Parlamentskorrespondenz Nr. 399 vom 16.05.2012

Europa quo vadis?

Diskussion im Nationalrat über Griechenland und die Folgen

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Wien (PK) – Die aktuelle Lage nach den Wahlen in Griechenland und die Konsequenzen für die Eurozone beherrschten am Nachmittag die Diskussion im Nationalrat. Grundlage dafür war das vorliegende Arbeitsprogramm 2012 der EU im Bereich Finanzen.

Abgeschlossen wurde der Finanzblock des heutigen Plenartages mit einem Bericht der Finanzministerin über eine betreiberunabhängige Spielerkarte.

Haushaltsdisziplin und Wachstumspolitik als Herausforderung

Als erster Redner wies Abgeordneter Elmar PODGORSCHEK (F) darauf hin, dass der Bericht der Finanzministerin zur EU-Jahresvorschau 2012 den tatsächlichen Entwicklungen hinterherhinke. Die EU-Ebene versuche offenbar den Eindruck zu erwecken, dass man das Gröbste hinter sich habe. Tatsächlich gehe die Schere zwischen Norden und Süden der EU immer stärker auf. Durch "billiges" Geld der EZB gewinne man vielleicht Aufschub, löse aber keine Probleme. Es sei daher nur eine Frage der Zeit, bis Italien und Spanien wieder vor Finanzierungsproblemen stehen werden. Die Wirtschaftsdaten Spaniens seien außerdem sehr schlecht. In Griechenland habe der Ansturm auf die Banken eingesetzt, das Land habe nicht einfach nur ein Liquiditätsproblem, wie man glauben machen wolle, sondern sei bankrott. Alle getroffenen Maßnahmen seien daher nur als Formen der Konkursverschleppung zu werten.

Der Kursverfall des Euro schlage sich für die KonsumentInnen bereits deutlich in hohen Spritpreisen nieder, so Podgorschek. Wenn nun auch der neue französische Präsident Hollande den Kurs korrigieren wolle, zeige das, dass dieser nicht mehr lange zu halten sei. Es sei grundsätzlich nicht möglich, Wachstum bei gleichzeitigem Schuldenabbau zu erzielen. Daher müsse erlaubt sein, über Alternativen zum Euro und zur EU nachzudenken. Dass die Exporterfolge Österreichs dem Euro zu verdanken seien, sei eine Mär. Immer weiter nur Realitätsverweigerung zu betreiben, führe in die Sackgasse. Man müsse den Tatsachen ins Auge sehen, forderte Podgorschek.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) stellte fest, dass derzeit sicher kein erfreuliches wirtschaftliche Umfeld für die EU bestehe. Sein Vorredner habe auch  keine Patentlösung anbieten können, denn eine solche gebe es nicht. Man müsse vielmehr Schritt nach Schritt die notwendigen Maßnahmen setzen, ohne die SteuerzahlerInnen über Gebühr zu belasten. Vor einem Jahr habe sich die Schuldenkrise am Höhepunkt befunden. Die beiden Griechenlandpakete mit der Vorgangsweise der EZB sind nach Ansicht Bartensteins richtig gewesen. Der Fiskalpakt, bekannt auch als "Schuldenbremse", sei eine weitere Maßnahme gewesen, um Zeit für Reformen zu gewinnen.

Griechenland stelle sicher nach wie vor ein Problem dar. Insgesamt hätten die Maßnahmen schon erste Teilerfolge erzielt, etwa in Portugal und Irland, teilweise auch in Griechenland. Der Fiskalpakt sei sicher wichtig, man müsse ihn aber um eine gezielte Wachstumspolitik ergänzen. Diese dürfe aber nicht auf neuen Steuern und Schulden aufgebaut werden, warnte Bartenstein. Dazu brauche es auch Strukturreformen, etwa im Pensionssystem. Der eingeschlagene Weg zum Verbleib Griechenlands in der Eurozone werde zwar nicht billig sein, sei aber weniger teuer als jeder andere. Gleichzeitig müsse sich aber Griechenland an die vereinbarten Beschlüsse halten.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) meinte, die Solidarität Österreichs mit anderen Staaten zur Verhinderung von Steuerbetrug sei wichtig, und er forderte eine klare Position der Finanzministerin dazu. Wie es mit Griechenland weitergehen solle, sei eine offene Frage. Eine Insolvenz einzugestehen, biete vielleicht die Möglichkeit, die erforderlichen Maßnahmen zu setzen. Die Rückzahlung von Schulden sei jedenfalls nicht mehr zu erwarten, zeigte sich Kogler überzeugt und räumte ein, dass die Abwicklung einer Staatspleite sicherlich  schwierig sein werde. Besser wäre gewesen, schnell ein geordnetes Entschuldungsverfahren einzuleiten, als so zu tun, es gebe nur ein vorübergehendes Liquiditätsproblem in Griechenland. Die einseitigen Kürzungsprogramme, die jetzt durchgezogen werden, hätten nicht den gewünschten Effekt. Sie würden nur das BIP, nicht aber die Schuldenquote senken.

