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EUROPA 2020 Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum /* KOM/2010/2020 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 3.3.2010

KOM(2010) 2020 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION

EUROPA 2020 Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum

Vorwort

Das Jahr 2010 muss für einen Neuanfang stehen. Mein Anliegen ist, dass Europa aus der Wirtschafts- und Finanzkrise gestärkt hervorgeht.

Wie die weltweiten Folgen der Finanzkrise gezeigt haben, verändert sich die wirtschaftliche Wirklichkeit schneller als die politische. Wir können nicht umhin anzuerkennen, dass die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung auch nach einer entschlosseneren und kohärenteren Antwort der Politik verlangt.

In den vergangenen zwei Jahren haben Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Die angehäuften Schulden werden noch viele Jahre auf uns lasten. Die Krise hat auch neue Bedrohungen des sozialen Zusammenhalts mit sich gebracht und die fundamentalen Herausforderungen, denen sich die europäische Wirtschaft gegenübersieht, schonungslos offengelegt. Die Weltwirtschaft wartet nicht auf uns. Sie schreitet voran. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie Europa reagiert.

Die Krise ist ein Weckruf. Wir müssen erkennen: ein „Weiter so wie bisher“ würde uns in der neuen Weltordnung schrittweise in die Zweitrangigkeit zurückfallen lassen. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit für Europa. Jetzt ist die Zeit für entschlossenes und ambitioniertes Handeln.

Auf kurze Sicht ist es unsere wichtigste Aufgabe, die Krise erfolgreich zu überwinden. Wir werden zwar noch für einige Zeit durch schweres Fahrwasser steuern, aber es wird uns gelingen. Auf einigen Gebieten haben wir schon deutliche Fortschritte erzielt. Das gilt sowohl für die sogenannten „Bad banks“ als auch für die Korrektur der Finanzmärkte und die Einsicht in die Notwendigkeit einer vertieften politischen Abstimmung im Euro-Raum.

Um aber in Zukunft nachhaltig wirtschaften zu können, müssen wir über die kurzfristigen Aufgaben hinausdenken. Europa muss wieder auf Kurs kommen und dann auf dem richtigen Kurs bleiben. Das ist das Anliegen von Europa 2020. Es geht um mehr Arbeitsplätze und mehr Lebensqualität. Das Papier zeigt Wege auf, wie Europa ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum verwirklichen, neue Arbeitsplätze schaffen und unseren Gesellschaften Orientierung vermitteln kann.

Die politisch Verantwortlichen in Europa sind sich einig über die Lehren, die aus der Krise gezogen werden müssen. Einig sind wir uns auch über die Dringlichkeit der vor uns liegenden Aufgaben. Jetzt müssen wir uns gemeinsam an die Arbeit begeben. Europa hat viele Stärken. Wir können auf talentierte Arbeitskräfte und eine solide technologische und industrielle Basis bauen. Wir haben einen Binnenmarkt und eine einheitliche Währung, dank derer wir das Schlimmste abwenden konnten. Wir verfügen über eine soziale Marktwirtschaft, die sich vielfach bewährt hat. Wir müssen Vertrauen in unsere Fähigkeit haben, uns ambitionierte Ziele zu setzen, und uns dann aufmachen, diese Ziele zu verwirklichen.

Die Kommission schlägt fünf messbare Leitziele für die EU-Ebene vor, die bis 2020 verwirklicht und in nationale Ziele umgesetzt werden sollen. Es handelt sich um Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Innovation, Klimaschutz und Energie, Bildung und Armutsbekämpfung. Sie geben die Richtung an, auf die wir Kurs nehmen sollten. An ihnen werden wir unseren Erfolg messen.

Es sind ambitionierte, aber erreichbare Ziele. Sie werden durch konkrete Vorschläge unterlegt, mit denen gewährleistet werden soll, dass sie auch erreicht werden. Die in diesem Papier aufgeführten Leitinitiativen machen deutlich, wie die EU hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Mit dem Binnenmarkt, unserem Haushalt, unserer Handels- und Außenwirtschaftspolitik sowie der Disziplin und der Unterstützung unserer Wirtschafts- und Währungsunion verfügen wir über kraftvolle Instrumente für die Gestaltung einer neuen Ordnungspolitik.

Voraussetzung für den Erfolg ist, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs und Organe diese neue Strategie zu Eigen machen. Sie verlangt ein – auch mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft – abgestimmtes europäisches Vorgehen. Wenn wir gemeinsam handeln, können wir die Krise überwinden und gestärkt aus ihr hervorgehen. Wir haben die neuen Instrumente und den neuen Anspruch. Jetzt müssen wir zur Tat schreiten.

José Manuel BARROSO

INHALTSVERZEICHNIS

Strategie Europa 2020 Zusammenfassung 5

1. Ein Moment des Wandels 8

2. Intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum 12

3. Fehlende Schnittstellen und Hindernisse 24

4. Überwindung der Krise: erste Schritte auf die Ziele von 2020 28

5. Konkrete Ergebnisse: Stärkung der politischen Architektur 31

6. Beschlussvorlage für den Europäischen Rat 35

Anhänge 37

STRATEGIE EUROPA 2020 ZUSAMMENFASSUNG

EUROPA DURCHLEBT EINEN MOMENT DES WANDELS. DIE KRISE HAT JAHRE DES WIRTSCHAFTLICHEN UND SOZIALEN FORTSCHRITTS ZUNICHTE GEMACHT UND DIE STRUKTURELLEN SCHWÄCHEN DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFT AUFGEDECKT. UNTERDESSEN ENTWICKELT SICH DIE WELT RASCH WEITER, UND DIE LANGFRISTIGEN PROBLEME – GLOBALISIERUNG, RESSOURCENKNAPPHEIT, ALTERUNG – VERSCHÄRFEN SICH. ES IST AN DER ZEIT, DASS DIE EU IHRE ZUKUNFT IN DIE HAND NIMMT.

Europa kann Erfolg haben, wenn es gemeinsam handelt, als eine Union. Wir brauchen eine Strategie, welche es uns ermöglicht, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen und die EU in eine intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft zu verwandeln, die durch ein hohes Beschäftigungs- und Produktivitätsniveau sowie einen ausgeprägten sozialen Zusammenhalt gekennzeichnet ist. Europa 2020 skizziert eine Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts.

In Europa 2020 werden drei sich gegenseitig verstärkende Prioritäten vorgeschlagen:

- Intelligentes Wachstum: Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft

- Nachhaltiges Wachstum: Förderung einer ressourcenschonenden, ökologischeren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft

- Integratives Wachstum: Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und ausgeprägtem sozialen und territorialen Zusammenhalt.

Die EU muss festlegen, was sie bis 2020 erreichen will. Dazu schlägt die Kommission folgende EU-Kernziele vor:

- 75 % der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren sollten in Arbeit stehen.

- 3 % des BIP der EU sollten für F&E aufgewendet werden.

- Die 20-20-20-Klimaschutz-/Energieziele sollten erreicht werden (einschließlich einer Erhöhung des Emissionsreduktionsziels auf 30 %, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind).

- Der Anteil der Schulabbrecher sollte auf unter 10 % abgesenkt werden, und mindestens 40 % der jüngeren Generation sollten einen Hochschulabschluss haben.

- Die Zahl der armutsgefährdeten Personen sollte um 20 Millionen sinken.

Diese Ziele sind miteinander verknüpft und für unseren Gesamterfolg entscheidend. Um zu gewährleisten, dass jeder Mitgliedstaat die Strategie Europa 2020 auf seine spezifische Situation zuschneiden kann, schlägt die Kommission vor, die Ziele der Union im Rahmen nationaler Ziele und Verlaufspläne umzusetzen.

Die Ziele verkörpern die drei Prioritäten intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Es wird einer breiten Palette von Maßnahmen auf nationaler und internationaler sowie auf EU-Ebene bedürfen, um sie zu untermauern. Die Kommission schlägt sieben Leitinitiativen vor, um innerhalb der einzelnen Prioritäten Fortschritte herbeizuführen:

- „Innovationsunion”, um die Rahmenbedingungen und den Zugang zu Finanzmitteln für Forschung und Innovation zu verbessern und auf diese Weise sicherzustellen, dass innovative Ideen in wachstums- und beschäftigungswirksame Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden können

- „Jugend in Bewegung”, um unsere Bildungssysteme leistungsfähiger zu machen und den Jugendlichen den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern

- „Digitale Agenda für Europa”, um den Ausbau schneller Internet-Zugangsdienste zu beschleunigen und die Vorteile eines digitalen Binnenmarktes für Haushalte und Unternehmen zu nutzen

- „Ressourcenschonendes Europa“, um das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abzukoppeln, den Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft zu unterstützen, die Nutzung erneuerbarer Energieträger und die Energieeffizienz zu fördern sowie unser Verkehrwesen zu modernisieren

- „Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung”, um die Rahmenbedingungen für Unternehmen, insbesondere für KMU, zu verbessern und eine international wettbewerbsfähige, starke und tragfähige Industriestruktur zu fördern

- „Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten“, um die Arbeitsmärkte zu modernisieren, den Menschen durch den lebenslangen Erwerb von Qualifikationen neue Möglichkeiten zu eröffnen und so die Erwerbsquote zu erhöhen sowie Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt u.a. durch Arbeitsmobilität besser aufeinander abzustimmen

- „Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut“, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt zu gewährleisten, damit die Vorteile von Wachstum und Beschäftigung allen zugute kommen, und Menschen, die unter Armut und sozialer Ausgrenzung leiden, in Würde leben und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen können.

Diese sieben Leitinitiativen sollen für die EU und für die Mitgliedstaaten bindend sein. Die auf EU-Ebene verfügbaren Instrumente und insbesondere der Binnenmarkt, finanzielle und außenpolitische Instrumente werden voll in den Dienst der Strategie gestellt, um Hindernisse zu überwinden und die Ziele von Europa 2020 zu verwirklichen. Als unmittelbare Priorität erfasst die Kommission, was getan werden muss, um eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie festzulegen, die Reform des Finanzsystems fortzuführen, die für ein langfristiges Wachstum erforderliche Haushaltskonsolidierung sicherzustellen und die Koordinierung innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion zu verstärken.

Um Ergebnisse zu erzielen, wird eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung erforderlich sein. Die Strategie Europa 2020 wird auf zwei Säulen fußen: dem vorstehend skizzierten thematischen Ansatz, in dem Prioritäten und Kernziele miteinander verknüpft werden, und dem System der Länderberichte, das die Mitgliedstaaten dabei unterstützen soll, eigene Strategien für die Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum und soliden öffentlichen Haushalten auszuarbeiten. Auf EU-Ebene werden integrierte Leitlinien zur Festlegung der Prioritäten und Ziele der EU verabschiedet. An die Mitgliedstaaten werden länderspezifische Empfehlungen gerichtet. Werden diese nicht in angemessener Weise umgesetzt, können politische Warnungen ausgesprochen werden. Die Berichterstattung im Rahmen von Europa 2020 sowie des auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt gegründeten Bewertungsverfahrens erfolgt gleichzeitig; allerdings handelt es sich um zwei getrennte Instrumente, so dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt unberührt bleibt.

Der Europäische Rat wird für die neue Strategie verantwortlich zeichnen. Die Kommission wird die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele beobachten, den Austausch auf politischer Ebene fördern und die notwendigen Vorschläge unterbreiten, um die Maßnahmen zu steuern und die Leitinitiativen der EU voranzubringen. Das Europäische Parlament wird einen wichtigen Beitrag zur Mobilisierung der Bürger leisten und bei bedeutsamen Vorhaben als Mitgesetzgeber fungieren. Diese Partnerschaft sollte die EU-Ausschüsse, die nationalen Parlamente, die nationalen, regionalen und kommunalen Verwaltungen, die Sozialpartner, sonstige Beteiligte sowie die Zivilgesellschaft einbeziehen, um eine umfassende Mitwirkung an der Verwirklichung dieser Strategie zu gewährleisten.

Die Kommission schlägt vor, dass der Europäische Rat im März das Gesamtkonzept der Strategie und die Kernziele der EU und im Juni die genauen Einzelheiten der Strategie, einschließlich der integrierten Leitlinien und nationalen Ziele, bestätigt. Außerdem hofft die Kommission auf die Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und dessen Unterstützung, um Europa 2020 zum Erfolg zu verhelfen.

1. EIN MOMENT DES WANDELS

Die Krise hat die Fortschritte der letzten Zeit zunichte gemacht

Für die Wirtschaftskrise gibt es in unserer Generation keinen Präzedenzfall. Die im letzten Jahrzehnt festzustellende stetige Zunahme des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigtenzahlen wurde zunichte gemacht – unser BIP fiel im Jahr 2009 um 4 %, unsere Industrieproduktion fiel auf das Niveau der 90er Jahre zurück und 23 Millionen Menschen bzw. 10 % unserer Erwerbsbevölkerung sind nun ohne Beschäftigung. Die Krise war ein gewaltiger Schock für Millionen von Bürgern und hat einige grundlegende Schwächen unserer Wirtschaft freigelegt.

Durch die Krise ist auch die Sicherung des künftigen Wirtschaftswachstums erheblich schwieriger geworden. Die nach wie vor anfällige Lage unseres Finanzsystems verzögert die wirtschaftliche Erholung, da es für Unternehmen und Haushalte schwierig ist, Kredite aufzunehmen und Geld auszugeben oder zu investieren. Unsere öffentlichen Finanzen wurden in starkem Maße beeinträchtigt: Die Defizite belaufen sich auf durchschnittlich 7 % des BIP, die Verschuldung beträgt über 80 % des BIP – zwei Krisenjahre haben zwanzig Jahre Haushaltskonsolidierung zunichte gemacht. Unser Wachstumspotenzial wurde durch die Krise halbiert. Viele Investitionspläne, Talente und Ideen drohen durch Unsicherheit, schleppende Nachfrage und mangelnde Finanzausstattung hinfällig zu werden.

Die strukturellen Schwächen Europas sind offensichtlich geworden

Kurzfristig geht es darum, die Krise zu überwinden, doch besteht die größere Herausforderung darin, nicht reflexartig den Zustand wiederherstellen zu wollen, der vor der Krise herrschte. Auch schon vor der Krise gab es viele Bereiche, in denen Europa im Vergleich zum Rest der Welt nicht schnell genug vorankam.

