Parlamentskorrespondenz Nr. 587 vom 04.07.2012

ESM und Fiskalpakt nehmen Hürden im Nationalrat

Parteien bekräftigen ihre Standpunkte

Wien (PK) – Am Nachmittag wurde im Nationalrat weitere sechs Stunden über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalpakt diskutiert und abgestimmt. Dazu gehört auch die Änderung des Art. 136 AEUV. Die Mitwirkungsrechte des Parlaments wurden durch die ESM-Begleitnovelle sowie durch eine Änderung der Geschäftsordnung festgelegt. Erwartungsgemäß wurde der Fiskalpakt nur mit Regierungsmehrheit verabschiedet, der ESM erreichte mit den Stimmen der Grünen die erforderliche Verfassungsmehrheit.

Allheilmittel oder Apokalypse

Beim letzten Gipfeltreffen in Brüssel sei klar geworden, worum es beim ESM wirklich geht, vermutete Abgeordneter Elmar PODGORSCHEK (F). Nunmehr soll es nämlich möglich sein, dass das Geld der Steuerzahler direkt – also ohne Umweg über die Regierungen - in den Bankenbereich fließen kann. Damit wurde letztendlich die Herrschaft der Banken über die Politik besiegelt, verdeutlichte der Redner. Und dass die Banken nicht immer im Interesse des kleinen Mannes tätig sind, habe man in den vergangenen Jahren nun schon öfters leidvoll miterleben müssen. Außerdem bezweifelte Podgorschek, dass die bestehenden Handels- und Wirtschaftsungleichgewichte zwischen den einzelnen Ländern jemals ausgeglichen werden können. Der Euro sei seiner Meinung nach einfach eine Fehlkonstruktion, an der nicht länger festgehalten werden soll.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) wiederholte seine Kritik an den Freiheitlichen, die angesichts der Krise in Europa keine Lösungen anbieten und nur apokalyptische Angstszenarien in den Raum stellen. Niemand habe behauptet, dass der ESM das einzige Allheilmittel sei, aber es handle sich dabei um die einzig richtige Antwort für die aktuellen Probleme in der EU, war der Redner überzeugt. Wenn man jetzt keine Aktivitäten setzt, dann riskiere man den Zerfall Europas, weil man dann Griechenland, Italien und Spanien nicht mehr helfen könne. Aufgrund der engen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen hätte ein Bankrott dieser Länder natürlich auch verheerende Auswirkungen auf den Rest der EU, unterstrich Wittmann. Die Durchführung einer Volksabstimmung sei deshalb nicht notwendig, weil der ESM ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 25 Staaten ist und die Verfassung nicht ändert.

Er würde sich auch wünschen, dass die Maßnahmen rund um den ESM endlich einmal greifen, um auf europäischer Ebene weiterzukommen, erklärte Abgeordneter Josef BUCHER (B). Leider führe der heutige Beschluss aber zum Gegenteil, weil dadurch die Situation in Europa noch verschlimmert werde. Kritik übte er auch an den vielbeschworenen Mitbestimmungsrechten für das Hohe Haus. In der Realität werde ein geheimer Unterausschuss eingerichtet, wo Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefällt werden können, bemängelte Bucher. Außerdem müsse man dem G-Abgeordneten Van der Bellen beipflichten, wonach der vorliegende Vertrag aufgrund der Entscheidungen am letzten EU-Gipfel inhaltlich schon wieder überholt ist, weil die Banken nun direkt in die Taschen der Steuerzahler greifen können. Die Entwicklungen werden seiner Meinung dazu führen, dass Deutschland und die starken Volkswirtschaften des Nordens eine eigene Parallelwährung einführen, wie dies auch schon von einigen Wirtschaftsexperten vorhergesehen wird.

Argumente wiederholen sich

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) gab zu bedenken, dass die Debatte nur mehr eine Wiederholung der jeweiligen Argumente bringe, zumal die angesprochenen Themen in den letzten Monaten ausführlich auf parlamentarischer Ebene diskutiert wurden. Es sei richtig, dass es um eine komplexe Materie gehe, die vom Staatsbürger oft nur schwer durchschaut werden könne, räumte der ÖVP-Mandatar ein. Der Grundsachverhalt sei allerdings sehr einfach, weil es beim heutigen Beschluss primär darum gehe, die Stabilität des Euro zu erhalten. Ein solcher Mechanismus, der an strenge Auflagen gebunden ist, könne von den Mitgliedstaaten beschlossen werden, wenn dies unbedingt notwendig sei. Wer könne dagegen sein, dass Sparguthaben, Pensionen, Löhne und Gehälter abgesichert werden, fragte er in Richtung BZÖ und FPÖ.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) gab gegenüber seinem Vorredner zu bedenken, dass es auch in den Reihen der Regierungsparteien und der Grünen zahlreiche Politiker gebe, die den ESM viel skeptischer sehen als er hier heute präsentiert wird. Er könne auch das Argument nicht mehr hören, wonach es allen seit der Einführung des Euro viel besser gehe. Tatsache sei, dass in Österreich mittlerweile eine Million Menschen an der Armutsgrenze leben und 250.000 Personen sogar darunter. Unrichtig sei auch, dass der österreichische Export so massiv vom Euro abhänge, merkte Themessl kritisch an. Über 70 % der exportierten Waren gingen in Länder, die sich außerhalb der Euro-Zone befinden.

