Parlamentskorrespondenz Nr. 849 vom 31.10.2012

Berlakovich sieht ökosoziale Landwirtschaft als Vorbild für Europa

Aktuelle Stunde im Bundesrat über die Zukunft der EU-Agrarpolitik

Wien (PK) – Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich will weiter dafür kämpfen, dass die Agrarfördermittel der Europäischen Union nicht im geplanten Ausmaß gekürzt werden. Das bekräftigte er im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Bundesrat, bei der es um die geplante Reform der EU-Agrarpolitik ging. Berlakovich fürchtet, dass bei einer Förderkürzung für die LandwirtInnen der industriellen Massenproduktion Vorschub geleistet wird. Ausdrücklich begrüßte der Minister allerdings das Vorhaben der EU, die Ökologisierung der Landwirtschaft voranzutreiben. Für ihn ist Österreich mit seiner "ökosozialen Landwirtschaft" Vorbild in Europa.

Eingeleitet wurde die Aktuelle Stunde durch Bundesrat Martin PREINEDER (V/N). Er wies eingangs darauf hin, dass es in Österreich seit 1995 das System der Gemeinsamen Agrarpolitik gibt. In der ersten Säule stand einerseits das Ziel im Mittelpunkt, die Agrarpreise auf Weltmarktniveau abzusenken und andererseits wurden Ausgleichszahlungen für die Landwirte vorgesehen, skizzierte er. Davon hätten auch die Konsumenten profitiert, da sie für ihre Lebensmittel weniger zahlen müssten. Während ein durchschnittlicher Haushalt zu Beginn der EU-Mitgliedschaft noch 23 % seines Budgets für Lebensmittel aufwenden musste, so liege diese Zahl heute bei 13 %, zeigte Preineder auf. Weitere Schwerpunkte der GAP waren ihm zufolge der Ausgleich von natürlichen Benachteiligungen (z.B. Bergbauernförderung) oder die Ökologisierung der Landwirtschaft.

Sodann befasste sich der Bundesrat mit grundsätzlichen Überlegungen bezüglich der Gemeinsamen Agrarpolitik in der Union, die seiner Ansicht nach allein schon aufgrund der Orts- und Bodengebundenheit der landwirtschaftlichen Produktion notwendig ist. Bei der nun angestrebten Reform der GAP habe sich Österreich klar positioniert und unter anderem folgende Ziele verfolgt: die Beibehaltung der Mittel im bisherigen Ausmaß, eine klare Trennung zwischen den Direktzahlungen und den Umweltleistungen, ein langsamer, fünf Jahre dauernder Übergang (soft-landing), die Abschaffung der gekoppelten Prämien, Verwaltungsvereinfachungen für Kleinlandwirte sowie die Fortführung der ländlichen Entwicklung.

Bundesrat Robert ZEHENTNER (S/S) konzentrierte sich in seiner Rede auf drei zentrale Punkte der Gemeinsamen Agrarpolitik: die Umstellung der Betriebsprämie, die Verbesserung der Bergbauernförderung sowie die Weiterentwicklung der biologischen Landwirtschaft. Positiv sei, dass die Betriebsprämie ab 2014 auf Acker- und Grünland gleich verteilt werde, weil es bis dato zu teilweise massiven Wettbewerbsverzerrungen gekommen sei. Was die Bergbauernförderung anbelangt, für die es in Österreich eine sehr lange Tradition gibt, so müsse man sich gerade in den Berghilfekatastergruppen 3 und 4 etwas einfallen lassen, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen.

Zehentner wies weiters darauf hin, dass Österreich zwar noch immer Bioland Nummer 1 sei, aber wohl nicht mehr lange. In diesem Sektor habe man in den letzten fünf, sechs Jahren eine sehr schwache Entwicklung feststellen müssen, es kämen keine neuen Biobauern hinzu. Es sollte das politische Ziel sein, die Bioflächen in Österreich in den nächsten Jahren zu verdoppeln, forderte der Bundesrat, aber dafür müsse man natürlich auch Geld in die Hand nehmen. Damit würde man zudem noch einen zweiten wichtigen Effekt erzielen, nämlich die Reduktion der CO2-Emissionen, gab Zehentner zu bedenken. Außerdem setzte er sich dafür ein, bei den Förderungen die eingesetzte Arbeitskraft stärker zu berücksichtigen und nicht, wie bisher, nur auf die Größe der zu bewirtschaftenden Flächen abzustellen.