- Das durchschnittliche Wachstum lag strukturell unter demjenigen unserer wichtigsten Handelspartner, was in erster Linie auf ein Produktivitätsgefälle zurückzuführen ist, das sich im letzten Jahrzehnt noch verstärkt hat. Die Ursachen sind vor allem bei unterschiedlichen Geschäftsstrukturen in Verbindung mit geringeren Investitionen in FuE und Innovation, beim unzulänglichen Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie, Widerständen in einigen Teilen unserer Gesellschaft gegen Innovation, Hindernissen für den Marktzutritt und einem weniger dynamischen Unternehmensumfeld zu suchen.

- Trotz positiver Entwicklungen liegen die Beschäftigungsquoten in Europa mit durchschnittlich 69 % bei den 20- bis 64-Jährigen deutlich unter denen in anderen Teilen der Welt. Nur 63 % der Frauen – im Vergleich zu 76 % der Männer – sind erwerbstätig. Nur 46 % der älteren Arbeitnehmer (zwischen 55 und 64 Jahren) sind erwerbstätig (Vereinigte Staaten und Japan: 62 %). Außerdem leisten die Europäer im Durchschnitt 10 % weniger Arbeitsstunden als ihre amerikanischen oder japanischen Kollegen.

- Die demographische Alterung beschleunigt sich. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen, wird die Zahl der Erwerbstätigen in der EU ab 2013/2014 sinken. Die Zahl der über 60jährigen nimmt heute doppelt so schnell wie vor 2007 zu, nämlich um rund zwei Millionen jährlich statt zuvor einer Million. Die Kombination einer kleineren Erwerbsbevölkerung und eines höheren Anteils an Rentnern wird unsere Sozialsysteme zusätzlich belasten.

Die globalen Probleme nehmen zu

Während Europa seine eigenen strukturellen Schwächen in den Griff bekommen muss, entwickelt sich die Welt rasch weiter; am Ende des kommenden Jahrzehnts wird sie sich sehr gewandelt haben:

- Unsere Volkswirtschaften sind zunehmend miteinander verzahnt. Europa wird weiterhin davon profitieren, dass es zu den weltweit offensten Wirtschaftssystemen gehört, doch wird der Wettbewerb der entwickelten und der Schwellenländer härter. Länder wie China und Indien investieren stark in Forschung und Technologie, um höherwertige Produkte herzustellen und in die Weltspitze vorzudringen. Dies setzt einige Bereiche unserer Wirtschaft unter Wettbewerbsdruck – aber jede Gefahr eröffnet auch neue Möglichkeiten. In dem Maße, wie sich diese Länder entwickeln, werden sich neue Märkte für viele europäische Unternehmen erschließen.

- Die globale Finanzwirtschaft muss neu geordnet werden. Die zu große Verfügbarkeit von Krediten, kurzfristiges Denken und übermäßige Risikobereitschaft auf den Finanzmärkten haben das Spekulantentum angeheizt, eine Wirtschaftsblase und erhebliche Ungleichgewichte herbeigeführt. Europa bemüht sich um globale Lösungen und den Aufbau eines effizienten und nachhaltigen Finanzsystems.

- Der Klimawandel und die Rohstofflage verlangen einschneidende Maßnahmen. Die starke Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Erdöl und eine ineffiziente Verwendung von Rohstoffen hat dazu geführt, dass unsere Verbraucher und Unternehmen schmerzhaften und kostenträchtigen Preisschocks ausgesetzt sind, die unsere wirtschaftliche Sicherheit bedrohen und zum Klimawandel beitragen. Das Anwachsen der Weltbevölkerung von sechs auf neun Milliarden Menschen wird den weltweiten Wettbewerb um die natürlichen Ressourcen anheizen und die Umwelt großen Belastungen aussetzen. Die EU muss fortfahren, eine weltweite Lösung der Probleme des Klimawandels herbeizuführen und zugleich im ganzen Gebiet der Union die vereinbarte Klima- und Energiestrategie zu verwirklichen.

Europa muss handeln, um dem Niedergang entgegenzutreten

Aus dieser Krise können wir mehrere Lehren ziehen:

- Die Volkswirtschaften der 27 EU-Staaten sind stark miteinander verwoben: Die Krise hat vor allem im Euro-Raum den Nutzen der engen Verknüpfung unserer Volkswirtschaften herausgestellt. Reformen oder auch fehlende Reformen in einem Land wirken sich auf die Leistung aller anderen aus, wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben. Die Krise und die stark angespannte Haushaltslage haben zudem einigen Mitgliedstaaten die ausreichende Finanzierung der grundlegenden Verkehrs- und Energieinfrastruktur erschwert, die sie nicht nur für die Weiterentwicklung ihrer eigenen Wirtschaft, sondern auch für die volle Beteiligung am Binnenmarkt benötigen.

- Die Koordinierung innerhalb der EU funktioniert: Die Krisenbewältigungsmaßnahmen haben gezeigt, dass wir gemeinsam wesentlich wirkungsvoller handeln können. Unser gemeinsames Vorgehen mit Blick auf die Stabilisierung des Bankensystems und die Annahme des Europäischen Konjunkturprogramms hat dies unter Beweis gestellt. In einer globalisierten Welt gibt es kein Land, das die Probleme im Alleingang lösen kann.

- Die EU bewirkt weltweit einen Zusatznutzen. Globale Entscheidungen wird sie nur beeinflussen können, wenn sie gemeinsam handelt. Die stärkere Vertretung nach außen muss mit einer stärken inneren Koordinierung Hand in Hand gehen.

Die Krise war kein einmaliges Geschehen, nach dem wir getrost zum „Business as usual“ zurückkehren können. Die Probleme, mit denen die Union konfrontiert ist, sind wesentlich schwerwiegender als vor der Rezession; unser Handlungsspielraum ist dagegen begrenzt. Außerdem steht der Rest der Welt nicht still. Die wichtigere Rolle der G20 hat die wachsende wirtschaftliche und politische Macht der Schwellenländer vor Augen geführt.

Europa steht vor klaren und schwerwiegenden Entscheidungen. Entweder stellen wir uns gemeinsam der unmittelbaren Herausforderung des wirtschaftlichen Aufschwungs und auch den längerfristigen Problemen (Globalisierung, Ressourcenknappheit, Alterung), damit wir die jüngsten Verluste ausgleichen, unsere Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen, unsere Produktivität steigern und längerfristig dem Wohlstand in der Union den Weg bereiten („nachhaltiger Aufschwung“).

Oder wir machen mit langsamen und weitgehend unkoordinierten Reformen weiter und riskieren dauerhafte Wohlstandseinbußen, ein schleppendes Wirtschaftswachstum („schleppender Aufschwung“) mit der möglichen Folge hoher Arbeitslosenzahlen, sozialer Spannungen und relativer Bedeutungslosigkeit Europas auf der Weltbühne („verlorenes Jahrzehnt“).

Drei Szenarien für Europa im Jahr 2020 |

Szenario 1: Nachhaltiger Aufschwung |

Europa ist in der Lage, vollständig zur früheren Wachstumsentwicklung zurückzukehren und sein Potenzial für noch weitergehende Leistungen auszubauen |

Szenario 2: Schleppender Aufschwung |

[pic] | Europa hat dauerhafte Wohlstandseinbußen erlitten und beginnt auf dieser unsicheren Grundlage wirtschaftlich erneut zu wachsen |

Szenario 3: Verlorenes Jahrzehnt |

[pic] | Europa hat dauerhaft seinen Wohlstand und sein Potenzial für künftiges Wachstum eingebüßt |

Europa hat Aussichten auf Erfolg

Europa hat viele Stärken: die Begabung und Kreativität unserer Menschen, eine starke Industriestruktur, einen lebendigen Dienstleistungssektor, eine blühende und qualitativ hochwertige Landwirtschaft, eine reiche maritime Tradition, unseren Binnenmarkt und unsere gemeinsame Währung, unsere Stellung als größte Handelsmacht und als erstes Ziel für ausländische Direktinvestitionen. Aber wir können auch auf unsere starken Werte, demokratischen Institutionen, unsere Wertschätzung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts, der Solidarität und der Umwelt, unsere kulturelle Vielfalt und unsere Achtung der Gleichstellung der Geschlechter bauen - um nur einige zu nennen. Viele unserer Mitgliedstaaten zählen zu den innovativsten und wirtschaftlich entwickeltsten Ländern der Welt. Doch hat Europa die besten Chancen auf Erfolg, wenn es gemeinsam handelt – als Union.

Wenn sie in der Vergangenheit mit wichtigen Ereignissen konfrontiert waren, haben die Union und die Mitgliedstaaten die Herausforderung angenommen. In den 1990er Jahren hat Europa den durch eine gemeinsame Währung gestützten größten Binnenmarkt auf den Weg gebracht. Erst vor wenigen Jahren wurde die Teilung Europas durch den EU-Beitritt neuer Mitgliedstaaten aufgehoben, und andere Staaten haben sich auf den Weg zur Mitgliedschaft oder zu engeren Beziehungen mit der Union begeben. In den letzten beiden Jahren hat das auf dem Höhepunkt der Krise angenommene Europäische Konjunkturprogramm den wirtschaftlichen Niedergang verhindern können; unsere Sozialsysteme haben dazu beigetragen, Menschen vor größerer Not zu bewahren.

Europa ist in der Lage, in Krisenzeiten zu handeln und seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen dem Wandel anzupassen. Um die Auswirkungen der Krise, die Strukturschwächen Europas und die wachsenden globalen Probleme bewältigen zu können, durchleben die Europäer heute erneut einen Moment der Veränderung.

Dabei muss die Bewältigung der Krise für uns der Beginn einer neuen Wirtschaftsform sein. Damit wir für unsere Generation und für künftige Generationen eine hohe, durch ein einzigartiges Sozialmodell gestützte Gesundheit und Lebensqualität erhalten können, müssen wir jetzt Maßnahmen ergreifen. Was wir brauchen, ist eine Strategie, mit der die EU in eine intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft umgewandelt werden kann, die durch ein hohes Beschäftigungs- und Produktivitätsniveau sowie einen starken sozialen Zusammenhalt geprägt ist. Dies ist die Strategie Europa 2020 – eine Agenda für alle Mitgliedstaaten, die den verschiedenen Bedürfnissen, unterschiedlichen Ausgangspunkten und nationalen Besonderheiten Rechnung trägt, um das Wachstum für alle zu fördern.

2. INTELLIGENTES, NACHHALTIGES UND INTEGRATIVES WACHSTUM

Wo soll Europa im Jahr 2020 stehen?

Im Zentrum von Europa 2020 stehen drei Schwerpunkte[1]:

- Intelligentes Wachstum – Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft

- Nachhaltiges Wachstum – Förderung einer ressourcenschonenden, umweltfreundlicheren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft

- Integratives Wachstum – Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und wirtschaftlichem, sozialem und territorialem Zusammenhalt

Diese drei Prioritäten wirken zusammen verstärkend und münden in die Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts.

Es besteht weitgehendes Einvernehmen darüber, dass sich die Union, um unsere Anstrengungen auf den Erfolg hin auszurichten, auf eine begrenzte Zahl von Kernzielen für 2020 verständigen sollte. Diese Ziele sollten die Thematik des intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums aufgreifen. Sie müssen nachprüfbar sein, der unterschiedlichen Lage der Mitgliedstaaten Rechnung tragen und auf hinreichend zuverlässigen Daten beruhen, die einen Vergleich ermöglichen. Die folgenden Ziele - deren Erreichen für unseren Erfolg im Jahr 2020 entscheidend sein wird - wurden auf diese Grundlage gestellt:

- Die Beschäftigungsquote unter den 20- bis 64-jährigen sollte unter anderem durch die vermehrte Einbeziehung der Frauen und älteren Arbeitnehmer sowie die bessere Eingliederung von Migranten in die Erwerbsbevölkerung von derzeit 69 % auf mindestens 75 % ansteigen.

- Das Investitionsziel der EU im FuE-Bereich beträgt derzeit 3 % des BIP. Dabei ist deutlich geworden, dass sowohl der öffentliche als auch der private Bereich in FuE investieren müssen, doch lag das Augenmerk bislang mehr auf der Höhe der Investition als auf ihrer Wirkung. Die Bedingungen für private FuE-Investitionen in der EU müssen unbedingt verbessert werden, was durch viele der hier vorgeschlagenen Maßnahmen geschehen wird. Würden wir FuE und Innovation zusammen betrachten, so würden unsere Ausgaben einen größeren Bereich abdecken, der für die Unternehmenstätigkeit und für die Ankurbelung der Produktivität von größerer Bedeutung wäre. Die Kommission schlägt vor, das 3 %-Ziel aufrechtzuerhalten und zugleich einen Indikator für die FuE- und Innovationsintensität zu entwickeln.

- Verringerung der Treibhausgasemissionen, ausgehend vom Niveau des Jahres 1990, um mindestens 20 % bzw. um 30 %, sofern die Bedingungen[2] hierfür gegeben sind. Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an unserem Gesamtenergieverbrauch auf 20 % und Steigerung der Energieeffizienz um 20 %.

- Im Bildungsbereich soll das Problem der Schulabbrecher angegangen und die Schulabbrecherquote von derzeit 15 % auf 10 % reduziert und gleichzeitig der Anteil der Bevölkerung im Alter zwischen 30 und 34, der ein Hochschulstudium abgeschlossen hat, von derzeit 31 % bis 2020 auf mindestens 40 % gesteigert werden.

- Die Zahl der Europäer, die unter den nationalen Armutsgrenzen leben, sollte um 25% gesenkt werden, was 20 Millionen Menschen aus der Armut befreien würde[3].

Diese Ziele sind miteinander verknüpft. Ein höheres Bildungsniveau erhöht beispielsweise die Beschäftigungsfähigkeit, und eine erhöhte Beschäftigungsquote hilft, die Armut einzugrenzen. Verbesserte Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung sowie Innovation in allen Wirtschaftssektoren in Verbindung mit Ressourceneffizienz steigern die Wettbewerbsfähigkeit und fördern die Schaffung von Arbeitsplätzen. Investitionen in saubere, emissionsarme Technologien helfen unserer Umwelt, dienen der Bekämpfung des Klimawandels und schaffen neue Geschäfts- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese Ziele müssen unsere gemeinsame Aufmerksamkeit mobilisieren. Gefragt sind Führungsstärke, Engagement und starke Durchführungsmechanismen, um die Einstellungen und Verhaltensweisen in der EU zu ändern, damit diese Ziele erreicht werden können.