Die Zustimmung zum ESM falle auch ihm schwer, da damit natürlich nicht alle Probleme gelöst werden und weitere Schritte folgen müssen, räumte Abgeordneter Werner KOGLER (G) ein. Wichtig wären vor allem die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie die Emission gemeinsamer europäischer Staatsanleihen. Der als Überbrückungshilfe für vorübergehend zahlungsunfähige Staaten konzipierte ESM sei im Grunde ein vernünftiges Instrument, so der Redner, er würde es allerdings für sehr schlecht halten, wenn in Zukunft die Banken ohne besondere Konditionen und Prüfungen direkt bedient würden. Voraussetzung dafür sei jedenfalls die Etablierung einer europaweiten Bankenaufsicht mit Durchgriffsrechten. Schließlich brachte er noch einen S-V-G-Entschließungsantrag ein.

Fekter: Wer gegen ESM stimmt, stimmt für Spekulanten

Finanzministerin Maria Theresia FEKTER erklärte den Europäischen Stabilitätsmechanismus als eine internationale Finanzinstitution, an der Österreich Anteile haben werde wie auch am IWF, der Weltbank, der Europäischen Investitionsbank und an anderen Entwicklungsbanken. Der ESM werde als ein Europäischer Währungsfonds wirken und zur Bewältigung der Schuldenkrise beitragen. Dazu komme der Fiskalpakt, der es erlaube, Schuldensünder zu bestrafen und bei ökonomischen Ungleichgewichten einzuschreiten. An dieser Stelle wies die Finanzministerin auf die Vorreiterrolle Österreichs bei der Budgetkonsolidierung hin, die mit Zukunftsinvestitionen in Milliardenhöhe für thermische Gebäudesanierung, Klimaschutz, Wissenschaft, Forschung und Bildung verbunden ist. All dies könne einen wirksamen Brandschutz gegen Krisen nicht ersetzen. Daher werde der ESM auf den Märkten für Staatsanleihen intervenieren und Spekulationen abwehren können. Wer gegen den ESM stimme, spreche für die Spekulanten, sagte die Finanzministerin. Wenn ein Mitgliedsland auf dem Kapitalmarkt kein Geld mehr bekomme, wenn eine Bankenkrise oder eine Staatskrisen drohe, könne der ESM eingreifen, aber nur, wenn der hilfsbedürftige Staat strenge Auflagen erfüllt. "Ohne Auflagenerfüllung keine Unterstützung", stellte die Finanzministerin klar.

Der ESM regelt, wie man mit Krisen umgeht, statt den Kopf vor der Krise in den Sand zu stecken. Europa brauche einen permanenten Stabilitätsmechanismus, sagte Fekter und wandte sich entschieden gegen falsche Behauptungen in der EMS-Diskussion. Der ESM- Gouverneursrat könne kein Geld von Österreich abrufen und Österreich gebe auch seine Budgethoheit nicht auf. "Eigenkapital des ESM kann nur aufgrund eines Parlamentsbeschlusses erhöht werden", sagte Fekter und betonte, Österreich habe die stärksten parlamentarischen Mitwirkungsrechte aller Mitgliedsländer beim EMS.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) wandte sich entschieden dagegen, eine Haftung für 20 Mrd. € Schulden zu übernehmen, die nicht in Österreich, sondern von ausländischen Spekulanten verursacht wurden. Scheibner erinnerte an vergangene Rettungsmaßnahmen, von denen es jeweils hieß, es sei das letzte Mal, und warnte vor künftigen Beschlüssen über noch mehr Geld des Steuerzahlers für den ESM. Der Redner erinnerte an die Fehler bei der Gründung der Eurozone und bei deren Erweiterung und machte darauf aufmerksam, dass seine Fraktion damals aus guten Gründen eine Verschiebung der Eurozone beantragt habe. Der wahre Grund für die Gründung der Eurozone, der Wunsch Frankreichs, die D-Mark angesichts der deutschen Wiedervereinigung nicht noch stärker werden zu lassen, gelte heute nicht mehr, es sei unverantwortlich, noch mehr Geld in dieses gescheiterte Projekt zu pumpen, kritisierte Scheibner und plädierte dafür, das Projekt einer gemeinsamen Währung neu aufzustellen und nur Länder daran teilnehmen zu lassen, die ökonomisch vergleichbar sind. Am Euro in seiner gegenwärtigen Form festzuhalten bedeute, den Weg für weitere Spekulationen frei zu machen, sagte Scheibner. Statt dauernd Krisenfeuerwehr zu spielen, sollte sich die Europäische Union auf ihre wahren Ziele besinnen, nämlich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, um in der Konkurrenz mit China und anderen neuen Mächten bestehen zu können.  

Euro muss stabil bleiben

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) erinnerte seinen Vorredner daran, dass es ein "blauer" Finanzminister gewesen sei, der in Brüssel dem EURO-Beitritt Griechenlands zugestimmt habe. Der ESM werde künftig eingreifen können, wenn ein Staat auf den Finanzmärkten nur noch zu Wucherzinsen Geld auftreiben kann. In diesem Fall wird es zu strengen Bedingungen und unter strengen Kontrollen Hilfe geben. Es könnte in der Zukunft notwendig werden, den ESM aufzustocken, räumte Krainer ein, der es für wichtig hielt, dem ESM eine Banklizenz zu geben, um die Zinsenbelastung aller europäischen Länder für Anleihen senken zu können. An einer gemeinsamen zinsengünstigeren Finanzierung Europas werde gearbeitet, teilte Krainer mit Freude mit.

