Parlamentskorrespondenz Nr. 691 vom 10.07.2014

NR beschließt Änderungen bei Strafprozess und Exekutionsordnung

Drei Jahre Höchstdauer für Ermittlungsverfahren, Wiedereinführung des Mandatsverfahrens

Wien (PK) – Im Zeichen von Verfahrensbeschleunigung, größerer Effizienz, aber auch verbessertem Rechtsschutz für die Betroffenen stehen die heute vom Nationalrat beschlossenen Änderungen im Strafverfahren und in der Exekutionsordnung. Das Strafprozessrechtsänderungsgesetz, das mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Team Stronach und NEOS verabschiedet wurde, setzt für das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eine maximale Dauer von drei Jahren fest und führt überdies für minderschwere Fälle das Mandatsverfahren wieder ein. Ziel der einstimmig angenommenen Novelle zur Exekutionsordnung wiederum sind Verbesserungen bei der Eintreibung von Forderungen.

Mandatsverfahren darf zu keiner Beeinträchtigung der Opferrechte führen

Hauptstoßrichtung des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes ist die Verfahrensbeschleunigung, zu der u.a. auch eine grundsätzlich mit drei Jahren festgelegte Frist für die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens beitragen soll. Daneben bezweckt die Novelle aber auch den Ausbau des Rechtsschutzes. So nimmt das Gesetz nunmehr eine eindeutige Abgrenzung zwischen den Begriffen "Beschuldigter" und "Verdächtiger" vor und schafft darüber hinaus eine klare Rechtsgrundlage für die staatsanwaltschaftliche Öffentlichkeitsarbeit während des Strafverfahrens. Wieder eingeführt wird ferner das Mandatsverfahren – ein Punkt, der bis zuletzt umstritten war. Ein einstimmig beschlossener Entschließungsantrag der Regierungsparteien geht nun auf im Begutachtungsverfahren, aber auch im Rahmen der Ausschusssitzung vorgebrachte Bedenken ein und fordert begleitende Maßnahmen, um eine opfergerechte Abwicklung des Mandatsverfahrens sicherzustellen.  

Vor allem bei Fällen häuslicher Gewalt dürfe es durch das Mandatsverfahren zu keiner Verkürzung der Opferrechte kommen, betonte die SPÖ-Mandatarin Gisela Wurm. Entscheiden aus ihrer Sicht war es dabei, dass die Opfer von Gewalttaten in familiären Beziehungen, meist Frauen, die Möglichkeit erhalten, Einspruch gegen die Führung eines Mandatsverfahrens zu erheben. Die von Wurm gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Johannes Jarolim und ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker eingebrachte Initiative fordert nun den Justizminister auf, schon vor Inkrafttreten der Regelungen im Rahmen eines Einführungserlasses alle RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf hinzuweisen, dass bei der Anwendung des Mandatsverfahrens sämtliche Betroffene, insbesondere Opfer, individuell und umfassend über ihre Rechte zu belehren sind. Ausdrücklich Bezug genommen wird dabei auch auf die Opferschutzeinrichtungen, insbesondere Gewaltschutzzentren und Weißer Ring. Auch soll es spätestens bis Ende Juni 2017 eine Evaluierung geben. Die SPÖ-Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Harald Troch, die ebenso wie Wurm im Ausschuss noch Kritik am Mandatsverfahren anklingen ließen, meinten, sie könnten nun der Regelung zustimmen, zumal vor allem die Einspruchsmöglichkeit der Opfer gegen das Verfahren sichergestellt sei und auch die Einspruchsfrist verlängert werden konnte.

Breiter Konsens über Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung

Namens der ÖVP begrüßte Justizsprecherin Michaela Steinacker die Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung sowie die Differenzierung zwischen "Beschuldigter" und Verdächtiger". Beim Mandatsverfahren wiederum sei man hohen rechtsstaatlichen Standards gefolgt, versicherte sie und war damit einer Meinung mit ihrem Fraktionskollegen Nikolaus Berlakovich, der es vor allem als positiv wertete, dass das Thema Gewalt in der Familie im Mandatsverfahren besonders berücksichtigt wird.

Als großen Schritt würdigte SPÖ-Abgeordneter Johannes Jarolim das Reformpaket und hob dabei insbesondere die Bestimmungen gegen überlange Verfahren hervor. Zusätzliche Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung, wie etwa die Schaffung eines Kontoregisters, sollten aber noch weiter diskutiert werden, meinte er. Handlungsbedarf ortete Jarolim zudem in Bezug auf eine entsprechende personelle Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Auch gehe es in Zeiten knapper Budgets darum, jene Maßnahmen zu forcieren, die dazu dienen, zu unrecht angehäufte Vermögen für die Staatskasse einzuziehen.  

Mit den Worten, der Rechtsstaat habe in weiten Bereichen gewonnen, kündigte Harald Stefan von der FPÖ die Zustimmung seiner Fraktion an. Auch für ihn stand die Kürzung der Verfahrensdauer im Mittelpunkt, wobei er von einem richtigen Ansatz sprach.

Als weniger geglückt bezeichnete er hingegen die Einführung des Begriffs des "Verdächtigen", der seiner Meinung nach in der Praxis keine wirkliche Abgrenzung zum "Beschuldigten" ermöglicht. Beim Mandatsverfahren wiederum sei es im Zuge der Verhandlungen zu Verbesserungen gekommen, stellte Stefan fest, hielt aber seine grundsätzlichen Befürchtungen bezüglich der Gefahr einer Zwei-Klassen-Justiz aufrecht.