Die Liste dieser Ziele ist nicht etwa erschöpfend, sondern enthält nur repräsentative Beispiele. Sie geben einen Überblick darüber, wo die EU nach Auffassung der Kommission im Jahr 2020 in wichtigen Bereichen sein sollte. Sie stellen kein Pauschalkonzept dar. Jeder Mitgliedstaat ist unterschiedlich, und die EU ist heute mit 27 Mitgliedstaaten vielfältiger als noch vor einem Jahrzehnt. Trotz unterschiedlicher Entwicklungsniveaus und Lebensstandards sind die vorgeschlagenen Ziele nach Meinung der Kommission für alte und neue Mitgliedstaaten gleichermaßen von Bedeutung. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovation, in Bildung und ressourceneffiziente Technologien kommen traditionellen Sektoren und ländlichen Gebieten ebenso zugute wie Dienstleistungsgesellschaften mit hohem Qualifikationsniveau. Der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt wird gestärkt. Damit sichergestellt ist, dass jeder Mitgliedstaat die Strategie Europa 2020 auf seine besondere Lage abstimmen kann, schlägt die Kommission vor, dass diese EU-Ziele in nationale Ziele und Verlaufspläne übersetzt werden, die der jeweiligen Situation und der Bereitschaft des Mitgliedstaats Rechnung tragen, diese Anstrengungen im Rahmen der weitreichenden Ziele der Union mitzutragen. Ergänzend zu den Anstrengungen der Mitgliedstaaten wird die Kommission eine Reihe ehrgeiziger Maßnahmen auf Unionsebene vorschlagen, mit denen die EU auf den neuen Weg zu einem nachhaltigeren Wachstums gebracht wird. Dieses Zusammenspiel von Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten dürfte gegenseitig verstärkend wirken.

Intelligentes Wachstum – eine auf Wissen und Innovation gestützte Wirtschaft

Intelligentes Wachstum bedeutet, Wissen und Innovation als Vektoren unseres künftigen Wachstums zu stärken. Bedingungen hierfür sind eine erhöhte Qualität unseres Bildungssystems, die Steigerung unserer Forschungsleistungen, die Förderung von Innovation und Wissenstransfer innerhalb der Union, die Ausschöpfung des Potenzials der Informations- und Kommunikationstechnologien und die Gewährleistung, dass innovative Ideen in neue Produkte und Dienste umgesetzt werden können, durch die Wachstum und hochwertige Arbeitsplätze entstehen und die dazu beitragen die europäischen und weltweiten gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Mitbestimmend für den Erfolg ist hierbei Unternehmergeist, die Verfügbarkeit der finanziellen Mittel und die Konzentration auf unsere Bedürfnisse und Marktchancen.

Europa muss handeln:

- Innovation: Die Ausgaben für FuE belaufen sich in Europa auf unter 2 %, verglichen mit 2,6 % in den USA und 3,4 % in Japan, was vor allem auf geringere private Investitionen zurückzuführen ist. Dabei zählen nicht nur die Beträge für FuE in absoluten Zahlen - Europa muss auch die Auswirkungen und die Zusammensetzung der Forschungsausgaben ins Visier nehmen und die Bedingungen für FuE im Privatsektor in der EU verbessern. Unser geringerer Anteil an Hochtechnologie-Unternehmen ist verantwortlich für die Hälfte unseres Rückstands gegenüber den USA.

- Allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen: Ein Viertel der Schüler verfügt über zu geringe Lesekompetenz, und einer von sieben Jugendlichen bricht seine Ausbildung vorzeitig ab. Rund 50 % der Schüler erreichen ein mittleres Qualifikationsniveau, das jedoch häufig nicht dem Bedarf des Arbeitsmarktes entspricht. Weniger als ein Drittel der Menschen im Alter zwischen 25 und 34 hat einen Hochschulabschluss (USA: 40 %, Japan: 50 %). Dem Shanghai-Index zufolge gehören nur zwei europäische Hochschulen zu den weltweit 20 besten.

- Digitale Gesellschaft: Die weltweite Nachfrage nach Informations- und Kommunikationstechnologien ist ein Markt im Umfang von 2.000 Milliarden EUR, der aber nur zu einem Viertel von europäischen Unternehmen bedient wird. Europa hat einen Rückstand beim Hochgeschwindigkeitsinternet, bei der Online-Wissensverbreitung und beim Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen, was auch in ländlichen Regionen seine Innovationsfähigkeit beeinträchtigt.

Die Maßnahmen im Rahmen dieser Priorität werden das europäische Innovationspotenzial freisetzen, den Erfolg unserer Bildungseinrichtungen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht verbessern und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen der digitalen Gesellschaft ausschöpfen. Sie müssen auf regionaler, nationaler und Unionsebene getroffen werden.

Leitinitiative: „Innovationsunion“

Ziel dieser Initiative ist die Neuausrichtung unserer FuE und Innovationspolitik auf die Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft gegenüber gestellt sieht: Klimawandel, Energie- und Ressourceneffizienz, Gesundheit und demographischer Wandel. Jedes Glied der Innovationskette muss verstärkt werden, von der „Blue sky“-Forschung bis zur Vermarktung.

Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben:

- die Vollendung des Europäischen Forschungsraums, die Entwicklung eines strategischen Forschungsplans mit den Schwerpunkten Energieversorgungssicherheit, Verkehr, Klimawandel und Ressourceneffizienz, Gesundheit und Alterung, umweltfreundliche Herstellungsmethoden und Bodenbewirtschaftung sowie die Förderung der gemeinsamen Planung mit den Mitgliedstaaten und Regionen

- die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmensinnovationen (d.h. Einführung eines einheitlichen EU-Patents und eines Patentgerichts, Modernisierung des urheber- und markenrechtlichen Rahmens, verbesserter Schutz der Rechte an geistigem Eigentum für KMU, beschleunigte Einführung interoperabler Normen, erleichterter Zugang zu Kapital und uneingeschränkte Nutzung nachfragebezogener politischer Maßnahmen, z.B. durch die öffentliche Auftragsvergabe und intelligente Regulierung)

- die Einführung „Europäischer Innovationspartnerschaften“ zwischen der EU und den einzelnen nationalen Ebenen, um die Entwicklung und Einführung der der Bewältigung der beschriebenen Herausforderungen dienenden Technologien zu beschleunigen. Zu den ersten zählen der Aufbau der Bio-Wirtschaft bis 2020, die Kerntechnologien für die Ausgestaltung der industriellen Zukunft Europas und Technologien, die es älteren Menschen ermöglichen, unabhängig und aktiv zu leben.

- die Überarbeitung und Weiterentwicklung der Innovationsförderinstrumente der EU (z.B. Strukturfonds, Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, FuE-Rahmenprogramme, PGI, Set-Plan), auch durch engere Zusammenarbeit mit der EIB und die Straffung der Verfahren für den Zugang zu Fördermitteln, insbesondere für KMU, und innovative Anreize in Verbindung mit dem Kohlenstoffmarkt, insbesondere für Vorreiter.

- die Förderung von Wissenspartnerschaften und die Stärkung der Verknüpfung von Bildungseinrichtungen, Unternehmen, Forschung und Innovation, auch durch das ETI und Unterstützung des Unternehmergeistes durch die Förderung junger innovativer Unternehmen.

Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert,

- die nationalen (und regionalen) FuE und Innovationssysteme im Sinne der Förderung von Exzellenz und intelligenter Spezialisierung zu reformieren, die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Forschung und Unternehmen zu stärken, die Programmplanung gemeinsam vorzunehmen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Bereichen zu stützen, in denen ein EU-Mehrwert erzielt werden kann und die nationalen Förderverfahren entsprechend anzupassen sowie die Verbreitung der Technologie auf dem Gebiet der Union zu gewährleisten;

- dafür zu sorgen, dass es eine ausreichende Zahl von Hochschulabsolventen in den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik und Ingenieurwesen gibt und die Schullehrpläne auf Kreativität, Innovation und Unternehmergeist auszurichten;

- den Ausgaben für die Wissenserlangung und –verbreitung auch durch steuerliche Anreize und sonstige Finanzinstrumente Vorrang einzuräumen und höhere private FuE-Investitionen zu fördern.

Leitinitiative „Jugend in Bewegung“

Ziel ist Steigerung der Leistung und internationalen Attraktivität der höheren Bildungseinrichtungen Europas und die Verbesserung der Qualität der allgemeinen und beruflichen Bildung in der EU insgesamt durch Exzellenz und Verteilungsgerechtigkeit sowie die Förderung der Mobilität von Studenten und Auszubildenden und die Verbesserung der Beschäftigungschancen von Jugendlichen.

Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben:

- Integration und Ausbau der Mobilitäts-, Hochschul- und Forschungsprogramme der EU (wie Erasmus, Erasmus Mundus, Tempus und Marie Curie) und deren Verknüpfung mit nationalen Programmen und Ressourcen;

- Ausbau des Modernisierungsprogramms der Hochschulen (Lehrpläne, Governance und Finanzierung), auch durch Benchmarking der Hochschulleistung und der Ergebnisse der Bildungseinrichtungen im globalen Zusammenhang;

- Förderung des Unternehmergeistes, soweit dies durch Mobilitätsprogramme für junge Fachkräfte möglich ist;

- Förderung der Anerkennung des nichtformalen und informellen Lernens;

- Einführung eines Rahmens für die Beschäftigung junger Menschen, mit dem deren Arbeitslosigkeit abgebaut werden soll: In Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und Sozialpartnern soll der Einstieg junger Menschen in die Arbeitswelt durch Lehrlingsausbildung, Praktika oder sonstige Arbeitserfahrung gefördert werden. Dazu gehört auch das Programm „Dein erster EURES-Arbeitsplatz“, mit dem die Anstellungschancen junger Menschen durch die Förderung der Mobilität in der EU verbessert werden.

Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert,

- sicherzustellen, dass auf allen Ebenen (Vorschule bis Universität) wirkungsvoll in Bildung investiert wird;

- die Ergebnisse der Bildungseinrichtungen zu verbessern und zu diesem Zweck ein integriertes Konzept zu entwickeln, in dem jede einzelne Stufe (Vor-, Grund-, Sekundar-, Berufs- und Hochschule) berücksichtigt wird, Schlüsselkompetenzen festgelegt werden und mit dem der Schulabbruch eingedämmt wird;

- die Offenheit und Bedeutung der Bildungssysteme durch die Einführung nationaler Qualifikationsrahmen und besser auf den Bedarf der Arbeitsmärkte zugeschnittene Bildungsergebnisse zu fördern, und

- die Berufseinstiegschancen junger Menschen durch integrierte Maßnahmen, zu denen u.a. Orientierung, Beratung und Praktika zählen, zu verbessern.

Leitinitiative: „Eine digitale Agenda für Europa“

Ziel ist es, einen nachhaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen aus einem digitalen Binnenmarkt auf der Grundlage des schnellen und ultraschnellen Internets und interoperabler Anwendungen zu ziehen, mit Breitbandanschlusses für jedermann im Jahr 2013, sehr viel höheren Internet-Geschwindigkeiten 30 Mbps (oder mehr) bis 2020 und einen Internetanschluss von über 100 Mbps für 50 % oder mehr aller europäischen Haushalte.

Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben:

- Bereitstellung eines stabilen Rechtsrahmens, der Anreize für Investitionen in eine offene und wettbewerbsfähige Hochgeschwindigkeits-Internetstruktur und verbundene Dienste gibt;

- Entwicklung einer effizienten Frequenzpolitik;

- erleichterte Verwendung der Strukturfonds der EU für diese Agenda;

- Schaffung eines echten Binnenmarktes für Online-Inhalte und –Dienste (d.h. grenzenlose und sichere Märkte für EU-Webdienste und digitale Inhalte mit einem hohen Vertrauensgrad, ausgewogener Rechtsrahmen mit eindeutigen Rechten, Förderung multiterritorialer Lizenzen, angemessener Schutz und angemessene Vergütung für Rechtsinhaber und aktive Unterstützung der Digitalisierung des reichen europäischen kulturellen Erbes sowie Ausgestaltung der globalen Steuerung des Internet);

- Reform der Forschungs- und Innovationsfonds und Aufstockung der IKT-Förderung, um Europas technologische Stärke in strategischen Schlüsselbereichen auszubauen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass KMU mit hohem Wachstumspotenzial auf neu entstehenden Märkten führend werden und IKT-Innovation in allen Branchen angeregt wird;

- Förderung des Internetzugangs und der Internetakzeptanz durch alle europäischen Bürger, vor allem durch Aktionen zur Förderung der digitalen Kompetenz.

Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert,

- operative Strategien für die Einführung des Hochgeschwindigkeitsinternet zu entwickeln und eine öffentliche Finanzierung bzw. strukturelle Fonds für Gebiete bereitzustellen, die nicht ganz durch private Investitionen abgedeckt sind;

- einen Rechtsrahmen zur Koordinierung öffentlicher Arbeiten aufzustellen, mit dem die Kosten für den Netzausbau reduziert werden;

- die Einführung und Verwendung moderner Online-Dienste zu fördern (z.B. elektronische Behördendienste, Online-Gesundheitsdienste, Smart Home, digitale Kenntnisse, Sicherheit).

Nachhaltiges Wachstum – Förderung einer ressourceneffizienteren, umweltfreundlicheren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft

Nachhaltiges Wachstum bedeutet, eine ressourceneffiziente, nachhaltige und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen, die Führungsrolle Europas im Wettbewerb um die Entwicklung neuer Verfahren und Technologien, einschließlich umweltfreundlicher Technologien, auszunutzen, die Einführung intelligenter Netze mit Hilfe der IKT zu beschleunigen, sich die EU-weiten Netze zunutze zu machen, vor allem in der Fertigung und innerhalb unserer KMU die Wettbewerbsvorteile der Unternehmen auszubauen, und die Verbraucher in die Lage zu versetzen, Ressourceneffizienz wertzuschätzen. Ein solches Konzept wird es der Union ermöglichen, in einer durch Ressourcenknappheit geprägten emissionsarmen Welt erfolgreich zu sein und die Schädigung der Umwelt, den Rückgang der Artenvielfalt und eine nicht nachhaltige Ressourcennutzung zu vermeiden. Außerdem wird der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt gestärkt.

Europa muss handeln:

- Wettbewerbsfähigkeit: Die EU hat durch den Handel im Wohlstand gelebt, indem sie in die ganze Welt exportierte und Vorleistungen sowie fertige Erzeugnisse importierte. In Anbetracht des zunehmenden Drucks auf die Exportmärkte müssen wir für eine immer breitere Palette von Vorleistungen unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren wichtigsten Handelspartnern durch höhere Produktivität verbessern. Wir müssen das Problem der relativen Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone und in der gesamten EU angehen. Die EU war Vorreiter in Bezug auf umweltfreundliche Lösungen; allerdings versuchen ihre wichtigsten Konkurrenten, vor allem China und Nordamerika, ihren Vorsprung aufzuholen. Die EU sollte ihre Führungsrolle auf dem Markt für umweltfreundliche Technologien beibehalten, um Ressourceneffizienz in der gesamten Wirtschaft zu gewährleisten, Engpässe in wichtigen Netzinfrastrukturen zu beseitigen und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie zu stärken.

