Parlamentskorrespondenz Nr. 540 vom 26.06.2012

"Gemeinsam und offen in die Zukunft"

Feierstunde im Parlament anlässlich 50 Jahre Gemeindeverfassung

Wien (PK) – Am 12. Juli 1962 verankerte der Bundesgesetzgeber die kommunale Selbstverwaltung in der Bundesverfassung. Eine Festveranstaltung unter dem Motto "Gemeinsam und offen in die Zukunft", zu der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gemeinsam mit dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund ins Parlament eingeladen hatten, bot heute Gelegenheit, den Stellenwert der Gemeindeautonomie besonders hervorzuheben und das demokratische Selbstverständnis der Kommunen zu ehren, aber auch die künftigen Herausforderungen der Städte und Gemeinden aufzuzeigen.

Prammer: Gemeinden bieten Bürgernähe und Service vor Ort

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer würdigte in ihren Begrüßungsworten die Gemeinden als Ausdruck von Bürgernähe und Service vor Ort und meinte, die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Bedingungen mögen sich in den letzten 50 Jahren verändert haben, was bleibe, sei der Umstand, dass die Menschen in ihrer Gemeinde ihr Zuhause haben. Sie erinnerte an ihre eigene Tätigkeit als junge Gemeindebedienstete in ihrem Heimatort und stellte fest, in den Gemeinden erlebe man die Probleme hautnah, man werde doppelt herausgefordert. Prammer nahm auch zur aktuellen Diskussion über die Bundesstaatsreform Stellung und rief dazu auf, die Gemeinden als dritte Ebene dabei nicht auszuklammern. Wichtig war es für die Nationalratspräsidentin insbesondere, den Gemeinden mehr unmittelbare Kompetenzen an die Hand zu geben und die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu fördern.

Besonders willkommen hieß Prammer Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Moosburg und des BG/BRG Klosterneuburg, die im Rahmen der Veranstaltung als Ergebnis eines Ideenwettbewerbs Projekte über die räumliche Gestaltung des Bildungscampus Moosburg bzw. die Homepage der Gemeinde Klosterneuburg präsentierten.

Mödlhammer: Mehr Partnerschaft zwischen Gemeinden, Ländern und Bund

Helmut Mödlhammer (Präsident des Österreichischen Gemeindebundes) eröffnete sein Statement mit einem Rückblick: Am 12.7.1962 als die Rolling Stones erstmals öffentlich auftraten, sei in Österreich nicht Musikgeschichte, sondern Verfassungsgeschichte geschrieben worden, die Beschlussfassung der Gemeindeverfassung sei kein rollender Stein, sondern ein Meilenstein gewesen, legte sie doch die Prinzipien der Selbstverwaltung erstmals positiv fest. Damit sei die Gemeinde als Keimzelle des Staates mit einer erhöhten Bestandsgarantie verankert und mit einem eigenen Wirkungsbereich ausgestattet worden, betonte Mödlhammer. Der Nationalrat habe den Gemeinden damals die Zukunft des noch jungen Österreich anvertraut. Heute seien die Gemeinden bereit, sich den großen aktuellen Aufgaben zu stellen, versicherte der Präsident des Gemeindebundes und fügte hinzu, die Kommunen bräuchten dazu Verständnis, ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Bundesländern und dem Bund, eine stabile und nicht bloß stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Haushaltspolitik und ein klares Bekenntnis zu den verfassungsrechtlichen Grundwerten, die 1962 verankert wurden.    

Mödlhammer rief dazu auf, alles zu tun, damit sich Österreichs Gemeinden auch in Zukunft so beispielhaft und positiv entwickeln können wie in den letzten 50 Jahren. Er wünschte in diesem Sinn die Verankerung des partnerschaftlichen Bundesstaats als modernes, föderales Bauprinzip in der Verfassung sowie auch die Einräumung der Möglichkeit für die Gemeinden, Verträge mit Bund und Ländern zu schließen.

Häupl: Kommunale Stimme in Europa unüberhörbar machen

Michael Häupl (Präsident des Österreichischen Städtebundes) unterstrich, mit der Verankerung der Selbstverwaltung der Gemeinden habe der Nationalrat vor 50 Jahren etwas besiegelt, worum jahrzehntelang gerungen worden war. Seit 1962 stehen damit Städte und Gemeinden in den Verhandlungen dem Bund und den Ländern als gleichberechtigter Partner gegenüber. Auch Häupl bezeichnete die Gemeinden als jene Ebene, auf der Serviceleistungen für die BürgerInnen erbracht werden, und würdigte die kommunale Infrastruktur in Österreichs Städten und Gemeinden als auch im internationalen Vergleich unübertroffen. Wenn Umfragen immer wieder die Zufriedenheit der Menschen mit den Leistungen der Daseinsvorsorge belegen, dann sei dies auch als Wunsch zu verstehen, diese Einrichtungen in der öffentlichen Hand zu belassen. Er beklagte, in der realen Verfassung seien Städte und Gemeinden in letzter Zeit verstärkt in die Abhängigkeit der Länder geraten und könnten auf Grund ihrer finanziellen Probleme ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen. Er leitete daraus strukturellen Handlungsbedarf ab und forderte eine Neudefinition der Aufgaben der Gemeinden und ihrer Finanzierung.

