Parlamentskorrespondenz Nr. 301 vom 07.04.2008

Barbara Prammer im Parlament über Rassismus und Integration

Präsentation neuer Bücher zum Thema, 10 Jahre Radio Afrika TV

Wien (PK) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete heute Nachmittag im Parlament eine Veranstaltung mit dem Titel "Rassismus und Integration", in der neue Bücher zum Thema präsentiert und mit Experten über den "Rassismus" als eine Erblast Europas aus der Zeit des Kolonialismus diskutiert wurde. Denn nach wie vor bilden rassistische Vorurteile eine Barriere für die Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und erschweren die Integration von Zuwandern, namentlich aus Afrika. Große Verantwortung bei der Überwindung von Vorurteilen haben die Journalisten, betonte der Gründer und Leiter von "Radio Afrika TV", Alexis Neuberg, bei seiner Präsentation des Senders, der sich seit 10 Jahren dem Dialog zwischen AfrikanerInnen und Mehrheits-ÖsterreicherInnen widmet.

"Der Kampf gegen den Rassismus und die soziale Integration von Minderheiten und Zuwanderern liegen mir sehr am Herzen", sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer in ihren Eröffnungsworten und sah das Parlament als den richtigen Ort für die Auseinandersetzung mit diesen Themen an. Dabei erinnerte Prammer an eine kürzlich im Haus abgehaltene Tagung der Ustinov-Gesellschaft zum Entstehen politischer Feindbilder und über Möglichkeiten ihrer Relativierung und Entschärfung. "Man muss die Menschen zusammenführen, damit sie einander kennenlernen und im Gespräch erkennen können, wie gering ihre Differenzen eigentlich sind", fasste Präsidentin Prammer das Ergebnis dieser Tagung kurz zusammen.     

Die vielen Gesichter des Rassismus

Der Afrikanist Walter Schicho (Universität Wien) präsentierte seinen gemeinsam mit Bea Gomes und Arno Sonderegger im Wiener Verlag Mandelbaum herausgegebenen Sammelband "Rassismus", der sein Thema schon im Untertitel als "vielgesichtiges Phänomen" charakterisiert. Rassismus meint sowohl einen politischen Kampfbegriff wie auch einen analytischen Begriff, der bestimmte Formen der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Ungleichheit bezeichnet, durch den sich die Rechtfertigungsstrategien erkennen lassen, die zu ihrer Stützung herangezogenen werden. Das Buch widmet sich Fragen nach der Struktur und dem Mechanismus von rassistischen Denk- und Verhaltensweisen wie auch konkreten Äußerungsformen von Rassismus in Geschichte und Gegenwart. 

Die in dem Band versammelten Beiträge stammen von José Carlos dos Anjos, Frank Dikötter, Bea Gomes, Antonio Sergio Guimaraes, Andreas Hofbauer, Henning Melber, Rüdiger Lohlker, Ilja Sichrovsky, Arno Sonderegger, Bernhard Weidinger, Ruth Wodak und Aram Ziai. Sie beschäftigen sich mit den politischen Implikationen der Rassismengeschichte anhand konkreter Fallstudien und mit Theorie und Praxis des Rassismus und Antirassismus  in ihrer gegenseitigen Bedingtheit. Sie wollen weiters dazu beitragen, den üblichen Eurozentrismus in der Geschichtsschreibung zu überwinden.

Der Bogen der Beiträge spannt sich daher geographisch von Brasilien über Kap Verde nach Südafrika, von Europa über den arabischen Raum nach China. Behandelt werden unter anderem Darstellungen der Diskurse afrikanischer Intellektueller zum Rassismus, rassistische Konstrukte im politischen System Brasiliens wie in muslimischen und chinesischen Denkschulen. Weitere Beiträge befassen sich mit Fragen der Funktion von Rassismus in kolonialen und postkolonialen Gesellschaften, mit Problemen von Xenophobie sowie den Zusammenhängen der Konzeptionen von "Rasse" und Sexualität/Gender.