- Kampf gegen den Klimawandel: Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir unsere Emissionen im nächsten Jahrzehnt deutlich schneller als im letzten Jahrzehnt reduzieren und in vollem Umfang das Potenzial neuer Technologien wie der Kohlenstoffabscheidung und –sequestrierung nutzen. Die Steigerung der Ressourceneffizienz würde sehr dazu beitragen, die Emissionen zu begrenzen, Geld zu sparen und das Wirtschaftswachstum anzutreiben. Dies betrifft alle Wirtschaftszweige, nicht nur die emissionsintensiven. Wir müssen außerdem die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften gegenüber klimatischen Risiken stärken und unsere Fähigkeit zur Katastrophenvorbeugung und –intervention ausbauen.

- Saubere und effiziente Energie: Wenn wir unsere Klimaziele erreichen, geben wir bis 2020 60 Mio. EUR weniger für Öl- und Gasimporte aus. Dies sind nicht nur finanzielle Einsparungen, sondern für unsere Energieversorgungssicherheit unerlässliche Gewinne. Weitere Fortschritte bei der Integration des europäischen Energiemarkts können uns beim BIP um weitere 0,6 % bis 0,8 % voranbringen. Allein dadurch, dass wir das EU-Ziel erreichen, 20 % unseres Bedarfs durch erneuerbare Energien zu decken, können mehr als 600.000 Arbeitsplätze in der Union entstehen. Wenn das 20 %-Ziel bei der Energieeffizienz hinzukommt, bedeutet das weit mehr als eine Million neuer Arbeitsplätze.

Die Maßnahmen im Rahmen dieser Priorität machen es notwendig, dass wir unsere Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung auch durch die Verbreitung innovativer technologischer Lösungen so umsetzen, dass der Nutzen maximiert und die Kosten minimiert werden. Außerdem müssen wir versuchen, Wachstum vom Energieverbrauch abzukoppeln und unsere Wirtschaft ressourceneffizienter zu machen, was Europa nicht nur einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, sondern auch unsere Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen und Gütern verringern wird.

Leitinitiative: „Ressourcenschonendes Europa“

Ziel ist die Unterstützung des Übergangs zu einer emissionsarmen Wirtschaft, die ihre Ressourcen wirkungsvoll einsetzt. Es geht darum, unser Wirtschaftswachstum von den Ressourcen und vom Energieverbrauch abzukoppeln, die CO2-Emissionen zu reduzieren, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und eine größere Energieversorgungssicherheit zu unterstützen.

Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben:

- Mobilisierung der Finanzierungsinstrumente der EU (z.B. Entwicklung des ländlichen Raums, Strukturfonds, FuE-Rahmenprogramme, TEN, EIB) im Rahmen einer umfassenden Finanzierungsstrategie, die die Mittel der EU sowie öffentliche und private nationale Mittel bündelt;

- Entwicklung eines Rahmens für den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente (z.B. Emissionshandel, Überarbeitung der Energiebesteuerung, staatliche Beihilfen, Unterstützung einer umweltfreundlichen öffentlicher Auftragsvergabe);

- Unterbreitung von Vorschlägen für ein modernisiertes und kohlenstoffärmeres Verkehrswesen, das zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. Dies geschieht durch unterschiedliche Maßnahmen, z.B. Infrastrukturmaßnahmen wie den Aufbau von Netzinfrastrukturen für elektrische Mobilität, intelligentes Verkehrsmanagement, bessere Logistik, die weitere Reduzierung der CO2-Emissionen bei Straßenfahrzeugen, im Luft- und Schiffsverkehr und die Einleitung einer großen europäischen Initiative für umweltfreundliche Automobile, mit der auf der Grundlage der Forschung, gemeinsamer Normen und der Entwicklung der notwendigen Infrastruktur neue Technologien sowie elektrische und Hybridfahrzeuge gefördert werden;

- Beschleunigung der Einführung strategischer Projekte mit hohem europäischen Mehrwert zur Beseitigung von Engpässen, insbesondere in Bezug auf grenzüberschreitende Abschnitte und intermodale Drehkreuze (Städte, Häfen, logistische Plattformen);

- Vollendung des Energie-Binnenmarkts und Umsetzung des Plans für strategische Energietechnologien (SET) sowie vorrangig die Förderung erneuerbarer Energiequellen im Binnenmarkt;

- Vorlage einer Initiative für den Ausbau der europäischen Netzwerke einschließlich der transeuropäischen Energienetze zu einem europäischen Supernetz sowie intelligenter Netze mit Zusammenschaltungen vor allem der erneuerbaren Energiequellen mit dem Netz (mit Unterstützung der Strukturfonds und der EIB). Dazu gehört die Förderung von Infrastrukturprojekten mit großer strategischer Bedeutung für die EU in den baltischen Ländern, auf dem Balkan, rund um das Mittelmeer und in den eurasischen Regionen;

- Annahme und Umsetzung eines überarbeiteten Aktionsplans für Energieeffizienz und Unterstützung eines umfassenden Programms für Ressourceneffizienz (Förderung von KMU und Privathaushalten), Nutzung der Strukturfonds und anderer Fonds für die wirksame Bereitstellung neuer Finanzierungsmöglichkeiten im Wege bestehender äußerst erfolgreicher Modelle von innovativen Investmentsystemen; Auf diese Weise werden Änderungen bei den Verbrauchs- und Produktionsmustern gefördert;

- Verbreitung der Vision eines strukturellen und technologischen Wandels, der für den Übergang zu einer emissionsarmen, ressourceneffizienten und klimaresistenten Wirtschaft bis 2050 notwendig ist und es der EU ermöglicht, ihre Ziele hinsichtlich der Emissionsverringerung und der Erhaltung der Artenvielfalt zu erreichen; dazu gehört die Katastrophenvorbeugung und –intervention, die Nutzung des klimabezogenen Beitrags der Politiken in den Bereichen Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Seeverkehr durch Anpassungsmaßnahmen für den effizienteren Ressourceneinsatz, was auch zur Verbesserung der globalen Ernährungssicherheit beitragen wird.

Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert,

- umweltgefährdende Subventionen, mit Ausnahme solcher für sozial benachteiligte Bevölkerungskreise, auslaufen zu lassen;

- marktwirtschaftliche Instrumente wie Steueranreize und öffentliche Aufträge dazu zu nutzen, Produktions- und Verbrauchsgewohnheiten anzupassen;

- intelligente, modernere und vollständig vernetzte Verkehrs- und Energieinfrastrukturen zu entwickeln und IKT uneingeschränkt zu nutzen;

- für die koordinierte Durchführung der entscheidend zur Leistungsfähigkeit des gesamten EU-Verkehrssystems beitragenden Infrastrukturprojekte innerhalb des EU-Hauptnetzes zu sorgen;

- sich schwerpunktmäßig mit dem städtischen Verkehr als wichtigem Verursacher von Überlastung und Emissionen zu befassen;

- Regulierung, Bauvorschriften und marktwirtschaftliche Instrumente wie die Besteuerung, Subventionen und die öffentliche Auftragsvergabe dazu zu nutzen, den Verbrauch von Energie und Ressourcen zu reduzieren und Mittel aus den Strukturfonds in die Energieeffizienz öffentlicher Gebäude und ein wirksameres Recycling zu investieren;

- Anreize für die Energieeinsparung in energieintensiven Sektoren, beispielsweise durch den Einsatz von IKT, einzuführen.

Leitinitiative: „Eine Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung“

Die Wirtschaft und insbesondere KMU sind von der Wirtschaftskrise hart getroffen worden. Sämtliche Wirtschaftszweige sehen sich überdies der Herausforderung gegenüber, in der Globalisierung zu bestehen und ihre Produktionsabläufe und Produkte auf die emissionsarme Wirtschaft einzustellen. Die Folgen werden von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen. Einige werden sich völlig neu aufstellen müssen, anderen wiederum werden diese Herausforderungen neue unternehmerische Möglichkeiten eröffnen. Die Kommission wird in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten (Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft, NRO, Verbraucherverbände) ein Rahmenkonzept für eine moderne, die unternehmerische Entfaltung fördernde Industriepolitik erarbeiten, um die Wirtschaft bei der Einstellung auf diese Herausforderungen anzuleiten und zu unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit der Grundstoffindustrie, des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors zu fördern und sie dabei zu unterstützen, die Chancen der Globalisierung und der ökologischen Wirtschaft wahrzunehmen. Dieses Rahmenkonzept soll alle Bestandteile der zunehmend internationalen Wertschöpfungskette vom Rohstoffzugang bis zum Kundendienst erfassen.

Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben:

- eine Industriepolitik zu etablieren, die für die Beibehaltung und Weiterentwicklung einer starken, wettbewerbsfähigen und diversifizierten industriellen Grundlage in Europa optimale Voraussetzungen schafft und das verarbeitende Gewerbe beim Übergang zu einer energie- und ressourceneffizienteren Wirtschaft unterstützt;

- einen horizontalen Ansatz für die Industriepolitik zu entwickeln, in dem verschiedene politische Instrumente (z.B. „intelligente“ Regulierung, ein modernisiertes öffentliches Auftragswesen, Wettbewerbsregeln und Normung) miteinander verknüpft werden;

- das Umfeld für Unternehmen und insbesondere KMU u.a. durch die Reduzierung der Transaktionskosten für eine wirtschaftliche Tätigkeit in Europa, die Förderung von Unternehmensclustern und einen verbesserten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu annehmbaren Konditionen zu verbessern;

- die Umstrukturierung gefährdeter Branchen auf zukunftsträchtige Tätigkeiten u.a. durch eine rasche Verlagerung von Qualifizierungsmaßnahmen auf neue Wirtschaftszweige und Märkte mit großem Wachstumspotenzial und die Unterstützung mittels des Beihilferechts und/oder des Fonds zur Anpassung an die Globalisierung zu erleichtern;

- Ressourcen schonende Technologien und Produktionsmethoden zu fördern und Investitionen in das Naturvermögen der EU zu erhöhen;

- die Internationalisierung von KMU zu fördern;

- den tatsächlichen Zugang aller Unternehmen in Europa zum Binnenmarkt und zu den internationalen Märkten unabhängig von ihrem Standort durch entsprechende Verkehrs- und Logistiknetze zu gewährleisten;

- eine wirkungsvolle Weltraumpolitik zu entwickeln und insbesondere die Projekte Galileo und GMES erfolgreich abzuschließen, um die Instrumente zur Bewältigung einiger der wichtigsten globalen Herausforderungen in die Hand zu bekommen;

- die Wettbewerbsfähigkeit des Fremdenverkehrssektors in Europa zu stärken;

- bestehende Regulierung daraufhin zu überprüfen, wie der Übergang des Dienstleistungssektors und des verarbeitenden Gewerbes auf ressourceneffizienteres Wirtschaften einschließlich wirksameren Recyclings gefördert werden kann; die Verfahren zur Heranbildung europäischer und internationaler Normen zu verbessern, um die Normierungstätigkeit in den Dienst der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stellen. Dazu zählt auch die Förderung der Kommerzialisierung und Übernahme wichtiger Grundlagetechnologien;

- die EU-Strategie zur Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen als eines wichtigen Beitrags zur Gewährleistung langfristigen Vertrauens bei Beschäftigten und Verbrauchern zu erneuern.

Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert,

- das Umfeld für Unternehmen und insbesondere innovative KMU u.a. durch öffentliche Aufträge, die mit Innovationsanreizen verbunden sind, zu verbessern;

- die Voraussetzungen für die Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum zu verbessern;

- die Verwaltungslasten für Unternehmen zu verringern und die Qualität des Unternehmensrechts zu verbessern;

- eng mit den sonstigen Akteuren in den unterschiedlichen Bereichen (Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft, NRO, Verbraucherorganisationen) zusammenzuarbeiten, um Engpässe zu identifizieren und zu einer gemeinsamen Bestandsaufnahme zu gelangen, wie eine starke industrielle und Wissensbasis erhalten und die EU in die Lage versetzt werden kann, in der nachhaltigen Entwicklung weltweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Integratives Wachstum – eine Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und wirtschaftlichem, sozialem und territorialem Zusammenhalt

Integratives Wachstum heißt, die Menschen durch ein hohes Beschäftigungsniveau, Investitionen in Kompetenzen, die Bekämpfung der Armut, und die Modernisierung der Arbeitsmärkte, der allgemeinen und beruflichen Bildung und der sozialen Schutzsysteme zu befähigen, Veränderungen zu antizipieren und zu bewältigen, und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen. Die Vorteile des Wirtschaftswachstums müssen allen Teilen der Union einschließlich ihrer entlegensten Gebiete zugute kommen und so den territorialen Zusammenhalt fördern. Es geht darum, allen Menschen Zugangsmöglichkeiten und Chancen über ihr gesamtes Leben hinweg zu bieten. Europa muss sein Arbeitskräftepotenzial voll ausschöpfen, um die mit einer alternden Bevölkerung und wachsendem weltweitem Wettbewerb verbundenen Herausforderungen zu meistern. Eine Politik zur Förderung der Gleichheit zwischen den Geschlechtern ist notwendig, um die Erwerbsbevölkerungs-Mitwirkung zu steigern und so zu Wachstum und sozialem Zusammenhalt beizutragen.

Europa ist zum Handeln gezwungen:

- Beschäftigung: Wegen der demographischen Entwicklung wird die Erwerbsbevölkerung bald schrumpfen. Lediglich zwei Drittel der Erwerbstätigen in Europa haben einen Arbeitsplatz; in den Vereinigten Staaten und in Japan sind es über 70%. Die Beschäftigungsquote von Frauen und älteren Arbeitskräften ist besonders niedrig. Junge Menschen wurden von der Krise besonders schwer getroffen; von ihnen sind mehr als 21% arbeitslos. Die Gefahr, dass Menschen ohne oder mit nur wenig Verbindungen zur Arbeitswelt den Anschluss an den Arbeitsmarkt ganz verlieren, ist besonders groß.

- Qualifikation: Rund 80 Millionen Menschen verfügen nur über geringe bzw. grundlegende Qualifikationen, aber von den Angeboten für lebenslanges Lernen profitieren bisher vor allem Menschen mit eher solider Bildung oder Ausbildung. Bis 2020 steigt die Zahl der Arbeitsplätze für Hochqualifizierte um 16 Mio., die für Geringqualifizierte hingegen sinkt um 12 Millionen. Die Verlängerung des Erwerbslebens wird mit der Möglichkeit einhergehen müssen, während des gesamten Lebens neue Qualifikationen zu erwerben oder auszubauen.