Es sei klar, dass die Landwirtschaft ab 2013 vor großen Herausforderungen stehen wird und neue Weichenstellungen erforderlich sein werden, konstatierte Bundesrat Franz PIROLT (F/K). Dies umfasse nicht nur die Frage der Fördermittel, sondern etwa auch die Entwicklung von "green jobs", die Anforderungen an die Raumplanung oder die Erschließung neuer Arbeitsbereiche wie im Rahmen der Energieproduktion. Bei den Betriebsprämien ist seiner Meinung nach eine Verschiebung der Mittel von den Großbetrieben hin zu den kleinen Landwirten als Ausgleich für die eingesetzte Familienarbeit erforderlich.

Für wichtig erachtete Pirolt auch, dass die Investitionsprämien zumindest gleich hoch bleiben, wobei die Ökologisierung nicht auf der Strecke bleiben dürfe. Weitere Forderungen betreffen die Gewährleistung der Gentechnikfreiheit, die adäquate Anpassung der Tierhaltungsbedingungen im Sinne der Kleinbauern und der mittelständischen Betriebe, die Unterstützung von Vermarktungsgenossenschaften, die Reform der AMA sowie die Einführung eines Kombi-Lohnsystems für die Bauern.

In seiner einleitenden Stellungnahme machte Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH darauf aufmerksam, dass sich in den nächsten Wochen die Zukunft der Landwirtschaft in Österreich entscheiden werde. Per Ende des Jahres solle zunächst das EU-Budget und in den folgenden Monaten die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Periode 2014-2020 beschlossen werden, erläuterte er. Die Agrarpolitik sei bereits vor 50 Jahren in Europa vergemeinschaftet worden und habe seitdem eine Reihe von Veränderungen und Reformprozessen durchlaufen. Auch wenn die ursprünglichen Ziele – Steigerung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit, angemessene Leistungsabgeltung für die bäuerliche Bevölkerung, Ordnung und Stabilisierung der Märkte, Versorgungssicherheit, leistbare Lebensmittel - noch immer ihre Gültigkeit hätten, müsse man sich den neuen Herausforderungen stellen, ist Berlakovich überzeugt.

Österreich könne stolz darauf sein, einen eigenen und guten Weg zu beschreiten, nämlich jenen der ökosozialen Landwirtschaft, führte der Minister weiter aus. Auch Kommissionspräsident Barroso habe kürzlich festgestellt, dass das österreichische Modell Vorbild für ganz Europa sei. Ebenso wolle der EU-Landwirtschaftskommissar eine Ökologisierung in ganz Europa vorantreiben, was von österreichischer Seite unterstützt wird.

Was die neue Finanzperiode 2014-2020 der GAP betrifft, sollen laut Berlakovich die beiden Säulen - Marktordnung mit Direktzahlungen sowie ländlicher Raum – aufrechterhalten bleiben, weil sie ihm zufolge die Basis dafür schaffen, dass Landwirtschaft in Europa existieren kann. Die Neuverteilung der Betriebsprämien stelle eine große Herausforderung dar, räumte der Minister ein, intensiv wirtschaftende Betriebe werden eher verlieren, extensive werden eher gewinnen. Diese Prämien seien aber notwendig, denn sie stellten ein Sicherheitsnetz dar, weil die Bauern von den Marktpreisen ihrer Produkte leider nicht leben könnten, gab Berlakovich zu bedenken.

Wichtig für Österreich war laut Berlakovich vor allem die Gewährleistung eines gleitenden Übergangs ab 2014, die Förderung kleiner Landwirte sowie die Unterstützung junger Bauern. Zusätzlich soll es in Hinkunft eine Ökologisierungsprämie geben, informierte der Bundesminister. Auch wenn die Bioförderung ab 2014 ausgebaut werden soll, spreche er sich dagegen aus, dass alle Landwirte Biobauern werden. Damit würde man den Biobauern die Grundlage entziehen und einen Preisverfall in Kauf nehmen müssen, argumentierte der Minister.

