Parlamentskorrespondenz Nr. 900 vom 13.11.2012

Heftige Debatte um österreichischen Anteil am künftigen EU-Budget

Aktuelle Europastunde im Nationalrat

Wien (PK) – Nach der Diskussion über die Zukunft des Zivildienstes setzten sich die Abgeordneten im heutigen Plenum des Nationalrat s mit der Frage des EU-Budgets für die Jahre 2014-2020 (mehrjähriger Finanzrahmen) und die mögliche Veto-Drohung Österreichs auseinander. Das BZÖ hatte im Vorfeld für diese Debatte das Thema "Nein zu höheren EU-Beiträgen mit Faymanns Zustimmung – Österreich hat genug gezahlt" gewählt.

Bucher: Nettobeitrag Österreichs müsste sinken

Abgeordneter Josef BUCHER (B) wandte sich vehement gegen höhere EU-Beiträge und meinte, Österreich habe bereits genug bezahlt, angesichts der Einnahmen aus der Transaktionssteuer müsste der Nettobeitrag vielmehr sinken. Er appellierte an Bundeskanzler Faymann, die Stimmung der Bevölkerung ernst zu nehmen und sorgfältig mit dem Geld der österreichischen SteuerzahlerInnen umzugehen. Niemand habe in einer Zeit des Sparkurses Verständnis für Gehaltszuwächse und Privilegien der EU-BeamtInnen, sagte er. Die Technokraten in Brüssel nähmen die europäischen SteuerzahlerInnen aus und zockten ab, wo sie nur können, brachte Bucher seinen Unmut auf den Punkt und forderte die Bundesregierung auf, von ihrem Veto gegen den EU-Haushalt Gebrauch zu machen. Mit Nachdruck stellte der BZÖ-Klubobmann dabei fest, seine Kritik habe nichts mit EU-Feindlichkeit zu tun, sondern sei vielmehr Ausdruck des Hausverstandes.

Faymann: Harte Verhandlungen über Rabatt und Förderung des ländlichen Raums

Bundeskanzler Werner FAYMANN gab zu bedenken, ein starkes Europa nütze auch der österreichischen Wirtschaft. Als exportorientiertes Land mit zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen habe Österreich großes Interesse daran, dass es in Europa Menschen gibt, die sich die österreichischen Produkte leisten können. Der mehrjährige Finanzrahmen der EU sei wichtig für die Planbarkeit von auch für Österreich wichtigen Projekten sowie für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder für die Förderung des ländlichen Raumes. Deshalb sei aus österreichischer Sicht nicht ein Veto, sondern das Zustandekommen des Finanzrahmens erste Priorität. Faymann bekräftigte die Forderung Österreichs nach einem Wiederaufleben des Rabatts sowie nach verstärkter Förderung des ländlichen Raums, insbesondere auch der Bergbauern, und kündigte harte Verhandlungen an.

SPÖ gegen Egoismus und Inseldenken

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) bemerkte an die Adresse des BZÖ gerichtet, Egoismus und Inseldenken seien immer schon schlechte Berater gewesen. Klar war für die Rednerin, dass der Großteil des EU-Beitrages wieder an Österreich zurückfließt und Österreich als exportorientiertes Land wie kaum ein anderes EU-Mitglied von der Union profitiert. So wachse die heimische Wirtschaft dank der EU-Mitgliedschaft jährlich um das Fünffache des Nettobetrags, rechnete Muttonen vor. Österreich sei deshalb bereit, einen angemessenen Beitrag zu leisten, die EU müsse aber ihrerseits bestimmte Standards erfüllen. Wichtig war es für Muttonen, dass das Geld effizient eingesetzt werde, um die großen Herausforderungen meistern zu können. Sie forderte in diesem Zusammenhang Investitionen der Union in Forschung und Bildung, in transeuropäische Infrastrukturprojekte, in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und in den ländlichen Raum. Mit Nachdruck trat sie überdies für eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene ein.