Die Stabilität des Euro sei gut, sagte der Redner und machte auf die geringe Inflation in der Euro-Zone und auf die Stärke gegenüber dem Dollar aufmerksam. Auch erleichtere der Euro die Exporttätigkeit der Betriebe, unterstrich Krainer, wobei er festhielt, dass dies im besonderen Interesse Österreichs liege. Weiters informierte der Abgeordnete über die Kontrollmechanismen beim ESM und hielt es beim Thema "Auflagen" für verständlich, dass Länder, die anderen Staaten helfen, bei der Verwendung ihrer Geld mitreden wollen. Außerdem erläuterte Abgeordneter Krainer die Mitsprache des Parlaments bei Entscheidungen des ESM. Die Opposition erinnerte Krainer daran, dass das Risiko, das Kärnten bei den Haftungen für die Hypo-Alpe-Adria eingegangen sei, zwanzigmal größer war, als das österreichische Risiko beim ESM.

Abgeordneter Alois GRADAUER (F) leitete seine Ausführungen mit der Feststellung ein, er wäre in seinem Zivilberuf als Kaufmann niemals bereit gewesen, einen Vertrag wie den ESM zu unterschreiben. Österreich verliere mit diesem unkündbaren Vertrag seine politische Souveränität, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Es wäre dringend notwendig, das Volk zu dieser Entscheidung zu befragen, denn Österreich müsse – bei einer Staatsverschuldung von 283 Mrd. € und 10 Mrd. € Zinsenbelastung pro Jahr – weiteres fremdes Geld aufnehmen, um seine Anteile beim ESM einzahlen zu können. Gradauer bezeichnete diese Vorgangsweise als grob fahrlässig und wies darauf hin, dass 250.000 Menschen in Österreich unter der Armutsgrenze leben und manche dieser Menschen nicht mehr als 10 € pro Woche zur Verfügung hätten.

Feuerwehr und Brandschutz

Abgeordneter Jakob AUER (V) räumte ein, dass in Europa Fehler gemacht wurden, man müsse aber fragen, welche Lösungen bestehen. Der ESM sei zwar kein Allheilmittel, derzeit aber die einzige gangbare Möglichkeit. Natürlich wäre es besser, man bräuchte keine Feuerwehr, aber wenn ein Brand nicht auszuschließen sei, könne man auf Brandschutz nicht verzichten. Auer befasste sich auch mit den Ursachen der Krise und erinnerte an die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, als Sparkassen dafür gerügt wurden, wenn sie bei einem Wirtschaftswachstum von 2 bis 3 % Gewinne unter 25 % machten. Damals habe man fälschlicherweise geglaubt, man könne aus nichts Geld machen. Die Konjunktur sei nicht zuletzt auch eine Frage der Stimmung, sagte der Obmann des Budgetausschusses und meinte, Österreich habe keinen Grund zum Krankjammern, aber viel Grund stolz zu sein auf ökonomische Daten, die als Benchmarks gelten. Vor allem dürfe man nicht vergessen, welche Vorteile der Euro Österreich bringe, mahnte Auer und konfrontierte FPÖ und BZÖ mit der Frage, warum sie sich auf eine Ebene mit den deutschen "Linken" begeben, die als einzige Partei im Bundestag den ESM abgelehnt haben.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) brachte ebenfalls einen Feuerwehrvergleich und hielt es für unverantwortlich, den eigenen Löschteich zu leeren, um das fast abgebrannte Nachbarhaus zu löschen, statt das Übergreifen des Brandes auf das eigene Haus zu verhindern. "Der ESM funktioniert nicht", sagte Hagen und bemühte sich um eine Erklärung: Nicht die Schulden und Defizite vieler Euroländer seien der Kern des Problems, sondern die Leistungsbilanzdefizite südeuropäischer Staaten. Daher können die strengen Auflagen, die der ESM bei Finanzhilfen vorsehe, gar nicht durchgezogen werden, analysierte Hagen. Außerdem verletze der ESM die Nichtbeistandsklausel im EU-Vertrag und schränke die Haushaltsrechte der Parlamente ein, kritisierte Hagen, der sich für eine Volksabstimmung aussprach und keinen Grund erkennen konnte, warum Österreich Geld für ausländische Banken zahlen soll, das es dringend für die Sicherheit seiner Bürger brauche.

Schieder bedauert Ausstieg von FPÖ und BZÖ

Staatssekretär Andreas SCHIEDER machte auf die Verbindung des ESM mit dem Fiskalpakt aufmerksam und schilderte den langen Weg der Entwicklung vom EFSF zum ESM und die Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien und den Grünen, wobei der Staatssekretär sein Bedauern darüber aussprach, dass sich FPÖ und BZÖ selbst aus der Diskussion genommen haben. Die Mitentscheidung des Nationalrats beim ESM-Vertrag sei garantiert, ohne Geheimhaltungspflichten zu verletzen und es werde auch sichergestellt, dass wichtige Entscheidungen ohne Verzögerung getroffen werden können. Staatssekretär Schieder begrüßte auch das gemeinsame Bekenntnis zu Wachstum und Investition als wichtigen Impuls bei der Budgetkonsolidierung und die grundsätzliche Entscheidung für eine Finanztransaktionssteuer, in dem jene Länder die eine solche Steuer einführen wollen, ausdrücklich die Möglichkeit dafür haben. An dieser Stelle habe Österreich die Diskussion in der EU entscheidend vorangetrieben, berichtete der Staatssekretär. Ein Konvent werde eingerichtete, um die Frage zu klären, wie man mit Eurobonds umgehen werde und überdiese soll ein Bankeninsolvenzrecht geschaffen werden.