Unter dem Titel "Kolonialismus und Rassismus als Erblasten Europas" stellte Henning Melber (Universität Uppsala) in einem vertiefenden Vortrag fest, dass Rassismus die "finstere Seite" des Zeitalters der Aufklärung repräsentiere. Das System des wissenschaftlichen Klassifizierens habe immer auch zur Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen gedient. Es sei daher wichtig, dass wir über die historischen Dispositionen unseres Denkens Klarheit gewinnen, um die noch ausstehende "Entkolonialisierung in den Köpfen" zu erreichen.

Die Erfahrungen von "Besatzungskindern" in Vorarlberg 

  

Der ehemalige Zweiten Nationalratspräsidenten Heinrich Neisser stellte das Buch des Soziologen und Demographen Clement Mutombo "Les damnés innocents du Vorarlberg. Parianisme envers les enfants historiques (1946)" vor. Er erläuterte den historischen Hintergrund der Publikation, die auf Interviews mit Nachkommen französischer Soldaten marokkanischer Abstammung in Vorarlberg basiert.

Im Gespräch mit Heinrich Neisser, der Vorarlberger Landtagsabgeordneten Karin Fritz und Michel Cullin führte Autor Clement Mutombo aus, er beschäftige sich in seiner Arbeit schwerpunktmäßig mit den spezifischen Problemen österreichisch-afrikanischer Paare. Er habe versucht, für das Thema neue positive Formulierungen anstelle der bisher gebräuchlichen negativen Begriffe zu finden. Karin Fritz meinte, es handle sich um ein Tabuthema, das noch der Aufarbeitung bedürfe. Viele "Besatzungskinder" warteten bei der Suche nach der Familie ihrer Väter bis heute auf Unterstützung von Seiten offizieller Stellen. Die Geschichte der österreichisch-französischen Beziehungen sei oft von Verdrängung geprägt gewesen, fügte schließlich Michel Collin hinzu, es gelte nun, dieser durch Erinnerungsarbeit entgegenzuwirken.

Journalismus für Integration und respektvolle Begegnung

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung präsentierte der Obmann und Gründer von Afrika TV, Alexis Neuberg, einen Film über die zehnjährige Entwicklung seines Mediums (www.radioafrika.net), dessen Programmphilosophie im Zeichen des Bemühens steht, den vielsprachigen Dialog zwischen österreichischer Mehrheitsbevölkerung und afrikanischen Zuwanderern zu stärken, Vorurteile abzubauen und die Integration der sichtbaren Minderheit in Österreich zu erleichtern. "Wenn Menschen mehr voneinander erfahren, wenn sie die Gelegenheit bekommen, miteinander zu sprechen, können sie Vorurteile abbauen", zeigte sich auch Neuberg überzeugt und nannte es sein Ziel, "Radio Afrika TV" weiter zu professionalisieren, finanziell unabhängig zu machen, um die 50 ehrenamtlichen Mitarbeiter zu  Angestellten machen zu können.   

Über ihre durchwegs positiven Erfahrungen mit speziellen Aktivitäten gemeinsam mit Radio Afrika TV berichteten in einer von Arabella Kiesbauer moderierten Diskussion SP-Abgeordnete Elisabeth Hlavac, Erwin Eder als Geschäftsführer der "Dreikönigsaktion", Helmuth Hartmeyer (Austrian Development Agency) und der Botschafter der Republik Sudan, Sayed Galal Eldin Elamin, derzeit Vorsitzender der Gruppe afrikanischer Vertretungsbehörden in Österreich.   

Die Bücher

Bea Gomes, Walter Schicho, Arno Sonderegger (Hg.): "Rassismus. Beiträge zu einem vielgesichtigen Phänomen" (Mandelbaum Verlag, Wien 2007).

Clement Mutombo: "Les damnés innocents du Vorarlberg. Parianisme envers les enfants historiques (1946)" (Verlag Peter Lang, Frankfurt/Main 2007).

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at