere zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission, zu stärken und eine höhere Transparenz und Verantwortlichkeit zu gewährleisten. Das Parlament des einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegenden oder unter verstärkter Überwachung stehenden Mitgliedstaats sollte gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten laufend unterrichtet werden.

(11)

Die Mitgliedstaaten sollten bei der Vorbereitung, Durchführung, Überwachung und Bewertung der Finanzhilfeprogramme gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Sozialpartner und zivilgesellschaftliche Organisationen einbeziehen.

(12)

Vor der Annahme eines Beschlusses des Rates über ein makroökonomisches Anpassungsprogramm sollten die zuständigen Gremien des ESM und der EFSF die Gelegenheit haben, Gespräche über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Kommission – die im Namen des ESM bzw. der EFSF im Benehmen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und gegebenenfalls dem IWF handelt – und dem begünstigten Mitgliedstaat über die an die Finanzhilfe für diesen Mitgliedstaat geknüpften möglichen politischen Bedingungen zu führen. Memoranda of Understanding, welche die genauen Bedingungen für die Gewährung von Finanzhilfe festlegen, werden gemäß dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und dem Rahmenvertrag für die EFSF angenommen.

(13)

Bezugnahmen in dieser Verordnung auf Finanzhilfen sollten auch auf vorsorglicher Basis gewährte Finanzhilfen sowie Kredite für die Rekapitalisierung von Finanzinstituten erfassen, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.

(14)

Der Beschluss der Kommission, einen Mitgliedstaat gemäß dieser Verordnung unter verstärkte Überwachung zu stellen, sollte in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss, der durch die Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingerichteten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der durch die Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) eingerichteten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), der durch die Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) eingerichteten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) gefasst werden, die mit dem Sammelbegriff "Europäische Aufsichtsbehörden" und dem durch die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (6) eingerichteten Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) bezeichnet werden. Die Kommission sollte außerdem mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss zusammenarbeiten, wenn sie über eine Verlängerung der verstärkten Überwachung beschließt.

(15)

Auf begründeten Antrag des betroffenen Mitgliedstaats oder gegebenenfalls auf Grund von außergewöhnlichen wirtschaftlichen Umständen kann die Kommission empfehlen, jede bestehende verzinsliche Einlage, unverzinsliche Einlage oder festgesetzte Geldbuße, die der Rat im Rahmen der präventiven oder korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts einem Mitgliedstaat auferlegt hat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, zu verringern oder aufzuheben.

(16)

Der Zugang zu Informationen über die im Vorfeld der Annahme einer Empfehlung nach dieser Verordnung geleisteten Vorbereitungsarbeiten sollten der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (7) unterliegen.

(17)

Wo ein Beschluss nach dieser Verordnung gefasst wurde, dass ein Mitgliedstaat die in seinem makroökonomischen Anpassungsprogramm enthaltenen Bedingungen nicht einhält, und die Ereignisse und Analysen klar zeigen, dass ein Mechanismus erforderlich ist, um die Einhaltung der Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern sowie die Stabilisierung seiner wirtschaftlichen und finanziellen Situation sicherzustellen, ist die Kommission aufgefordert, Vorschläge für einen solchen Mechanismus zu machen.

(18)

Dem Rat sollte die Befugnis erteilt werden, Empfehlungen für die Ergreifung vorsorglicher Korrekturmaßnahmen oder zur Vorbereitung eines makroökonomischen Anpassungsprogramms abzugeben, makroökonomische Anpassungsprogramme zu genehmigen, Beschlüsse über die wichtigsten politischen Anforderungen zu fassen, die der ESM und die EFSF in die Auflagen für vorsorglich gewährte Finanzhilfe, Kredite für die Rekapitalisierung von Finanzinstituten oder jedes im Rahmen des ESM vereinbarte neue Finanzinstrument aufnehmen wollen, sowie hinsichtlich der Verabschiedung von Korrekturmaßnahmen für Mitgliedstaaten, die nach Programmabschluss überwacht werden, Empfehlungen abzugeben. Diese Befugnisse sind besonders wichtig für die wirtschaftliche Koordinierung der Mitgliedstaaten, die gemäß Artikel 121 AEUV innerhalb des Rates stattzufinden hat —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)   Diese Verordnung legt Bestimmungen zum Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten fest, deren Währung der Euro ist, sofern diese Mitgliedstaaten

a)

von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität oder die Tragfähigkeit ihrer öffentlichen Finanzen betroffen oder bedroht sind, die zu möglichen nachteiligen Ansteckungseffekten auf andere Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet führen oder

b)

von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern, dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder von einer anderen einschlägigen internationalen Finanzinstitution wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um Finanzhilfe ersuchen bzw. diese erhalten.