Die positiven Aspekte überwogen auch für Team-Stronach-Justizsprecher Georg Vetter. Die Maßnahmen zur Verkürzung der Verfahren seien zu begrüßen, zumal die lange Verfahrensdauer dazu führe, dass das Verfahren selbst zur Strafe wird, argumentierte er. Zustimmung zur Reform kam weiters von NEOS-Mandatarin Beate Meinl-Reisinger, die sich aber eine längere Begutachtungsfrist gewünscht hätte. Als wesentlich hob sie die Bestimmungen zur Verkürzung der Verfahren hervor, gab allerdings zu bedenken, der Grund für die langen Verfahren liege meist bei der personellen Unterbesetzung der Staatsanwaltschaften. Das Mandatsverfahren wiederum verursache ihr zwar "Bauchweh", aufgrund des Entschließungsantrages könne ihre Fraktion nun aber zustimmen. Es sei aber darauf zu achten, dass bei ausländischen Beteiligten die Strafverfügung in der jeweiligen Übersetzung zugestellt werde, mahnte sie. Nicht durchsetzen konnte sich Meinl-Reisinger mit einem Entschließungsantrag, in dem sie Vollkostenersatz bei Freispruch forderte.

Das Glas sei halb voll, skizzierte Albert Steinhauser die Einschätzung des Pakets durch die Grünen, meinte aber, aufgrund des hohen Tempos bei der Erarbeitung des Gesetzes und der kurzen Begutachtungsfrist werde seine Fraktion nicht zustimmen. Der Justizsprecher der Grünen konnte in der Vorlage durchaus einige positive Ansätze erkennen. So sei die Drei-Jahres-Frist grundsätzlich nicht falsch, sie ändere aber nichts an der Grundproblematik der langen Verfahrensdauer. Nach Meinung Steinhausers müsste bei jenen Bereichen angesetzt werden, die die Verfahren in die Länge ziehen, so etwa bei der Berichtspflicht oder bei den Kontoöffungen. Skeptisch sah er auch das Mandatsverfahren. Dieses dürfe nicht den außergerichtlichen Tatausgleich verdrängen, auch sei Vorsicht geboten, dass es nicht zur Prozessabsprachen kommt, warnte Steinhauser.

Verfahrensbeschleunigung und Rechtsschutz waren auch für Justizminister Wolfgang Brandstetter die wesentlichen Aspekte des Reformpakets. Von der Drei-Jahres-Frist erwartet sich der Ressortleiter eine psychologische Wirkung, die Differenzierung zwischen "Verdächtiger" und "Beschuldigter" bezeichnete er als richtigen Schritt. Beim Mandatsverfahren wiederum habe man nach den Worten Brandstetters eine Regelung für die Praxis unter Beachtung der rechtsstaatlichen Erfordernisse im Interesse der Opfer gefunden. Brandstetter unterstrich, dass den Bedenken der Opferschutzeinrichtungen Rechnung getragen wurde. So haben Opfer nunmehr die Möglichkeit, durch Einspruch ein Mandatsverfahren zu verhindern.

Effizienz und Rechtsschutz als Leitlinien der Novelle zur Exekutionsordnung

Die einstimmig verabschiedete Novelle zur Exekutionsordnung verfolgt im Wesentlichen den Zweck, die Effizienz der Forderungseintreibung zu verbessern und den Rechtsschutz weiter auszubauen. So ist eine Stärkung der Rechte prozessunfähiger Personen vorgesehen, weiters soll es im Aufschiebungsverfahren rechtliches Gehör geben, das Rekursverfahren wiederum wird zweiseitig gestaltet. Enthalten ist in der Novelle zudem eine Indexanpassung der Vollzugsgebühren.

Sowohl Friedrich Ofenauer (V) als auch Ruth Becher (S), Albert Steinhauser (G) und Beate Meinl-Reisinger (N) spendeten viel Lob für die Novelle und begrüßten dabei vor allem die Stärkung der Rechte prozessunfähiger Personen. Becher zeigte sich als Wohnbausprecherin ihrer Fraktion zufrieden über die Bestimmung, die nunmehr Bieterabsprachen bei Liegenschaftsversteigerungen unterbindet. Steinhauser wiederum machte auf die Zunahme bei Exekutionen aufmerksam und forderte eine Reform des Privatkonkurses, um Personen, die wirtschaftlich scheitern, einen Neustart zu ermöglichen. Meinl-Reisinger schließlich legte Protest gegen die Erhöhung der Vollzugsgebühren ein und warnte vor einer Erschwerung des Zugangs zum Recht.

Justizminister Wolfgang Brandstetter verteidigte ebenso wie SPÖ-Abgeordneter Johannes Jarolim die Gebührenerhöhung als Folge einer Anpassung der Vergütungen der Gerichtsvollzieher, die nach zehn Jahren notwendig war. Die Novelle trage im Übrigen praktischen Erfahrungen Rechnung, erklärte der Ressortchef und begrüßte in diesem Zusammenhang die auf die Anregung eines jungen Richters zurückgehende Bestimmung zur Unterbindung von Bieterabsprachen bei Zwangsversteigerungen.(Fortsetzung Nationalrat) hof