- Armutsbekämpfung: Vor der Krise waren 80 Millionen Menschen von Armut gefährdet, davon 19 Millionen Kinder. 8% der Arbeitnehmer verdienen so wenig, dass sie unterhalb der Armutsgrenze leben. Besonders betroffen sind Arbeitslose.

Die Maßnahmen in diesem vorrangigen Bereich werden die Modernisierung und Intensivierung unserer Beschäftigungs- und Bildungspolitik sowie der sozialen Sicherung durch vermehrte Beteiligung am Arbeitsleben und den Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit sowie die Stärkung der sozialen Verantwortung der Unternehmen erforderlich machen. Von großer Bedeutung wird in diesem Zusammenhang der Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen und sonstigen Versorgungseinrichtungen sein. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Umsetzung der Flexicurity-Grundsätze und der Befähigung der Menschen zu, sich mittels der Aneignung neuer Qualifikationen an neue Gegebenheiten anzupassen und sich beruflich neu zu orientieren. Wesentliche Anstrengungen werden erforderlich sein, um Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung zu bekämpfen und das Gefälle im Gesundheitswesen zu reduzieren, damit das Wachstum bei der gesamten Bevölkerung ankommt. Gleich wichtig wird aber auch unsere Fähigkeit sein, Gesundheit und Aktivität im Alter zu fördern, um den sozialen Zusammenhalt und eine höhere Produktivität zu ermöglichen.

Leitinitiative: „Eine Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten"

Mit dieser Initiative sollen die Voraussetzungen für eine Modernisierung der Arbeitsmärkte geschaffen werden, um das Beschäftigungsniveau anzuheben und die Nachhaltigkeit unserer Sozialmodelle zu gewährleisten. Die Erwerbstätigen von heute und morgen sollen durch den Erwerb neuer Qualifikationen befähigt werden, sich an neue Gegebenheiten anzupassen und gegebenenfalls beruflich umzuorientieren, damit die Arbeitslosigkeit zurückgeht und die Produktivität zunimmt.

Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben:

- die zweite Phase der Flexicurity-Agenda gemeinsam mit den europäischen Sozialpartnern zu definieren und umzusetzen und zu erkunden, wie wirtschaftliche Übergänge besser bewältigt, die Arbeitslosigkeit besser bekämpft und die Erwerbsquote gesteigert werden können;

- den gesetzgeberischen Rahmen im Einklang mit den Grundsätzen der „intelligenten“ Regulierung an sich wandelnde Beschäftigungsmuster (z.B. Arbeitszeiten, Standort) und neue Risiken für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz anzupassen;

- die Mobilität von Arbeitskräften innerhalb der EU zu erleichtern und zu unterstützen, Angebot und Nachfrage mit entsprechender finanzieller Flankierung durch die Strukturfonds, insbesondere den Europäischen Sozialfonds (ESF), besser in Einklang zu bringen und eine zukunftsorientierte, umfassende Migrationspolitik zu fördern, die auf die Prioritäten und Bedürfnisse der Arbeitsmärkte flexibel zu reagieren vermag;

- die Kapazitäten der Sozialpartner zu stärken und das Problemlösungspotenzial des sozialen Dialogs auf allen Ebenen (EU, national/regional, sektoral, unternehmensintern) voll auszuschöpfen, sowie eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsmarkt-Institutionen einschließlich der für die staatliche Beschäftigungsförderung zuständigen Einrichtungen der Mitgliedstaaten zu fördern;

- den strategischen Rahmen für die Zusammenarbeit in der allgemeinen und beruflichen Bildung unter Einbeziehung aller Beteiligten zu mobilisieren. Das sollte u.a. zur Umsetzung der Prinzipien des lebenslangen Lernens (in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und Sachverständigen) auch durch flexible Übergänge zwischen den verschiedenen Zweigen und Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung und die Stärkung der Attraktivität der beruflichen Aus- und Weiterbildung führen. Auf der europäischen Ebene sollten die Sozialpartner konsultiert werden, um sie zu eigenen Initiativen anzuregen;

- Erwerb und Anerkennung der für Weiterbildungsmaßnahmen und den Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen in der allgemeinen, beruflichen, höheren und Erwachsenenbildung durchgehend zu gewährleisten und eine gemeinsame sprachliche und operative Grundlage für die allgemeine und berufliche Bildung und die Arbeitswelt zu schaffen: einen europäischen Rahmen für Qualifikationen, Kompetenzen und Berufe.

Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert,

- ihre nationalen Flexicurity-Konzepte – wie vom Europäischen Rat vereinbart – umzusetzen, um die Segmentierung des Arbeitsmarktes abzubauen und Übergänge sowie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu erleichtern;

- die Effizienz der Steuer- und Leistungssysteme zu prüfen und regelmäßig zu beobachten, damit Arbeit sich lohnt. Dabei sollten besonderes Augenmerk auf die Lage gering Qualifizierter gerichtet und Maßnahmen, die den Weg in die Selbständigkeit erschweren, abgeschafft werden;

- neue Formen des Ausgleichs von Berufs- und Privatleben sowie die Verlängerung des Erwerbslebens aktiv zu fördern, und mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu gewährleisten;

- die tatsächliche Umsetzung von Ergebnissen des sozialen Dialogs zu fördern und zu kontrollieren;

- die Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens durch die Erstellung nationaler Qualifikationsrahmen anzukurbeln;

- Erwerb und Anerkennung der für Weiterbildungsmaßnahmen und den Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen in der allgemeinen, beruflichen, höheren und Erwachsenenbildung durchgehend zu gewährleisten und dabei auch die außerschulische Bildung und informelles Lernen einzubeziehen;

- Partnerschaften zwischen der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Arbeitswelt u.a. durch Einbeziehung der Sozialpartner in die planerische Gestaltung des Bildungsangebots zu entwickeln.

Leitinitiative: „Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut“ Ziel dieser Initiative ist die Gewährleistung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts. Aufbauend auf dem derzeitigen Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sollen das Bewusstsein um die Grundrechte der Menschen, die unter Armut und Ausgrenzung leiden, geschärft und ihre Anerkennung gefördert werden, damit sie in Würde leben und aktiv an der Gesellschaft teilhaben können. Auf EU-Ebene übernimmt die Kommission folgende Aufgaben: die offene Koordinierung im Bereich der gesellschaftlichen Integration und des sozialen Schutzes zu einer Plattform für Kooperation, gegenseitige Kontrolle und den Austausch bewährter Verfahren sowie zu einem Instrument zur Förderung des Engagements öffentlicher wie privater Träger im Kampf gegen gesellschaftliche Ausgrenzung zu machen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, wozu auch eine gezielte Unterstützung durch die Strukturfonds, insbesondere den ESF, zählt; Programme zu konzipieren und durchzuführen, mit denen soziale Innovationen für die Schwächsten der Gesellschaft gefördert werden sollen, u. a. durch eine innovative allgemeine und berufliche Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Gruppen, gegen Diskriminierung (z.B. Behinderter) vorzugehen und eine neue Agenda für die Integration von Migranten zu erarbeiten, damit diese ihr Potenzial voll nutzen können; Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Systeme der sozialen Sicherung und der Altersvorsorge zu prüfen und Möglichkeiten eines besseren Zugangs zur Gesundheitsversorgung zu erkunden. Die Mitgliedstaaten wiederum sind aufgefordert, die kollektive und die individuelle Verantwortung Aller für den Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung zu fördern; Maßnahmen zu konzipieren und durchzuführen, die den besonderen Umständen bestimmter, besonders gefährdeter gesellschaftlicher Gruppen (wie Alleinerziehende, ältere Frauen, Minderheiten, Roma, Behinderte, Obdachlose) gerecht werden; ihre Systeme der sozialen Sicherung und der Altersvorsorge so auszubauen, dass eine angemessene Einkommensstützung und der Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährleistet sind. |

- 3. FEHLENDE SCHNITTSTELLEN UND HINDERNISSE

Alle politischen, gesetzgeberischen und finanziellen Instrumente der EU sollten für die Ziele der Strategie mobilisiert werden. Die Kommission möchte die wichtigsten politischen Kompetenzen und Instrumente wie den Binnenmarkt, die Haushaltspolitik und die außenwirtschaftliche Agenda der EU stärken und auf die Verwirklichung der Ziele von Europa 2020 ausrichten. Praktische Vorschläge zu ihrer vollständigen Einbeziehung in die Strategie sind integraler Bestandteil von Europa 2020.

3.1. Ein Binnenmarkt für das 21. Jahrhundert

Ein stärkerer, vertiefter und erweiterter Binnenmarkt ist für Wachstum und Beschäftigung von fundamentaler Bedeutung. Derzeit deuten jedoch alle Anzeichen auf eine Integrationsmüdigkeit und nachlassende Binnenmarkteuphorie hin. Durch die Krise kommt die Versuchung hinzu, in wirtschaftlichen Nationalismus zurückzufallen. Die Wachsamkeit der Kommission und das Bewusstsein der Mitgliedstaaten um die gemeinsame Verantwortung haben jedoch ein Auseinanderdriften verhindert. Dringend von Nöten ist allerdings ein neuer Schwung – eine eindeutige politische Willensbekundung – zur Erneuerung des Binnenmarktes, durch rasche Verwirklichung der nachstehend aufgeführten Initiativen. Lücken im Binnenmarkt sollten durch einen Maßnahmenmix geschlossen werden.

Täglich werden Unternehmen und Bürger damit konfrontiert, dass für eine Tätigkeit über Staatsgrenzen hinweg immer noch Hindernisse bestehen, obwohl sie sich von Rechts wegen in einem Binnenmarkt bewegen. Sie stellen fest, dass Netze nicht ausreichend miteinander verbunden sind, Binnenmarktregeln nicht gleichmäßig flächendeckend durchgesetzt werden, oder sie für ein- und denselben Vorgang oft immer noch mit 27 unterschiedlichen Rechtsordnungen umgehen müssen. Während sie weiterhin tagtäglich mit der Realität fragmentierter Märkte und unterschiedlicher Regelungen konfrontiert werden, können ihre Wettbewerber aus China, den USA oder Japan die Vorteile ihrer großen Heimatmärkte uneingeschränkt nutzen.

Der Binnenmarkt wurde erdacht, bevor es das Internet gab, bevor Informations- und Kommunikationstechnologien zu einem der wichtigsten Wachstumsmotoren wurden, und bevor Dienstleistungen zum dominierenden Faktor der europäischen Wirtschaft aufstiegen. Das Aufkommen neuer Dienstleistungen (Inhalts- und Medienbranche, Gesundheitswesen, intelligente Energieverbrauchsmessung) lässt ein großes Potenzial erkennen, das Europa aber nur dann wird nutzen können, wenn es die Fragmentierung überwindet, die den freien Fluss von Online-Inhalten und den Zugang für Verbraucher und Unternehmen derzeit blockiert.

Um den Binnenmarkt im Sinne der Ziele für Europa 2020 nutzen zu können, bedarf es gut funktionierender und miteinander verbundener Märkte, auf denen der Wettbewerb sowie der Marktzugang der Verbraucher Wachstum und Innovation stimulieren. Auf der Grundlage der Dienstleistungsrichtlinie muss ein offener Dienstleistungs-Binnenmarkt geschaffen werden. Gleichzeitig ist die Qualität dieser Leistungen für den Verbraucher sicherzustellen. Durch die vollständige Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie könnten der Handel mit privaten Dienstleistungen um 45% und ausländische Direktinvestitionen um 25% gesteigert werden, was eine Zunahme des BIP um zwischen 0,5% und 1,5% zur Folge hätte.

Der Zugang der KMU zum Binnenmarkt muss verbessert werden. Die unternehmerische Tätigkeit muss durch konkrete politische Initiativen wie eine Vereinfachung des Unternehmensrechts (Insolvenzverfahren, Gesellschaftsstatut usw.) und Initiativen, die Unternehmern nach einem Scheitern einen Neuanfang ermöglichen, gefördert werden. Die Bürger müssen das Recht haben, in vollem Umfang am Binnenmarkt teilzunehmen. Es muss selbstverständlich werden, dass Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend, insbesondere im Internet, gekauft werden.

Mit ihrer Wettbewerbspolitik wird die Kommission gewährleisten, dass der Binnenmarkt ein offener Markt bleibt, auf dem die Chancengleichheit der Unternehmen gewahrt und gegen nationalen Protektionismus vorgegangen wird. Die Wettbewerbspolitik kann jedoch noch mehr zur Verwirklichung der Ziele von Europa 2020 beitragen. Die Wettbewerbspolitik sorgt beispielsweise durch die Verhinderung des Missbrauchs von Patenten und Rechten am geistigen Eigentum dafür, dass die Märkte das richtige Umfeld für Innovationen bieten. Die Verhinderung missbräuchlicher Verhaltensweisen und wettbewerbswidriger Vereinbarungen zwischen Unternehmen schafft ein Klima, in dem unternehmerische Innovation gedeihen kann. Auch die Beihilfenpolitik kann aktiv und positiv zu den Zielen von Europa 2020 beitragen, indem sie Initiativen zugunsten innovativerer, effizienterer und umweltfreundlicherer Technologien anregt und fördert und den Zugang zu staatlicher Förderung von Investitionen, Wagniskapital und Forschung und Entwicklung erleichtert.

Die Kommission wird folgende Maßnahmen vorschlagen, um Binnenmarkthindernisse zu beseitigen:

- Stärkung der Strukturen zur fristgerechten und korrekten Durchführung von Binnenmarktmaßnahmen einschließlich der Regulierung von Netzen, der Dienstleistungsrichtlinie und der Finanzmarktgesetzgebung und –aufsicht, ihrer wirkungsvollen Durchsetzung und zur raschen Lösung etwaiger Probleme;

- Voranbringen der Agenda für intelligente Regulierung, gegebenenfalls unter vermehrtem Rückgriff auf Verordnungen anstelle von Richtlinien, Beginn einer Evaluierung bestehender Rechtsvorschriften, Fortsetzung der Marktüberwachung, Verringerung der Verwaltungslasten, Beseitigung steuerlicher Hindernisse, Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und insbesondere für KMU sowie die Förderung des Unternehmertums;

- Anpassung des EU- und des innerstaatlichen Rechts an das digitale Zeitalter, um den Austausch von Inhalten zu fördern und für Verbraucher und Unternehmen vertrauenswürdig zu machen. Hierfür ist es erforderlich, die Vorschriften über Haftung, Gewährleistung, Auslieferung und Konfliktlösung zu modernisieren;

- Maßnahmen, um Unternehmen und Verbrauchern Verträge mit Geschäftspartnern in anderen EU-Ländern zu erleichtern und zu verbilligen, u.a. durch harmonisierte Regeln für Verbraucherverträge, EU-weite Modell-Vertragsklauseln und Vorarbeiten für ein fakultatives einheitliches europäisches Vertragsrecht;

- Maßnahmen, um die Durchsetzung von Verträgen für Unternehmen und Verbraucher einfacher und billiger zu machen und die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen und Schriftstücken in anderen EU-Ländern zu gewährleisten.

3.2. In Wachstum investieren: Kohäsionspolitik, Mobilisierung des EU-Haushalts und privaten Kapitals

Der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt bleibt ein zentrales Anliegen der Strategie Europa 2020, damit alle Kraft und sämtliche Kapazitäten für die Strategie mobilisiert und auf ihre Prioritäten ausgerichtet werden können. Die Kohäsionspolitik und die Strukturfonds sind nicht nur per se wichtige Instrumente der Unionspolitik, sondern auch entscheidende Katalysatoren für die Verwirklichung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums in den Mitgliedstaaten und Regionen.

Die Finanzkrise hat die Fähigkeit der Unternehmen und der öffentlichen Hand in Europa zur Finanzierung von Investitionen und Innovationen merklich beeinträchtigt. Entscheidend für die Verwirklichung der Ziele von Europa 2020 sind rechtliche Rahmenbedingungen, die die Funktionsfähigkeit und die Sicherheit der Finanzmärkte gewährleisten. Europa muss sich nach besten Kräften bemühen, seine finanziellen Mittel wirksam einzusetzen, mit der Kombination privater und öffentlicher Mittel neue Wege beschreiten und innovative Instrumente schaffen, um die benötigten Investitionen zu finanzieren. Dazu zählen auch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP). Die Europäische Investitionsbank und der Europäische Investitionsfonds können dazu beitragen, eine Aufwärtsspirale in Gang zu setzen, bei der Innovation und unternehmerische Tätigkeit von der Gründungsphase bis hin zum Börsengang in Partnerschaft mit den vielen auf nationaler Ebene bereits bestehenden öffentlichen Initiativen und Programmen rentabel finanziert werden können.

Der mehrjährige Finanzrahmen der EU wird diesen langfristigen Wachstumsprioritäten ebenfalls Rechnung tragen müssen. Die Kommission will diese Prioritäten, sobald sie beschlossen sind, im kommenden Jahr bei ihren Vorschlägen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen berücksichtigen. Zu erörtern ist dabei nicht nur die Höhe der Mittel, sondern auch, wie unterschiedliche Finanzierungsinstrumente wie Strukturfonds, Landwirtschaftsfonds, Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, Forschungsrahmenprogramm und Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation auf die Verwirklichung der Ziele von Europa 2020 ausgerichtet werden können, um eine optimale Wirkung und Effizienz sowie einen europäischen Mehrwert zu gewährleisten. Von großer Bedeutung wird es dabei sein, Wege zu finden, wie die Wirksamkeit der EU-Mittel verbessert werden kann – damit sie trotz ihrer geringen Höhe bei sorgfältigem Einsatz eine große Schubkraft entfalten können.

Die Kommission wird Maßnahmen vorschlagen, um innovative Finanzierungsformen im Dienste der Ziele von Europa 2020 zu entwickeln:

- Umfassende Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Verbesserung von Wirksamkeit und Effizienz des bestehenden EU-Budgets durch verstärkte Prioritätensetzung und ein genaueres Ausrichten der EU-Ausgaben auf die Ziele von Europa 2020, um die aktuelle Fragmentierung der Finanzierungsinstrumente zu überwinden (z.B. F&E und Innovation, wichtige Infrastrukturinvestitionen in grenzüberschreitende Energie- und Verkehrsnetze, kohlenstoffarme Technologien). Die anstehende Neufassung der Haushaltsordnung sollte für die Entwicklung innovativer Finanzinstrumente bei gleichzeitiger solider Haushaltsführung genutzt werden;

- Konzeption neuer Finanzierungsinstrumente insbesondere in Zusammenarbeit mit EIB/EIF und der Wirtschaft, die bisher nicht gedeckten Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden. Im Rahmen des anstehenden Forschungs- und Innovationsplans wird die Kommission mit EIB/EIF eine Initiative zur Mobilisierung zusätzlicher privater Mittel für die Innovationsförderung und das Unternehmenswachstum koordinieren;

- Verwirklichung eines effizienten europäischen Wagniskapitalmarkts, der den direkten Zugang von Unternehmen zu den Kapitalmärkten erheblich erleichtern würde, und Prüfung von Anreizen für private Anlagefonds zur Finanzierung von Unternehmensgründungen und innovativen KMU.

3.3. Entfaltung unserer außenpolitischen Instrumente

Das Wachstum der Weltwirtschaft wird den exportorientierten Unternehmen in Europa neue Chancen eröffnen und einen Zugang zu wichtigen Einfuhren zu wettbewerbsfähigen Bedingungen gewährleisten. Alle außenwirtschaftlichen Instrumente müssen genutzt werden, um durch unsere Mitwirkung an weltweit offenen und fairen Märkten das Wachstum in Europa zu beschleunigen. Das gilt für die außenpolitische Komponente unserer diversen innenpolitischen Kompetenzen (wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft, FuE.), aber ganz besonders für die Handelspolitik und die internationale Koordinierung in der Wirtschaftspolitik. Ein offenes Europa innerhalb eines auf Regeln gegründeten internationalen Rahmens ist der beste Weg, die Globalisierung für mehr Wachstum und Beschäftigung zu nutzen. Gleichzeitig muss die EU in der Welt selbstbewusster auftreten und bei der Gestaltung der künftigen Weltwirtschaftsordnung in den G20 eine führende Rolle einnehmen, dabei aber das europäische Interesse durch aktive Entfaltung aller uns zur Verfügung stehenden Instrumente verfolgen.

Ein Teil des Wachstums, das Europa im kommenden Jahrzehnt erzielen muss, wird von den Schwellenländern kommen müssen, deren aufstrebende Mittelschichten Waren und Dienstleistungen einführen, bei denen die Europäische Union über komparative Vorteile verfügt. Als größte Handelsmacht des Globus profitiert die EU von ihrer Weltoffenheit und einer genauen Beobachtung der Entwicklungen in anderen Industrie- oder Schwellenländern, um künftige Trends vorwegnehmen oder sich ihnen anpassen zu können.

Die Verwirklichung eines besseren Marktzugangs für EU-Unternehmen einschließlich KMU und gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen im Verhältnis zu unseren externen Wettbewerbern innerhalb der WTO und auf bilateraler Ebene sollte ein wichtiges Ziel sein. Außerdem sollten wir den Dialog über Regulierungsfragen insbesondere in neuen Bereichen wie Klima und umweltgerechtes Wachstum konzentrieren und bündeln und unseren weltweiten Einfluss durch das Eintreten für Gleichwertigkeit, gegenseitige Anerkennung und Konvergenz in wichtigen Regulierungsfragen neben der Übernahme unserer Regeln und Normen nach Möglichkeit ausweiten.

Die Strategie Europa 2020 ist nicht nur innerhalb der EU relevant. Sie kann auch Beitrittskandidaten und unseren Nachbarn beträchtliches Potenzial eröffnen und ihnen bei ihren eigenen Reformbemühungen behilflich sein. Die Ausweitung des Geltungsraums von EU-Regeln wird ihnen und der EU neue Chancen bieten.

Darüber hinaus wird es in den kommenden Jahren darauf ankommen, mit Schwellenländern strategische Beziehungen einzugehen, um gemeinsame Angelegenheiten zu erörtern, ein gemeinsames Herangehen an Regulierungs- und andere Fragen zu fördern und bilaterale Meinungsverschiedenheiten zu lösen. Für diese Beziehungen wären flexible, eher politische als technische Strukturen ins Auge zu fassen.

2010 wird die Kommission eine Handelsstrategie für Europa 2020 u. a mit folgenden Komponenten ausarbeiten:

- Nachdrücklicher Einsatz für den Abschluss der laufenden multi- und bilateralen Handelsgespräche, insbesondere jener mit dem größten Wirtschaftspotenzial, sowie für die konsequentere Durchsetzung bestehender Verträge, mit besonderem Augenmerk auf nicht-tarifäre Handelshemmnisse;

- Initiativen zur Öffnung des Handels in zukunftsträchtigen Bereichen wie „grünen" Produkten und Technologien sowie „Hightech“-Produkten und –Dienstleistungen, und zur internationalen Normung insbesondere in Wachstumssektoren;

- Vorschläge für strategische Dialoge auf hoher Ebene mit wichtigen Partnern zur Behandlung strategischer Fragen vom Marktzugang über den Regulierungsrahmen, globale Ungleichgewichte, Energie und Klimawandel, Rohstoffzugang und globale Armut bis hin zu Bildung und Entwicklung. Stärkung des Transatlantischen Wirtschaftsrats mit den USA und des Wirtschaftsdialogs mit China auf hoher Ebene sowie die Vertiefung der Beziehungen zu Japan und Russland;

- ab 2011 einen jährlichen Bericht für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates über Handels- und Investitionshemmnisse, in dem Wege zur Verbesserung des Marktzugangs und der rechtlichen Rahmenbedingungen für EU-Unternehmen erörtert werden.

Die EU ist ein weltweiter Akteur und nimmt ihre internationale Verantwortung sehr ernst. Sie ist eine wirkliche Partnerschaft mit den Entwicklungsländern eingegangen, um die Armut zu bekämpfen, das Wachstum zu fördern und die Millennium-Entwicklungsziele zu verwirklichen. Wir pflegen besonders enge Beziehungen zu Afrika. Die Weiterentwicklung dieser engen Partnerschaft ist eine notwendige Investition in die Zukunft. Diese Politik wird sich in die umfassenderen Bemühungen eingliedern, die Wirksamkeit unserer Hilfsprogramme durch eine effiziente Arbeitsteilung mit den Mitgliedstaaten und eine bessere Verankerung der Entwicklungsziele in anderen Bereichen der Unionspolitik zu verbessern.

4. Überwindung der Krise: erste Schritte auf die Ziele von 2020

Politische Instrumente wurden entschlossen und massiv zum Kampf gegen die Krise eingesetzt. Die Fiskalpolitik wurde nach Möglichkeit expansiv und antizyklisch betrieben. Die Zinsen wurden auf einen historischen Tiefstand herabgesetzt, und dem Finanzsektor wurde in nie dagewesenem Ausmaß Liquidität zur Verfügung gestellt. Die Staaten haben einzelne Banken entweder mit Bürgschaften oder Rekapitalisierungen oder durch die „Bereinigung“ der Bilanzen von wertgeminderten Aktiva massiv unterstützt. Andere Branchen wurden auf der Grundlage des befristeten Ausnahme-Beihilferahmens gestützt. Alle diese Maßnahmen waren gerechtfertigt und sind es noch. Sie können jedoch nicht von Dauer sein. Hohe Schulden der öffentlichen Hand können nicht auf unbeschränkte Zeit durchgehalten werden. Die Verwirklichung der Ziele von Europa 2020 muss auf einer glaubwürdigen Ausstiegsstrategie gründen, sowohl auf der Ebene der Haushalts- und der Geldpolitik als auch auf der Ebene der direkten staatlichen Unterstützung für einzelne Wirtschaftszweige und insbesondere den Finanzsektor. Die zeitliche Staffelung der verschiedenen Ausstiegsszenarien ist von großer Bedeutung. Eine vertiefte Abstimmung der Wirtschaftspolitik insbesondere innerhalb des Euroraums sollte eine erfolgreiche Überwindung der Krise gewährleisten.

4.1. Definition einer glaubwürdigen Ausstiegsstrategie

Angesichts der anhaltenden Ungewissheit über die künftige wirtschaftliche Entwicklung und der immer noch fragilen Lage des Finanzsektors sollten Stützungsmaßnahmen erst auslaufen, wenn sich die wirtschaftliche Erholung selbst trägt und die Stabilität des Finanzsektors wiederhergestellt ist[4]. Das Zurückfahren vorübergehender Maßnahmen gegen die Krise sollte in koordinierter Form vonstatten gehen und mögliche negative Wechselwirkungen zwischen den Mitgliedstaaten und das Zusammenwirken verschiedener politischer Instrumente berücksichtigen. Auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen sollte wieder Disziplin einkehren. Ein erster Schritt ist das Auslaufen des befristeten Beihilferahmens. Diese Koordinierung müsste auf folgenden Grundsätzen fußen:

- Die Rücknahme der Konjunkturmaßnahmen sollte einsetzen, sobald die Konjunktur auf festen Grundlagen steht. Die Zeitplanung muss jedoch von Land zu Land gegebenenfalls unterschiedlich gehandhabt werden, weswegen eine sehr enge Abstimmung auf europäischer Ebene unverzichtbar ist.

- Kurzfristige Beschäftigungshilfen sollten erst auslaufen, wenn die konjunkturelle Wende als gesichert betrachtet werden kann und damit zu rechnen ist, dass die Beschäftigung – mit der üblichen Verzögerung – wieder anzieht.

- Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter Branchen sollten frühzeitig auslaufen, da sie mit hohen Kosten für die öffentlichen Haushalte verbunden sind, ihre Ziele im großen und ganzen erreicht haben und drohen, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verzerren.

- Maßnahmen, die den Zugang von Unternehmen zu Finanzierungsmöglichkeiten erleichtern, sollten fortgesetzt werden, bis deutliche Anzeichen für eine weitgehende Wiederherstellung der normalen Bedingungen erkennbar sind.

- Das Auslaufen der Unterstützung für den Finanzsektor, beginnend mit dem Ende der öffentlichen Garantien, wird von der wirtschaftlichen Entwicklung im Allgemeinen und von der Stabilität des Finanzsystems im Besonderen abhängen.

4.2. Die Reform des Finanzsystems

Kurzfristig wird es wesentlich darauf ankommen, einen soliden, stabilen und gesunden Finanzsektor wiederherzustellen, der in der Lage ist, die Realwirtschaft zu finanzieren. Dazu müssen die Beschlüsse der G20 vollständig und fristgerecht umgesetzt werden. Insbesondere müssen folgende fünf Ziele verwirklicht werden:

- Durchführung der vereinbarten Reformen im Bereich der Finanzaufsicht;

- Schließung der Regulierungslücken, Förderung der Transparenz, Stabilität und Rechenschaftspflicht insbesondere im Hinblick auf Derivate und die Marktinfrastruktur;

- Vollendung der Konsolidierung unserer Regeln über Aufsicht, Rechnungslegung und Verbraucherschutz mit einem einheitlichen europäischen Regelwerk, das sämtliche Akteure und Märkte des Finanzsektors angemessen abdeckt;

- Stärkung der Führung von Finanzinstitutionen, um die in der Finanzkrise aufgedeckten Schwächen bei der Identifizierung von Risiken und im Management zu beheben;

- Einleitung einer ambitionierten Politik, um etwaige Finanzkrisen künftig besser zu verhindern oder gegebenenfalls zu bewältigen, und die – in Anbetracht der Verantwortung des Finanzsektors in der gegenwärtigen Krise – auch einen angemessenen Beitrag des Finanzsektors prüft.

4.3. Intelligente Konsolidierung der öffentlichen Haushalte mit dem Ziel langfristigen Wachstums

Um die Bedingungen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung wiederherzustellen, bedarf es gesunder öffentlicher Finanzen und folglich einer umfassenden Ausstiegsstrategie. Dazu zählen ein schrittweises Auslaufen der kurzfristigen krisenbedingten Stützungsmaßnahmen und die Durchführung mittel- bis längerfristiger Reformen zur Förderung der Nachhaltigkeit öffentlicher Haushalte und zur Stärkung des Wachstumspotenzials.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet den richtigen Rahmen für die Durchführung fiskalpolitischer Ausstiegsstrategien. Die Mitgliedstaaten sind in Begriff, derartige Strategien in ihren Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen zu konzipieren. In den meisten Ländern dürfte der fiskalpolitische Konsolidierungskurs normalerweise 2011 einsetzen. In der Regel sollten die Haushaltsdefizite bis 2013 wieder unter die Grenze von 3 % des BIP gebracht sein. In einigen Ländern muss die Konsolidierungsphase möglicherweise schon vor 2011 beginnen. In diesen Fällen kann es notwendig sein, dass die Rückführung der befristeten, krisenbedingten Stützungsmaßnahmen und die Haushaltskonsolidierung gleichzeitig vonstatten gehen.

Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Stützung des Wachstumspotenzials der EU und der Tragfähigkeit unserer Sozialmodelle bedingt, dass wir Prioritäten setzen und harte Entscheidungen treffen: Eine Koordinierung auf EU-Ebene kann den Mitgliedstaaten dabei helfen und den Umgang mit möglichen Wechselwirkungen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern. Wichtig sind aber auch Zusammensetzung und Qualität der Staatsausgaben: Programme zur Haushaltskonsolidierung sollten wachstumsfördernden Maßnahmen in den Bereichen Bildung, FuE und Innovation sowie Investitionen in Netzinfrastrukturen wie Hochgeschwindigkeitsverbindungen im Internet sowie der Verbindung von Energie- und Verkehrsnetzen, d. h. den Kernbereichen der Strategie Europa 2020, den Vorzug geben.

Großes Augenmerk muss in der Haushaltspolitik auch der Einnahmenseite zukommen, insbesondere der Qualität der Einnahmen/des Steuersystems. Gegebenenfalls erforderliche Steuererhöhungen sollten nach Möglichkeit mit einer „wachstumsfreundlicheren“ Gestaltung des Steuersystems verbunden werden. Eine Anhebung der Lohnnebenkosten, wie sie in der Vergangenheit auf Kosten zahlreicher Arbeitsplätze vorgenommen wurde, sollte vermieden werden. Die Mitgliedstaaten sollten vielmehr bestrebt sein, im Zuge einer umweltfreundlicheren Ausrichtung ihres Steuersystems anstelle des Faktors Arbeit stärker den Energieverbrauch und Umweltfolgen zu belasten.

Die haushaltspolitische Konsolidierung und langfristige Stabilisierung der öffentlichen Finanzen muss mit weitreichenden Strukturreformen insbesondere auf den Gebieten der Altersversorgung, des Gesundheitswesens, des sozialen Schutzes und der Bildungssysteme einhergehen. Die Staatsorgane sollten diese Situation als Chance betrachten, ihre Effizienz und Leistungsqualität zu verbessern. Die Politik zur Vergabe öffentlicher Aufträge muss gewährleisten, dass die öffentlichen Mittel effizient genutzt werden und die Beschaffungsmärkte EU-weit offen bleiben.

4.4. Koordinierung innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion

Die Währungsunion hat sich für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, als wertvoller Schutzschild gegen Wechselkursturbulenzen erwiesen. Die Krise hat jedoch auch das Ausmaß der wirtschaftlichen Verflechtung innerhalb des Euroraums insbesondere im finanziellen Bereich deutlich gemacht. Spillover-Effekte sind wahrscheinlicher geworden. Divergierende Konjunkturentwicklungen führen in einigen Fällen zu einer Anhäufung öffentlicher Schulden in einer untragbaren Höhe, was wiederum die gemeinsame Währung belastet. Die Krise hat somit einige der Herausforderungen, denen sich der Euro-Raum gegenübersieht, wie die fehlende Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen und des potenziellen Wachstums, aber auch die destabilisierende Wirkung von Ungleichgewichten und Unterschieden in der Wettbewerbsfähigkeit, verschärft.

Eine Bewältigung dieser Herausforderungen für den Euro-Raum ist unabdingbar und dringend geboten, um die Stabilität zu wahren und nachhaltiges, Beschäftigung erzeugendes Wachstum zu schaffen. Hierzu ist eine stärkere und engere politische Koordinierung notwendig, die folgendes einschließt:

- einen Rahmen für eine weiterreichende und umfassendere Überwachung der Euro-Länder: neben der Stärkung der Haushaltsdisziplin sollten makroökonomische Ungleichgewichte und die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit integraler Bestandteil der wirtschaftlichen Überwachung sein, u.a. um eine Anpassungspolitik zu erleichtern;

- einen Rahmen für den Umgang mit unmittelbaren Gefahren für die finanzielle Stabilität des Euro-Raums als Ganzen;

- eine angemessene Vertretung des Euro-Raums nach außen, um weltweite wirtschaftliche und finanzielle Herausforderungen kraftvoll anzugehen.

Die Kommission wird Vorschläge unterbreiten, mit denen diese Vorstellungen in die Praxis umgesetzt werden sollen.

5. KONKRETE ERGEBNISSE: STÄRKUNG DER POLITISCHEN ARCHITEKTUR

Damit die Strategie Europa 2020 transformative Veränderungen bewirken kann, muss sie stärker ausgerichtet werden, klare Ziele vorantreiben und auf transparente Kriterien zur Bewertung der Fortschritte setzen. Hierzu bedarf es eines soliden Steuerungsrahmens, in dem die zur zeitnahen und wirksamen Realisierung der Ziele zur Verfügung stehenden Instrumente eingesetzt werden können.

5.1. Vorgeschlagene Architektur für Europa 2020

Das Fundament der Strategie sollen ein thematischer Ansatz und eine zielgerichtetere Überwachung der einzelnen Länder bilden; hierbei wird auf bereits vorhandene wirksame Koordinierungsinstrumente zurückgegriffen. Im Einzelnen stellen sich die beiden Elemente wie folgt dar:

- Ein thematischer Ansatz stellt auf die in Abschnitt 2 ermittelten Themen ab, insbesondere auf die fünf Kernziele. Hauptinstrument ist das Programm Europa 2020 mit seinen Leitinitiativen, die sowohl auf EU- als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene Maßnahmen erfordern (s. Abschnitt 2 und Anhänge 1 und 2). Der thematische Ansatz spiegelt die EU-Dimension wider, verdeutlicht die enge Verflechtung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten und ermöglicht eine größere Selektivität bei konkreten Initiativen, mit denen die Strategie und die Verwirklichung der Kernziele auf EU- und auf mitgliedstaatlicher Ebene vorangebracht werden sollen.

- Das System der Länderberichte leistet einen Beitrag zur Realisierung der Ziele von Europa 2020, indem die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Umsetzung von Ausstiegsstrategien, der Wiederherstellung der makroökonomischen Stabilität, der Ermittlung von Engpässen, der Rückführung ihrer Volkswirtschaften zu nachhaltigem Wachstum und der Konsolidierung ihrer Haushalte unterstützt werden. Das System zielt nicht nur auf die Fiskalpolitik ab, sondern auch auf makroökonomische Schlüsselthemen im Zusammenhang mit Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit (d. h. makroökonomische Ungleichgewichte). Hierbei ist sicherzustellen, dass ein integrierter Ansatz zur Gestaltung und Umsetzung der Politik verfolgt wird; dies ist zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Entscheidungen, die sie in einer angespannten Finanzlage treffen müssen, unabdingbar. Besonderes Augenmerk gilt der Funktionsfähigkeit des Euroraums und der engen Verzahnung der Mitgliedstaaten.

Zu diesem Zweck erfolgen die Berichterstattung und Bewertung im Rahmen von Europa 2020 und des Stabilitäts- und Wachstumspakts gleichzeitig, um die Mittel und Ziele zusammenzubringen. Es handelt sich allerdings um zwei getrennte Instrumente und Verfahren, so dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt unberührt bleibt. Dieses Vorgehen hat zur Folge, dass die jährlichen Stabilitäts-/Konvergenzprogramme und die gestrafften Reformprogramme, die alle Mitgliedstaaten erarbeiten müssen, um die Maßnahmen zur Berichterstattung über Fortschritte im Hinblick auf ihre Ziele und die wichtigsten Strukturreformen zur Überwindung der Wachstumshürden festzulegen, gleichzeitig vorgeschlagen werden. Die beiden Programme enthalten die notwendigen Querverweise und sind der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten im letzten Quartal des Jahres vorzulegen. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) berichtet regelmäßig über makrofinanzielle Risiken; diese Berichte tragen maßgeblich zur Gesamtbewertung bei. Die Kommission bewertet die Programme und berichtet über die bei der Umsetzung erzielten Fortschritte. Den Herausforderungen der Wirtschafts- und Währungsunion kommt besondere Aufmerksamkeit zu.

Dem Europäischen Rat liegen damit alle für seine Entscheidungsfindung notwendigen Informationen vor – er erhält eine Analyse der Wirtschaftsentwicklung und der Beschäftigungslage, eine Gesamtübersicht über den Haushalt sowie eine Analyse der makrofinanziellen Bedingungen und der Fortschritte bei den thematischen Agenden sämtlicher Mitgliedstaaten und kann darüber hinaus den allgemeinen Zustand der EU-Wirtschaft prüfen.

Integrierte Leitlinien

Die Strategie Europa 2020 wird institutionell in einer Reihe von neuen integrierten Leitlinien (zur Integration der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und der beschäftigungspolitischen Leitlinien) verankert, mit der die 24 geltenden Leitlinien ersetzt werden. In den neuen Leitlinien wird den Beschlüssen des Europäischen Rates und den vereinbarten Zielsetzungen Rechnung getragen. Nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu den beschäftigungspolitischen Leitlinien, wie im Vertrag vorgesehen, werden die Leitlinien vor der Annahme durch den Europäischen Rat auf seiner Junitagung politisch durch den Rat bestätigt. Nach der Annahme bleiben die Leitlinien bis 2014 weitgehend unverändert bestehen, damit das Hauptaugenmerk auf die Umsetzung gerichtet werden kann.

Politische Empfehlungen

Die an die Mitgliedstaaten gerichteten politischen Empfehlungen basieren sowohl auf den Länderberichten als auch auf dem thematischen Ansatz für Europa 2020. Die Empfehlungen im Zusammenhang mit den Länderberichten erfolgen in Form von Stellungnahmen zu den Stabilitäts-/Konvergenzprogrammen nach der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates und werden durch Empfehlungen im Rahmen der Grundzüge der Wirtschaftspolitik (Artikel 121 Absatz 2) ergänzt. Die Empfehlungen im Zusammenhang mit dem thematischen Element umfassen beschäftigungspolitische (Artikel 148) und länderspezifische Empfehlungen zu ausgewählten anderen Themenbereichen (z. B. Rahmenbedingungen für Unternehmen, Innovation, Funktionieren des Binnenmarkts, Energie/Klimawandel etc.); diese Aspekte können auch in den Empfehlungen der Grundzüge der Wirtschaftspolitik (s. o.) behandelt werden, soweit sie makroökonomische Auswirkungen haben. Auf diese Weise kann außerdem die Kohärenz zwischen dem makroökonomischen/fiskalischen Rahmen und den thematischen Agenden sichergestellt werden.

Die auf der Grundlage der Überwachung der einzelnen Länder ausgesprochenen Empfehlungen betreffen Themen, die wesentliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaften und die öffentlichen Finanzen haben. Die auf der Grundlage des thematischen Ansatzes ausgesprochenen Empfehlungen enthalten hingegen genaue Orientierungshilfen im Hinblick auf mikroökonomische und beschäftigungspolitische Herausforderungen. Die Empfehlungen sind ausreichend präzise formuliert und geben in der Regel einen Zeitrahmen vor, innerhalb dessen ein Mitgliedstaat handeln sollte (z. B. zwei Jahre). Der Mitgliedstaat legt daraufhin fest, mit welcher Maßnahme die Empfehlung umzusetzen ist. Falls ein Mitgliedstaat nach Ablauf des vorgegebenen Zeitraums nicht angemessen auf eine politische Empfehlung des Rates reagiert hat oder eine der Orientierungshilfe zuwider laufende Politik betreibt, kann die Kommission eine Verwarnung aussprechen (Artikel 121 Absatz 4).

5.2. Aufgabenverteilung

Zusammenarbeit ist unabdingbar, um die Ziele zu erreichen. Wachstum und Beschäftigung werden nur dann in unsere eng verflochtenen Volkswirtschaften zurückkehren, wenn alle Mitgliedstaaten – unter Berücksichtigung ihrer besonderen Gegebenheiten – am gleichen Strang ziehen. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung. Der Europäische Rat sollte anhand von Kommissionsvorschlägen und auf der Grundlage eines einzigen Kriteriums, nämlich inwieweit ein eindeutiger Mehrwert durch das Handeln der EU gegeben ist, allgemeine Orientierungshilfen geben. Hier kommt dem Europäischen Parlament eine besonders wichtige Aufgabe zu. Auch die Akteure auf nationaler und regionaler Ebene sowie die Sozialpartner müssen stärker einbezogen werden. In Anhang 3 ist ein Überblick über den politischen Zyklus und den Zeitrahmen für Europa 2020 beigefügt.