(2)   Diese Verordnung legt auch Bestimmungen für eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung fest.

(3)   Diese Verordnung gilt für Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist.

(4)   Bei der Anwendung dieser Verordnung halten der Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten Artikel 152 AEUV uneingeschränkt ein. Bei der Anwendung dieser Verordnung und der Umsetzung der in diesem Rahmen ausgesprochenen Empfehlungen berücksichtigen der Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten die nationalen Regeln und Gepflogenheiten sowie Artikel 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dementsprechend beeinträchtigen die Anwendung dieser Verordnung und dieser Empfehlungen nicht das Recht, gemäß dem nationalen Recht Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen und durchzusetzen oder kollektive Maßnahmen zu ergreifen.

Artikel 2

Unter verstärkter Überwachung stehende Mitgliedstaaten

(1)   Die Kommission kann beschließen, einen Mitgliedstaat, der von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf seine Finanzstabilität betroffen oder bedroht ist, die voraussichtlich nachteilige Ansteckungseffekte auf andere Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet haben werden, oder von derartigen Schwierigkeiten bedroht wird, unter verstärkte Überwachung zu stellen.

Wenn die Kommission prüft, ob ein Mitgliedstaat von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf seine finanzielle Stabilität bedroht ist, sollte sie neben anderen Parametern den Warnmechanismus, der mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (8) geschaffen wurde, bzw. gegebenenfalls die letzte eingehende Überprüfung heranziehen. Die Kommission nimmt außerdem eine umfassende Bewertung vor, wobei sie insbesondere die Kreditaufnahmekonditionen des betroffenen Mitgliedstaats, das Tilgungsprofil seiner Schulden, die Robustheit seines Haushaltsrahmens, die langfristige Tragfähigkeit seiner öffentlichen Finanzen, die Bedeutung seiner Schuldenlast und die Gefahr eines Übergreifens schwerer Spannungen in seinem Finanzsektor auf seine haushaltspolitische Situation oder auf den Finanzsektor anderer Mitgliedstaaten berücksichtigen.

Dem betroffenen Mitgliedstaat wird Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben, bevor die Kommission ihren Beschluss annimmt, den Mitgliedstaat unter verstärkte Überwachung zu stellen. Die Kommission beschließt alle sechs Monate über eine eventuelle Verlängerung der verstärkten Überwachung in Bezug auf diesen Mitgliedstaat.

(2)   Beschließt die Kommission, einen Mitgliedstaat unter verstärkte Überwachung gemäß Absatz 1 zu stellen, informiert sie den betroffenen Mitgliedstaat in gebotener Form über sämtliche Ergebnisse der Bewertung und setzt die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde sowie die einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden und den ESRB entsprechend davon in Kenntnis.

(3)   Die Kommission stellt einen Mitgliedstaat unter verstärkte Überwachung, sofern der Mitgliedstaat von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern, dem EFSM, dem ESM, der EFSF oder einer anderen einschlägigen internationalen Finanzinstitution wie dem IWF auf vorsorglicher Basis Finanzhilfe erhält.

Die Kommission veröffentlicht ihre gemäß Absatz 1 und gemäß diesem Absatz gefassten Beschlüsse.

(4)   Absatz 3 gilt nicht für Mitgliedstaaten, die vorsorgliche Finanzhilfe in Form einer Kreditlinie erhalten, die nicht an die Annahme neuer politischer Maßnahmen durch den betroffenen Mitgliedstaat gebunden ist, vorausgesetzt die jeweilige Kreditlinie wird nicht in Anspruch genommen.

(5)   Die Kommission veröffentlicht zu Informationszwecken eine Liste mit den Instrumenten, die die in Absatz 3 genannte vorsorgliche Finanzhilfe gewähren, und aktualisiert diese Liste fortlaufend, um möglichen Änderungen in der Finanzhilfepolitik des EFSM, des ESM, der EFSF oder einer anderen internationalen Finanzinstitution Rechnung zu tragen.

Artikel 3

Verstärkte Überwachung

(1)   Ein Mitgliedstaat unter verstärkter Überwachung ergreift nach Abstimmung und in Zusammenarbeit mit der Kommission, die in Verbindung mit der EZB, den Europäischen Aufsichtsbehörden, dem ESRB und gegebenenfalls dem IWF handelt, Maßnahmen, mit denen die Ursachen bzw. potenziellen Ursachen der Schwierigkeiten behoben werden sollen. Dabei berücksichtigt der Mitgliedstaat alle gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (9), der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (10) oder der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 an ihn gerichteten Empfehlungen zu seinem nationalen Reformprogramm und seinem Stabilitätsprogramm.

