Parlamentskorrespondenz Nr. 273 vom 11.04.2012

Vorlagen: Finanzen

Der ESM und andere internationale Verträge

Der Vertrag zum Europäischen Stabilitätsmechanismus     

Die siebzehn Mitgliedsländer der Eurogruppe haben einen Vertrag unterzeichnet, der zur Sicherung der Einheit und Integrität des Euro-Währungsgebiets die Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) regelt. Dieser Vertrag soll im kommenden Juli in Kraft treten; dem Nationalrat liegt er seit kurzem zur Genehmigung vor (1731 d.B.). Der ESM soll ein Stammkapital von 700 Mrd. € und eine Darlehenskapazität von 500 Mrd. € und die gleichen Aufgaben haben wie die befristet eingerichtete EFSF und der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM). Er soll Finanzmittel mobilisieren und ESM-Mitgliedern mit schweren Finanzproblemen unter Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitstellen, wenn dies für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets notwendig ist. Instrumente des ESM sind Kreditvergaben, Interventionen am Primärmarkt und präventive Maßnahmen, die Rekapitalisierung von Finanzinstituten sowie Interventionen am Sekundärmarkt. Zudem enthält der ESM-Vertrag Vorgaben zur Gesamtausstattung von EFSF und ESM, die – durch jüngste Beschlüsse der Eurogruppe - auf eine gemeinsame Kreditkapazität von 700 Mrd. € angehoben wird. Dazu kommen Bestimmungen zur Einbindung des Privatsektors und für ein Dringlichkeitsverfahren. Gegenüber künftigen neuen Eurozonen-Mitgliedern sprechen die Euroländer die Erwartung aus, dass auch diese dem ESM beitreten werden.

Der ESM-Vertrag verpflichtet die ESM-Mitglieder, insgesamt 80 Mrd. € in das Stammkapital einzahlen und darüber hinaus Haftungen bis zu 700 Mrd. € zu übernehmen. Der Gesamtanteil Österreichs macht 19,4838 Mrd. € aus, davon sind 2,22672 Mrd. € einzuzahlen. Die Einzahlung der fünf vertraglich festgelegten gleichen Raten (für Österreich jeweils 445,344 Mio. €) hat die Euro-Gruppe jüngst beschleunigt und wird sie – in Übereinstimmung mit dem ESM-Vertrag - weiter beschleunigen, wenn dies notwendig ist, um die höchste Bonität des ESM (AAA/Aaa) zu sichern. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, die erste Rate im Juli 2012, die zweite im Oktober 2012, die dritte und vierte 2013 und die letzte im Jahr 2014 einzuzahlen. Mit Änderungen im Bundesfinanzgesetz 2012 und im Bundesfinanzrahmen (für 2012 sowie für 2013 bis 2016) wird dafür budgetäre Vorsorge getroffen und im Bundeshaushaltsgesetz die notwendige variable Gebarung ermöglicht (siehe dazu PK-Meldung Nr.230).

Die Textierung des ESM-Vertrags in mehreren Verhandlungs- und Nachverhandlungsrunden, in die auch Vertreter der zehn Nicht-Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einbezogen waren, haben die FinanzministerInnen des Euro-Währungsgebiets am 23.1.2012 abgeschlossen. Die Rechtsgrundlage des Vertrags bildet eine vom Europäischen Rat am 25. März 2011 beschlossene Ergänzung des Lissabonner Vertrags: "Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen." Diese Auflagen reichen von makroökonomischen Anpassungsprogrammen bis zur Erfüllung vorab festgelegter Anspruchsvoraussetzungen, die von dem hilfsbedürftigen ESM-Mitglied jeweils mit EU-Kommission, EZB und – nach Möglichkeit – auch mit dem IWF in einem "Memorandum of Understanding" festzulegen sind. Die konsequente Umsetzung der Auflagen ist die Bedingung für die Aufrechterhaltung der Stabilitätshilfe. Die Darlehenskapazität des ESM soll nach Möglichkeit durch die Beteiligung des IWF an Finanzhilfemaßnahmen ergänzt werden; außerdem können sich auch EU-Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören, an Hilfsmaßnahmen beteiligen.

Der ESM-Vertrag dient wie der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (VSKS) der Stärkung der haushaltspolitischen Verantwortlichkeit und der Solidarität innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Gewährung von Finanzhilfen durch den ESM setzt künftig die Ratifikation des VSKS und die Erfüllung der dort festgelegten haushaltspolitischen Pflichten durch das hilfsbedürftige Land voraus.

