Parlamentskorrespondenz Nr. 48 vom 30.01.2013

Spekulationen mit Steuergeldern sollen der Vergangenheit angehören

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) – Unter dem Titel "Genug gezockt: strenges Verbot für Spekulationen mit Steuergeld jetzt!" gingen heute in der Aktuellen Stunde, mit der die Sitzung des Nationalrats eröffnet wurde, abermals die Emotionen über riskante Veranlagungen von Steuergeldern hoch. Bundesministerin Maria Theresia Fekter wies in ihrer Stellungnahme auf die ausverhandelte 15a-Vereinbarung mit den Ländern sowie auf die geplante Staatszielbestimmung, die geplanten Änderungen im Bundesfinanzierungsgesetz und anderen Gesetzen hin, womit Gebietskörperschaften und alle Unternehmen und Organisationen, die dem Staat zugeordnet sind einem Spekulationsverbot unterliegen werden. Was seit Jahren für den Bund gilt, soll in Zukunft auch für Länder, Gemeinden und Städte gelten, unterstrich die Finanzministerin. Das Thema war von den Grünen auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Am Beginn der Sitzung gab Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER bekannt, dass Abgeordneter Michael SCHICKHOFER (S) auf sein Mandat verzichtet hat. An seiner Stelle wurde Elisabeth GROSSMANN (S) als neue Mandatarin angelobt.

Grüne fordern Transparenzregeln, Kontrollbestimmungen und Sanktionen

Eingeleitet wurde die Aktuelle Stunde mit einer Wortmeldung von Abgeordnetem Werner KOGLER (G), der nicht nur auf die Situation in Salzburg einging, sondern besonders scharf die Niederösterreichische Landespolitik kritisierte. Kogler sah die Gründe für den "Gau" in Salzburg in einem Versagen der dortigen Regierung, einer Überforderung der zuständigen Landesstellen sowie generell in einer verfehlten Finanzpolitik. Den Supergau gebe es allerdings in Niederösterreich, meinte Kogler, wo laut Rechnungshofberichten mit mindestens einer Milliarde Euro an Verlust gerechnet werden müsse, was eigentlich auch nicht mehr aufholbar sei. Der Unterschied zu Salzburg bestehe zudem darin, dass sich die Verantwortlichen in Niederösterreich konsequent weigerten, den Rechnungshofbericht überhaupt einmal verstehen zu wollen, kommentierte Kogler scharf. Er frage sich auch, ob diese Vorkommnisse mit dem nun von der Regierung präsentierten Maßnahmenpaket zum Spekulationsverbot überhaupt verhindert hätten werden können. Das Hauptproblem bestehe seiner Meinung nach nämlich darin, dass auch die strengsten Gesetze nichts bringen, wenn keine klaren Transparenzregeln, Kontrollbestimmungen und Sanktionen festgelegt werden.

Fekter: Ab sofort keine Spekulation mit Steuergeld mehr

Finanzministerin Maria Theresia FEKTER stellte einleitend mit Nachdruck fest, dass es ab sofort keine Spekulation mit Steuergeld mehr geben wird. Mit dem gestern von der Bundesregierung beschlossenen Paket, das aus einer Staatszielbestimmung in der Verfassung, einer Vereinbarung mit den Ländern, Städten und Gemeinden sowie dem Bundesfinanzierungsgesetz besteht, werde gewährleistet, dass sich alle Institutionen, die dem Sektor Staat zugerechnet werden, an das Spekulationsverbot halten müssen. Es gelte das Grundprinzip, dass in Hinkunft alle vermeidbaren Risiken bei der Finanzierung mit öffentlichen Geldern auszuschließen sind. Derivate dürfen nur mehr für die Absicherung des Grundgeschäftes eingesetzt werden und nicht mehr nur zum Zocken, unterstrich die Bundesministerin.

Das Herzstück des Gesamtpakets ist laut Fekter die Vereinbarung mit den Ländern und Kommunen über eine risikoaverse Finanzgebarung, führte Fekter weiter aus. Im Rahmen des 15a-Staatsvertrags wurden nicht nur genaue Grundsätze - z.B. Spekulationsverbot, Berichtspflichten, Vier-Augen-Prinzip, Verbot von Fremdwährungskrediten etc. - festgelegt, sondern auch strenge Sanktionen und Transparenzbestimmungen, die garantieren, dass die jeweils zuständigen Gremien kontinuierlich über die getätigten Finanztransaktionen informiert werden. Die Finanzministerin berichtete, dass derzeit sieben Bundesländer Geld von der Bundesfinanzierungsagentur beziehen. Sie können in Zukunft nur mehr dann das Geld aufnehmen, wenn sie die angesprochene 15a-Vereinbarung ratifiziert haben, erläuterte sie.