Die Kommission unterrichtet den zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments, den Wirtschafts- und Finanzausschuss, die Arbeitsgruppe "Euro-Gruppe", sowie – gegebenenfalls und in Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten – das Parlament des betroffenen Mitgliedsstaats über die Maßnahmen nach dem ersten Unterabsatz.

(2)   Die engere Überwachung der haushaltspolitischen Situation nach Artikel 10 Absätze 2, 3 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 [über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet] (11) gilt für unter verstärkter Überwachung stehende Mitgliedstaaten unabhängig davon, ob ein übermäßiges Defizit vorliegt. Der nach Artikel 10 Absatz 3 jener Verordnung erstellte Bericht muss vierteljährlich vorgelegt werden.

(3)   Auf Verlangen der Kommission ist ein unter verstärkter Überwachung gemäß Artikel 2 Absatz 1 stehender Mitgliedstaat verpflichtet,

a)

gemäß Artikel 35 der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 1094/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 der EZB, in ihrer Aufsichtsfunktion, und gegebenenfalls den einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden in der verlangten Häufigkeit aufgeschlüsselte Informationen über die Entwicklungen in seinem Finanzsystem, einschließlich einer Analyse der Ergebnisse aller Stresstests oder Sensitivitätsanalysen, die gemäß Buchstabe b dieses Absatzes durchgeführt wurden zu übermitteln;

b)

unter Aufsicht der EZB, in ihrer Aufsichtsfunktion, oder gegebenenfalls unter der Aufsicht der einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden die Stresstests bzw. Sensitivitätsanalysen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Widerstandsfähigkeit des gegenüber unterschiedlichen makroökonomischen und finanziellen Schocks zu prüfen, nach den Vorgaben der Kommission und der EZB, die diese in Verbindung mit den jeweiligen Europäischen Aufsichtsbehörden und dem ESRB erarbeitet haben;

c)

sich im Rahmen einer gegenseitigen Expertenprüfung, die von der EZB, in ihrer Aufsichtsfunktion, oder gegebenenfalls von den einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden durchgeführt werden, einer regelmäßigen Bewertung seiner Fähigkeit zu unterziehen, die Aufsicht über den Finanzsektor zu führen;

d)

der Kommission Informationen, die für die Überwachung von makroökonomischen Ungleichgewichten in Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 erforderlich sind, zu übermitteln.

Auf der Grundlage der in Buchstabe a des ersten Unterabsatzes genannten Analyse der Ergebnisse der Stresstests und der Sensitivitätsanalysen und unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen der Bewertung der zugrundeliegenden Indikatoren des mit der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 eingeführten Scoreboard für makroökonomische Ungleichgewichte nehmen die EZB, in ihrer Aufsichtfunktion, und die einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden in Verbindung mit dem ESRB eine Bewertung der potenziellen Schwachstellen des Finanzsystems vor und übermitteln diese Bewertung der Kommission, in der von der Kommission festgelegten Häufigkeit, und der EZB.

(4)   Auf Verlangen der Kommission ist ein unter verstärkter Überwachung gemäß Artikel 2 Absatz 3 stehender Mitgliedstaat verpflichtet,

a)

gemäß Artikel 35 der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 1094/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 der Kommission, der EZB und gegebenenfalls den einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden in der verlangten Häufigkeit aufgeschlüsselte Informationen über die Entwicklungen in seinem Finanzsystem, einschließlich einer Analyse der Ergebnisse der aller Stresstests oder Sensitivitätsanalysen, die gemäß Buchstabe b durchgeführt werden, zu übermitteln;

b)

unter Aufsicht der EZB, in ihrer Aufsichtsfunktion, oder gegebenenfalls unter Aufsicht der einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden die Stresstests bzw. Sensitivitätsanalysen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors gegenüber unterschiedlichen makroökonomischen und finanziellen Schocks zu prüfen – nach den Vorgaben der Kommission und der EZB, die diese in Verbindung mit den jeweiligen Europäischen Aufsichtsbehörden und dem ESRB erarbeitet haben – und diesen die ausführlichen Ergebnisse übermittelt;

c)

sich im Rahmen einer gegenseitigen Expertenprüfung, die von der EZB, in ihrer Aufsichtsfunktion, oder gegebenenfalls von den einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden durchgeführt wird, einer regelmäßigen Bewertung seiner Fähigkeit zu unterziehen, die Aufsicht über den Finanzsektor zu führen;

d)

der Kommission Informationen, die für die Überwachung von makroökonomischen Ungleichgewichten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 erforderlich sind, zu übermitteln.

Die Kommission, die EZB und die einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden behandeln alle ihnen übermittelten aufgeschlüsselten Informationen als vertraulich.

(5)   Die Kommission führt in dem unter verstärkter Überwachung stehenden Mitgliedstaat im Benehmen mit der EZB und den einschlägigen Europäischen Aufsichtsbehörden sowie gegebenenfalls dem IWF regelmäßige Überprüfungsmissionen durch, um zu prüfen, welche Fortschritte der Mitgliedstaat bei der Durchführung der in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Maßnahmen erzielt hat.

Die Kommission übermittelt dem zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments und dem Wirtschafts- und Finanzausschuss vierteljährlich ihre Bewertung. In dieser Bewertung prüft sie insbesondere, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.

Die im ersten Unterabsatz erwähnten Überprüfungsmissionen ersetzen die Kontrollen vor Ort gemäß Artikel 10a Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97.

(6)   Bei der Vorbereitung der in Absatz 5 vorgesehenen Bewertung trägt die Kommission den Ergebnissen jeder eingehenden Überprüfung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 Rechnung, einschließlich der Bewertung von Auswirkungen der nationalen Wirtschaftspolitik auf den unter verstärkter Überwachung stehenden Mitgliedstaat im Einklang mit Artikel 5 Absatz 2 der vorstehend genannten Verordnung.

(7)   Wenn die Kommission auf der Grundlage der Überprüfungsmissionen gemäß Absatz 5 zu dem Schluss kommt, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind und die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Mitgliedstaats erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets oder eines seiner Mitgliedstaaten hat, kann der Rat dem betroffenen Mitgliedstaat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit empfehlen, vorsorgliche Korrekturmaßnahmen zu ergreifen oder einen Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms zu erarbeiten.

Der Rat kann beschließen, seine Empfehlung zu veröffentlichen.

(8)   Wird eine in Absatz 7 genannte Empfehlung veröffentlicht,

a)

kann der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments Vertretern des betroffenen Mitgliedstaats und der Kommission die Gelegenheit bieten, an einer Aussprache teilzunehmen;

b)

können Vertreter der Kommission vom Parlament des betroffenen Mitgliedstaats zur Teilnahme an einer Aussprache aufgefordert werden;

c)

setzt der Rat den zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments rechtzeitig vom Inhalt der Empfehlung in Kenntnis.

(9)   Während des verstärkten Überwachungsverfahrens können der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments und das Parlament des betroffenen Mitgliedstaats Vertreter der Kommission, der EZB und des IWF einladen, an einem wirtschaftspolitischen Dialog teilzunehmen.

Artikel 4

Berichterstattung bei Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstitutionen

Unter einer verstärkten Überwachung stehende oder einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterzogene Mitgliedstaaten, die Finanzhilfe zur Rekapitalisierung ihrer Finanzinstitute erhalten, erstatten dem Wirtschafts- und Finanzausschuss zweimal im Jahr einen Bericht über die Auflagen, die diesen Finanzinstituten auferlegt werden, einschließlich der Auflagen für die Vergütungen von Führungskräften. Diese Mitgliedstaaten berichten auch über die der Realwirtschaft durch den Finanzsektor angebotenen Kreditbedingungen.

Artikel 5

Informationen über beabsichtigte Finanzhilfeersuchen

Ein Mitgliedstaat, der beabsichtigt, einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten oder Drittländer, den ESM, die EFSF, oder eine andere einschlägige internationale Finanzinstitution wie den IWF um Finanzhilfe zu ersuchen, setzt den Präsidenten der Arbeitsgruppe "Euro-Gruppe", das für Wirtschaft und Währung zuständige Mitglied der Kommission und den Präsidenten der EZB unverzüglich über sein Vorhaben in Kenntnis.

Nachdem die Arbeitsgruppe "Euro-Gruppe" eine Bewertung von der Kommission erhalten hat, berät sie über das beabsichtigte Finanzhilfeersuchen, um – unter anderem – die im Rahmen der bestehenden Finanzierungsinstrumente der Union oder des Euro-Währungsgebiets bestehenden Möglichkeiten zu prüfen, bevor sich der betroffene Mitgliedstaat an potenzielle Kreditgeber wendet.

Ein Mitgliedstaat, der beabsichtigt, den EFSM um Finanzhilfe zu ersuchen, setzt den Präsidenten des Wirtschafts- und Finanzausschusses, das für Wirtschaft und Währung zuständige Mitglied der Kommission und den Präsidenten der EZB unverzüglich von seinem Vorhaben in Kenntnis.

