Parlamentskorrespondenz Nr. 745 vom 02.08.2014

Barbara Prammer - Ein Leben für Demokratie und Dialog

Parlament trauert um Nationalratspräsidentin

Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (60) ist heute Nachmittag nach schwerer Krankheit im Kreise ihrer Familie in Wien verstorben. Trotz ihrer Krebserkrankung, die sie im September 2013 öffentlich machte, übte sie ihre Amtsgeschäfte bis Juli aus. Barbara Prammer war seit 30. Oktober 2006 Nationalratspräsidentin und damit die erste Frau an der Spitze des österreichischen Nationalrats. Erst am 29. Oktober 2013 wurde sie für weitere fünf Jahre in ihrem Amt bestätigt.

Seit ihrem Amtsantritt bemühte sich Barbara Prammer erfolgreich darum, über die tagespolitischen Themen hinaus das Parlament für einen gesellschaftspolitischen, wissenschaftlichen und kulturellen Diskurs zu öffnen. Sie hat das Hohe Haus zu einem Ort der Begegnung und des Dialogs gemacht und mit ihrem Vorsitz im Nationalfonds und Entschädigungsfonds für die Opfer des Nationalsozialismus sowie mit zahlreichen Veranstaltungen auch einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Österreich geleistet.

Vor allem Jugendliche für die Werte der Demokratie zu sensibilisieren und JungwählerInnen für Politik zu interessieren, war ihr ein besonderes Anliegen. Auf ihre Initiative wurde 2007 die Demokratiewerkstatt eingerichtet. Seither konnten fast 70.000 Kinder und Jugendliche aus ganz Österreich in den Workshops im Parlament Demokratie lernen. Vielen von ihnen stand Barbara Prammer persönlich als Gesprächspartnerin zur Verfügung. Mit ihrem 2013 erschienenen Buch "Wir sind Demokratie. Eine Ermunterung." wollte sie Lust auf Demokratie und Wahlen machen. Politik sei wichtig, "weil alles, wirklich alles im Leben von der Politik mitgestaltet wird", so ihre Überzeugung.

Auch parlamentarische Diplomatie war der Nationalratspräsidentin sehr wichtig. Sie konnte zahlreiche prominente Gäste im Hohen Haus begrüßen und setzte sich stets für den Ausbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. Im Rahmen der Interparlamentarischen Union (IPU) war Barbara Prammer besonders im Netzwerk der Parlamentspräsidentinnen aktiv. Ban Ki-moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, dankte Prammer anlässlich ihres 60. Geburtstags besonders für ihr Engagement zur Stärkung von Frauen in Politik und Gesellschaft und würdigte sie als Mitstreiterin für Frieden, Entwicklung und Menschenrechte.

Nationalratspräsidentin Prammer ist es zuletzt auch mit viel Beharrlichkeit gelungen, eine Einigung aller sechs Fraktionen zur nachhaltigen Sanierung des Parlamentsgebäudes zu erzielen. Die einhellige Entscheidung sei ein klares Signal für den Parlamentarismus und ein wunderbares Geschenk zu ihrem Geburtstag, sagte Barbara Prammer im Jänner 2014. Bei dieser Gelegenheit appellierte sie aber auch an alle Fraktionen, an der Weiterentwicklung der politischen Kultur und der politischen Auseinandersetzung zu arbeiten, um das Bild des Parlamentarismus in der Öffentlichkeit zu verbessern.

Geboren wurde Barbara Prammer am 11. Jänner 1954 in Ottnang am Hausruck/Oberösterreich, einer Bergarbeitergemeinde mit langer sozialdemokratischer Tradition. Dieses Umfeld und die politische Aktivität ihrer Familie trugen schon bald zur politischen Sozialisierung Prammers bei, ihr Engagement in der Jungen Generation der SPÖ begann in den 1970er Jahren. Die Grundwerte der Sozialdemokratie prägten seitdem ihr Tun in allen ausgeübten politischen Funktionen, was aber ihrer Objektivität als Nationalratspräsidentin keinesfalls entgegenstand. In ihrem ersten Buch, "Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden", beschreibt Barbara Prammer die vielen Erfahrungen und Begegnungen, die sie politisch geprägt haben. Ihren Auftrag sah sie stets darin, einerseits zu einer sachlichen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament beizutragen, andererseits aber die Interessen des Nationalrats mit Nachdruck zu vertreten.

Nach ihrer Matura an der Handelsakademie Vöcklabruck begann Barbara Prammer 1973 ihre Ausbildung im Gemeindeamt Ottnang. Neben anderen Zuständigkeitsbereichen übte sie auch die Aufgabe als Standesbeamtin aus. 1978 verließ sie ihre Heimatgemeinde, um an der Johannes-Kepler-Universität Linz ein Studium der Soziologie zu absolvieren. Nach ihrem erfolgreichen Abschluss arbeitete sie als Sozial- und Berufspädagogin im Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ). Anschließend war sie bei der AMS Landesgeschäftsstelle Oberösterreich beschäftigt, zuletzt war sie in dieser Funktion karenziert.

Ab 1991 war Prammer zunächst als Landtagsabgeordnete und Zweite Landtagspräsidentin in der oberösterreichischen Landespolitik tätig. 1995 wurde sie als Landesrätin für Wohnbau, Naturschutz und Verwaltungspolizei das erste weibliche Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung und von der Bundes-SPÖ zu einer der stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. 1997 wurde Barbara Prammer in die Bundesregierung berufen, drei Jahre lang führte sie als Bundesministerin das Ressort Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz. Im gleichen Jahr übernahm sie auch – bis 2009 - den Vorsitz der SPÖ-Frauen. Seit der Nationalratswahl im Oktober 1999 war Barbara Prammer Abgeordnete zum Nationalrat. (Schluss) hlf/red