ÖVP: "Better Spending" notwendig

Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V) warf Abgeordnetem Bucher vor, gestützt auf falsche Zahlen eine populistische Anti-EU-Linie zu fahren. Wenn man davon ausgehe, dass die EU-Mitgliedschaft Österreich jährlich 0,4 bis 0,6 % zusätzliches Wirtschaftswachstum gebracht habe, so habe das dem Staat pro Jahr rund 12 Mrd. € mehr an Steuern und Abgaben gebracht. Rechne man 700 Mio. € an EU-Nettobeiträgen ab, so blieben letztlich 11,3 Mrd. € pro Jahr für Österreich. Mehrzahlungen an die EU müssten natürlich auch mehr Vorteile für Österreich und die Sicherheit, dass die Mittel richtig eingesetzt werden, bedeuten. Man brauche "Better Spending", also Impulse für Wachstum und Beschäftigung, Förderung der KMU, Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und Investitionen in Bildung und Forschung, damit Europa im internationalen Wettbewerb bestehen könne.

FPÖ: EU-Mittel wären in Österreich besser investiert

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) meinte, die Lage Österreichs sei weitaus schlechter, als der Bundeskanzler glauben machen wolle. Am Arbeitsmarkt herrsche ein Verdrängungswettbewerb, neue Arbeitsplätze würden in erster Linie durch billige Kräfte aus dem Osten besetzt. Man sei mit einer Rekordverschuldung des Staatshaushalts, wachsender Arbeitslosigkeit und einer drohenden Rezession konfrontiert. Mit der Ankündigung, einer Erhöhung der EU-Beiträge zu akzeptieren, erweise sich der Bundeskanzler als Vertreter der EU-Interessen und nicht der österreichischen BürgerInnen, die bereits eine hohe Steuerbelastung tragen müssten. Österreich zahle jährlich über 3,6 Mrd. € an Brutto- und 800 Mio. € an Nettobeiträgen an die EU. Diese Mittel wären im eigenen Land besser investiert. Das Ziel müsse deshalb Senkung der Nettobeiträge lauten. Ein Veto gegenüber den EU-Haushaltsplänen, wie es von Vizekanzler Spindelegger zumindest in Erwägung gezogen wurde, wäre der richtige Weg dazu. Er, Strache, bezweifle aber, dass es damit tatsächlich ernst werde. Bundeskanzler Faymann warf Strache vor, als "Hampelmann der Bankspekulanten in Europa" zu agieren. Griechenland müsse aus der Eurozone entlassen und einer Schuldenunion eine Absage erteilt werden, forderte der Freiheitliche Klubobmann abschließend.

Grüne: Gegen Kürzung des EU-Haushalts

Abgeordneter Bruno ROSSMANN (G) widersprach den Zahlenangaben seines Vorredners. 2011 habe Österreich nur 2,7 Mrd. an Bruttobeiträgen und im Durchschnitt pro Jahr 560 Mio. € an Nettobeiträgen an die EU gezahlt. Allein die Rettung österreichischer Banken habe schon ein Mehrfaches dieser Beträge verschlungen. Kritisch bewertete Rossmann die Wünsche der EU-Nettozahler, den Finanzrahmen um 100 Mrd. € zu kürzen. Bereits jetzt würden für viele der Ziele, die man sich gesteckt habe, die notwendigen Mittel fehlen. Um mehr EU-Mittel für Beschäftigungsinitiativen und Umweltmaßnahmen frei zu machen, müssten massive Umschichtungen im EU-Budget erfolgen. So sollten die Förderungen für die Agrarindustrie abgebaut, der Sozialbereich hingegen ausgebaut werden. Zumindest Teile der Finanztransaktionssteuer müssten in den EU-Haushalt fließen, meinte Rossmann. Der ÖVP warf er vor, sich mit ihrer Vetodrohung zu Erfüllungsgehilfen der FPÖ-Politik zu machen.

