Parlamentskorrespondenz Nr. 787 vom 16.10.2012

Sachwalterschaftsrecht soll evaluiert werden

Debatte über Abwahlmöglichkeit von NationalratspräsidentInnen

Wien (PK) – Das Sachwalterschaftsrecht, Themen aus dem Wissenschaftsbereich und eine Erste Lesung über den Antrag der Grünen, auch NationalratspräsidentInnen abwählen zu können, bildeten den Abschluss der heutigen Nationalratssitzung.

Sachwalterschaftsrecht ist reformbedürftig

Die Sachwalterschaft steht immer wieder unter Kritik. Um Problemen in diesem Bereich gezielt begegnen zu können, ersuchen die Abgeordneten in einem einstimmig angenommenen Entschließungsantrag die Justizministerin, das bestehende Sachwalterschaftsrecht zu prüfen und gegebenenfalls eine Novellierung vorzunehmen. Grundlage dafür bot ein Antrag der Grünen, die meinen, das österreichische System der Sachwalterschaft verstoße gegen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, das für Österreich seit 2008 verbindlich ist.

Die Wahrung der Menschenrechte sei ein Grundpfeiler der SPÖ, hielt Abgeordneter Franz KIRCHGATTERER (S) eingangs fest. Er spreche sich daher klar für die Überprüfung des derzeitigen Sachwalterschaftsrechtes aus, um auch Personen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben im Sinne der Menschenrechte zu ermöglichen.

Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) schloss sich den Ausführungen seines Vorredners an und befürwortete das im Menschenrechtsausschuss einstimmig beschlossene Ersuchen an die Justizministerin, die geltenden Regelungen zur Sachwalterschaft zu prüfen.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) wies darauf hin, dass in Österreich 60.000 Menschen im Moment besachwaltet seien. Daher stelle es eine Notwendigkeit dar, sicherzustellen, dass keine ungeeigneten Personen als SachwalterInnen herangezogen würden und den Angehörigen in Sachwalterschaftsfällen genügend Mitspracherecht eingeräumt werde.

Abgeordnete Alev KORUN (G) drückte ihre Freude über das Erkennen des Handlungsbedarfes in diesem Feld bei allen Fraktionen aus. Sie erläuterte die aktuellen Bestimmungen zur Sachwalterschaft, durch die betreuten Menschen bei Bestellung eines/r Sachwalters/in die Geschäftsfähigkeit völlig abgesprochen werde. Nach dem Beispiel der entsprechenden Rechtslage in Deutschland, urgierte Korun, soll eine Novelle des Sachwalterschaftsrecht diesen Umstand korrigieren.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) befand, man müsse in Zukunft genauer darauf achten, welche Personen mit der Sachwalterschaft betraut würden.

Auch Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) sah in der Prüfung und Evaluation der derzeitigen österreichischen Gesetzeslage dazu einen wichtigen Schritt. Gemäß dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen könnte damit die richtige Unterstützungstätigkeit durch SachwalterInnen sichergestellt werden, so die S-Mandatarin.

Abgeordneter Franz ESSL (V) erklärte, Sachwalterschaft verordnet zu bekommen, sei ein tiefer Eingriff in die selbstständige Entscheidungsfähigkeit einer Person. Es gelte daher, sagte der V-Mandatar, die passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit auch besachwaltete Menschen möglichst eigenständig Geschäftstätigkeiten wie etwa Behördengänge durchführen können.

Aus Sicht der Sachwalterschaft meldete sich Abgeordneter Ewald SACHER (S) als Funktionär eines niederösterreichischen Sachwaltervereins zu Wort. Er betonte, SachwalterInnen trügen die Überprüfung der hinterfragten Rechtsgrundlage mit, da die Sachwaltertätigkeit immer den Nutzen für die KlientInnen im Fokus habe. Allerdings müsse auch budgetär Vorsorge für die Umsetzung einer möglichen Gesetzesnovelle getroffen werden, schloss Sacher.

Bund übernimmt MedAustron

Einstimmig billigte das Plenum ein eigenes Bundesgesetz, mit dem die Übernahme der Geschäftsanteile von Wiener Neustadt am Krebsforschungs- und Krebstherapiezentrum MedAustron durch den Bund realisiert wird.

Abgeordnete CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) begrüßte die Regelung zur Übernahme der MedAustron in Wiener Neustadt durch den Bund. Dieses "Spitzeninstitut" für Ionentherapie und Forschung könne damit 2014 mit dem Testbetrieb und 2015 mit Therapien gegen Krebs starten. Neben einer wirksamen Behandlung von KrebspatientInnen garantiere MedAustria auch Österreichs Wettbewerbsfähigkeit im Forschungsbereich, führte die Abgeordnete weiter aus, denn mit dem Institut in Niederösterreich gebe es nur drei vergleichbare Einrichtungen weltweit. Cortolezis-Schlager referenzierte in Folge auch auf weitere mit EU-Geldern unterstützte Forschungsprojekte, bei denen österreichische WissenschaftlerInnen zum Einsatz kommen und die durch hohe Rückflussquoten den Wert von Investitionen in die Forschung zeigten.

