Parlamentskorrespondenz Nr. 762 vom 17.09.2009

Rechnungshof: Erreichung des Kyoto-Ziels derzeit unwahrscheinlich

Bericht über Klimastrategie und Emissionszertifikatehandel

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Rechnungshofausschusses standen zunächst die Umsetzung der österreichischen Klimastrategie sowie der Emissionszertifikatehandel auf der Agenda. In beiden Fällen kamen die RH-Prüfer zu einem kritischen Urteil, da es ihrer Ansicht nach weder gelungen sei, die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren noch die erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden, um das Kyoto-Ziel (Reduktion der Treibhausgasemissionen um 13 % auf Basis von 1990) zu erreichen. Da die behandelten Kapitel des Rechnunghofberichts in den Zuständigkeitsbereich des Lebensministeriums fallen, nahm Ressortchef Nikolaus Berlakovich zu den Ergebnissen Stellung und informierte darüber, inwieweit die Empfehlungen des Rechnungshofs bereits umgesetzt werden konnten.

Umsetzung der Klimastrategie Österreichs auf Ebene des Bundes

"Es ist unwahrscheinlich, dass das Kyoto–Ziel mit den nationalen

Maßnahmenpaketen der Klimastrategie erreicht werden kann", lautete das Resümee des Rechnungshofs. Selbst bei maximaler Ausnutzung der international zur Verfügung stehenden flexiblen Mechanismen seien wesentlich stärker und schneller wirksame sektorale Maßnahmen im Inland zur Reduktion der Treibhausgasemissionen notwendig. Für die möglichen finanziellen Belastungen bei Verfehlung des Kyoto–Ziels wurden zudem keine Vorsorgen getroffen.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) wertete die Empfehlungen des Rechnungshofs als dringende Handlungsaufforderung an die Regierung und wies vor allem auf den Problembereich Verkehr hin, wo die geringsten Emissionsreduktionen erreicht wurden. Sie schlug vor, dass die Vergabe von Finanzausgleichsgeldern an die Vorlage von Konzepten für die Förderung des Radfahrverkehrs oder die ökologische Wohnbauförderung- und –sanierung gekoppelt werden könnte.

Auch Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) erkundigte sich danach, ob die Empfehlungen umgesetzt wurden bzw. welchen Zeitplan man dafür vorgesehen habe. Weiters sprach sie die Grenzwerte bezüglich Staub bei Biomasseanlagen an.

Abgeordneter Erwin Hornek (V) wies darauf hin, dass manche Sektoren bei den Emissionsreduktionen recht gut abschneiden (z.B. Landwirtschaft), andere wiederum einen Nachholbedarf haben. Problematisch sei natürlich der Verkehrsbereich, wobei fast 30 % der Emissionen auf den Tanktourismus zurückzuführen sind. Positiv bewertete er die Forcierung von Biomasseanlagen, deren gesamtwirtschaftlicher und ökologischer Vorteil für ihn unbestritten sei.

Abgeordneter Ernest Windholz (B) sprach insbesondere die Einbindung der Bundesländer in die Klimastrategie an, während sich seine Fraktionskollegin Martina Schenk nach den Mitteln für die Photovoltaikförderung erkundigte. Abgeordnete Carmen Gartelgruber (F) wiederum plädierte für eine bundesweit einheitliche Wohnbauförderung.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich stellte grundsätzlich fest, dass in den letzten Monaten intensiv an der Ausarbeitung eines Nachfolgeprotokolls für Kyoto gearbeitet werde. Neben dieser internationalen Verpflichtung habe auch die EU selbst – als einzige Region der Welt - ein Klima- und Energiepaket beschlossen, das unter anderem eine Reduktion des Anteils der schädlichen Treibhausgase um 20 % bis 2020 vorsieht. Die schwedische Ratspräsidentschaft sei zudem sehr bemüht, nun auch Amerika ins Boot zu holen, zumal dort durch die Wahl von Obama ein Paradigmenwechsel stattfand und in der Frage des Klimaschutzes erstmals etwas in Bewegung kommt.

Was nun konkret die Erreichung der Kyoto-Vorgaben in Österreich angeht, so müsse man schon sagen, dass es sich dabei um sehr ambitionierte Ziele handle, gab Berlakovich zu bedenken. Dennoch halte er als Umweltminister natürlich daran fest. Richtig sei, dass im Verkehrsbereich die höchsten Emissionssteigerungen zu verzeichnen waren, allerdings trage dazu auch der Tanktourismus einen nicht unbeträchtlichen Anteil bei. Soweit es seine Kompetenzen erlauben, habe sein Ressort auch schon zahlreiche Aktivitäten unternommen, um Emissionen einzusparen, erklärte Berlakovich. Als Beispiele führte der Minister den forcierten Einsatz von Biokraftstoffen, die Maßnahmen im Rahmen des klima:aktiv-Programms, die Unterstützung von Gemeinden in Richtung Energieautarkie oder die sehr erfolgreiche Förderaktion im Bereich der thermischen Sanierung (100 Mio. €) an. Was den Biosprit anbelangt, so sei dieser kein Allheilmittel, aber eine wichtige Verwertungsschiene im agrarischen Bereich, die auch ökologisch sinnvoll ist. Er strebe zudem die Ausarbeitung eines Bundesklimaschutzgesetzes an; intensive Gespräche mit den Bundesländern laufen bereits. Auf eine Frage der F-Abgeordneten Carmen Gartelgruber hin betonte der Bundesminister, dass die Einhaltung von Sozialstandards (z.B. Kinderarbeit) bei der Umsetzung von JI/CDM-Projekten genau kontrolliert werde.

Rechnungshofpräsident Josef Moser wies darauf hin, dass von Oktober bis November 2007 die Umsetzung der Klimastrategie Österreichs auf Ebene des Bundes geprüft wurde. Ziel war die Beurteilung, ob die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll eingehalten werden können. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2002 bis 2007.

Im Jahr 2006 erreichten die Österreich zugerechneten Treibhausgasemissionen 91,1 Mio. Tonnen CO2–Äquivalente. Zum Kyoto–Ziel von 68,8 Mio. Tonnen bestand somit eine Abweichung von 22,3 Mio. Tonnen (32,4 %). Aufgrund der Emissionsentwicklung, insbesondere in den Sektoren Raumwärme/Kleinverbrauch und Verkehr, bestehen Zweifel an der Zielerreichung. Der Sektor Verkehr wies im Zeitraum 1990 bis 2006 die höchste Emissionssteigerung auf (83 %), sein Anteil an den Gesamtemissionen hat sich von 16 % auf 26 % erhöht. Er lag von seinem Zielwert 4,4 Mio. Tonnen CO2–Äquivalente entfernt. Selbst bei maximaler Ausnutzung der flexiblen Mechanismen bestehe dringender Handlungsbedarf für Maßnahmen im Inland.

Aus der Sicht des Rechnungshofs sollten Sanktionen wegen der Nichterreichung des Kyoto–Ziels, die in jedem Fall als zusätzliche Belastung zu sehen sind, mit allen Mitteln verhindert werden. Die Einbindung und Mitwirkung der Länder wäre zur österreichweiten Umsetzung der Klimastrategie unbedingt notwendig. Weiters wird empfohlen, dass etwa im Bereich der Umweltförderung im Inland eine quantifizierte Zielfestlegung hinsichtlich der Emissionssenkung festgelegt werden soll, dass der Anwendungsbereich der Umweltförderung im Ausland überprüft und neu ausgerichtet werden soll und dass auf nationaler wie auf regionaler Ebene Konzepte für

den Umgang mit bereits eingetretenen Folgen des Klimawandels

erarbeitet und entsprechende Maßnahmen zeitgerecht gesetzt werden müssen.

Rechnungshof prüft Emissionszertifikatehandel

Parallel zur Umsetzung der Klimastrategie überprüfte der Rechnungshof den Emissionszertifikatehandel in Österreich, wobei die Ergebnisse in einem engen Zusammenhang zu sehen sind. Der Rechnungshof kam erneut zum Schluss, dass das grundlegende Ziel, CO2–Emissionen zu reduzieren, bislang verfehlt wurde. Durch das Überangebot von insgesamt 171 Mio. Zertifikaten in der EU sank der Zertifikatepreis von über 20 auf 0,07 Euro. Den Unternehmen, die Zertifikate kaufen mussten, entstanden nur geringe Mehrkosten. Es gab damit keinen Anreiz zur Emissionsverringerung.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich gab zu bedenken, dass zwar das Reduktionsziel nicht erreicht wurde, die Tendenz jedoch zumindest rückläufig sei. Weiters räumte er ein, dass es tatsächlich zu einem Preisverfall bei den Zertifikaten gekommen sei; derzeit sehe die Situation aber schon wieder ganz anders aus. Ziel sei es, nach 2012 eine EU-weite Harmonisierung zu erreichen und eine gemeinsame Emissionsobergrenze festzulegen. Umso wichtiger sei es daher, dass ein globales Klimaschutzabkommen zustande kommt.

Rechnungshofpräsident Josef Moser räumte ein, dass eine Reihe von Empfehlungen – etwa im Rahmen einer 15-Vereinbarung mit den Ländern -  schon umgesetzt wurden, einige seien jedoch noch offen. Als Beispiele nannte er, dass eine Befreiung von Kleinanlagen angestrebt und lenkende Alternativmaßnahmen vorgesehen werden sollten. Positiv sei die Absicht, dass in Zukunft eine fixe Reserve für neue Marktteilnehmer festgelegt werden soll.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung)