31.8.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 282/22


BESCHLUSS (EU) 2020/1237 DER KOMMISSION

vom 25. August 2020

zur Ermächtigung des Vereinigten Königreichs, bestimmte der in Artikel 3 und Artikel 11 der Verordnung (EU) 2020/698 des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Zeiträume zu verlängern

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2020) 5757)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2020/698 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf den COVID-19-Ausbruch hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen und der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 11 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 131 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/698 wird die Gültigkeitsdauer von Führerscheinen, die andernfalls zwischen dem 1. Februar 2020 und dem 31. August 2020 abgelaufen wäre oder ablaufen würde, verlängert.

(2)

Nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2020/698 werden die Fristen für den Abschluss der regelmäßigen Überprüfungen durch die Inhaber einer Triebfahrzeugführer-Fahrerlaubnis, die andernfalls zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. August 2020 abgelaufen wären oder ablaufen würden, verlängert.

(3)

Mit Schreiben vom 31. Juli 2020 stellte das Vereinigte Königreich einen begründeten Antrag, den in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung genannten Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis 31. August 2020 um vier Monate und den ebenfalls in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zeitraum von sieben Monaten um vier Monate zu verlängern. In demselben Schreiben stellte das Vereinigte Königreich auch einen begründeten Antrag, den in Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung genannten Zeitraum vom 1. März 2020 bis 31. August 2020 um vier Monate zu verlängern.

(4)

Für die Ausstellung von Führerscheinen, die unter die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (2) fallen, ist nach Angaben des Vereinigten Königreichs in Großbritannien die „Driver and Vehicle Licensing Agency“ (DVLA) zuständig; sie verfügt über die Daten von 49 Mio. Führerscheininhabern und mehr als 40 Mio. registrierten Fahrzeughaltern. Bei der DVLA gehen monatlich im Durchschnitt ca. 1,6 Mio. Postsendungen ein. Während der Pandemie sind die Online-Kanäle der DVLA zwar durchgehend verfügbar, jedoch können bestimmte Vorgänge nur abgeschlossen werden, wenn ein Antrag auf Papier mit entsprechenden Unterlagen eingereicht wird. Dies betrifft unter bestimmten Umständen auch die Erneuerung von Führerscheinen. Jeden Monat erhält die DVLA mehr als 200 000 Papieranträge auf Verlängerung der Gültigkeitsdauer von Führerscheinen oder Fahrerlaubnissen, deren Inhaber 70 Jahre alt oder älter sind. Zu denjenigen, die Anträge auf Papier einreichen, gehören auch Berufskraftfahrer/-innen, die ihre Fahrerlaubnis für Lkw und/oder Busse verlängern lassen müssen, sowie Fahrer/-innen, die einen mit medizinischen Einschränkungen versehenen Führerschein verlängern lassen müssen. Nach Darlegung des Vereinigten Königreichs erfordert dies in der Führerscheinabteilung der DVLA eine erhebliche Anzahl von Angestellten, die die Anträge bearbeiten und neue Führerscheine ausstellen. In Nordirland werden Führerscheine von der „Driver and Vehicle Agency“ (DVA) erneuert, die hinsichtlich ihrer Bearbeitungskapazität ähnlichen Zwängen ausgesetzt ist wie die DVLA.

(5)

Um die COVID-19-Ausbreitung zu verhindern und einzudämmen, wurde die Schließung bestimmter Betriebe und Räumlichkeiten verfügt sowie die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt, und zwar in England und Wales am 26. März (The Health Protection (Coronavirus, Restrictions) (England) Regulations 2020; the Health Protection (Coronavirus Restrictions) (Wales) Regulations 2020), in Schottland am 28. März (the Health Protection (Coronavirus) (Restrictions) (Scotland) Regulations 2020) und in Nordirland am 28. März (The Health Protection (Coronavirus, Restrictions) Regulations (Northern Ireland) 2020).

(6)

Nach Angaben des Vereinigten Königreichs sind bei der DVLA etwa 6 000 Menschen angestellt, die hauptsächlich in einem Gebäude arbeiten, in dem sämtliche Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Ausstellung von Führerscheinen durchgeführt werden. Als die COVID-19-Beschränkungen wirksam wurden, musste die DVLA die Zahl der Mitarbeiter vor Ort von 6 000 auf 800 verringern, wobei zu Beginn der Phase sogar nur 300 Beschäftigte vor Ort anwesend waren. Die DVLA war somit nicht in der Lage, das übliche Bearbeitungsvolumen zu bewältigen. Unter normalen Umständen werden bei der DVLA monatlich rund 140 000 Erneuerungsanträge auf Papier bearbeitet. Die Zahl der bearbeiteten Anträge betrug im April 2020 weniger als 13 000 und lag im Mai 2020 knapp unter 30 000.

(7)

Trotz aller Bemühungen um eine Erhöhung der Kapazitäten wird die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsregeln („social distancing“) auch in Zukunft erheblichen Einfluss auf die Zahl der Beschäftigten haben, die der DVLA für die Antragsbearbeitung zur Verfügung stehen. Nach dem in Wales geltendem Recht, wo die DVLA ihren Sitz hat, sind Organisationen verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass in bestimmten Räumlichkeiten ein Abstand von zwei Metern eingehalten wird. Die Zahl der Mitarbeiter, die in der Führerscheinstelle gleichzeitig anwesend sein dürfen, ist derzeit auf etwa 1 600 begrenzt — 75 % weniger im Vergleich zu der Situation vor COVID-19. Die Zahl der Anträge auf Erneuerung und Ausstellung von Führerscheinen, die die DVLA zu bearbeiten in der Lage ist, ist daher zurzeit deutlich niedriger als 200 000 pro Monat und wird frühestens 2021 wieder ihr normales Niveau erreichen.

(8)

Nach Angaben des Vereinigten Königreichs wird die DVLA zwischen dem 1. September 2020 und dem 31. Dezember 2020 voraussichtlich etwa 1,5 Mio. Anträge auf Erneuerung von Führerscheinen erhalten. Die DVLA geht davon aus, dass davon monatlich rund 200 000 Anträge auf Papier eingehen werden.

(9)

Den Informationen des Vereinigten Königreichs zufolge unternimmt die DVLA weiterhin zusätzliche Maßnahmen, um die Folgen des erheblichen Mangels an Personal gering zu halten. Dennoch reichen diese Maßnahmen nicht aus, um die DVLA in die Lage zu versetzen, wieder ihr bisheriges Bearbeitungsvolumen von monatlich 200 000 Führerscheinanträgen auf Papier zu erreichen. Und dies, obwohl es sich durchaus um weitreichende Maßnahmen handelt, u. a. die Einführung von Schichtarbeit für die Antragsbearbeitung außerhalb der normalen Arbeitszeiten, Personalaufstockungen sowie die Bereitstellung von Unterkünften und die Anmietung zusätzlicher Büroräume, damit unter Einhaltung der Abstandsregeln, die zur Eindämmung der Folgen von COVID-19 verfügt wurden, mehr Führerscheine ausgestellt werden können. Zwar werden diese Maßnahmen dabei helfen, im Jahr 2021 wieder zur Normalkapazität zu gelangen; sie werden aber für die DVLA nicht ausreichend sein, um zwischen September und Dezember 2020 monatlich 200 000 Papier-Führerscheine erneuern zu können.

(10)

Nach Angaben des Vereinigten Königreichs wurden die Büros der DVA (Nordirland) am 27. März 2020 geschlossen und die Bearbeitung von Anträgen auf Papier wurde eingestellt. Das Telearbeit verrichtende Personal war in der Lage, online übermittelte Anträge zu bearbeiten — Anträge auf Papier konnten hingegen nicht bearbeitet werden. Die DVA hat die Zahl der ins Büro kommenden Angestellten schrittweise erhöht — zunächst für die Bearbeitung von Anträgen für systemrelevantes Personal — und für zusätzliche provisorische Unterbringung gesorgt, damit das im Büro tätige Personal die Abstandsregeln einhalten konnte. Ein Teil der Angestellten ist weiterhin in Telearbeit beschäftigt. Trotz allmählicher Lockerungen bereiten die noch bestehenden Beschränkungen denjenigen Schwierigkeiten, die zur Unterstützung ihres Führerscheinantrags ein medizinisches Attest benötigen und hierzu eine Arztpraxis aufsuchen müssen. Wie im Fall der DVLA würde sich eine etwaige Wiedereinführung von Beschränkungen zusätzlich auf die Bearbeitungskapazitäten der DVA auswirken.

(11)

Ein weiterer Faktor, der bei der Rückkehr zur Normalität eine Rolle spielt, besteht nach Angaben des Vereinigten Königreichs darin, dass es vielen Fahrer/-innen unmöglich war, die Erneuerung ihrer Fahrerlaubnis zu beantragen. Im März 2020 wurde bestimmten Personengruppen, einschließlich derer, die als besonders gefährdet durch COVID-19 oder als besonders schutzbedürftig gelten, empfohlen, sich an eine Reihe strengerer Auflagen zu halten und den Kontakt zu anderen zu meiden. In der Folge waren diese Fahrer/-innen nicht in der Lage, für ihren Papierantrag auf Erneuerung des Führerscheins die notwendigen Unterlagen zu beschaffen oder sich der medizinischen Begutachtung zu unterziehen. Obwohl die Maßnahmen im Vereinigten Königreich gelockert werden und die Fahrer/-innen ihre Arbeitstätigkeit wieder aufnehmen können, gelten nach wie vor eine Reihe von Beschränkungen. wodurch es einigen von ihnen unmöglich ist, sämtliche für einen gültigen Erneuerungsantrag notwendigen Unterlagen beizubringen. Außerdem werden die Beschränkungen in den einzelnen Ländern des Vereinigten Königreichs unterschiedlich rasch gelockert, was die Lage zusätzlich erschwert.

