Parlamentskorrespondenz Nr. 303 vom 17.04.2012

Heinisch-Hosek: Notwohnung für Zwangsverheiratete vor Umsetzung

Sittenwidrigkeit von freiwilliger Sexarbeit soll fallen

Wien (PK) – Der Gleichbehandlungsausschuss befasste sich heute mit Anträgen von FPÖ, BZÖ und Grünen. Abgelehnt wurden Anträge der Freiheitlichen, die Altersgrenzen für Au-Pairs erweitern und einen Preis für Firmen mit hohem Frauenanteil in Führungspositionen  schaffen wollen. Vertagt wurde die Forderung des BZÖ betreffend die Schaffung von Notwohnungen für von Zwangsheirat Betroffene mit der Begründung, dass sich dieses Projekt in der letzten Phase seiner Umsetzung befinde. Vertagt wurde auch der BZÖ-Antrag für eine Initiative des Frauenministeriums zur Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs von Frauen nach der "Babypause". Ebenfalls der Vertagung verfiel der Antrag der Grünen betreffend eine Neuregelung der rechtlichen Rahmenbedingungen von freiwilliger Sexarbeit als Gewerbe durch Abschaffung der so genannten "Sittenwidrigkeit". Mit dieser komplexen Problematik sei eine interministerielle Arbeitsgruppe befasst und bis zum Sommer dieses Jahres eine Gesetzesinitiative zur Abschaffung dieser Sittenwidrigkeit zu erwarten, hieß es dazu von Seiten der Regierungsfraktionen. Abgelehnt wurde schließlich ein weiterer Antrag der Grünen nach Erstellung eines Berichts über die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Freiheitliche setzen sich für "Granny Au-Pairs" ein

Zunächst stand der von der Freiheitlichen Abgeordneten Carmen Gartelgruber eingebrachte Entschließungsantrag auf eine Erweiterung der gesetzlichen Altersgrenzen für Au-Pairs auf der Tagesordnung. Es soll dadurch auch älteren Frauen als so genannten "Granny Au-pairs" die Möglichkeit gegeben werden, als Au-pair ins Ausland zu gehen. Die Abgeordneten Judith Schwenter (G), Gertrude Aubauer (V), Franz Riepl (S) und Ursula Haubner (B) meinten hingegen, es bestehe die Gefahr, dass man die Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse fördere. Daher sei es nicht sinnvoll, Au Pair als Arbeitsmodell für ältere Arbeitnehmerinnen gesetzlich zu verankern. Der Antrag (1495/A[E]) wurde daraufhin mit den Stimmen von S,V,B,G mehrheitlich abgelehnt.  

… und für einen Innovationspreis für Firmen mit hohem Frauenanteil

Keine Zustimmung fand auch der Antrag der Freiheitlichen Abgeordneten Heidemarie Unterreiner nach Einführung eines Innovationspreises für Unternehmen mit einem besonders hohen Frauenanteil in Führungspositionen. Abgeordnete Martina Schenk (B) stimmte mit den Abgeordneten Christine Marek (V) und Judith Schwentner (G) überein, dass es bereits ausreichend Preise gebe, welche der Intention des Antrags entsprechen. Ein Anreiz durch einen zusätzlichen Preis sei nicht erkennbar.

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek wies darauf hin, dass eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes in Arbeit sei, wonach Unternehmen mit mehr als 100 MitarbeiterInnen verpflichtet werden, Frauenförderpläne einzuführen. Davon erhoffe sie sich, dass mehr Firmen sich mit der Thematik auseinandersetzen und so positive Veränderungen in Gang gesetzt werden. Der Antrag (1568/A[E]) wurde nur von der FPÖ unterstützt und damit mehrheitlich abgelehnt.

