Parlamentskorrespondenz Nr. 398 vom 23.05.2007

Das Trauma nach dem Bombenattentat von Oberwart

Stefan Horvath liest aus seinem Buch "Katzenstreu"

Wien (PK) – Das Rohrbombenattentat von Oberwart aus der Sicht des Vaters eines der Opfer war heute Gegenstand einer Buchpräsentation, zu der die Dritte Präsidentin des Nationalrates Eva Glawischnig-Piesczek ins Palais Epstein einlud. Stefan Horvath las aus seinem neuen im Verlag Lex Liszt erschienenen Buch "Katzenstreu", in dem er versucht, sein Trauma um den Tod seines Sohnes und weiterer drei Roma, die bei dem Anschlag im Jahr 1995 ums Leben gekommen sind, zu verarbeiten.

Die Nationalratspräsidentin freute sich, unter den zahlreich erschienenen Gästen viele Vertreter der österreichischen Sinti und Roma begrüßen zu können. Der Volksgruppe, die erst 1993 ihre offizielle Anerkennung erfuhr, gehören in ganz Österreich über 50.000 Menschen an. Gerade diese Minderheit stehe aber immer noch zu sehr in dem Schatten, den die Mehrheit werfe, formulierte Glawischnig-Piesczek. Es sei ihr daher ein besonderes Anliegen gewesen, mit der ersten Lesung, zu der sie als Dritte Präsidentin des Nationalrats ins Hohe Haus einlade, auf den Beitrag der Minderheitengruppen zur Vielfalt in Österreich hinzuweisen. Die Qualität einer Demokratie werde daran gemessen, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht, betonte sie abschließend; daher sei deren Rechten besonderes Augenmerk zu schenken.

Der burgenländische Autor Clemens Berger leitete die Lesung mit einem Text zur Biographie des Autors und einer Inhaltsangabe des Buches ein.

Stefan Horvath wurde am 12. November 1949 in Oberwart geboren und ist Sohn von Überlebenden der NS-Konzentrationslager. Er besuchte in Oberwart die Volksschule und Hauptschule – was damals noch für ein Kind aus der Volksgruppe der Roma eine Ausnahme war. Nach der Absolvierung der Schulpflicht arbeitete er in Wien bei verschiedenen Baufirmen, wo er es zum Polier und Betriebsrat brachte. Seit 1995 arbeitet er in der Reinigungsabteilung des Krankenhauses Oberwart. In der Zeit nach dem Attentat trat er als Sprecher für seine Volksgruppe auf. 

Vor seinem aktuellen Buch hat Horvath bereits 2003 eine Sammlung von Texten unter dem Titel "Ich war nicht in Auschwitz" herausgegeben. Auch das zweite Buch Horvaths ist der Versuch, das Unbegreifliche in Worte zu fassen. Das Buch "Katzenstreu" ist die Verarbeitung der traumatischen Erfahrung des Rohrbombenattentates von Oberwart am 4. Februar 1995. Unter den vier Opfern befand sich auch ein Sohn des Autors.

Stefan Horvath begann seine Lesung mit einem Gedicht, das er für und über seinen ermordeten Sohn geschrieben hatte. Er erzählte von seiner Annäherung an das Geschehen, ein jahrelanger Prozess, in dessen Verlauf sich für ihn oftmals die Grenzen zwischen Wahrheit und Wahnsinn verwischt hätten. Er könne den Mörder seines Sohnes nicht hassen, sagte er. Aber zu lange habe dieser von seinem Denken Besitz ergriffen. Die Arbeit an diesem Buch sei daher für ihn auch ein Befreiungsversuch gewesen. 

Der Titel "Katzenstreu" spielt auf die Rohrbombe an, deren Sockel Franz Fuchs aus einem Katzenklo gefertigt hatte. Die Erzählung besteht aus einer Reihe kurzer Texte, die sich dem Geschehen aus der Perspektive verschiedener Personen annähern. Die Überlegungen des Autors kreisen stets um die Nacht zum 5. Februar, in der er den Knall der Sprengfalle nicht gehört hatte. "Aber jetzt höre ich den Knall regelmäßig. Vor allem, wenn ich tief schlafe. Dann habe ich das Gefühl, dass mir der Knall den Kopf zerreißt". Neben eigenen Erinnerungen und Reflexionen stehen Abschnitte, in denen das Geschehen aus der Sicht des Attentäters erzählt wird, in dessen wirre Gedankenwelt sich Horvath zu versetzen versucht. Die Texte thematisieren überdies die Gleichgültigkeit des typischen österreichischen Stammtisches, die Bereitschaft von Teilen der Öffentlichkeit, mittels rassistischer Stereotypisierungen die Opfer zu Schuldigen zu erklären, und die Hilflosigkeit der Eltern von Franz Fuchs. 

   

Für die musikalische Umrahmung des Abends sorgte die Hans Samer Band.

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at

(Schluss)

Themen