Artikel 6

Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung

Ersucht ein Mitgliedstaat den EFSM, den ESM oder die EFSF um Finanzhilfe, bewertet die Kommission im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit mit dem IWF die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung des betroffenen Mitgliedstaats und seinen vorhandenen oder potenziellen Finanzierungsbedarf. Die Kommission übermittelt diese Bewertung der Arbeitsgruppe "Euro-Gruppe", sofern die Finanzhilfe im Rahmen des ESM oder der EFSF gewährt werden soll, sowie dem Wirtschafts- und Finanzausschuss, wenn die Finanzhilfe im Rahmen des EFSM gewährt werden soll.

Die Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung beruht auf dem wahrscheinlichsten makroökonomischen Szenario oder auf einem vorsichtigeren Szenario und auf Haushaltsvorausschätzungen, die sich auf die neuesten Informationen stützen und den Ergebnissen der Berichterstattung nach Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a sowie im Einklang mit Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b wahrgenommenen aufsichtsrechtlichen Aufgaben Rechnung tragen. Die Kommission bewertet auch die Auswirkungen der makroökonomischen und finanziellen Schocks und ungünstiger Entwicklungen auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung.

Die Kommission veröffentlicht das makroökonomische Szenario, einschließlich des Wachstumsszenarios, die einschlägigen Parameter, auf die sich die Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung des betroffenen Mitgliedstaats stützt, und die voraussichtliche Wirkung der zusätzlichen haushaltspolitischen Maßnahmen für wirtschaftliches Wachstum.

Artikel 7

Makroökonomisches Anpassungsprogramm

(1)   Ersucht ein Mitgliedstaat einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten oder Drittländer, den EFSM, den ESM, die EFSF, oder den IWF um Finanzhilfe, erarbeitet er in Übereinstimmung mit der Kommission, die im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls dem IWF handelt, einen Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms, das sich auf die Wirtschaftspartnerschaftsprogramme gemäß der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 stützt sowie diese ersetzt und auch jährliche Haushaltsziele enthält.

Der Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms geht die spezifischen Risiken an, die von diesem Mitgliedstaat auf die Stabilität im Euro-Währungsgebiet ausgehen, und soll die rasche Wiederherstellung einer gesunden und tragfähigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation gewährleisten und dem Mitgliedstaat die Fähigkeit verleihen, die von ihm benötigten Finanzmittel wieder selbst in vollem Umfang auf den Finanzmärkten aufzunehmen.

Der Entwurf für ein solches makroökonomisches Anpassungsprogramm beruht auf der in Artikel 6 genannten Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung, die aktualisiert wird, um die Wirkungen der mit den betroffenen Mitgliedstaaten ausgehandelten Entwürfe der Korrekturmaßnahmen zu berücksichtigen, und hat den nach den Artikeln 121, 126, 136 oder 148 AEUV an den Mitgliedstaat gerichteten Empfehlungen und den auf deren Umsetzung ausgerichteten Maßnahmen in angemessener Weise Rechnung zu tragen und gleichzeitig darauf abzuzielen, die geforderten politischen Maßnahmen auszuweiten, zu stärken und zu vertiefen.

Der Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms trägt den Gepflogenheiten und Einrichtungen für die Lohnbildung und dem nationalen Reformprogramm des betroffenen Mitgliedstaats im Rahmen der Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung Rechnung.

Der Entwurf eines makroökonomischen Anpassungsprogramms hält Artikel 152 AEUV und Artikel 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union uneingeschränkt ein. Die Kommission setzt den Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments mündlich über die bei der Erarbeitung des makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte in Kenntnis. Diese Informationen werden vertraulich behandelt.

(2)   Der Rat billigt das makroökonomische Anpassungsprogramm, das gemäß Absatz 1 von dem um Finanzhilfe ersuchenden Mitgliedstaat erarbeitet wird, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit.

Die Kommission stellt sicher, dass das von der Kommission im Namen des ESM oder der EFSF unterzeichnete Memorandum of Understanding in vollem Einklang mit dem vom Rat gebilligten makroökonomischen Anpassungsprogramm steht.

(3)   Bei dem Verfahren der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung stellt die Kommission Kohärenz in Bezug auf einen Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, sicher, damit eine doppelte Berichterstattungspflicht vermieden wird.

(4)   Die Kommission überwacht im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls mit dem IWF die von einem Mitgliedstaat bei der Durchführung seines makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte.

Die Kommission informiert den Wirtschafts- und Finanzausschuss alle drei Monate über diese Fortschritte. Der betroffene Mitgliedstaat arbeitet umfassend mit der Kommission und der EZB zusammen. Er übermittelt der Kommission und der EZB insbesondere alle Informationen, die diese für die Überwachung der Umsetzung des makroökonomischen Anpassungsprogramms im Einklang mit Artikel 3 Absatz 4 für erforderlich halten.