BZÖ: Drohendes Veto stärkt österreichische Verhandlungsposition

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) entgegnete seinem Vorredner, der Gedanke an ein Veto sei nur ein erstes Zeichen eines aufkeimenden österreichischen Selbstbewusstseins gegenüber der EU. Ein klares Bekenntnis zum Einsatz eines Vetos würde die österreichische Verhandlungsposition stärken. Leider habe Abgeordneter Ikrath in seiner Wortmeldung diese Position sofort wieder abgeschwächt. Österreich müsse aber klar zum Ausdruck bringen, dass es nicht weiter bereit sei, für die Misswirtschaft der EU und für Haftungen für Banken aufzukommen. Das Beispiel Spaniens, wo dieselben Banken, die erst das Geld der SteuerzahlerInnen gern genommen haben, nun Menschen aus ihren Wohnungen vertreiben, zeige, wohin eine solche nachgiebige Politik führe. Es müsse ein Ende haben mit der Politik zugunsten der Bankspekulanten. Die Erträge der Finanztransaktionssteuer sollten selbstverständlich ins österreichische Budget und nicht in die EU-Bürokratie fließen, sagte Scheibner.

T: Mittel direkt im Land investieren

Abgeordneter Robert LUGAR (T) meinte, es sei falsch, die Vorteile der EU vor allem im wirtschaftlichen Bereich zu suchen. Diese seien beschränkt, wie ein Vergleich mit den Wachstumsraten der Nicht-EU-Mitglieder in Europa zeige. Die EU sei aber ein wichtiges Friedensprojekt. Beiträge an die EU zu schicken, um die Gelder dann dort wieder umständlich abzurufen, sei aber unsinnig. Die Mittel wären effektiver eingesetzt, würde man sie direkt im Land investieren. Die Bundesregierung müsse die Position Österreichs als Nettozahler benützen, um ein Ende der Geldverschwendung, etwa des teuren "Wanderzirkus" zwischen Brüssel und Straßburg, einzufordern, sagte Lugar. Leider habe die Regierung hier, wie in vielen anderen Bereichen, ihre Hausaufgaben nicht gemacht und greife lieber in die Geldbörse der BürgerInnen, als von der EU Reformen einzufordern.

Die Bedeutung des Agrarsektors

Abgeordneter Josef CAP (S) hielt Lugar entgegen, dass die EU sehr wohl Maßnahmen für einen effizienten Einsatz ihres Budgets und gegen Korruption setze. Es sei geplant, allein im Bereich der Verwaltung und Bürokratie von 2014 bis 2020 an die 15 Mrd. € einzusparen. Europa müsse sich in Zeiten eines verschärften internationalen Wettbewerbs neu positionieren und die richtigen Schwerpunkte setzen. Das bedeute Investitionen in die Infrastruktur, in den ländlichen Raum, in Wachstum und Beschäftigung sowie in Forschung und Bildung. Eine ausgeglichene Entwicklung aller Regionen stelle sicher, dass kein unerwünschter Migrationsdruck auf benachteiligte Gebiete entsteht, argumentierte er. Österreich sei erfolgreich im Abrufen von EU-Mitteln und profitiere durch zusätzliches Wachstum aus seiner Mitgliedschaft.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) unterstrich, die EU sei eine Erfolgsgeschichte, und die gemeinsame Agrarpolitik eine ihrer Kernaufgaben. Der Abgeordnete zeigte sich erfreut über die Aussagen des Bundeskanzlers zu diesem Thema. Österreichs Landwirtschaft sei ein Vorbild für Europa, vor allem im Bereich der Förderung benachteiligte Regionen und bei Umweltmaßnahmen. Er wünsche sich vom Bundeskanzler, dass er harte und letztlich erfolgreiche Verhandlungen für die Interessen der österreichischen Landwirtschaft führen werde. Von den Mitteln, die für sie aufgewendet werden, würden nämlich nicht nur die Landwirt und Landwirtinnen, sondern auch viele andere profitieren – etwa die KonsumentInnen preiswerter und gesunder Lebensmittel oder die TouristInnen, die in einem gesunden ländlichen Raum Erholung suchen können.

Im Gegensatz zu seinem Vorredner sah Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) die EU-Agrarpolitik als den Bereich, der das Scheitern der zentralistischen EU-Politik besonders augenfällig mache. Sie gefährde den bäuerlichen Berufstand, führe zu Abwanderung aus benachteiligten Regionen und zur Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktion in einzelne begünstige Gebiete Europas. Alles Rechnen zeige nur eines, nämlich dass Österreich aus dem EU-Budget schlichtweg weniger herausbekomme, als es einzahle. Für diese Beiträge erhalte man vor allem eine aufgeblähte Subventionsbürokratie und ein "Förderkarussell", das für zahlreiche Fehlentwicklungen in Europa verantwortlich sei. Die richtige Antwort könne nur in einem klaren Veto gegen höhere EU-Beiträge bestehen.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) unterstrich, dass eine globalisierte Wirtschaft auch in der Landwirtschaftspolitik eine gemeinsame europäische Antwort erfordere. Er begrüßte in diesem Zusammenhang das Bekenntnis des Bundeskanzlers zur Förderung der Berg- und Biobauern. Die EU bringe Österreich sehr viel, es gebe aber zweifellos auch Handlungsbedarf, meinte er. Die europäische Agrarpolitik müsse daher einer Radikalreform unterzogen werden. Das bedeute vor allem eine Verschiebung der Mittel in die zweite Säule, welche die Projekte für ländliche Entwicklung und Umweltmaßnahmen umfasse. Europa müsse seine Budgetpolitik durch neue Instrumente, wie die Finanztransaktionssteuer, weiterentwickeln. Der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Spekulation und für eine Sozialunion brauche eine offensive Europapolitik, diese vermisse er bei den europäischen Nettozahlern und bei der österreichischen Regierung.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) forderte, weniger Geld für "Agrarriesen" nach Brüssel zu überweisen, um dadurch mehr Gestaltungsspielraum für die kleinstrukturierte Landwirtschaft zu erhalten. Den Großteil seiner Wortmeldung widmete Huber der momentanen Situation Südtirols. Die Autonomie Südtirols werde von Rom "ausgehöhlt", warnte Huber und erklärte, massive Budgetkürzungen durch die italienische Regierung machten es für Südtirol unmöglich, die Aufgaben einer autonomen Region zu wahren. Da Außenminister Michael Spindelegger seiner Verantwortung zum Schutz Südtirols nicht nachkomme, solle der Bundeskanzler ein Machtwort sprechen, forderte der B-Mandatar. Schon längst, meinte er, wäre eine diesbezügliche Klage beim EuGH einzubringen gewesen. Da ein Kurswechsel der italienischen Regierung nicht zu erwarten sei und die Südtiroler Volkspartei aufgrund eigener Skandale nicht länger handeln könne, wie Huber sagte, müsse Österreich die Initiative zur Rettung Südtirols ergreifen.

Für Abgeordneten Stefan MARKOWITZ (T) hat die europäische Budgetdebatte die Kluft zwischen reichen und armen Ländern in der EU verdeutlicht. Niemand in Österreich schenke der Aussage Glauben, dass Österreich mehr Geld zurückerhalte, wenn es zuvor größere Beträge einzahle, hob Markowitz hervor. Er bescheinigte der Strategie, wirtschaftlich schwachen Mitgliedsstaaten durch Zahlungen anderer Länder zu helfen, keinen langfristigen Erfolg, habe doch auch bisher der Bankensektor den Großteil an Euro-Hilfszahlungen erhalten. Österreich solle mit seiner starken Wirtschaft als gutes Beispiel für andere EU-Länder vorangehen, befand Markowitz und richtete an den Bundeskanzler den Appell, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass Österreich seine starke Position behält. (Ende Aktuelle Europastunde/Fortsetzung Nationalrat)