Nicht alle mit Gesetzespaket zum Spekulationsverbot zufrieden

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) wies eingangs darauf hin, dass sich der Finanzskandal in Salzburg in eine lange Reihe von hochriskanten Spekulationsgeschäften mit Steuergeldern eingliedere. Vor nicht allzu langer Zeit habe etwa die Bundesfinanzierungsagentur ca. 300 Mio. € durch Spekulation verloren, in Tirol seien über die Landes-Hypo einige hundert Millionen in den Sand gesetzt worden und in Niederösterreich müsse man gar mit Verlusten in der Höhe von einer Milliarde Euro rechnen, zeigte Krainer auf. Im Unterschied zu diesen genannten Fällen habe man jedoch in Salzburg sehr schnell reagiert, umfassend informiert und vor allem die politische Verantwortung für die Vorkommnisse übernommen. Außerdem müsse man auch sagen, dass in Salzburg laut den aktuellen Berechnungen bis heute noch kein Verlust aufgetreten ist, hob Krainer hervor. Was das von Fekter angesprochene Maßnahmenpaket betrifft, zeigte sich der SPÖ-Mandatar zuversichtlich, weil damit nicht nur der Spekulation auf allen Ebenen Einhalt geboten, sondern auch für mehr Transparenz gesorgt werde.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) warf zunächst Abgeordnetem Kogler vor, die aktuelle Stunde als Wahlkampfhilfe für die Grünen in Niederösterreich zu missbrauchen. Die realen Fakten sprächen nämlich eine ganz andere Sprache, konstatierte Stummvoll. Niederösterreich habe in den Jahren 2001 und 2007 auf Grund eines Landtagsbeschlusses von ÖVP, SPÖ und FPÖ die Wohnbaugelder verkauft und veranlagt, um das Geld verfügbar zu haben. In diesen Jahren seien 1,9 Mrd. € (von insgesamt 4,4 Mrd. €) von diesem Konto abgehoben worden, wobei der Großteil in das niederösterreichische Sozialmodell, also den Bau von Krankenanstalten, Kindergärten, Schulen, Abschaffung des Pflegeregresses etc., investiert worden sei. Da derzeit 3,3 Mrd. € auf dem Konto liegen, sei also ein Gewinn von über 800 Mio. € erzielt worden, hielt Stummvoll seinem Vorredner entgegen.

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) zeigte sich verwundert darüber, dass die Grünen einerseits die heutige aktuelle Stunde zum Spekulationsverbot verlangt haben, andererseits aber nicht an den  Verhandlungen darüber teilnehmen. Es sei natürlich dringend geboten, ein vernünftiges Gesetz zustande zu bringen, das die Spekulation mit öffentlichen Geldern, aber auch mit öffentlichen Gütern wie dem Wasser, effektiv verhindert, hielt Strache fest. Was den Finanzskandal in Salzburg anbelangt, so sei er seiner Meinung nach nur ein Sittenbild für ganz Österreich. Der FPÖ-Klubobmann erinnerte u.a. daran, dass die Grünen gerade dort Regierungsverantwortung tragen, wo die "Oberzocker" zu Hause sind, nämlich in Wien. Dort sei etwa mit Frankenspekulationen viel Geld verloren oder mit Cross-Border-Leasing-Geschäften das Eigentum der Wiener verscherbelt worden, kritisierte Strache.

Abgeordneter Bruno ROSSMANN (G) forderte daraufhin Strache auf, bei der Wahrheit zu bleiben, was die Spekulationsgeschäfte in Wien und Niederösterreich betrifft. In Wien seien es immer die Grünen, die sich gegen solche Transaktionen ausgesprochen haben, erinnerte der G-Mandatar, während die freiheitlichen MandatarInnen stets zugestimmt hätten. Auch in Niederösterreich sei es so, erinnerte Rossmann. Als nämlich im Jahr 2001 die Wohnbauförderungsdarlehen mit Unterstützung der FPÖ, der SPÖ und der ÖVP verkauft worden sind, haben die Grünen dagegen gestimmt. Nicht nachvollziehen könne er auch die Argumentation von Stummvoll bezüglich Niederösterreich, da der Rechnungshofbericht 2010 klar feststelle, dass die Performance der veranlagten Gelder bis Ende 2008 das langfristige Ergebnisziel des Landes um eine Milliarde Euro unterschritten habe. Diese Verluste hätten bis heute nicht nur nicht mehr aufgeholt werden können, sie hätten sich sogar erhöht, stellte Rossmann unter Hinweis aus den RH-Bericht 2012 fest.

Nicht zufrieden war der Redner auch mit dem von Finanzministerin Fekter präsentierten Maßnahmenpaket, das seiner Ansicht nach umständliche, schwerfällige, lückenhafte und nicht vollziehbare Regelungen enthalte. Sie verhinderten vor allem nicht, dass das Spekulationsmodell Niederösterreich weitergeführt wird, argumentierte Rossmann, weil die mittel- und langfristige Veranlagung von Erlösen aus Veräußerungen von Vermögen nicht ausgeschlossen werde. Deshalb schlug er die Umsetzung von folgenden Zielsetzungen vor: die Verankerung von wirklich allen Grundsätzen der Finanzgebarung in der Verfassung; die Einführung eines einheitlichen, modernen und vollständigen Rechnungswesens in Bund, Ländern und Gemeinden sowie die Abwicklung aller Finanzierungs- und Veranlagungsgeschäfte durch eine einzige zentrale Stelle.

Die Bürger und Bürgerinnen seien vor allem empört darüber, dass in den letzten Jahren zahlreiche Spekulationsskandale bekannt geworden seien, aber nie entsprechend reagiert wurde, war Abgeordneter Josef BUCHER (B) überzeugt. Nach dem Riesenskandal in Salzburg habe man nun endlich erkannt, dass etwas getan werden müsse. Der negative Beigeschmack sei aber wieder einmal, dass die Schuld immer allen anderen, auch kleinen Beamten, zugeschoben werde, bemängelte er. Außerdem befürchtete Bucher, dass das von Fekter präsentierte Gesetzespaket bei weitem nicht alle Probleme lösen werde. So sei etwa die 15a-Vereinbarung ein Kniefall vor den mächtigen Landesfürsten, urteilte Bucher. Ziel müsse es sein, eine verfassungsgesetzliche Bestimmung auszuarbeiten, die "wasserdicht" sei und die ein für alle Mal verhindere, dass Länder, Gemeinden und Städte mit Steuergeld spekulieren können. Außerdem sei es unbedingt erforderlich, ein einheitliches Rechnungswesen einzuführen, forderte Bucher.

Auch Abgeordneter Robert LUGAR (T) ging auf die Riesenfinanzprobleme in den Ländern ein, allein in Niederösterreich sei eine Milliarde Euro an Volksvermögen verspekuliert worden, merkte er an. Es bestünde daher eine einmalige Gelegenheit, nun ordentliche Gesetze zu machen, meinte der Redner. Bedauerlicherweise habe die Finanzministerin diese Chance aber nicht genützt, denn ein Verfassungsgesetz, bei dem die Länder Beifall spenden, sei das Papier nicht wert, auf dem es stehe. Den Ländern müsse aber ein Stück weit ihrer Autonomie genommen werden, forderte Lugar, um all das zu verhindern, was in der Vergangenheit passiert ist.

Schieder: Auch bei möglichen Gewinnen keine Risikogeschäfte

Risikominimierung müsse vor Gewinnmaximierung stehen, beschrieb Finanzstaatssekretär Andreas SCHIEDER den Grundsatz des im gestrigen Ministerrat beschlossenen Gesetzesentwurfs gegen Spekulation mit Steuergeld. Risiken dürften auch bei möglichen Gewinnen nicht eingegangen werden. Mit einem Spekulationsverbot in der Verfassung würden sämtliche Gebietskörperschaften von der neuen Bestimmung erfasst, mittels 15a-Vereinbarungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie weiteren Gesetzen – wie dem Bundesfinanzierungsgesetz – konkretisiere man die Regelungen, umriss Schieder den Ministerratsbeschluss. Es gelte zudem, so der Staatssekretär, durch ein 4- oder mehr-Augenprinzip und halbjährliche Berichterstattung für mehr Transparenz in der Finanzgebarung einzelner Gebietskörperschaften zu sorgen und auch eine Verbesserung der fachlichen Ausbildung von FinanzbeamtInnen sei angeraten.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Abgeordneter Hubert KUZDAS (S) bekräftigte, "Zocken" mit Steuergeld dürfe nicht als "Kavaliersdelikt" gelten. Auch sollte das Spekulationsverbot nicht auf Umwegen umgangen werden können. Kritisch befasste sich der SPÖ-Mandatar mit der Veranlagung von 8,2 Mrd.€ Wohnbaugeld durch das Land Niederösterreich. Kuzdas bezweifelte, dass die Investitionen der Gelder in Fonds und Staatspapiere mit geringer Rentabilität von Anfang an rechtmäßig abgelaufen waren und bezog sich dabei auf einen Prüfbericht des Rechnungshofes. Letztendlich, warnte der Redner, werde die Rendite der Veranlagung unter den ursprünglichen 8,2 Mrd.€ liegen.