Die Kommission setzt den Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments mündlich über die aus der Überwachung des makroökonomischen Anpassungsprogramms gezogenen Schlussfolgerungen in Kenntnis. Diese Informationen werden vertraulich behandelt.

(5)   Die Kommission prüft – im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls dem IWF – mit dem Mitgliedstaat, ob möglicherweise Änderungen und Aktualisierungen an seinem makroökonomischen Anpassungsprogramm vorzunehmen sind, damit unter anderem wesentliche Abweichungen der erreichten Werte von den makroökonomischen Prognosen, einschließlich möglicher Folgen des makroökonomischen Anpassungsprogramms, nachteilige Auswirkungen auf andere Länder sowie makroökonomische und finanzielle Schocks angemessen berücksichtigt werden können. Auf Vorschlag der Kommission beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit über etwaige an diesem Programm vorzunehmende Änderungen.

(6)   Der betroffene Mitgliedstaat prüft in enger Zusammenarbeit mit der Kommission, ob alle erforderlichen Maßnahmen, um private Investoren dafür zu gewinnen, ihr Gesamtengagement freiwillig aufrechtzuerhalten, ergriffen werden.

(7)   Werden im Rahmen der in Absatz 4 genannten Überwachung wesentliche Abweichungen vom makroökonomischen Anpassungsprogramm eines Mitgliedstaats deutlich, kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit feststellen, dass der Mitgliedstaat die in seinem Programm enthaltenen politischen Anforderungen nicht erfüllt. In ihrem Vorschlag bewertet die Kommission ausdrücklich, ob derartige wesentliche Abweichungen auf Gründe zurückzuführen sind, die sich der Einflussnahme des betroffenen Mitgliedstaats entziehen.

Bei den im makroökonomischen Anpassungsplan aufgeführten Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung wird berücksichtigt, dass hinreichende Mittel für grundlegende Politikbereiche, wie Bildung und Gesundheit, bereitgestellt werden müssen.

Wenn gemäß diesem Absatz ein Beschluss gefasst wird, trifft der betroffene Mitgliedstaat in enger Zusammenarbeit mit der Kommission und im Benehmen mit der EZB sowie gegebenenfalls dem IWF Maßnahmen, um die Märkte zu stabilisieren und seinen Finanzsektor funktionsfähig zu erhalten.

(8)   Wenn ein Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, unzureichende Verwaltungskapazitäten oder erhebliche Probleme bei der Durchführung des Anpassungsprogramms hat, ersucht er die Kommission um technische Hilfe; die Kommission kann zu diesem Zweck Expertengruppen einsetzen, deren Mitglieder aus anderen Mitgliedstaaten und anderen Organen der Union oder anderen einschlägigen internationalen Institutionen stammen. Die Ziele und Mittel der technischen Hilfe werden in den aktualisierten Fassungen des makroökonomischen Anpassungsprogramms explizit beschrieben; dabei ist der Schwerpunkt auf den Bereich zu legen, in dem dringender Bedarf identifiziert wird. Die technische Unterstützung kann die Einsetzung eines im betroffenen Land ansässigen Vertreters sowie von Unterstützungspersonal beinhalten, die die Behörden in Fragen der Durchführung des Programms beraten.

Das makroökonomische Anpassungsprogramm wird einschließlich seiner Ziele und der voraussichtlichen Verteilung des Anpassungsaufwands veröffentlicht.

Die Schlussfolgerungen aus der Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung werden dem makroökonomischen Anpassungsprogramm als Anhang beigefügt.

(9)   Ein Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, führt eine umfassende Prüfung seiner öffentlichen Finanzen durch, um unter anderem die Gründe für die Entstehung des übermäßigen Schuldenstandes zu analysieren und etwaige Unregelmäßigkeiten zu ermitteln.

(10)   Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments kann dem betroffenen Mitgliedstaat und der Kommission Gelegenheit bieten, an einer Aussprache über die bei der Durchführung des makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte teilzunehmen.

(11)   Vertreter der Kommission können vom Parlament des betroffenen Mitgliedstaats zu einer Aussprache über die bei der Durchführung seines makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte eingeladen werden.

(12)   Dieser Artikel gilt nicht für Instrumente zur Gewährung von vorsorglicher Finanzhilfe oder für Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten oder für etwaige neue Finanzierungsinstrumente des ESM, für die nach den Regeln des ESM kein makroökonomisches Anpassungsprogramm vorgesehen ist.

Zu Informationszwecken erstellt die Kommission eine Liste der in Unterabsatz 1 genannten Finanzhilfeinstrumente und aktualisiert diese fortlaufend, um möglichen Änderungen in der Finanzhilfepolitik des ESM Rechnung zu tragen.