Kogler warnte davor, von allen Staaten undifferenziert und ohne Rücksicht auf ihre Ausgangslage Programme wie den Fiskalpakt einzufordern. Damit richte man mehr Schaden als Nutzen in ganz Europa an. Es brauche Maßnahmen für mehr Investition und neue Steuern. Pauschal jede Form der Besteuerung abzulehnen, sei nicht der richtige Weg, denn es komme immer auf die Art der Steuer an. Es sei daher zu überlegen, ob man über die Finanztransaktionssteuer eine Marktkorrektur bewirken könnte. Sie müsse daher endlich ernsthaft in Angriff genommen werden, forderte Kogler. Sonntagsreden seien dafür zu wenig. Er hoffe, dass sich die Finanzministerin und die österreichische Politik auf europäischer Ebene konsequent für ihre Verwirklichung einsetzen.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) sagte, der Fiskalpakt basiere auf der grundsätzlich richtigen Überlegung, dass alle Staaten ihre Finanzen in Ordnung halten müssten. Es gebe daher ein klares Ja zum Sparen. Dies dürfe aber nicht am falschen Ort und zur falschen Zeit geschehen. So beobachte man jetzt eine Reihe europäischer Staaten, die sich immer weiter in die Rezession mit mehr Arbeitslosen und noch höheren Verschuldungsquoten "hineinsparen". Österreich habe hingegen in Phasen der Rezession stets Geld in die Hand genommen, um Wachstum anzuregen, und damit in der Krise richtig reagiert. Europa brauche Initiativen für Wachstum und Beschäftigung. Der Fiskalpakt müsse dahingehend ergänzt und korrigiert werden, solle die "Medizin" des Sparens nicht zum "Gift" für das Wachstum werden. Eine Politik, die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfe, verliere selbstverständlich den Rückhalt in der Bevölkerung, wie man in Griechenland deutlich sehe.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) meinte, er hoffe, die jüngsten Äußerung der Finanzministerin zu Griechenland seien so zu verstehen, dass sie allmählich auf den Kurs des BZÖ umschwenke. Das BZÖ habe schon vor zwei Jahren vor jener Situation gewarnt, die nun schlagend geworden sei. Die Milliarden, die bisher nach Griechenland überwiesen wurden, seien nie bei den Menschen oder der Wirtschaft angekommen. Es handle sich um ein reines Bankenrettungspaket. Auch namhafte Wirtschaftsexperten gingen davon aus, dass die Milliarden Griechenlands nicht zurückgezahlt werden. Auch 50 Krisengipfel der EU hätten keine Lösung gebracht. Bucher verwies auf das Beispiel Finnlands, das mit Griechenland über Sicherheiten als Voraussetzung für weiter Zahlungen verhandelt habe. Er frage sich, warum nicht auch die österreichische Finanzministerin solche Sicherheiten einfordere, die in jedem Kreditgeschäft völlig selbstverständlich seien.

Fekter: keine zusätzlichen Gelder für Brüssel

Bundesministerin Maria FEKTER verwies darauf, dass auch heuer für die EU Maßnahmen der Krisenbewältigung im Zentrum stehen. In drei Jahren sei vieles gelungen. Der Kapitalmarkt wurde reguliert, die Hilfe für Portugal und Irland funktioniere, mittelfristig würden sich diese Staaten wieder selbst finanzieren können. Auch die wirtschaftspolitische Kooperation in der EU habe Fortschritte gemacht. Man habe den Euro-Schutzschirm als dauerhafte Institution ESFS installiert, welche in den ESM übergehen werde. Man habe auch eine einheitliche Finanzmarktaufsicht der EU vereinbart. Die Lage der Finanzmärkte sei nun stabiler. Ein weiterer Erfolg sei nun mehr Budgetdisziplin in Europa, meinte Fekter.