Abgeordneter Gabriel OBERNOSTERER (V) erwiderte, Schuldzuweisungen seien sinnlos, immerhin hätten sich bis zum Jahr 2008 alle für Gewinne durch Spekulationen ausgesprochen, obwohl sichere Veranlagungen der beste Umgang mit Staatsfinanzen seien. Mit dem Gesetzesentwurf inklusive der 15a-Vereinbarung handle nun der Bund entsprechend, da er bei einigen FinanzreferentInnen in den Bundesländern ein Versagen beim Finanzmanagement ortete. Wichtig sei allerdings, betonte Obernosterer, dass bei den Vereinbarungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auch ausgelagerte Gesellschaften der öffentlichen Hand miteingebunden würden. Zum Thema Wasserprivatisierung meinte der ÖVP-Mandatar, mit dem Verkauf von Wasserrechten würden "Zukunftspotentiale" veräußert, er bedauere daher den erfolgten Anteilsverkauf der Kärntner KELAG.

In Richtung Grüne äußerte Abgeordneter Norbert HOFER (F) sein Missfallen über die Finanzgebarung der Wiener Stadtregierung, da dort die Grünen auch für das "Zocken" verantwortlich zeichneten und außerdem ein Anstieg bei Parkschein- und Abschleppgebühren gegeben sei. Bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung habe seine Fraktion immerhin durchgesetzt, erklärte Hofer, dass neben der Bestimmung zu risikoaversen Veranlagungen auch das Verbot der Kreditaufnahme für Veranlagungen gesetzlich verankert werde. Weiters gestalte man nun die Grundlagen für ein bundeseinheitliches Rechnungswesen. Zur Frage der Wasserversorgung sagte Hofer, Österreich müsse vor dem Hintergrund der Wasserknappheit vieler Länder darauf achten, dass sein Wasservorrat nicht für Spekulationszwecke verkauft werde.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) erinnerte das Plenum daran, dass die Grünen immer gegen Spekulationen mit Steuergeld aufgetreten seien, wohingegen beide Regierungsparteien in den jeweiligen Landesregierungen jahrelang enorme Verluste durch riskante Veranlagungen in Kauf genommen hätten. Das, befand Schatz, zeuge von "Arroganz, Selbstüberschätzung und politischer Unverantwortlichkeit". In den geplanten Bestimmungen für die im Ministerrat beschlossenen 15a-Vereinbarungen sei problematisch, so die Grüne-Mandatarin, dass den Bundesländern in ihrer Finanzgebarung die Risikoeinschätzung bei Spekulationen selbst überlassen bleibe. Dadurch fehle es erneut an Transparenz, wie sie nur ein neues einheitliches Haushaltrecht schaffe.

Auch Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) plädierte für ein einheitliches modernes Rechnungssystem, das vom Parlament für ganz Österreich auch gegen den Willen einzelner Landeschefs durchgesetzt werden sollte. Die Kameralistik aus dem 17. Jahrhundert, wie sie die Bundesländer praktizierten, sei in der heutigen Zeit nicht mehr haltbar. Zwar habe man mit der Finanzministerin eine gute Verfassungsgrundlage für die neuen Bestimmungen gegen Spekulationen geschaffen, bemerkte Scheibner, doch er befürchtete, dass der Föderalismus die Umsetzung, angedacht mit 15a-Vereinbarungen, behindern werde. Eine zentrale Regelung durch den Bund sei daher unbedingt notwendig, unterstrich der BZÖ-Redner und verlangte, der Rechnungshof solle als einzige Kontrollstelle wirken.

Salzburgs Finanzskandal griff Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (T) auf und zeigte sich erbost darüber, dass eine Finanzbeamtin ohne Gerichtsverfahren als "Verbrecherin" abgeurteilt werde, nur um die Salzburger Landeshauptfrau zu retten. Generell sei es bedenklich, fand Markowitz, dass über das Missmanagement der Hypo-Alpe-Adria in Kärnten jahrelang weit mehr berichtet worden sei als über die Vorgänge in Salzburg. Bezugnehmend auf die 15a-Vereinbarungen hielt Markowitz fest, das Team Stronach spreche sich gegen jede Ausnahmeregelung darin aus. An Finanzministerin Fekter appellierte der Stronach-Mandatar, neben dem Spekulationsverbot auch für einen Schuldenstopp in Österreich zu sorgen. (Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat) jan