Der Rat billigt – auf Empfehlung der Kommission – in Form eines an den betroffenen Mitgliedstaat gerichteten Beschlusses die wichtigsten politischen Anforderungen an diese Instrumente, die der ESM oder die EFSF in die Auflagen für durch sie gewährte Finanzhilfe aufnehmen wollen, sofern diese Maßnahmen inhaltlich gemäß den Verträgen in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen.

Die Kommission stellt sicher, dass das von der Kommission im Namen des ESM oder der EFSF unterzeichnete Memorandum of Understanding in vollem Einklang mit einem derartigen Beschluss des Rates steht.

Artikel 8

Einbeziehung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft

Bei der Vorbereitung des Entwurfs für ein makroökonomisches Anpassungsprogramm holen Mitgliedstaaten die Ansichten der Sozialpartner sowie der einschlägigen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein, um so einen Konsens über den Programminhalt zu fördern.

Artikel 9

Maßnahmen zur Absicherung der Steuereinnahmen

Soweit erforderlich, ergreifen Mitgliedstaaten in enger Zusammenarbeit mit der Kommission und im Benehmen mit der EZB und gegebenenfalls dem IWF zur Steigerung seiner Steuereinnahmen Maßnahmen, durch die die Kapazitäten zur Steuererhebung effizienter und wirksamer gemacht sowie Steuerbetrug und Steuerhinterziehung bekämpft werden.

Artikel 10

Kohärenz mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt

(1)   Unterliegt ein Mitgliedstaat einem makroökonomischen Anpassungsprogramm und den daran vorgenommenen Änderungen nach Artikel 7 dieser Verordnung, so ist er nicht verpflichtet, ein Stabilitätsprogramm nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 vorzulegen, und nimmt den Inhalt des Stabilitätsprogramms in sein makroökonomische Anpassungsprogramm auf.

(2)   Ist ein Mitgliedstaat, der einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterliegt, auch Gegenstand einer Empfehlung nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV oder eines Beschlusses über die Inverzugsetzung nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV in Bezug auf die Korrektur eines übermäßigen Defizits,

a)

so ist er nicht verpflichtet, Berichte nach Artikel 3 Absatz 4a bzw. Artikel 5 Absatz 1a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 vorzulegen;

b)

so werden die jährlichen Haushaltsziele in einem makroökonomischen Anpassungsprogramm in die Empfehlung oder den Beschluss über die Inverzugsetzung nach Artikel 3 Absatz 4 bzw. Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 aufgenommen, und, sofern ein betroffener Mitgliedstaat einem Beschluss über die Inverzugsetzung nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV unterliegt, werden die Maßnahmen im makroökonomischen Anpassungsprogramm, die der Erreichung der in dem Beschluss über die Inverzugsetzung genannten Ziele dienen, in den Beschluss über die Inverzugsetzung nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 aufgenommen.

c)

ist er im Hinblick auf die in Artikel 7 Absatz 4 dieser Verordnung vorgesehene Überwachung von der Überwachung nach Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 10a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 und der Überwachung, die für Beschlüsse nach Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 6 Absatz 2 jener Verordnung vorgesehen ist, befreit.

Artikel 11

Kohärenz mit der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011

Unterliegt ein Mitgliedstaat einem makroökonomischen Anpassungsprogramm, findet die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 für die Dauer dieses Programms auf diesen Mitgliedstaat keine Anwendung, mit der Ausnahme, dass die Indikatoren des in der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 aufgestellten Scoreboards bei der Überwachung des makroökonomischen Anpassungsprogramms einbezogen werden.

Artikel 12

Kohärenz mit dem Europäischen Semester zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik

Unterliegt ein Mitgliedstaat einem makroökonomischen Anpassungsprogramm, findet die Überwachung und Bewertung des Europäischen Semesters zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik nach Artikel 2-a der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 für die Dauer dieses Programms keine Anwendung.

Artikel 13

Kohärenz mit der Verordnung (EU) Nr. 473/2013

Unterliegt ein Mitgliedstaat einem makroökonomischen Anpassungsprogramm, so findet die Verordnung (EU) Nr. 473/2013 für die Dauer dieses Programms keine Anwendung, mit Ausnahme der Artikel 1 bis 5 und 13 bis 18 jener Verordnung.