Die Instabilität Griechenlands stelle allerdings weiterhin eine Herausforderung dar, derzeit fehle jedoch ein Ansprechpartner. Man habe aber bisher einiges erreicht, etwa eine weitgehende Beteiligung der Privatgläubiger, und damit ein geordnetes Umschuldungsverfahren durchgeführt. Die Kritik Buchers in diesem Zusammenhang verstehe sie daher nicht. Es bestehe eine Vereinbarung mit Griechenland, wonach Gelder, die von den Euro-Staaten und IWF bereitgestellt werden, für notwendige Strukturreformen eingesetzt würden. Griechenland müsse die Auflagen einhalten, nur so könne es zum Wachstum zurückkehren. Die EU-Finanzminister seien einstimmig der Meinung, dass Griechenland in der Eurozone bleiben und kein Staatsbankrott erklärt werden müsse. Wichtig sei jetzt, dass sich die politische Lage stabilisiere.

Fekter ersuchte, den permanenten Schutzschirm ESM noch vor dem 1. Juli zu ratifizieren. Er werde eine Finanzinstitution sein, die als eine Krisenfeuerwehr fungiert, und müsse dementsprechend handlungsfähig ausgestaltet werden. Eine Zustimmung an Bedingungen zu knüpfen, die dem Parlament mehr Einspruchsmöglichkeiten als etwa gegenüber der eigenen Nationalbank geben würden, sei für sie undenkbar. Fekter stellte in diesem Zusammenhang jedoch klar, dass sie eine hohe Auffassung von parlamentarischer Mitbestimmung und der Budgethoheit des Parlaments habe. Es sei aber darauf zu achten, dass der ESM operativ tätig werden kann.

Die EU werde den Fiskalpakt als auch Wachstumsimpulse weiter verfolgen, bekräftigte die Finanzministerin. Die Wachstumsstrategie, welche Österreich mit Erfolg in den letzten Jahren betrieben habe, wünsche sie sich auch für die EU. Sie wolle aber keine zusätzlichen Gelder nach Brüssel schicken. Vielmehr sollten zuerst die verschiedenen europäischen Fördertöpfe nach vorhandenen Mitteln durchforstet werden.

Abschließend betonte Fekter, es seien einige Fortschritte bei der  Regulierung der Finanzmärkte erzielt worden. Österreich werde aber die Finanztransaktionssteuer weiter verfolgen. Auch an einer Harmonisierung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer in der EU werde gearbeitet, dies sei aber sehr schwierig. Sie aber werde sicher keiner Anhebung der Körperschaftssteuer für Österreich im Gefolge dieser Anpassung zustimmen. Auch einem automatischen Austausch sensibler Personendaten werde sie keine Zustimmung erteilen, stellte Bundesministerin Fekter kategorisch fest. 

Abgeordneter Franz HÖRL (V) sieht in der finanziellen Konsolidierung Europas einen entscheidenden Faktor für die Zukunft der EU. Es ginge nicht an, so Hörl, unentwegt mehr auszugeben als einzunehmen. Bei der Frage zur Finanzhilfe für Griechenland forderte der V-Abgeordnete sowohl Solidarität als auch Konsequenz bei der Budgetdisziplin. Österreich sei mit seiner hohen Beschäftigungsquote und dem guten Wirtschaftswachstum ein Vorbild für andere EU-Länder, meinte Hörl. Er fügte hinzu, dass eine funktionierende Wirtschaft die Absicherung für den heimischen Sozialstaat bilde, wobei entsprechende politische Rahmenbedingungen dafür notwendig seien.