Der ESM bringe Stabilität und wirke der Spekulation entgegen, so Schieder weiter. Er gewähre Hilfen unter strengen Auflagen und schütze auch Österreich vor systemischen Krisen. Der österreichische Beitrag von 2,8 % entspreche der österreichischen Leistungsfähigkeit, zeigte sich Schieder überzeugt und unterstrich sein Bekenntnis zu einer wachstums- und beschäftigungsorientierten Politik. In seinem Schlusssatz ließ der Staatssekretärs Optimismus anklingen: Seit den jüngsten Gipfelbeschlüssen erholten sich die Finanzmärkte und die Zinsenspreads blieben stabil. Der ESM ist für Andreas Schieder ein erster Schritt, dem eine Finanztransaktionssteuer, ein Wachstumspakt und die Regulierung der Finanzmärkte folgen sollen.

ESM auch ohne Fiskalpakt möglich

Für Abgeordneten Alexander VAN DER BELLEN (G) ist es unzulässig, die Union mit dem Euro gleichzusetzen. Außerdem räumte er mit dem Vorurteil auf, dass der Euro gerettet werden müsse. Diese Notwendigkeit habe es noch nie gegeben, sagte er, gerettet werden müssten nur illiquide Staaten. Der Wirtschaftsprofessor sieht auch keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fiskalpakt und ESM. Letzterer könne Gültigkeit erlangen, auch wenn der Fiskalpakt nicht in Kraft tritt, stellte er fest. Der ESM stehe in der Nachfolge der EFSF sowie der Interventionen der EZB, erläuterte Van der Bellen, und, so gesehen, hätte man der EZB diese Möglichkeiten auch lassen können, meinte er. Ein Instrumentarium zum Schutz vor Hysterie der Finanzmärkte ist ihm zufolge jedoch unerlässlich, denn vor allem kleine Länder laufen Gefahr, den Finanzmärkten hilflos ausgeliefert zu sein. Der ESM werde für den Schutz größerer Staaten nicht reichen, ließ er aufhorchen, daher müsse man auch die Interventionskapazität erhöhen, etwa über eine Banklizenz für den ESM. Jedenfalls sei es "extrem sinnvoll", illiquiden aber nicht insolventen Staaten zu helfen, unterstrich Van der Bellen und warnte davor, insolventen Staaten Geld nachzuwerfen.

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) befürchtete, dass die Jugend in Zukunft bis zum 70. Lebensjahr arbeiten und eine hohe Steuerquote in Kauf nehmen müsse. Für ihn ist es unerklärlich, dass SPÖ, ÖVP und Grüne den ESM bedingungslos ratifizieren wollen, vor allem wenn man täglich diesbezügliche Änderungen erlebt. Linder kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Banken nun direkt beim ESM Geld abholen könnten. Er hielt es für nicht zielführend, einen gemeinsamen Schutzschirm vor dem Hintergrund unterschiedlicher Volkswirtschaften, unterschiedlicher Wirtschaftskraft und unterschiedlicher Mentalität der europäischen Bevölkerung zu errichten. Es sei schäbig, Geld zu geben, das man dringend für das eigene Land brauche, bemerkte er abschließend.

Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) sah keinerlei Vorteil darin, wenn einzelne Länder aus der EU hinausgeschmissen würden. Den ESM bewertete er als geeignetes Instrument, um die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen. Das immer wieder von der FPÖ zitierte Vorbild Schweiz sei für ihn nicht stichhaltig, da dieses Land enorm viel Geld aufwenden müsse, um mit dem Euro konkurrieren zu können.

Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (B) kritisierte, aus der Wirtschafts- und Währungsunion werde nun eine Haftungsunion. Angesichts der prekären Lage in Italien und Spanien stellte sie die Frage, wie diese beiden Länder ihren Beitrag zum ESM überhaupt leisten sollen und befürchtete, dass Österreich von einem rascheren Kapitalabruf betroffen sein werde, was wiederum zu einem Ansteigen der Zinsen führe. Das Beispiel Griechenlands zeige, dass man nichts anderes mache, als Banken zu stützen, während die Bevölkerung verarme. Sie konnte auch nicht verstehen, dass man in Österreich selbst bei den Pensionen spart und Belastungspakete schnürt, während man das dringend benötigte Geld lieber nach Brüssel und Luxemburg schickt.

ESM und Fiskalpakt sind wie Zuckerbrot und Peitsche

Abgeordneter Wolfgang GERSTL (V) wies in seinem Redebeitrag auf die enge Verbindung Österreichs mit dem mächtigen Wirtschaftsraum Europa hin. Österreich erwirtschafte 56% des BIP aus Exporten, die zum Großteil, nämlich 70%, in den EU-Raum fließen. Das bedeute, dass zirka ein Drittel aller Arbeitsplätze von der Exportwirtschaft in Europa abhängen. Europa stelle die größte Wirtschaftsmacht bei nur 8% der Weltbevölkerung dar, man erwirtschafte ein Viertel des weltweiten BIP und die Hälfte aller Sozialleistungen, rechnete er vor. Wenn man das erhalten wolle, dann müsse man den Wettbewerb Europas und Österreichs stützen und einander gegenseitig helfen, konstatierte Gerstl. ESM und Fiskalpakt gehören ihm zufolge zusammen, beide seien wie "Zuckerbrot und Peitsche". Gerstl betonte des Weiteren, dass nur jene Länder Finanzhilfe bekommen, die den Fiskalpakt auch unterzeichnet haben. Dieser lege auch strikte Regeln für die Annahme der Hilfsleistungen fest. "Nur ein gesunder Staatshaushalt sichert Stabilität in Europa", sagte Gerstl abschließend, es gehe darum, die Spekulanten hintanzuhalten.

Abgeordneter Josef JURY (F) bekannte sich eingangs als "glühender Europäer", der für Souveränität und Selbstbestimmung der Völker stehe. Nun befürchte er, dass Europa "auf dem Altar der europäischen Zentralisten geopfert" werde. Mit der Beschlussfassung des ESM und des Fiskalpakts begehe man einen "Verfassungsputsch" und einen "kalten Staatsstreich", so sein Vorwurf. Es werde eine Transferunion gebaut, die ganz Europa in den Abgrund reiße.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) argumentierte, es gehe um den Schutz vor Krisen sowie um Gerechtigkeit und Kontrolle. Dazu benötige man eine Finanztransaktionssteuer sowie ein Bankeninsolvenzrecht. Die Grünen hätten darauf gedrängt, dass es in Österreich zu einem solchen Bankeninsolvenzrecht komme, und in diesem Sinne brachte die Abgeordnete einen gemeinsam von SPÖ, ÖVP und Grünen formulierten Entschließungsantrag ein. Unumgänglich sei aber auch ein grünes Investitionspaket, fügte sie hinzu, um eine Wende in der Wirtschaft zu erreichen und Arbeitsplätze zu schaffen.

PolitikerInnen sollen für ESM haften

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) sprach sich dezidiert gegen Eurobonds aus, da diese nur eine Erhöhung der Zinsen nach sich ziehen würden. Er bezweifelte auch, dass man die kommenden Problemfälle, wie etwa Italien, ausreichend finanzieren könne und verlangte eine Volksabstimmung über den heutigen Beschluss. Warum zwinge man die österreichischen SteuerzahlerInnen zu haften, während die Regierungsmitglieder und die Abgeordneten nicht privat beim ESM haften, fragte er und wandte sich mit Nachdruck gegen einen Zentralstaat Europa.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) warf BZÖ und FPÖ vor, Fehlinformationen zu verbreiten, Populismus zu betreiben und die Unwahrheit zu sagen. Deren Motto sei "Tarnen, Täuschen und Verunsichern". Steßl-Mühlbacher untermauerte ihre Meinung anhand einiger Beispiele und merkte unter anderem an, es sei falsch, dass Haftungen in unbegrenzter Höhe übernommen werden. Außerdem übten fünf unabhängige Personen die Kontrolle beim ESM aus, und durch die ESM-Begleitnovelle verfüge der Nationalrat über ein Vetorecht. Darüber hinaus sei Transparenz durch öffentliche Debatten im Plenum sicher gestellt, führte sie weiter aus und hielt fest, dass eine Volksabstimmung über völkerrechtliche Verträge nicht möglich sei.

Für Abgeordneten Christian HÖBART (F) haben Länder ohne Euro einen Vorteil gegenüber der Eurozone. Der Euro selbst baue auf einer falschen Architektur auf, denn man habe es mit unterschiedlichen Volkswirtschaften, unterschiedlichen Sozialsystemen und unterschiedlichen Mentalitäten zu tun. Höbart stellte auch die Behauptung in Abrede, dass der Wohlstand mit dem Euroraum zusammenhänge. Der ESM ist für ihn ein "finanzdiktatorisches Instrument", mit dem die Souveränität verloren gehe und der nur dazu diene, schwache Länder zu sponsern.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) kritisierte scharf die Wortwahl von FPÖ und BZÖ und hielt den beiden Oppositionsparteien vor, Verbesserungsvorschläge schuldig geblieben zu sein. Allein Fehleranalysen abzugeben, stelle keine politische Qualität dar, sagte er, die Herausforderung bestehe in der Fehlervermeidung. Er halte auch nichts davon, sich hinter einer Volksabstimmung zu verstecken. Es gehe darum, die EU stabil zu halten, Arbeit zu sichern und der Jugend Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Donabauer befürwortete vor allem eine strengere Bankenaufsicht in Österreich und Europa.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) sprach von einer "Märchenstunde von Rot, Schwarz und Grün". ESM und Fiskalpakt würden ihrer Ansicht nach alle auf Generationen hinaus stark negativ beeinflussen. Es würden lediglich die Banken gestärkt, die die Krise verschuldet haben. Den Befürwortern von ESM und Fiskalpakt warf sie vor, von Volksvertretern zu "Volksverrätern" zu werden. Die Bürgerinnen und Bürger seien dagegen, Souveränität an Brüssel abzugeben, stellte sie fest und kritisierte den Bundeskanzler wegen dessen Teilnahme am Bilderberger Treffen.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) stellte fest, der Grüne Klub habe es sich mit seiner Entscheidung nicht leicht gemacht. Der ESM sei sicherlich riskant, viel riskanter wäre es aber, die Augen vor der Realität zu schließen. Den Freiheitlichen und dem BZÖ warf Steinhauser vor, keinerlei Alternativen angeboten zu haben. Wichtig war für den Grün-Mandatar nun, dass jene, die die Spekulationskosten verursacht haben, auch ihren Beitrag leisten. Als Errungenschaft begrüßte Steinhauser die Einbindung des Parlaments bei Finanzhilfen an marode Länder und bei Kapitalaufstockung, die es seiner Meinung nach ermögliche, das massive Demokratiedefizit des ESM zu mildern.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) brachte einen Abänderungsantrag ein, in dem seine Fraktion die Abhaltung einer Volksabstimmung über den ESM-Vertrag fordert.

Märchen und Rückkehr zum Schilling

Abgeordneter Hubert KUZDAS (S) wies die Kritik von FPÖ und BZÖ an den neuen ESM-Ausschüssen bezüglich Haftungszahlungen, Immunität der Mitglieder und Geheimhaltung sämtlicher Informationen als "Märchen" zurück. Klar war für ihn hingegen, dass der ESM keine Solidarunion schafft und darüber hinaus eine enge Mitwirkung des Parlaments sicherstellt. Eine Rückkehr zum Schilling wäre "naiv", stellte Kuzdas überdies fest und fühlte sich in dieser Einschätzung durch die Meinung zahlreicher Experten bestätigt. Ein Zerfall der Währungsunion käme jedenfalls viel teurer als dieser ESM, stand für ihn fest.

Abgeordneter Martin STRUTZ (F) hielt seinem Vorredner entgegen, der ESM und der Fiskalpakt würden zu Lasten des Staates und der österreichischen Steuerzahler gehen. Schon jetzt fehle in Österreich das Geld für wesentliche Leistungen im Gesundheitssystem, der durch den ESM aufoktroyierte kollektive Sparkurs werde die Lebensbedingungen vieler Menschen weiter verschlechtern, warnte Strutz.

Abgeordneter Johann SINGER (V) wies auf die wirtschaftliche Bedeutung der Mitgliedschaft in der Währungsunion für Österreich hin und bekannte sich mit Nachdruck zum Euro und zur Absicherung der Gemeinschaftswährung. Die Beteiligung am ESM sei nicht nur eine Solidaraktion, sondern liege im ureigenen Interesse Österreichs, zeigte sich Singer überzeugt. Er konnte in den Beiträgen von FPÖ und BZÖ keinerlei Alternativen erkennen und erteilte zudem Forderungen nach einer Rückkehr zum Schilling eine klare Absage.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) untermauerte die Ablehnung seiner Fraktion und konterte, es gehe nicht an, dass unsere Kinder einmal für die Schulden der spanischen Banken zahlen müssten.

Abgeordneter Josef RIEMER (F) warf Rot, Schwarz und Grün vor, den ESM-Vertrag an den Bürgern "vorbei zu schummeln", und warnte darüber hinaus, Österreich würde mit der Ratifizierung seine Souveränität und bedeutende Teile seiner Budgethoheit aufgeben und für die Reformunwilligkeit der Südländer zahlen. Er sprach von "Putsch" und appellierte an die Abgeordneten der Regierungsparteien und der Grünen, ihre heutige Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Abgeordneter Erich TADLER (o.F.) pflichtete seinem Vorredner bei und konstatierte, mit der heutigen ESM-Entscheidung würde das Geld der zukünftigen Generationen "verzockt". Er vermisse Sanktionsmechanismen im Vertrag und sah im Mitspracherecht des Parlaments nur ein "Nullsummenspiel". Außer Zweifel stand hingegen für Tadler, dass mit der Zustimmung zum ESM der Weg zu Eurobonds freigemacht werde und Österreich seine Finanzhoheit aufgebe.

Abstimmung ohne Überraschungen

Die Regierungsvorlage zur Änderung des Art. 136 AEUV hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Euro-Staaten wurde in namentlicher Abstimmung mit 125 Ja- gegen 53 Neinstimmmen angenommen. Die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde erreicht.  

Ebenso mit namentlichen Abstimmung erreichte der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit: 126 Jastimmen zu 53 Neinstimmen.

Die ESM-Begleitnovelle wurde von 124 Abgeordneten befürwortet, von 51 abgelehnt. Damit ist auch in diesem Punkt das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit erfüllt. Der von der FPÖ eingebrachte Abänderungsantrag zu einer Volksabstimmung erzielte nur 54 Jastimmen und blieb damit in der Minderheit.

Auch die entsprechende Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats  erhielt in der 2. Lesung mit 126 zu 52 Stimmen eine Zweidrittelmehrheit. Die dritte Lesung findet voraussichtlich am Freitag statt.

Die begleitenden Maßnahmen im Bundesfinanzgesetz, in den Bundesfinanzrahmengesetzen und im Bundeshaushaltsgesetz wurden ebenfalls in einer namentlichen Abstimmung mit 126 Abgeordneten befürwortet und von 53 abgelehnt.

Die beiden S-V-G-Entschließungsanträge betreffend europäischen Konvent und Eurobonds sowie hinsichtlich Maßnahmen zur Prävention von Bankinsolvenzen passierten den Nationalrat mehrheitlich.