Häupl sprach auch die europäische Ebene an und betonte, es gehe vor allem darum, die kommunale Stimme der Städte und Gemeinden in Brüssel unüberhörbar zu machen. Mit Nachdruck bekannte sich der Wiener Bürgermeister in diesem Zusammenhang zur Europäischen Union, zu einem "bürgernahen Volkseuropa", und meinte, die Lösung liege nicht in einem Weniger, sondern in einem Mehr an Europa. Den Städten komme dabei die Rolle der Laboratorien des Kontinents zu. Auch in der Verwaltungsreform haben, so Häupl, die Städte und Gemeinden ihre Vorreiterrolle unter Beweis gestellt. Heute gehe es darum, die Rahmenbedingungen ständig an die Lebensrealität anzupassen, die Gemeinden seien bereit dazu, versicherte Häupl.

Pichler fordert mehr direkte Demokratie und Bürgernähe

Johannes Pichler (Institut für Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung, Karl-Franzens-Universität Graz) stellte einen flammenden Appell für mehr direkte Demokratie an den Beginn seiner Festrede und gab dabei zu bedenken, wer mit der direkten Demokratie Probleme habe, der habe ein Problem mit der Demokratie an sich. Er spannte sodann einen historischen Bogen, der von den bäuerlichen Freiheiten und den Stadtrechten des Mittelalters über den Zentralismus der frühen Neuzeit bis hin zur erstmaligen Verankerung des kommunalen Prinzips im Jahr 1849 reichte, und zog den Schluss, an dem Grundsatz der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung komme auch heute weder der Staat noch die Union vorbei. Pichler bekannte sich mit Nachdruck zur Europäischen Union und lenkte dabei seinen Blick in die Zukunft: Am Ende dieses Jahrhunderts werde es ein Europa als "draußen" und die Gemeinden als "drinnen" geben, in einer echt europäischen Gesellschaft werden dann die Bürgerinnen und Bürger Europas die wahren Souveräne des Kontinents sein, die Nationalstaaten werden zwar Kontrollkompetenzen bewahren, die essentiellen Entscheidungen hingegen werden nicht mehr in den nationalen Parlamenten fallen, sagte er.

Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung sah Pichler in einem deutlichen Ausbau der Bürgerbeteiligung. Er rief in diesem Sinn die BürgermeisterInnen auf, direkte Demokratie zu üben und ihre Gemeindestuben für "open gouvernment" zu öffnen. Es gelte, meinte er, am Aufbau einer europäischen Zivilgesellschaft zu arbeiten und das Subsidiaritätsprinzip nach unten weiter zu entwickeln. Eine besondere Rolle der Gemeinden ortete Pichler auch bei der Unterstützung europäischer Bürgerinitiativen.

Insgesamt wandte sich Pichler gegen Demokratieverdrossenheit und richtete an Städte und Gemeinden einen eindringlichen Appell, die Kluft zwischen BürgerInnen und Politik, die Kluft zwischen BürgerInnen und Europa zu überbrücken.

Schmied: Bildung ist Standortfaktor für Gemeinden

Claudia Schmied (Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur) sah die Bildung als wichtigen Standortfaktor für die Kommunen und gab zu bedenken, alle jungen Menschen, die heute in eine Schule gehen, würden in 10 und 20 Jahren das Schicksal unseres Landes bestimmen. Es gehe daher darum, mehr in Schule, in Bildung und Ausbildung zu investieren, politische Schwerpunkte im Bildungsbereich zu setzen und die Maßnahmen dann auch zu implementieren. Bei diesen großen Themen seien Bündnispartner über die Parteigrenzen hinweg unverzichtbar, meinte Schmied und sprach dabei vor allem auch die Rolle der Städte und Gemeinden an. Sie bekannte sich zum Ausbau der Ganztagsschulen und betonte, Österreich brauche Schulen, in denen Talente gefördert werden. Jeder von uns könne irgendetwas besonders gut, sei in einem Bereich Elite und könne dadurch zum Wohlstand des Landes beitragen, sagte sie. Wichtig sei es daher, niemanden zurück zu lassen, sondern vielmehr die Begabungen eines jeden Einzelnen zu entdecken und im Sinne einer neuen Lehr- und Lernkultur zu fördern.

Zu den Zielen der Bildungspolitik hielt Schmied fest, über die Parteigrenzen hinweg gebe es Konsens, jetzt gehe es darum, Schritt für Schritt unverdrossen weiter zu arbeiten. Vieles habe man schon erreicht, vieles habe man aber auch noch vor sich. 

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.