BZÖ: Einrichtung einer Notwohnung für Betroffene von Zwangsheirat

Abgeordneten Martina Schenk (B) forderte die unverzügliche Einrichtung einer betreuten Notunterkunft für Betroffene von Zwangsheirat. Die Umsetzung des im Regierungsprogramm verankerten und bereits im Frauenbudget 2009 budgetierten Projekts sei überfällig, meinte sie. Abgeordnete Carmen Gartelgruber (F) erkundigt sich nach Details der Finanzierung der Notwohnungen. Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) verwies darauf, dass diese nun gesichert sei. Das Projekt habe sich aufgrund der besonderen Sicherheitserfordernisse verzögert. Bis zur bevorstehenden Umsetzung könne der Antrag vertagt werden. Ausschussvorsitzende Gisela Wurm (S) zeigte sich froh darüber, dass nun diese Lücke in der Umsetzung des Gewaltschutzpakets bald geschlossen werde.

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) verwies hingegen auf noch ungelöste Betreuungsfragen bei minderjährigen Betroffenen. Darauf antwortete Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek, dass auch solche Fragen eine Lösung finden würden, wenn die erste Notwohnung realisiert sei, da viele kompetente Organisationen und Betreuungseinrichtungen eingebunden seien. Im Vorfeld sei eine Reihe von Fragen abzuklären gewesen, etwa die Aufteilung der Finanzierung zwischen Frauen- und Innenministerium. Diese wird nun je zur Hälfte von den beiden Ministerien getragen. Offen sei auch gewesen, was der bestgeeignete Standort sei. Nun sei entschieden, dass es eine anonyme Einrichtung im urbanen Umfeld sein solle. Sie bitte noch um ein klein wenig Geduld, sagte sie, sie werde dann Bericht erstatten. – Der Antrag (1904/A(E)) wurde mit S-V-Mehrheit vertagt.

BZÖ will Maßnahmen für den beruflichen Wiedereinstieg von Frauen

In einem weiteren Antrag des BZÖ (1905/A(E)) erhebt Abgeordnete Martina Schenk (B) die Forderung nach einer Initiative des Bundesministeriums für Frauen und Öffentlichen Dienst in Zusammenwirken mit den Unternehmen, um Frauen vor, während und nach der "Babypause" zu unterstützen und die Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg zu verbessern. Es gebe hier Handlungsbedarf, sagte Schenk. Sie wurde dabei von den Abgeordneten Judith Schwentner (G) und Edith Mühlberghuber (F) unterstützt. Die Abgeordneten Claudia Durchschlag (V) und Sonja Ablinger (S) sprachen sich hingegen unter Verweis auf Maßnahmen, die bereits in Umsetzung seien, und deren Erfolg abzuwarten sei, für eine Vertagung des Antrags aus, die  daraufhin mit S-V-Mehrheit erfolgte.

Eine gesetzliche Neuregelung freiwilliger Sexarbeit steht bevor

Ausführlich widmete sich der Ausschuss dem Antrag (1165/A(E)) von Abgeordneter Judith Schwentner (G) nach einer umfassenden gesetzlichen Neuregelung der Prostitution. Anzusetzen sei bei der Aufhebung der bisher bestehenden Sittenwidrigkeit auf Sexualkontakte, die gegen Entgelt angeboten werden. Durch eine

Entkoppelung der freiwillig ausgeübten Prostitution aus den Sitten- bzw. Anstandsnormen und Legalisierung der Sexarbeit als Erwerbstätigkeit sowie konsequente Eingliederung der Prostitution in das Arbeitsrecht, die Gewerbeordnung und das Vertragsrecht und eine rechtliche Gleichbehandlung solle es zur Gleichstellung von SexarbeiterInnen mit anderen Erwerbstätigkeiten kommen. Nur so könnten Arbeitsbedingungen verbessert werden. Außerdem müssten Änderungen im Fremdenrecht stattfinden. Der Antrag der Grünen ziele auch auf die Aufhebung der Meldepflicht bei der Sicherheitspolizei und auf Verbesserungen in den amtsärztlichen Untersuchungen von SexarbeiterInnen ab, erläuterte Schwentner.