Harte Fronten beim Fiskalpakt

Aus mehreren Gründen erachtete Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) den Fiskalpakt als problematisch. Falls Länder gegen die vertraglichen Regelungen verstoßen, werde nur Vertragsstaaten des Paktes ein Klagerecht beim EUGH zugestanden, nicht aber der Europäischen Kommission, bekrittelte Fichtenbauer, der Klagen zwischen Partnerländern als äußerst "unwahrscheinlich" bezeichnete. Auch an den vorgesehenen Geldstrafen als Sanktionsmittel gegen Länder, die den Fiskalpakt nicht einhalten, ließ er kein gutes Haar. Länder in Finanznöten würden nicht über genügend Mittel verfügen, um die Strafe ohne Gelder aus dem ESM zu begleichen. Die Budgethoheit Österreichs werde im Rahmen des Fiskalpakts deutlich eingeschränkt, da die Finanzministerin an das Votum der demokratisch nicht legitimierten Kommission gebunden sei, analysierte der F-Abgeordnete. Er stimme insgesamt mit jenen Experten überein, die meinten, das billigste Modell zur Rettung des Euro wäre, eine neue Währung einzuführen.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) bekannte sich dazu, dass mehr Solidarität unter den EU-Mitgliedsstaaten Regelungen zur Einhaltung der innerstaatlichen Budgetvorgaben brauche. In seinen Augen diene der Fiskalpakt genau dazu. Der ESM solle kein "Fass ohne Boden", aus dem Hilfsgelder fließen, werden, das würde nur dem Vertrauen der Mitgliedsländer untereinander schaden. Krainer betonte allerdings, Wachstum und Investitionen in die Zukunft seien ebenso wichtig wie Sparpolitik. Durch das Paket würden bis 2014 in Europa mehr als 2 Milliarden Arbeitsplätze neu geschaffen, rekapitulierte er die Ergebnisse des letzten EU-Gipfels. In einem Entschließungsantrag forderte der S-Mandatar die Bundesregierung auf, sich weiterhin für Maßnahmen zu nachhaltigem Wachstum und Beschäftigung in Europa einzusetzen und auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sicherzustellen, um die Krise zu überwinden.

Der Fiskalpakt habe keine vertrauensbildende Wirkung auf die Finanzmärkte, kritisierte Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G). Die Rezession in Europa werde durch die strikten Regulierungsprogramme nur verstärkt, der Pakt sei daher ökonomisch kontraproduktiv. Statt dessen würde die Eurozone neue Mechanismen wie Eurobonds zur Bewältigung der Krise benötigen, zeigte der G-Mandatar auf. Er ortete im völkerrechtlichen Vertrag zum Fiskalpakt außerdem eine "Flucht" aus den EU-Verträgen und führte starke verfassungsrechtliche Bedenken seiner Fraktion gegen den Pakt an. So seien viele Bestimmungen darin nicht mit der österreichischen Verfassung im Einklang, weswegen eine Abstimmung darüber ohne Zweidrittelmehrheit für ihn untragbar sei. Es könne damit gerechnet werden, dass der Verfassungsgerichtshof die Ratifizierung des Fiskalpaktes aufheben müsse, prognostizierte Van der Bellen.

Konsequente Haushaltspolitik gefragt

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) zeigte kein Verständnis dafür, warum die Grünen zwar dem ESM zugestimmt haben, den Fiskalpakt aber ablehnen wollen. Dieser sei schließlich im Interesse Österreichs, bekräftigte er. Für den "teuren Solidaritätsakt" zugunsten der "Club-Med-Länder" brauche man die Zusicherung und die Gewissheit, dass dort ordentlich gewirtschaftet werde. Bartenstein zufolge zeigt das Beispiel Deutschland, dass konsequente Haushaltspolitik von den Finanzmärkten honoriert wird.

BZÖ-Klubchef Josef BUCHER wies darauf hin, dass Großbritannien und Tschechien den Fiskalpakt nicht unterzeichnet haben. Für ihn ist der Stabilitätsvertrag insgesamt eine "Husch-Pfusch-Geschichte" und "ein Marketinggag von Frau Merkel". Bucher glaubt nicht, dass sich die Finanzmärkte durch den Pakt beruhigen lassen. Zudem ist dieser für ihn ein erster Schritt in Richtung Eurobonds. Durch gemeinsame Anleihen würden die Zinsen Österreichs nach oben steigen, Länder mit sorgsamer Haushaltspolitik würden bestraft, kritisierte der Klubobmann.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) machte geltend, dass auf EU-Ebene ergänzend zum Fiskalpakt ein Pakt für Wachstum und Beschäftigung vereinbart worden sei. Damit wolle man unter anderem Beschäftigung ankurbeln und kleine und mittlere Unternehmen fördern. Die EU gehe damit nach Ansicht Luegers einen ähnlichen Weg wie Österreich, auch die heimische Budgetpolitik zeichne sich durch "kluge und vernünftige Einsparungen" auf der einen Seite und wichtige Zukunftsinvestitionen, etwa in Bildung und Forschung, auf der anderen Seite aus. Lueger hob auch die hohe Abhängigkeit der österreichischen Wirtschaft von Exporten hervor.

Abgeordneter Peter HAUBNER (V) unterstrich, die österreichische Wirtschaft sei gut aufgestellt. Der EU-Beitritt und die Einführung des Euro hätten sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs ausgewirkt. So verwies er etwa darauf, dass Österreich im Jahr 1999 noch ein Leistungsbilanzdefizit von 1,7 Prozent gehabt habe, während 2010 ein Plus von 2,7 Prozent und 2011 ein Plus von 1,9 Prozent verzeichnet werden konnte. Der Fiskalpakt ist nach Auffassung Haubners wichtig, um die Haushaltsdisziplin und damit auch das Vertrauen in die Eurozone zu stärken.

Kriterien können nicht eingehalten werden

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) prophezeite, dass der Fiskalpakt ebenso wenig ernst genommen wird wie bisherige haushaltspolitische Vorgaben für die EU-Länder. Man habe zwar strenge Kriterien aufgestellt, wisse aber von Vornherein, dass etliche Länder diese Kriterien gar nicht einhalten könnten, kritisierte er. Damit wiederhole man denselben Fehler wie bei der Euro-Einführung. Scheibner sprach von "Voodoo-Ökonomie" und schlug im Gegensatz dazu eine gemeinsame Politik Österreichs mit EU-Staaten mit ähnlichen Wirtschaftsleistungen vor. 