In den Augen von Abgeordnetem Maximilian LINDER (F) fehlt dem Bericht des Finanzministeriums zur EU-Jahresvorschau 2012 jeder Realitätsbezug. Bereits vor etwa zwei Jahren hatte die FPÖ vor finanziellen Hilfen an Griechenland gewarnt, erinnerte Linder. Seine Fraktion sei auch gegen die Ratifizierung des ESFS-Schutzschirmes aufgetreten und lehne gegenwärtig die ESM-Ratifizierung ab. Griechenland wolle die Finanzhilfen nicht, zeigte sich der F-Mandatar überzeugt, das Land solle daher in die Selbständigkeit entlassen werden. Immerhin hätte Österreich durch die Hilfen 3 bis 5 Mrd. € "verloren", monierte Lindner und wies darauf hin, dass mit dieser Summe 30.000 neue Arbeitsplätze geschaffen hätten werden können. Die österreichische Bevölkerung müsse daher endlich in die finanzpolitischen Entscheidungen miteingebunden werden, unterstrich er, um solchen Entwicklungen Einhalt zu gebieten.

Ihrem Vorredner Linder warf Abgeordnete Laura RUDAS (S) vor, sich in "populistischen Floskeln" zu ergehen, immerhin könne dieser nicht über die Bestreben Griechenlands entscheiden. Wachstum und Schuldenabbau seien nicht zu trennen, betonte Rudas, denn eine Schuldenreduktion werde nur durch eine wachsende Wirtschaft ermöglicht. Zudem sei Budgetdisziplin bei einer gemeinsamen Währung wie dem Euro unabdingbar. Eine nationalstaatlich zu klärende Frage sei allerdings, vermerkte die Rednerin, in welcher Weise der Schuldenabbau erfolge – ob durch Massensteuern oder Verwaltungsabbau etwa. Österreich habe dabei mit einem Mix aus gerechten Steuern und intelligentem Sparen eine sinnvolle Lösung gefunden, zusätzlich erachte sie aber europaweite Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit für notwendig.

Ob die Reformen in Griechenland tatsächlich die gewünschte Konsolidierung bewirken würden, bezweifelte Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G). Es seien in Griechenland, wie auch in anderen Ländern, Investitionsstrategien vergessen worden. Eine gemeinsame Haushaltspolitik in der EU wertete Lichtenecker als wichtiges Instrument für einen Aufschwung in Europa. Budgetkonsolidierung alleine sei zu wenig und Österreichs Forderung, Gesamtausgaben im EU-Budget zu kürzen, halte sie für den falschen Weg. Vielmehr seien laut Lichtenecker zusätzliche Mittel für grenzübergreifende Stromnetze, eine moderne Kommunikationsinfrastruktur, transeuropäische Schienenkorridore sowie für die Bereiche Bildung und Forschung nötig, um eine ökologische Modernisierung Europas zu gewährleisten.

Abgeordneter Jakob AUER (V) bemerkte, die dramatische Entwicklung der EU habe bestätigt, dass Fehler nicht in Krisenzeiten sondern bereits davor gemacht worden seien. Die Politik der "lockeren Hand" räche sich. Auf Grund der Exportabhängigkeit Österreichs sei ein stabiler Euro für den Wohlstand im Land maßgeblich. Griechenland stelle das erste Opfer der Krise dar, doch auch andere Länder hätten mit Schuldenbergen zu kämpfen, warnte Auer und nannte als Beispiele Japan, die USA, Portugal, Spanien, Italien sowie Großbritannien. Die österreichische Regierung stehe dagegen für eine "herzeigbare" Finanzpolitik, mit der das Budgetdefizit unter die Maastrichtgrenze gebracht worden sei. Auer bekannte außerdem seinen Stolz auf die österreichischen Unternehmen und ArbeitnehmerInnen, die mit steigenden Steuerleistunen die Zukunft des Landes garantierten, denn die internationalen Finanzmärkte zeigten großes Vertrauen in die Bonität Österreichs.

Er habe Angst um das Steuergeld der ÖsterreicherInnen, sagte Abgeordneter Rainer WIDMANN (B), denn anders als die ÖVP lese er aus dem Bericht des Finanzministeriums heraus, dass das Geld von der Regierung "hinausgeworfen" werde. Angesichts der instabilen Wirtschaftslage Griechenlands und der dortigen politischen Krise im Moment sei es kaum wahrscheinlich, das geliehene Geld zurückzuerhalten. Finnland habe Widmann zufolge mit dem Verlangen von Sicherheiten für den Beitrag zum Hilfspaket an Griechenland die richtige Entscheidung getroffen. Das nach Griechenland gezahlte Geld werde in Zukunft bei Pensionen, im Gesundheits- und Bildungsbereich fehlen, kritisierte der B-Abgeordnete und befürchtete, der ESM stelle als Überbrückungsinstrument keine Lösung für die Finanzkrise dar. Gelöst werden könne das Problem für Österreich durch Reformen etwa bei der Parteienfinanzierung sowie durch den Austritt Griechenlands aus der Eurozone beziehungsweise durch die Schaffung eines starken Nord-Euro und eines Süd-Euro. Einen Entschließungsantrag brachte Widmann zu seiner Forderung nach Garantien ein, mit denen die Zahlungen an Griechenland in Zukunft verknüpft werden sollten. Dieser Antrag blieb in der Abstimmung darüber jedoch in der Minderheit.

Finanzministerin FEKTER wies die Forderung des BZÖ nach Sicherheiten für Griechenlandhilfen durch Österreich aufs Schärfste zurück, da ein solches Sicherheitspaket nur zu Lasten der österreichischen SteuerzahlerInnen gehen würde, wie das Beispiel Finnland bereits gezeigt habe. Mit einem Sicherheitspaket müsse ein EU-Land die Beträge zum ESM nämlich auf einmal – und nicht in Tranchen – überweisen. Finnland habe sich nur wegen starker populistischer Kräfte im eigenen Parlament dafür entscheiden müssen, dieses teure Sicherheitspaket zu wählen.

Die Ratifizierung des ESM müsse im Parlament diskutiert und beschlossen werden, hielt Abgeordneter Kurt GASSNER (S) gleich zu Beginn seiner Rede fest, auch wenn die einzelnen Maßnahmen daraus in Folge ohne Parlamentsbeschlüsse gesetzt würden. Er wolle dadurch verhindern, das Parlament entmündigt und ferngesteuert zu sehen. Bezugnehmend auf den Bericht über die EU-Jahresvorschau aus dem Finanzministerium merkte Gassner an, die Verhandlungen über das EU-Budget nach 2013 würden sich schwierig gestalten, da alle Mitgliedsländer mit Sparmaßnahmen konfrontiert seien. Das Nettozahlerland Österreich müsse etwa 100 Mrd. € für ein ordentlich konsolidiertes EU-Budget beitragen. In diesem Zusammenhang warf der S-Mandatar die Frage auf, weshalb sich der österreichische Vizekanzler und der Landwirtschaftsminister gegen Kürzungen bei den Agrarausgaben in Europa ausgesprochen hätten. Man dürfe jedenfalls nicht die Schuld beim Bundeskanzler suchen, so Gassner, falls die EU dennoch Einsparungen im Agrarbereich vornehme.

In Richtung des B-Mandatars Widmann vermerkte Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G), dass eine Einstellung der Zahlungen an Griechenland auch kein Geld für die Gläubiger bedeuten würde. Die europäische Solidarität gebiete es, Griechenland unter die Arme zu greifen, denn auch Österreich würde sich Hilfestellungen der anderen EU-Länder erwarten, sollte es in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Deutschland seien nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls 90% seiner Schulden erlassen worden. Van der Bellen stellte die Möglichkeit in den Raum, dass die zukünftige Regierung in Athen die Vereinbarungen mit der EU für nichtig erklärt und folgerte, dass Griechenland ohne europäische Hilfszahlungen bald zahlungsunfähig wäre. Er würde die Erklärung des Staatsbankrotts in Griechenland sogar als "Notwehrhandlung" interpretieren, erklärte der G-Mandatar und meinte, immerhin habe die griechische Bevölkerung bereits zu lange unter der wirtschaftlichen Depression leiden müssen. Es sei nun alles daran zu setzen, der "Ansteckungsgefahr" innerhalb der EU entgegenzutreten, plädierte Van der Bellen. Der ESM sei ein wichtiges Mittel dafür, allerdings dürfte die parlamentarische Kontrolle dabei nicht blockiert werden.

Als "Lichtblick" definierte Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) das gestrige Treffen zwischen dem neugewählten französischen Präsidenten François Hollande und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, denn nun würde der europäischen Politik eine neue Richtung gegeben. Europa benötige eine einheitlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik, appellierte Matznetter und sprach sich dafür aus, den "Steuerwettbewerb" in der EU zu beenden. So zahle etwa Griechenlands größter Wirtschaftszweig, die Schifffahrt, keine Steuern. Dieses Problem könne nur auf europäischer Ebene gelöst werden, zeigte sich der S-Mandatar überzeugt.

Bei der abschließenden Abstimmung wurde der Bericht des Finanzministeriums über die EU-Jahresvorschau 2012 mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Glückspiel mit Rettungsanker

Der Spielerschutz war schließlich Thema einer Diskussion, die auf einen Bericht der Finanzministerin über die Möglichkeiten der Einführung einer betreiberunabhängigen Spielerkarte beruhte.

Betreiberunabhängige Spielerkarten sind als ein Informationsinstrument gedacht und dienen dem Spielerschutz. Der Spieler muss sich dabei über eine Karte gegenüber dem System identifizieren. Die für die Funktionen einer Spielerkarte notwendigen Informationen können entweder lokal auf der Spielerkarte selbst oder zentral auf einem Server gespeichert werden. Spielerkarten geben dem Spieler Informationen zum eigenen Spielverhalten, darüber hinaus ist auch eine Begrenzung von Spieldauer oder Einzahlungen bzw. ein Ausschluss vom Spiel durch den Spieler selbst möglich.

Damit können aber auch Daten für statistische Zwecke erhoben werden, wobei der Datenschutz beachtet werden muss. Bestehende Maßnahmen zum Spielerschutz sind etwa die elektronische Anbindung von Glückspielautomaten und Video Lotterie-Terminals an das Bundesrechenzentrum. Der Bericht geht aber auch auf die juristische Problematik hinsichtlich der Zwangsmaßnahmen und Fremdbegrenzungen ein. Für 2014 kündigte Finanzministerin Fekter einen weiteren Folgebericht nach Vorliegen der Evaluierung der Spielerschutzmaßnahmen des Glückspielgesetzes an. Der gegenständliche Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) beschrieb eingangs zahlreiche Bestimmungen, die im österreichischen Glücksspielgesetz zum Schutz der SpielerInnen und zur Spielsuchtprävention vorgesehen sind. Die Begrenzung der Anzahl von Spielautomaten, die Ausweiskontrolle, ein Mindestalter und Sperren von SpielerInnen sowie eine eigene Stabstelle im Finanzministerium für diesen Bereich. Weiters sei auch die elektronische Anbindung von Glücksspielautomaten an das Bundesrechnungszentrum vorgesehen. Das völlige Verbot von Glücksspiel halte er für wenig zielführend, erklärte Stummvoll, denn dadurch würden nur Wege zu Glückspieleinrichtungen im Ausland oder im Internet beziehungsweise in die Illegalität geebnet. Aus dem Bericht der Finanzministerin gehe eindeutig hervor, dass zur Realisierung der Schutzmaßnahmen die Akzeptanz durch die Spielenden notwendig sei, betonte der V-Mandatar und äußerte sich positiv zu dem Ansatz, durch aufklärende Informationen an die SpielerInnen heranzutreten. Für das Tourismusland Österreich sei es jedoch auch wichtig, zwischen Personen, die vor dem sozialen Ruin durch das Glücksspiel geschützt werden müssen und reichen Gästen aus dem Ausland zu unterscheiden.

Ein Verbot löse nicht das Glückspielproblem, meinte auch Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) und plädierte stattdessen für strengere Regelungen. Es gebe noch viele offene Punkte zum Umgang mit dem Glücksspiel, etwa im Internet. Mit der betreiberunabhängigen Spielerkarte, die im Bericht beschrieben wird, träten weitere Fragestellungen zutage, so Krainer. Er regte in diesem Zusammenhang eine Enquete im Parlament an, bei der Fragen der Personalisierung von Spielerkarten, Begrenzungen der einzelnen SpielerInnen oder die Abgrenzungsmöglichkeiten zum Glücksspiel für TouristInnen diskutiert werden könnten. Auch die Reichweite des wirksamen Schutzes gegen Spielsucht sei zu erörtern, gab Krainer mit Hinblick auf Gewinnspiele wie Lotto oder Klassenlotto zu bedenken.

Ein völliges Verbot des Glücksspiels treibe die Menschen in die Illegalität, stimmte Abgeordneter Roman HAIDER (F) der Erkenntnis des Berichts zu. Das kleine Glücksspiel solle in Österreich daher erlaubt bleiben. Bedenklich stimme ihn jedoch die mit rund 64.000 Personen hohe Anzahl Spielsüchtiger im Land, und dass von diesen wiederum 60% ihr Geld an Automaten verspielen. Falls die betreiberunabhängige Spielerkarte ein Mittel zur Bekämpfung der Spielsucht darstelle, sei es durchaus sinnvoll dieses Instrument einzuführen, glaubte Haider. Er als Vorsitzender des Tourismusausschusses habe zudem größtes Interesse an der Ausarbeitung eines speziellen Spielerkartenmodells, etwa in Form einer aufladbaren Chipkarte, für gutbetuchte TouristInnen in Österreich.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) begrüßte den Bericht, der einen verspäteten aber guten Überblick zur Thematik gebe. Die SPÖ kritisierte der Redner wegen ihrer uneinheitlichen Position in der Frage Glückspiele, wobei sich Westenthaler vehement gegen Vorschläge wandte, Glückspiele in Österreich zu verbieten. Falsch wäre dies deshalb, weil es illegale Angebote und Glückspiele jenseits der Grenzen begünstigen würde, wo Spielerschutz nicht möglich und die "Abzocke" junger Menschen nicht verhindert werden könne. In der Glückspielpolitik sollte man auf seriöse Unternehmen setzen, die selbst Kontrollen, Spielerkarte und Selbstsperren ermöglichen. Kritik übte Peter Westenthaler an Ausschreibungen zugunsten des Quasi-Monopolisten Casinos Austria und warnte vor einem Chaos auf dem Glücksspielmarkt, sollten wettbewerbswidrige Ausschreibungen aufgehoben werden.  

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) bekannte sich ebenfalls zum Spielerschutz, vor allem beim "kleinen Glücksspiel" und bei Spielautomaten und plädierte für eine betreiberunabhängige Spielerkarte, die Selbstbeschränkungen für Spieler ermögliche. Lobend äußerte sich Steindl zur erfolgreichen Arbeit der Finanzpolizei beim Kampf gegen illegale Glückspielanbieter in Salzburg und untermauerte die strikte Vorgangsweise der Behörden mit dem Hinweis darauf, dass die ÖsterreicherInnen bereits mehr Geld für Glücksspiele ausgeben als für Lebensmittel.

Auch Abgeordneter Johann MAIER (S) dankte der Finanzpolizei für ihre hervorragende Arbeit, die durch 700 Kontrollen und durch Beschlagnahme von mehr als 2.800 Automaten sowie durch 90 Mio. € an zusätzlichen Einnahmen zum Ausdruck komme. Maier wandte sich gegen illegale Glückspielbetreiber, die den Eindruck zu erwecken versuchen, das Glücksspielgesetz wäre EU-rechtswidrig. "Dieses Gesetz ist EU-konform", hielt Johann Maier fest. Die betreiberunabhängige Spielerkarte hält der Abgeordnete für notwendig. Als skandalös bezeichnet Maier, dass private Firmen Dossiers über Abgeordnete und Beamte anlegen, die sich für den Spielerschutz engagieren. Das sei ein Thema für den Untersuchungsausschuss. Eine Parlamentarische Enquete sollte sich mit der Frage eines umfassenden Glückspielbegriffs und mit den unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern sowie mit der Geldwäscheproblematik befassen, schlug Johann Maier abschließend vor. 

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) zeigte sich besorgt darüber, dass 64.000 Menschen in Österreich als spielsüchtig gelten und machte dabei auf die enormen Probleme in den Familien der Betroffenen aufmerksam. Die Frage laute aber, ob man diesem Phänomen mit einer Spielerkarte effizient entgegentreten könne. Linder warnte vor  enormem bürokratischen Aufwand bei der Administration einer Spielerkarte und riet, die Kosten-Nutzenrelation einer Spielerkarte genau zu prüfen. 

Abgeordneter Werner KOGLER (G) hält es für einen weiteren Nachteil des Föderalismus, dass beim Glücksspiel in jedem Bundesland anders "herumgefuhrwerkt" werde. Beim Thema "Spielerkarte" stellte der Redner fest, es werde wichtig sein, wie diese ausgestaltet werde. Als ungeheuerlich bezeichnet Kogler, dass die Geldwäschebestimmungen in manchen Bundesländer nicht eingehalten werden.

(Fortsetzung Nationalrat)


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