Eine lebhafte Debatte schloss sich an die Wortmeldung der Freiheitlichen Abgeordneten Heidemarie Unterreiner und Dagmar Belakowitsch-Jenewein an. Sie meinten, es sei ein verfehlter Ansatz, hier ein Gewerbe wie andere auch sehen zu wollen. Man verkenne damit die Realitäten hinter der Prostitution, meinte Belakowitsch-Jenewein. Es sei naiv, davon auszugehen, dass diese durch arbeitsrechtliche Änderungen in den Griff zu bekommen seien. Außerdem habe sich gerade in Wien gezeigt, dass über die Schiene der Prostitution immer wieder versucht werde, Bestimmungen des Fremdengesetzes auszuhebeln und Aufenthaltstitel für Frauen, vor allem aus Osteuropa zu erlangen.

Dagegen meinte Abgeordnete Christine Marek (V), es sei wichtig, in dieser Frage zu differenzieren und eine offene Debatte über die Fragen, die sich etwa in arbeits- und sozialrechtlichen Bereichen  ergeben, zu führen. Es gehe hier um jene Frauen, die sich selbstbestimmt für Sexarbeit entscheiden, ohne diese Entscheidung werten zu wollen, und deren Situation zu verbessern. Die Verbesserung der amtsärztlichen Untersuchung sei dringend geboten, da hier teils menschenunwürdige Bedingungen herrschten. Auch Abgeordneter Johann Hell (S) meinte, er könne dem Antrag viel abgewinnen. Seine Fraktion teile die Ansicht, dass bei der Abschaffung der Bestimmung über die Sittenwidrigkeit anzusetzen sei, um zu einer Regelung zu kommen. Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) sprach sich für eine ehrliche Diskussion des Themas aus. Abseits jeder Wertung der betreffenden Dienstleistungen müsse man hier klare rechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Kritisch sehe sie aber auch die Punkte, die das Fremdenrecht betreffen.

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek wies darauf hin, dass eine parlamentarische Enquete zum Thema selbstbestimmte Sexarbeit schon vor einigen Jahren wichtige Erkenntnisse geliefert haben, die auch heute noch gültig seien. Die Aufhebung der so genannten Sittenwidrigkeit sei ein erster wichtiger Schritt, um weitere Maßnahmen beschließen zu können. Hier habe man in Gesprächen mit dem Justizministerium schon sehr gute Fortschritte erzielt. Sie spreche sich dafür aus, in weiterer Folge ein Bundesrahmengesetz zu schaffen, um damit die Länder einzubeziehen und bundeseinheitliche Regelungen schaffen zu können. Aufgrund der nunmehr zugesagten Unterstützung der ÖVP-Fraktion seien rasche Fortschritte zu erwarten. Bis zum Sommer werde es auch noch eine Klärung in vielen Teilbereichen geben, stellte die Ministerin in Aussicht.

Grüne sehen unterschiedliche Krisenfolgen bei Frauen und Männern

G-Abgeordnete Judith Schwentner meinte, führende Ökonominnen würden darauf hinweisen, dass sich die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre vor allen negativ auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Frauen ausgewirkt habe. Sie forderte  einen Bericht der Bundesregierung über die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, um daraus entsprechende Maßnahmen ableiten zu können.

In den Wortmeldungen der Abgeordneten Anna Franz und Dorothea Schittenhelm (beide V), Sonja Ablinger (S), Martina Schenk (B) und Susanne Winter (F) kam dagegen die Meinung zum Ausdruck, dass es an sich genug an Untersuchungen und Berichten zu diesem Thema gebe. Einhelligkeit herrschte aber darüber, dass die angesprochene Problematik an sich breit diskutiert werden sollte. Ausschussvorsitzende Gisela Wurm (V) lud deshalb die Frauensprecherinnen aller Fraktionen dazu ein, sich zum Thema in der Nationalratsdebatte zu Wort zu melden, um dem berechtigten Anliegen Gehör zu verschaffen. Der Antrag auf Erstellung eines Berichts (1891/A(E)) erhielt nur die Zustimmung der Grünen und wurde damit mehrheitlich abgelehnt. (Schluss)