Staatssekretär Andreas SCHIEDER unterstrich, der Fiskalpakt solle eine bessere Koordinierung der Budgetpolitik der EU-Staaten bringen. Unter anderem gehe es darum, die Ausgabe von Staatsanleihen besser aufeinander abzustimmen, der Europäischen Kommission Budgetentwürfe vorab vorzulegen und sich dauerhaft zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt zu verpflichten.

Nach Meinung Schieders bleibt aber genug Spielraum für eine offensive Budgetpolitik. So seien auch in Zukunft konjunkturbelebende Maßnahmen möglich. Auch die soziale Sicherheit sieht er durch das Erfordernis eines grundsätzlich ausgeglichenen Haushalts nicht gefährdet. Generell ist für Schieder die Rückführung von Defiziten wichtig, um die Abhängigkeit der Staaten von den Finanzmärkten zu reduzieren. 

Abgeordneter Michael SCHICKHOFER (S) warnte vor einem Zerbrechen des Euroraums und gab zu bedenken, dass eine Sanierung der Haushalte der südlichen Euroländer über eine Währungsabwertung negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft hätte. Ebenso wäre es seiner Meinung nach der falsche Weg, Griechenland oder andere EU-Länder Bankrott gehen zu lassen. Zum Fiskalpakt merkte Schickhofer an, wenn Österreich Gelder einsetze, brauche man im Gegenzug die Zusicherung von Haushaltsdisziplin.

Verfassungsklage möglich

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) bekräftigte, die Grünen könnten und würden dem Fiskalpakt nicht zustimmen. Sie machte darauf aufmerksam, dass die vorgeschriebene Schuldenbremse die Budgethoheit des Nationalrats weiter einschränke, und auch zahlreiche Verfassungsexperten die Bedenken der Grünen teilten. Musiol zufolge erwägen die Grünen eine gemeinsame Verfassungsklage mit den anderen beiden Oppositionsparteien, sollte Bundespräsident Fischer nach Abschluss des Ratifikationsprozesses im Parlament seine Unterschrift unter den Vertrag setzen.

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) führte aus, es gebe immer wieder Kritik daran, dass die EU ein zu schwaches Regelwerk in Bezug auf die Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU-Länder habe. Nun liege ein Vertrag vor, mit dem dieses Defizit behoben werde. Allgemein hielt Steindl fest, Europa brauche sein "Licht nicht unter den Scheffel" zu stellen. Die EU habe die USA bei der Wirtschaftsleistung längst überholt und auch eine niedrigere Staatsverschuldung.

Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (B) zeigte sich davon überzeugt, dass der Fiskalpakt das Ende der Zweiten Republik einläute und Österreich damit den Weg in Richtung "Vereinigte Staaten von Europa" einschlage. Das österreichische Parlament habe durch die Abgabe von Kompetenzen nach Brüssel in Zukunft nicht mehr die volle Entscheidungsgewalt über das Budget und über Strukturreformen, erklärte sie. Auch namhafte Verfassungsexperten sagten, der Fiskalpakt bedürfe einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Kaufmann-Bruckberger wies außerdem auf kritische Stimmen innerhalb der ÖVP zum Fiskalpakt hin, etwa die von EP-Abgeordnetem Othmar Karas.

Bedenken der SPÖ ausgeräumt

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) räumte ein, dass auch viele Experten die Gefahr sehen, dass eine simultane Sanierung der öffentlichen Haushalte in Europa die Konjunktur abwürgen könnte. Deshalb habe es auch in der SPÖ Bedenken gegen den Fiskalpakt gegeben, konstatierte er. Diese Bedenken sieht Matznetter aber weitgehend ausgeräumt. Zum einen verwies er auf die in Brüssel beschlossene Wachstumsinitiative, zum anderen gab er zu bedenken, dass man einen Staatshaushalt auch durch gezielte Steuererhöhungen sanieren könne, ohne negative Auswirkungen auf die Konjunktur. Das habe auch Österreich mit seinem Konsolidierungspaket geschafft. 

Abgeordneter Franz WINDISCH (V) betonte in seiner ersten Rede im Nationalrat, die ÖVP unterstütze den ESM nicht "aus naiver Großherzigkeit heraus", vielmehr gehe es um die Stabilität in Europa in stürmischen Zeiten. Dass mit der Auszahlung von Finanzhilfen gleichzeitig Haushaltsdisziplin erzwungen werde, ist für ihn im Interesse der Nettozahler gelegen. Windisch hält, wie er sagte, nichts davon, sich als kleines Land "einfach abzuseilen" und sich in ein nur vermeintlich sicheres kleines Rettungsboot zu setzen.  

Abgeordneter Werner KOGLER (G) bestätigte die Ablehnung des Fiskalpakts durch die Grünen und sprach von einer "windigen Vertragskonstruktion". Seiner Ansicht nach bringt der Fiskalpakt Europa, was notwendige Reformen betrifft, um keinen Schritt weiter. Es müsse "intelligentere" Ansätze und auf die einzelnen Länder besser abgestimmte Maßnahmen geben, forderte er. Man könne nicht einfach "mit dem Lineal drüberfahren". Kogler erachtet etwa konkrete Schritte für notwendig, um die Kapitalflucht aus Griechenland zu stoppen.

Der Fiskalpakt erhielt im Gegensatz zum ESM lediglich die Zustimmung der beiden Regierungsparteien. Die namentliche Abstimmung ergab 103 pro und 60 contra. Auch der Entschließungsantrag der Regierungsparteien betreffend Maßnahmen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung wurde mehrheitlich angenommen. (Fortsetzung Nationalrat)