Auch Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) erinnerte daran, dass Österreich sehr viel an öffentlichen Mittel in Forschung und Entwicklung investiere. Das heute vorgelegte Budget stelle einen weiteren Schritt zur Hebung der F&E-Quote dar.

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) bekannte sich zur Spitzenforschung und stellte fest, gerade im medizinischen Bereich gebe es viele hervorragende kleine Projekte. Im gegenständlichen Fall gehe es um ein nahezu einmaliges Großprojekt, das Krebskranken zugutekommen werde. Es habe sicher seinen Wert, daher stimme die FPÖ zu. Kritisch sah Karlsböck allerdings die Kostenentwicklung, welche höher ausgefallen sei, als ursprünglich geplant. Er benützte seine Wortmeldung auch dazu, um auf die Probleme bei den Aufnahmetests an der Med-Uni Wien hinzuweisen, und forderte eine Lösung für jene abgewiesenen Studenten, welche den Test an sich bestanden haben.

Auch Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) signalisierte die Zustimmung seiner Partei zur Gesetzesvorlage. Es bestehe ein Interesse an Spitzenforschung in Österreich, trotzdem sei es berechtigt, die Frage nach den Kosten des Projekts zu stellen und auf fehlende Daten zu der zu erwartenden Auslastung hinzuweisen. Es müsse darauf geachtet werden, dass die Rahmenbedingungen für die Angestellten des Forschungszentrum auch stimmen. Viele wichtige Fragen seien jedenfalls noch offen, stellte er fest.

Abgeordneter  Kurt LIST (B) meinte, es handle sich um ein wichtiges Forschungszentrum, verwies aber auch auf die Kritik des Rechnungshofs an fehlenden Kostenberechnungen im Vorfeld des Projekts. Die Frage, warum dieses Krebszentrum gerade in Wiener Neustadt eingerichtet werde, welches nicht der logische Standort dafür sei, lasse sich aus seiner Sicht nur damit beantworten, dass sich hier das politische Netzwerk der ÖVP Niederösterreich durchgesetzt habe.

Bundesminister Karlheinz TÖCHTERLE bedankte sich für die Zustimmung aller Fraktionen zur Gesetzesvorlage. Zur geäußerten grundsätzlichen Kritik hielt er fest, es werde am Zentrum eine sehr erfolgsträchtige Krebstherapie angewendet und damit Spitzenforschung, die österreichische ForscherInnen im Ausland betrieben haben, nach Österreich zurückgeholt. Kritik am Engagement Niederösterreichs in der Spitzenforschung ließ Töchterle nicht gelten. Es wäre wünschenswert, wenn alle Bundesländer solche Anstrengung zur Stärkung des Forschungsstandortes Österreich unternehmen würden, sagte er. 

Abgeordnete Eva-Maria HIMMELBAUER (V) verwies auf die wichtigen Impulse für Region durch das Projekt und auf die hervorragende medizinische Versorgung, welche MedAustron bieten werde. Österreich positioniere sich damit klar im internationalen Forschungskontext, nütze sein Wissenspotential und baue es systematisch auf.

Abgeordneter Johann HELL (S) sah die Standortdiskussion als unverständlich an. Es gehe schließlich darum, leidenden Menschen zu helfen. Das Projekt sei zudem ein starker Impulsgeber für die Region.

Forschungskooperation mit Albanien wird gestärkt

Ebenfalls einstimmig passierte ein Abkommen mit Albanien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit den Nationalrat. Damit soll die Forschungskooperation zwischen Österreich und Albanien auf eine stabile Basis gestellt und die gemeinsame Teilnahme an europäischen und anderen internationalen Forschungsprogrammen stimuliert werden. Für die Finanzierung von Mobilitätskosten im Rahmen gemeinsamer Forschungsprojekte ist jährlich ein Betrag von maximal 90.000 € aus den Budgetmitteln des Wissenschaftsministeriums vorgesehen.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) erläuterte, das Abkommen, welches den Ausschuss einstimmig passiert habe, werde die bilateralen Beziehungen im Bereich Wissenschaft und Technik fördern. Es gehe auf eine begrüßenswerte Initiative des Wissenschaftsministeriums zurück. Dieses setze dafür auch finanzielle Mittel ein, welche die wissenschaftliche Mobilität fördern. Es gebe bereits eine Reihe von vergleichbaren Abkommen mit anderen Ländern, fügte sie hinzu.