Uneingeschränkte Verantwortung des Europäischen Rates

Im Gegensatz zur jetzigen Situation, in der der Europäische Rat das letzte Glied in der Beschlussfassungskette ist, sollte er künftig für die Steuerung der Strategie verantwortlich zeichnen, da er für die Abstimmung der Politik und die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der EU zuständig ist.

Der Europäische Rat beobachtet die Umsetzung des Programms Europa 2020 und kann sich bei künftigen Tagungen auf spezifische Themen (z. B. Forschung und Innovation, Qualifikationen) konzentrieren und Orientierungshilfe sowie notwendige Impulse geben.

Ministerrat

Die einschlägigen Fachräte arbeiten an der Umsetzung des Programms Europa 2020 und der Erreichung der Ziele in den Bereichen, für die sie zuständig sind. Im Rahmen der Leitinitiativen werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihren Informationsaustausch über bewährte Praktiken innerhalb der verschiedenen Fachräte zu intensivieren.

Europäische Kommission

Die Europäische Kommission wird die Situation jährlich anhand einer Reihe von Indikatoren überprüfen, mit denen der Gesamtfortschritt bei der Erreichung des Ziels einer intelligenten, umweltfreundlichen und integrativen Wirtschaft mit einer hohen Beschäftigungs- und Produktivitätsquote sowie weitreichendem sozialen Zusammenhalt gemessen werden kann.

Sie legt einen Jahresbericht über die Ergebnisse der Strategie Europa 2020 vor, konzentriert sich dabei auf die bei den vereinbarten Kernzielen erreichten Fortschritte und bewertet die Länderberichte und die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme. Vor diesem Hintergrund spricht die Kommission politische Empfehlungen oder Verwarnungen aus, präsentiert politische Vorschläge für die Verwirklichung der Ziele der Strategie und legt eine spezifische Bewertung der im Euroraum erreichten Fortschritte vor.

Europäisches Parlament

Das Europäische Parlament spielt bei der Strategie nicht nur als Mitgesetzgeber, sondern auch als treibende Kraft bei der Mobilisierung der Bürger und der nationalen Parlamente eine wichtige Rolle. Das Parlament kann z. B. im Rahmen der nächsten Sitzung mit den nationalen Parlamenten seinen Beitrag zu Europa 2020 erörtern und die Standpunkte an den im Frühjahr tagenden Europäischen Rat berichten.

Nationale, regionale und lokale Verwaltungen

Alle nationalen, regionalen und lokalen Verwaltungen setzen die Partnerschaft in enger Zusammenarbeit mit den Parlamenten, den Sozialpartnern und Vertretern der Zivilgesellschaft um und leisten einen Beitrag zur Erarbeitung der nationalen Reformprogramme und zu deren Umsetzung.

Durch die Einrichtung eines ständigen Dialogs auf verschiedenen Regierungsebenen werden die Prioritäten der Union den Bürgern nähergebracht und die Eigenverantwortung gestärkt, die zur Verwirklichung der Strategie Europa 2020 notwendig ist.

Beteiligte und Zivilgesellschaft

Darüber hinaus werden der Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie der Ausschuss der Regionen enger einbezogen. Der Austausch bewährter Praktiken sowie Leistungsvergleiche und Vernetzung werden von mehreren Mitgliedstaaten gefördert und haben sich als nützliche Instrumente bei der Stärkung der Eigenverantwortung und der Reformdynamik erwiesen.

Der Erfolg der neuen Strategie hängt daher maßgeblich von der Fähigkeit der EU-Organe, der Mitgliedstaaten und der Regionen ab, zu erklären, warum Reformen notwendig und unabdingbar sind, um unseren Lebensstandard beizubehalten und unsere Sozialmodelle zu sichern, wo Europa und die Mitgliedstaaten im Jahr 2020 stehen wollen und welcher Beitrag von den Bürgern, Unternehmen und ihren Vertretern erwartet wird. Der Kommission ist bewusst, dass nationale Gegebenheiten und Traditionen zu berücksichtigen sind und schlägt daher einen gemeinsamen „Werkzeugkasten“ für Kommunikationszwecke vor.

6. Beschlussvorlage für den Europäischen Rat

Die Kommission schlägt vor, dass der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung 2010

- die thematischen Prioritäten der Strategie Europa 2020 vereinbart;

- die fünf in Abschnitt 2 dieses Papiers vorgeschlagenen Kernziele festlegt (FuE-Investitionen, Bildung, Energie/Klimawandel, Beschäftigungsquote und Armutsbekämpfung, Definition der Ziele für Europa 2020) und die Mitgliedstaaten zum Dialog mit der Europäischen Kommission auffordert, um diese Ziele auf EU-Ebene in nationale Ziele umzusetzen. Über die Ziele sollte im Rahmen der Tagung des Europäischen Rats im Juni entschieden werden, wobei die nationalen Gegebenheiten und unterschiedlichen Ausgangspunkte zu berücksichtigen sind.

- die Kommission auffordert, Vorschläge für Leitinitiativen vorzulegen und den Rat (und seine Zusammensetzungen) ersucht, auf dieser Grundlage die notwendigen Beschlüsse zur Umsetzung zu erlassen;

- eine weitere Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung vereinbart, um positive Spillover-Effekte zu bewirken und die Herausforderungen, denen die Union gegenübersteht, besser bewältigen zu können. Zu diesem Zweck sollte der Rat die in dieser Mitteilung vorgeschlagene Kombination aus thematischen und länderspezifischen Bewertungen unter strikter Einhaltung der Integrität des Pakts genehmigen und der Stärkung der WWU besondere Aufmerksamkeit widmen.

- alle Parteien und Beteiligten (z. B. nationale/regionale Parlamente, regionale und/oder kommunale Gebietskörperschaften, Sozialpartner, Zivilgesellschaft und nicht zuletzt die Unionsbürger) auffordert, zur Umsetzung der Strategie beizutragen und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, indem sie Maßnahmen in ihrem Verantwortungsbereich ergreifen;

- die Kommission ersucht, den Fortschritt zu überwachen und jährlich auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rats Bericht zu erstatten, einen Überblick über die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele zu geben, einschließlich internationaler Leistungsvergleiche und dem Stand der Umsetzung der Leitinitiativen.

Zu einem späteren Zeitpunkt soll der Europäische Rat im Rahmen seiner Tagungen

- die vorgeschlagenen integrierten Leitlinien bestätigen, die nach Berücksichtigung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments die institutionelle Grundlage darstellen;

- die nationalen Ziele in einem Verfahren der gegenseitigen Abstimmung validieren, um die Kohärenz sicherzustellen;

- spezifische Themen erörtern, um zu bewerten, wo Europa steht und wie der Fortschritt beschleunigt werden kann. Auf der Tagung im Oktober finden auf der Grundlage eines Beitrags der Kommission erste Gespräche zu Forschung und Innovation statt.

ANHANG 1 - EUROPA 2020: EIN ÜBERBLICK |

KERNZIELE |

Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20-64-jährigen von derzeit 69 % auf mindestens 75 %. Investitionen in Höhe von 3 % des BIP in FuE, insbesondere durch verbesserte Bedingungen für FuE-Investitionen des Privatsektors, sowie Entwicklung eines neuen Indikators zur Erfassung von Innovation. Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % gegenüber 1990 bzw. um 30 %, wenn die Bedingungen dies zulassen, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an unserem Energieendverbrauch auf 20 % sowie Steigerung der Energieeffizienz um 20 %. Verringerung der Schulabbrecherquote von derzeit 15 % auf 10 % sowie Erhöhung des Anteils der 30-34-jährigen mit Hochschulabschluss von 31 % auf mindestens 40 %. Verringerung der Zahl der unter den nationalen Armutsgrenzen lebenden Europäer um 25 %, wodurch 20 Millionen Menschen aus der Armut befreit würden. |

INTELLIGENTES WACHSTUM | NACHHALTIGES WACHSTUM | INTEGRATIVES WACHSTUM |

INNOVATION EU-Leitinitiative „Innovationsunion” zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Verfügbarkeit finanzieller Mittel für Forschung und Innovation, um die Innovationskette zu stärken und die Investitionen in der Union zu erhöhen. | KLIMA, ENERGIE UND MOBILITÄT EU-Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa” zur Abkopplung des Wirtschaftswachstums von der Ressourcennutzung durch den Einsatz kohlenstoffarmer Technologien, die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien, die Modernisierung unseres Verkehrswesens und die Förderung von Energieeffizienz. | BESCHÄFTIGUNG UND QUALIFIKATIONEN EU-Leitinitiative „Neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten” zur Modernisierung der Arbeitsmärkte, indem die Mobilität der Erwerbstätigen und der lebenslange Erwerb von Qualifikationen erleichtert werden, um die Beschäftigungsquote zu erhöhen und Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt besser aufeinander abzustimmen. |

BILDUNG EU-Leitinitiative „Jugend in Bewegung”, um unsere Bildungssysteme leistungsfähiger und das europäische Hochschulwesen attraktiver für Studenten aus aller Welt zu machen. |

WETTBEWERBSFÄHIGKEIT EU-Leitinitiative „Eine Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung” zur Verbesserung des Geschäftsumfelds, insbesondere für KMU, und zur Förderung einer starken und tragfähigen Industriestruktur, die international wettbewerbsfähig ist. | BEKÄMPFUNG DER ARMUT EU-Leitinitiative „Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut” zur Gewährleistung des sozialen und territorialen Zusammenhalts, damit die Vorteile von Wachstum und Beschäftigung allen zugute kommen, und Menschen, die unter Armut und sozialer Ausgrenzung leiden, in Würde leben und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen können. |

DIGITALE GESELLSCHAFT EU-Leitinitiative „Eine digitale Agenda für Europa”, um die Verbreitung des Hochgeschwindigkeits-Internet zu beschleunigen und die Vorteile eines digitalen Binnenmarktes für Haushalte und Unternehmen zu nutzen. |

ANHANG 2 – EINE ARCHITEKTUR FÜR EUROPA 2020

Institutionelle Gesamtstruktur | Integrierte Leitlinien zur Festlegung der politischen Prioritäten der EU mit Kernzielen für die EU bis 2020, die in nationale Ziele umzusetzen sind |

Ergebnis | Länderberichte: | Thematischer Ansatz: |

Ziel: Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Umsetzung ihrer Strategien zur Wiederherstellung der volkswirtschaftlichen Stabilität, zur Feststellung nationaler Engpässe und zur Rückkehr ihrer Wirtschaft zu nachhaltigem Wachstum und tragfähigen öffentlichen Finanzen. | Ziel: Verwirklichung der auf EU-Ebene vereinbarten Kernziele durch Abstimmung konkreter Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene. |

Methode: Stärkere Beachtung der wichtigsten volkswirtschaftlichen Herausforderungen für die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten und Politikbereiche. | Methode: Strategische Rolle der fachspezifischen Ratsformationen zur Überwachung und Überprüfung der Fortschritte in Bezug auf die vereinbarten Ziele. |

Mittel: Berichte der Mitgliedstaaten mithilfe ihrer Stabilitäts- und Konvergenzprogramme, gefolgt von separaten, aber abgestimmten Empfehlungen zur Finanzpolitik in den Stellungnahmen zum Stabilitäts- und Konvergenzprogramm sowie zu den volkswirtschaftlichen Unausgewogenheiten und Wachstumsengpässen entsprechend den Grundzügen der Wirtschaftspolitik (Art. 121.2). | Mittel: Berichte der Mitgliedstaaten mithilfe schlankerer nationaler Reformprogramme mit Informationen über Wachstumsengpässe und Fortschritte in Bezug auf die Ziele, gefolgt von politischer Beratung auf EU-Ebene in Form von Empfehlungen entsprechend den Grundzügen der Wirtschaftspolitik (Art. 121.2) und den Beschäftigungspolitischen Leitlinien (Art. 148). |

ANHANG 3 – ZEITLEISTE FÜR 2010 – 2012

2010 |

Europäische Kommission Vorschläge für das Gesamtkonzept EUROPA 2020 |

Frühjahrstagung des Europäischen Rates Einigung über das Gesamtkonzept und Auswahl der EU-Kernziele |

Europäische Kommission Vorschläge für die integrierten Leitlinien zu EUROPA 2020 |

Europäisches Parlament Strategiedebatte und Stellungnahme zu den integrierten Leitlinien |

Ministerrat Justierung der wichtigsten Parameter (EU-/nationale Ziele, Leitinitiativen und integrierte Leitlinien) |

Junitagung des Europäischen Rates Annahme der Strategie „EUROPA 2020”, Validierung der EU- und nationalen Ziele sowie Bekräftigung der integrierten Leitlinien |

Europäische Kommission Verfahrensleitlinien für die nächsten Schritte auf dem Weg zu EUROPA 2020 |

Herbsttagung des Europäischen Rates Vertiefte Erörterung eines ausgewählten Themas (z. B. FuE und Innovation) |

Mitgliedstaaten Stabilitäts- und Konvergenzprogramme sowie Nationale Reformprogramme |

2011 |

Europäische Kommission Jahresbericht zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates, Stellungnahmen zu Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen sowie Vorschläge für Empfehlungen |

Ministerrat Prüfung der Vorschläge der Kommission für Empfehlungen, ECOFIN für SWP |

Europäisches Parlament Plenardebatte und Annahme einer Entschließung |

Frühjahrstagung des Europäischen Rates Fortschrittsbewertung und strategische Leitlinien |

Mitgliedstaaten, Europäische Kommission, Rat Folgemaßnahmen zu Empfehlungen, Umsetzung von Reformen sowie Berichterstattung |

2012 |

Gleiches Verfahren unter besonderer Berücksichtigung der Fortschrittsüberwachung |

[1] Diese Punkte fanden in der von der Kommission durchgeführten Konsultation der Öffentlichkeit breite Zustimmung. Eine ausführliche Beschreibung der Stellungnahmen findet sich unter http://ec.europa.eu/eu2020/index_de.htm.

[2] Der Europäische Rat vom 10./11. Dezember 2009 kam zu dem Ergebnis, dass die EU als Teil einer globalen und umfassenden Vereinbarung für die Zeit nach 2012 ihr bedingtes Angebot bestätigt, bis 2020 eine Reduktion um 30 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu erreichen, sofern sich die anderen Industrieländer zu vergleichbaren Emissionsreduzierungen verpflichten und die Entwicklungsländer einen ihren Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten entsprechenden Beitrag leisten.

[3] Die nationale Armutsgrenze ist definiert als 60 % des nationalen verfügbaren medianen Äquivalenzeinkommens in jedem Mitgliedstaat.

[4] Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 10./11. Dezember 2009.

Jahre

BIP

Wachstumsentwicklung vor der Krise