(12)

Den Angaben des Vereinigten Königreichs zufolge ziehen es Menschen in der Altersgruppe ab 70 Jahren sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen gegebenenfalls vor, den Kontakt mit anderen möglichst gering zu halten und sich nicht in ein Postamt oder eine Fotokabine zu begeben, um die für einen Papierantrag erforderlichen Unterlagen zu beschaffen. Den Prognosen zufolge werden zwischen September 2020 und 31. Dezember 2020 ca. 650 000 Fahrer/-innen in der Altersgruppe ab 70 Jahren ihren Führerschein erneuern müssen. Dies bedeutet, dass ohne eine weitere Fristverlängerung ein Teil dieser 650 000 Fahrer/-innen ab September 2020 ihre Fahrerlaubnis verlieren könnte.

(13)

Im Hinblick auf die regelmäßigen Überprüfungen von Triebfahrzeugführern gemäß der Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (3) ist das Vereinigte Königreich der Auffassung, dass zumindest bei einigen Triebfahrzeugführern diese Überprüfungen voraussichtlich auch nach dem 31. August 2020 nicht werden stattfinden können.

(14)

Nach Angaben des Vereinigten Königreichs wurden zwischen dem 26. März 2020 und dem 4. Juli 2020 zahlreiche regelmäßige ärztliche Untersuchungen von Triebfahrzeugführern ausgesetzt, da die Regierung strenge Kontrollen zur Eindämmung von COVID-19 eingeführt hatte. Seit Anfang Mai 2020 sind diese Beschränkungen wieder gelockert worden und die regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen wurden seither schrittweise wieder aufgenommen. Das Vereinigte Königreich hat Leitlinien dazu herausgegeben, wie unter Beachtung der laufenden Maßnahmen zur Kontrolle von COVID-19 regelmäßige Überprüfungen durchzuführen sind. Durch die Lockerung der Abstandsregeln konnten zwar einige der regelmäßigen Überprüfungen stattfinden, jedoch hat die Aufschiebung vieler Termine, die zwischen März und Juli 2020 geplant waren, zu einer Anhäufung ärztlicher Untersuchungen geführt, die noch durchgeführt werden müssen.

(15)

Nach den Informationen des Vereinigten Königreichs hat dieser Rückstand bei den (verschobenen) ärztlichen Untersuchungen zur Folge, dass bis Ende Dezember 2020 zusätzlich zu den durchschnittlich 250 ärztlichen Untersuchungen weitere 162 regelmäßige ärztliche Untersuchungen pro Monat durchgeführt werden müssen. Dadurch wird die Arbeitsbelastung der niedergelassenen Ärzte und Klinikärzte, die diese regelmäßigen Untersuchungen vornehmen, weiter zunehmen. Darüber hinaus werden Triebfahrzeugführer weite Strecken auf sich nehmen müssen, um in medizinische Einrichtungen zu gelangen, falls in ihrer Gemeinde spezifische Einschränkungsmaßnahmen verhängt werden sollten.

(16)

Den Angaben des Vereinigten Königreichs zufolge können aufgrund der Abstandsregeln und zusätzlichen Hygienevorschriften im Rahmen der Verfahren zur Überprüfung der gesundheitlichen Tauglichkeit und Befähigung von Triebfahrzeugführern weniger Fälle als sonst üblich behandelt werden. Dadurch wird es schwieriger, den Rückstand an aufgeschobenen regelmäßigen Überprüfungen abzuarbeiten. Auch ist zu erwarten, dass eine bestimmte Anzahl von medizinisch schutzbedürftigen Triebfahrzeugführern auch in Zukunft außerstande sein wird, sich in eine Klinik oder ein Ausbildungszentrum zu begeben, solange COVID-19 weiterhin in der Bevölkerung allgemein verbreitet ist.

(17)

Das Vereinigte Königreich sollte daher ermächtigt werden, den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis 31. August 2020, auf den in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/698 Bezug genommen wird, sowie den in demselben Artikel genannten Zeitraum von sieben Monaten zu verlängern. Das Vereinigte Königreich sollte ebenfalls ermächtigt werden, den in Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2020/698 genannten Zeitraum vom 1. März 2020 bis 31. August 2020 um vier Monate zu verlängern —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Das Vereinigte Königreich wird ermächtigt, die in Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2020/698 genannten Zeiträume wie folgt zu verlängern:

a)

den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis 31. August 2020 nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/698 um vier Monate;

b)

den Zeitraum von sieben Monaten nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/698 um vier Monate;

c)

den Zeitraum vom 1. März 2020 bis 31. August 2020 nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2020/698 um vier Monate.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland gerichtet.

Brüssel, den 25. August 2020

Für die Kommission

Adina-Ioana VĂLEAN

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 165 vom 27.5.2020, S. 10.

(2)  Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 vom 30.12.2006, S. 18).

(3)  Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 51).