Im Mittelpunkt der österreichischen Politik stehe jedenfalls, so Berlakovich, die Erhaltung einer wettbewerbsfähigen, flächendeckenden und multifunktionalen Landwirtschaft mit ökologischer Ausrichtung. All das könne jedoch nur sichergestellt werden, wenn genügend Mittel zur Verfügung stehen. Derzeit ist auf EU-Ebene geplant, die Gelder für den Agrarsektor um 10 % zu kürzen, was von seiner Seite aber nicht akzeptiert werde. Er werde daher gemeinsam mit dem Bundeskanzler eine Strategie besprechen, damit dieses Vorhaben nicht umgesetzt und somit verhindert werde, dass Europa in Richtung einer industriellen Massenproduktion geht, bekräftigte Landwirtschaftsminister Berlakovich.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) forderte eine globale Betrachtungsweise in Bezug auf die Produktion und Versorgung mit Lebensmitteln ein. Ein wichtiger Grund dafür, warum sich immer mehr Menschen in der Welt die Nahrungsmittel nicht mehr leisten können, sei die zunehmende Spekulation auf agrarische Grundprodukte. Hier sei die EU massiv gefordert, betonte der Bundesrat, sie müsse entsprechende Gegenmaßnahmen entwickeln. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Macht der Nahrungsmittelindustrie einzuschränken und im Gegenzug die regionalen Versorger adäquat zu unterstützen, schlug er vor. Schließlich befasste sich Schreuder noch mit dem Online-Auftritt des Lebensministeriums, der 4,39 Mio. € gekostet haben soll, was nach Ansicht des Bundesrats völlig überteuert ist. Dafür hätte man maximal 300.000 € ausgeben dürfen. Er sei sicher, dass nicht einmal die Entwicklung von Facebook 4,39 Mio. € gekostet habe.


Österreich sei es zum Glück gelungen, seine kleinstrukturierte Landwirtschaft zu erhalten, hob Bundesrat Ferdinand TIEFNIG (V/O) hervor. Was die Pläne hinsichtlich der Gemeinsamen Agrarpolitik betrifft, die für ihn Garant für die Lebensmittelversorgung in Europa ist, so sei es sehr bedauerlich, dass sie als einziger Bereich gekürzt werden soll. Wichtig sei auch die Aufrechterhaltung der Ausgleichszahlungen für die Landwirte, zumal ihre Einkommen in den letzten Jahren sehr schwach gestiegen seien. Er hoffe, dass es Bundeskanzler Faymann gelingt, sich auf EU-Ebene durchzusetzen und das Geld für die Landwirte heimzubringen, denn sonst werden z.B. die Bergbauern keine Zukunft haben, meinte Tiefnig.

Bundesrätin Adelheid EBNER (S/N) plädierte dafür, die Verteilung der Förderungen auf, wie sie sagte, gerechtere Beine zu stellen und dabei insbesondere nicht an die Fläche und die Stückzahl anzuknüpfen, sondern vielmehr auch wirtschaftliche Erschwernisse besser auszugleichen. Wichtig war für die Rednerin überdies die Herstellung der Chancengleichheit von Männern und Frauen, wobei sie vor allem auf die steigende Bedeutung von Frauen als landwirtschaftliche Betriebsführerinnen hinwies.

Bundesrat Hermann BRÜCKL (F/O) sagte dem Minister die Unterstützung seiner Fraktion im Kampf gegen die geplanten Kürzungen des Agrarbudgets zu und betonte, nicht Einsparungen, sondern eine gerechte Verteilung der Fördermittel sollte das Ziel der Zukunft sein. Er forderte eine stärkere Berücksichtigung der kleinstrukturierten Landwirtschaft und meinte, es müsse endlich Schluss gemacht werden mit den Förderungen an internationale Großkonzerne. Entschieden wandte sich Brückl ferner gegen die Abschaffung der Milchquote und warnte in diesem Zusammenhang vor drohendem Preisverfall.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH replizierte auf Brückl, die Milchquote habe ihren Steuerungseffekt längst verloren, Österreichs Betriebe könnten nur im Veredelungsprozess der Milch, nicht aber in der bloßen Milchanlieferung erfolgreich sein. Das Problem für die Milchproduzenten bestehe vielmehr auch darin, dass Milch von der Lebensmittelindustrie in einem immer größerem Ausmaß durch importiertes Palmöl ersetzt werde, gab Berlakovich zu bedenken. (Fortsetzung Bundesrat)


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