   

Auch Abgeordnete Laura RUDAS (S) zeigte sich zufrieden über die Einstimmigkeit, mit der dieses Abkommen im Ausschuss angenommen wurde. Wissenschaftliche Zusammenarbeit leiste auch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung und damit zur politischen Stabilität in den betreffenden Ländern, sagte sie.

   

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (B) hielt das Abkommen für grundsätzlich richtig, doch müsse auch die Frage gestellt werden, welcher tatsächliche wirtschaftliche Nutzen für Österreich aus solchen Abkommen entstehe. Das sollte vom Ministerium konkret bewertet werden, forderte er.

Abgeordneter Elmar MAYER (S) begrüßte die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung. Die bilateralen Kooperationen besonders mit Ländern mit hoher Entwicklungsdynamik seien prinzipiell zu begrüßen. Die Schaffung des europäischen Forschungsraums für einen ungehinderten Wissens- und Technologietransfer müsse höchste Priorität genießen. Es sei daher an der Zeit, den derzeitigen Stand der Entwicklung zu evaluieren.

Bundesminister Karlheinz TÖCHTERLE verwies Abgeordneten Mayer auf eine gerade stattfindende Evaluierung des derzeitigen Stands des europäischen Forschungsraums. Das Ministerium wende heuer im Rahmen von Abkommen zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit etwa 815.000 € für die Förderung der wissenschaftlichen Mobilität auf. Österreich sei schon aus historischen Gründen angehalten, sich in den Ländern Südosteuropas in Wissenschaft und Forschung zu engagieren. Es gebe bereits großes Interesse in Albanien an universitären Kooperationen, hielt der Wissenschaftsminister fest.

Sollen NationalratspräsidentInnen abgewählt werden können?

Einer Ersten Lesung, bevor sich der Geschäftsordnungsausschuss damit beschäftigt, wurde der Antrag der Grünen unterzogen, wonach den Abgeordneten die Möglichkeit eingeräumt werden soll, die von ihnen gewählten drei PräsidentInnen des Nationalrats auch wieder abwählen zu können. Ein Abwahlbeschluss soll einer Zweidrittelmehrheit bedürfen und frühestens nach einer "Abkühlphase" von 14 Tagen ab Antragstellung möglich sein.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) verwies darauf, dass die Geschäftsordnungsdebatte nicht zum ersten Mal geführt werde. Es gehe darum, eine Regelung für die Abberufung eines Mitglieds des Nationalratspräsidiums zu schaffen, da eine solche Abwahlmöglichkeit für andere Oberste Organe sehr wohl bestehe. Hier sollte eine Symmetrie hergestellt werden. Der Rechnungshofpräsident wiederum sollte aufgrund seiner Stellung nur mit Zweidrittelmehrheit abgewählt werden können, forderte Glawischnig. Sie hoffe, dass eine Regelung bis Ende der Legislaturperiode gefunden werden könne.

  

Abgeordneter Otto PENDL (S) stellte fest, das Parlament sollte grundsätzlich Fragen, die es selbst betreffen, auch selbst regeln können. Das gelte auch für die Frage der Untersuchungsausschüsse, man brauche keine Schiedsrechter von außen, wenn man ein selbstbewusstes Parlament habe.  

Zweiter Nationalratspräsident Fritz NEUGEBAUER (V) meinte, es gehe hier um Fragen, die man nicht weiter verschleppen dürfe. Gerade hinsichtlich der Amts- und Lebensführung öffentlicher FunktionsträgerInnen müsse es hohe Ansprüche geben. Die Frage der Abwahl von NationalratspräsidentInnen müsse aber aus der Partei- und Tagespolitik herausgehalten werden, plädierte er. Er regte an, die Bestimmungen zur Abberufung des Bundespräsidenten heranzuziehen und einen geordneten Ablauf unter Einbeziehung des Verfassungsgerichtshofes zu schaffen.

    

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) wandte sich gegen Anlassgesetzgebung in Fragen der Geschäftsordnung. Den Grünen warf Rosenkranz vor, das Problem der Abwahl der Obersten Organe nicht ernsthaft diskutieren, sondern nur eine Lex Graf schaffen zu wollen. Er sei der Meinung, es müsse auch eine Regelung zur Abberufung von VolksanwältInnen geschaffen werden.

  

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) wandte sich gegen eine Anlassgesetzgebung in Bezug auf die Abwahl von Obersten Organen und plädierte dafür, über eine klare Regelung für alle Obersten Organe nachzudenken. Der Verfassungskonvent biete genügend Anregungen, wie diese aussehen könnte.

Im Anschluss an diese Sitzung wurde eine weitere Sitzung des Nationalrats einberufen, die den geschäftsordnungsmäßigen Zuweisungen diente. (Schluss Nationalrat)