Artikel 14

Überwachung nach Abschluss des Anpassungsprogramms

(1)   Ein Mitgliedstaat wird nach Abschluss des Anpassungsprogramms überwacht, bis mindestens 75 % der von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten, dem EFSM, dem ESM oder der EFSF erhaltenen Finanzhilfe zurückgezahlt worden sind. Der Rat kann die Dauer der nach Abschluss des Programms erfolgenden Überwachung auf Vorschlag der Kommission verlängern, falls die Finanzstabilität oder die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen des betroffenen Mitgliedstaats anhaltend gefährdet ist. Der Vorschlag der Kommission gilt als vom Rat angenommen, sofern der Rat nicht innerhalb von zehn Tagen nach seiner Annahme durch die Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschließt, ihn abzulehnen.

(2)   Auf Verlangen der Kommission kommen Mitgliedstaaten, die nach Abschluss des Anpassungsprogramms einer Überwachung unterliegen, den in Artikel 3 Absatz 3 dieser Verordnung niedergelegten Anforderungen nach und stellen die in Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 genannten Informationen zur Verfügung.

(3)   Die Kommission führt im Benehmen mit der EZB in den Mitgliedstaaten, die nach Abschluss des Anpassungsprogramms einer Überwachung unterliegen, regelmäßige Überprüfungsmissionen durch, um deren wirtschaftliche, haushaltspolitische und finanzielle Lage zu bewerten. Sie übermittelt dem zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments, dem Wirtschafts- und Finanzausschuss und dem Parlament des betroffenen Mitgliedstaats alle sechs Monate ihre Ergebnisse und prüft insbesondere, ob Korrekturmaßnahmen erforderlich sind.

Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments kann dem betroffenen Mitgliedstaat und der Kommission Gelegenheit bieten, an einer Aussprache über die Fortschritte teilzunehmen, die im Rahmen der Überwachung nach Abschluss des Programms erzielt wurden.

(4)   Der Rat kann den nach Abschluss des Programms der Überwachung unterliegenden Mitgliedstaaten auf Vorschlag der Kommission empfehlen, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Der Vorschlag der Kommission gilt als vom Rat angenommen, sofern der Rat nicht innerhalb von zehn Tagen nach seiner Annahme durch die Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschließt, ihn abzulehnen.

(5)   Das Parlament des betroffenen Mitgliedstaats kann Vertreter der Kommission zur Teilnahme an einer Aussprache über die Überwachung nach Abschluss des Programms einladen.

Artikel 15

Abstimmung im Rat

Bei den in dieser Verordnung genannten Maßnahmen stimmen nur die Mitglieder des Rates ab, die Mitgliedstaaten vertreten, deren Währung der Euro ist; bei seinem Beschluss berücksichtigt der Rat nicht die Stimme des Ratsmitglieds, das den betroffenen Mitgliedstaat vertritt.

Die qualifizierte Mehrheit der im vorstehenden Absatz genannten Mitglieder des Rates bestimmt sich nach Artikel 238 Absatz 3 Buchstabe a AEUV.

Artikel 16

Anwendung auf Mitgliedstaaten, die Finanzhilfe erhalten

Mitgliedstaaten, die am 30. Mai 2013 Finanzhilfe erhalten, unterliegen dieser Verordnung von diesem Zeitpunkt an.

Artikel 17

Übergangsbestimmungen

Ungeachtet von Artikel 14 unterliegen Mitgliedstaaten, die sich am 30. Mai 2013 in einer Überwachung nach Abschluss eines Programms befinden, den Regeln, Bedingungen und Verfahren für eine Überwachung nach Abschluss eines Programms, die für die Finanzhilfe gelten, von der sie begünstigt werden.

Artikel 18

Unterrichtung des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament kann Vertreter des Rates und der Kommission zur Teilnahme an einer Aussprache über die Anwendung dieser Verordnung einladen.

Artikel 19

Berichte

Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens am 1. Januar 2014 und anschließend jeweils im Abstand von fünf Jahren einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung, gegebenenfalls zusammen mit einem Vorschlag zur Änderung dieser Verordnung. Die Kommission veröffentlicht diesen Bericht.

Der in Unterabsatz 1 genannte Bericht bewertet unter anderem Folgendes:

a)

die Wirksamkeit dieser Verordnung,

b)

die Fortschritte bei der Gewährleistung einer engeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik und einer dauerhaften Konvergenz der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten entsprechend dem AEUV,

c)

der Beitrag dieser Verordnung zur Verwirklichung der Ziele der Unionsstrategie für Wachstum und Beschäftigung.

Artikel 20

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Straßburg am 21. Mai 2013.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

M. SCHULZ

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

L. CREIGHTON


(1)  ABl. C 141 vom 17.5.2012, S. 7.

(2)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 12. März 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 13. Mai 2013.

(3)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12.

(4)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 48.

(5)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84.

(6)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(7)  ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.

(8)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(9)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(10)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.

(11)  Siehe Seite 11 dieses Amtsblatts.