Die Stabilität des Euro-Währungsgebiets ist für kleine offene Volkswirtschaften mit hoher außenwirtschaftlicher Verflechtung wie Österreich besonders wichtig, weil sie Exportunternehmen Planungssicherheit gibt und damit der Beschäftigung und dem Wirtschaftsstandort nützt, schreibt die Bundesregierung in ihren Erläuterungen zum ESM-Vertrag und fügt optimistisch hinzu: "Der ESM wird dazu beitragen, Systemkrisen zu verhindern".

Vertrag für Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Eurozone 

Angesichts der andauernden Schuldenkrise in der Europäischen Union einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 9.12. 2011 auf weitere Schritte in Richtung einer stärkeren Wirtschaftsunion. Da Großbritannien der rechtlichen Umsetzung dieser Ziele im Rahmen der Unionsverträge nicht zustimmte, entschlossen sich die übrigen EU-Mitgliedstaaten, einen speziellen völkerrechtlichen Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion abzuschließen. Die Verhandlungen wurden von den 17 Euro-Staaten und neun Nicht-Euro-Staaten (alle außer Großbritannien) geführt, wobei sich Tschechien aus innenpolitischen Gründen letztlich entschied, nicht Vertragspartei zu werden. Der Vertrag wurde am Rande des Europäischen Rates am 2. März 2012 von den Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien angenommen, tritt am 1.1.2013 in Kraft und liegt dem Nationalrat seit kurzem zur Genehmigung vor (1725 d.B. ).  

Der Vertrag ergänzt und vertieft das bestehende Regelwerk der Union zur Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Sein Ziel ist die Stärkung der öffentlichen Haushaltsdisziplin sowie der wirtschaftspolitischen Koordinierung und Konvergenz in der Eurozone. Die wirtschaftspolitische Steuerung soll durch regelmäßige Euro-Gipfel in den Ländern der Eurozone verbessert werden.

Der "Fiskalpolitische Pakt" schreibt einen ausgeglichenen Haushalt oder einen Haushaltsüberschuss vor, wobei das jährliche strukturelle Defizit nicht mehr als 0,5 % des BIP ausmachen soll. Die Vertragspartner müssen für eine ausreichend schnelle Anpassung zum mittelfristigen Haushaltsziel - gemäß Zeitplan der EU-Kommission - sorgen. Zeitlich begrenzte Abweichungen sind nur im Falle außergewöhnlicher Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle der betroffenen Vertragspartei liegen, oder im Falle einer gravierenden Konjunkturabschwächung möglich. Abweichungen vom vorgeschriebenen Haushaltsziel müssen mit einem automatischen Mechanismus korrigiert werden. Schuldenbremse und Korrekturmechanismus sollen im einzelstaatlichen Recht der Vertragsparteien, vorzugsweise mit Verfassungsrang, verankert werden.

Als wichtig bezeichnen die Vertragspartner zudem eine Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit sowie die Schuldenregel. Geregelt wird auch die Vorlage von Partnerschaftsprogrammen zur Wirtschafts- und Haushaltspolitik bei einem übermäßigen Defizit. Wird in einem Euroland ein übermäßiges Defizit festgestellt, müssen die Vertragspartner den Empfehlungen der Kommission folgen, außer es spricht sich eine qualifizierte Mehrheit der Vertragsparteien dagegen aus. Dazu kommen Ex-ante-Berichtspflichten über nationale Emissionspläne von Staatsschuldtiteln und die Möglichkeit des EuGH, bei Nichteinhaltung haushaltsrechtlicher Vorschriften finanzielle Sanktionen gegen eine Vertragspartei im maximalen Ausmaß von 0,1 % des BIP zu verhängen.

Über die fiskalpolitischen Regelungen hinaus enthält der Vertrag auch Bestimmungen für eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik zwischen den Euroländern, sie wollen gemeinsam auf eine konvergentere Wirtschaftspolitik hinarbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion fördert sowie zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beiträgt.

Bei Bedarf, mindestens jedoch zweimal im Jahr wollen die Staats- und Regierungschefs der Euroländer und der Präsident der Kommission informell zu Euro-Gipfeln zusammentreten und dazu den EZB-Präsidenten einladen. Mindestens einmal im Jahr sollen an diesen Treffen auch die Staats- und Regierungschefs der Nicht-Euro-Länder teilnehmen, sofern sie den Vertrag ratifiziert haben.

Änderungen der Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada und Tschechien

Protokolle zu den geltenden Abkommen mit Kanada (1738 d.B. ) und  Tschechien (1739 d.B. ) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen dienen der Anpassung dieser Abkommen an die neuen OECD-Standards für steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft.