Parlamentskorrespondenz Nr. 895 vom 09.10.2014

Hundstorfer verteidigt im Sozialausschuss neue Pflegegeld-Regelung

Verschärftes Lohn- und Sozialdumpinggesetz kommt noch im Oktober in den Ministerrat

Wien (PK) – Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat heute in einer Aktuellen Aussprache im Sozialausschuss des Nationalrats den in Begutachtung geschickten Gesetzentwurf zum Pflegegeld verteidigt. Der erschwerte Zugang zu den Pflegstufen 1 und 2 sei notwendig, um die Kostensteigerung im Pflegebereich zu dämpfen, sagte er. Vor allem für die 24-Stunden-Betreuung würde deutlich mehr Geld ausgegeben als noch vor einigen Jahren. Die Maßnahmen führten aber zu keinem "sozialen Kahlschlag". Hundstorfer appellierte an die Opposition, in ihrer Kritik fair zu bleiben, er erntete für sein Vorhaben allerdings nur wenig Verständnis.

Das verschärfte Lohn- und Sozialdumpinggesetz will Hundstorfer, wie er ankündigte, am 21. Oktober in den Ministerrat bringen. Der Gesetzentwurf zur Teilpension soll hingegen erst im Frühjahr vorliegen. Ob es für einen verspäteten Pensionsantritt einen Aufschub-Bonus geben wird, hängt ihm zufolge davon ab, ob in Bezug auf das vorgesehene Bonus-Malus-System zur Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen eine Einigung erzielt werden kann.

Anträge der Opposition zu den Bereichen Arbeitsrecht, Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherung und Schwarzarbeit wurden abgelehnt bzw. vertagt. So blitzten die Grünen etwa mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde ab.

Ausgaben für 24-Stunden-Betreuung werden heuer auf 125 Mio. € steigen

Im Rahmen der Diskussion über die neuen Pflegegeld-Bestimmungen betonte Hundstorfer, das österreichische Pflegesystem sei weltweit einzigartig. Es werde durch den vorgesehenen erschwerten Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 auch nicht in Frage gestellt. Man müsse aber auf die steigenden Ausgaben im Pflegebereich reagieren.

Hundstorfer berichtete unter anderem von einem "dramatischen Anstieg" der Aufwendungen für die 24-Stunden-Betreuung. Seit der Einführung haben sich die Kosten von ursprünglich 9 Mio. € auf heuer voraussichtlich 125 Mio. € erhöht. Die Steigerungsrate im laufenden Jahr werde 15% betragen, in den letzten beiden Jahren sind es jeweils 18% gewesen. Nach Einschätzung des Ministers trägt vor allem der 100%ige Eigenregress bei einem stationären Aufenthalt viel dazu bei, dass sich die Betroffenen lieber zu Hause betreuen lassen.

Für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von pflegenden Angehörigen werden laut Hundstorfer 33 Mio. € aufgewendet, mit einer jährlichen Steigerungsrate von 1 Mio. €. Die Pflegekarenz, bei der auch ein Pflegekarenzgeld in Höhe des fiktiven Arbeitslosenbezugs gewährt wird, wird derzeit von 600 Personen in Anspruch genommen.

Was das Pflegegeld betrifft, gibt es laut Hundstorfer derzeit rund 445.000 BezieherInnen. Davon haben im letzten Jahr rund 106.000 einen Antrag auf Erhöhung gestellt. Dazu kamen 91.000 neue Anträge. Das zeige, dass es sich um ein sehr dynamisches System handle, sagte der Minister. Für ihn ist die große Frage, wie man in diesem System eine Valorisierung erreichen und gleichzeitig die 24-Stunden-Betreuung absichern könne. Das gehe nicht ohne Kostendämpfung, bekräftigte er. Hundstorfer beteuerte, dass trotz des vorgesehenen erschwerten Zugangs zu den Pflegestufen 1 und 2 auch künftig mehr Geld für die Pflege ausgegeben wird als bisher. Er hob zudem den Umstand hervor, dass im Jahr 2016 alle Pflegegeldstufen um 2 % erhöht werden sollen.

Ein Rätsel ist für Hundstorfer, wie er sagte, dass es in den westlichen Bundesländern wie Tirol einen deutlich geringeren Prozentsatz von PflegegeldbezieherInnen gibt als etwa in der Steiermark, obwohl die Ärzteschulung mittlerweile vereinheitlicht wurde. Aufmerksam machte er auch darauf, dass nur 14 % der PflegegeldbezieherInnen der Stufe 1 Pflegeleistung zukaufen, in Stufe 2 sind es knapp 18 %.

Voraussetzung für die immer wieder geforderte Gesamtreform im Pflegebereich ist für Hundstorfer die Klärung der Frage, ob der Pflegefonds in den Finanzausgleich integriert wird oder als eigenständiger Topf erhalten bleibt. Hier gebe es aber unterschiedliche Meinungen zwischen den Sozial- und FinanzreferentInnen der Länder. Der Minister selbst plädierte für einen eigenen Topf, seiner Ansicht nach könnten damit bundeseinheitliche Standards und klare Strukturen schneller erreicht werden. Klar ist für Hundstorfer, dass der Pflegefonds wirkt, so seien etwa mobile und teilstationäre Angebote deutlich ausgebaut worden.

Opposition zeigt wenig Verständnis

Die Opposition brachte nur wenig Verständnis für die Argumentation des Sozialministers auf. Sowohl Abgeordnete Judith Schwentner (G) als auch Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) erinnerten daran, dass der Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 bereits im Jahr 2011 erschwert wurde und nun ein zweiter Schritt gesetzt werde. Gegenüber dem Jahr 2010 müsse man künftig um 15 Stunden mehr Pflegebedarf in der Stufe 1 und um 20 Stunden mehr in der Stufe 2 nachweisen, hob Schwentner hervor. Die Leidtragenden seien vor allem die Angehörigen, die gerade in den Pflegestufen 1 und 2 die meiste Betreuungsarbeit leisten. Belakowitsch-Jenewein fürchtet, dass es nicht die letzte Einschränkung sein wird. Sie gab überdies zu bedenken, dass viele MindestpensionistInnen von der Maßnahme betroffen sein werden.

Team-Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich wies darauf hin, dass sogar der Vorgänger des Sozialministers, Erwin Buchinger, von einem beschämenden Schritt gesprochen habe. Von den Sparmaßnahmen seien Menschen betroffen, die Hilfe bräuchten, wandte sie ein. Als Behindertensprecherin der Grünen machte Helene Jarmer darauf aufmerksam, dass die von den Bundesländern gewährte Assistenzleistung am Pflegegeldbezug hänge.

Ein gewisses Verständnis dafür, dass Sozialminister Hundstorfer auf die Kostendynamik achten müsse, äußerte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Er vermisst wie FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer aber ein langfristiges Gesamtkonzept für den Pflegebereich. Hundstorfer müsse die Länder in die Pflicht nehmen, forderte er. Abgeordneter Neubauer kritisierte, es fehle an einer klaren Kompetenzverteilung und klaren Strukturen. Seiner Meinung nach kann man ein Gesamtproblem nicht mit einem Teilstück lösen.

Verteidigt wurde Hundstorfer hingegen von ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger. "Wir reden von einer Kostendämpfung", es werde nicht weniger Geld für die Pflege ausgegeben, bekräftigte er. Das österreichische Pflegesystem bleibe ein "Top-System".

Hundstorfer gegen freien Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen

Weitere Themen der aktuellen Aussprache im Sozialausschuss waren die hohe Arbeitslosigkeit, die Gleichstellung von Behinderten, das geplante verschärfte Lohn- und Sozialdumpinggesetz und die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. So wies FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm etwa auf zweistellige Zuwachsraten bei der Arbeitslosenrate hin. Vor diesem Hintergrund äußerte er sich verwundert darüber, dass die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer Tirol einen freien Zugang von AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt fordern.

Abgeordnete Jarmer drängte darauf, die barrierefreie Umgestaltung von öffentlichen Gebäuden zu beschleunigen. Zudem mahnte sie den Evaluierungsbericht des Sozialministeriums, was die Auswirkungen des gelockerten Kündigungsschutzes für behinderte ArbeitnehmerInnen und die Erhöhung der Ausgleichstaxe betrifft, ein. ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg sprach sich dafür aus, bei den Finanzausgleichsverhandlungen auch über bundesweit einheitliche Kriterien für die persönliche Assistenz zu diskutieren.

Sozialminister Hundstorfer wies darauf hin, dass es, was die Frage der persönlichen Assistenz betrifft, massive Divergenzen mit einzelnen Bundesländern gebe. Er sei gerne bereit, die Kompetenz dafür zur Gänze zu übernehmen, allerdings müssten auch die entsprechenden Geldflüsse erfolgen, konstatierte er. Den Evaluierungsbericht zum Behinderteneinstellungsgesetz will er demnächst vorlegen.

Was den Arbeitsmarkzugang von AsylwerberInnen anlangt, denkt Hundstorfer seinen Angaben nach nicht daran, die Rechtslage zu ändern. Er werde sich aber darum bemühen, dass der Vollzug einheitlich ablaufe, sagte er. Ihm zufolge ist es etwa in Wien selbstverständlich, dass ein AsylwerberInnen nach Beendigung seiner Mitarbeit an einem gemeinnützigen Projekt wieder die Grundversorgung erhalte, während es in anderen Bundesländern eines neuerlichen Antrags bedürfe. Überdies will er stärker darauf achten, dass AsylwerberInnen gegenüber SaisonarbeiterInnen und ErntehelferInnen aus Drittstaaten wie gesetzlich vorgesehen bevorzugt werden. Die Zahl der anerkannten Flüchtlinge, die beim AMS als arbeitslos vorgemerkt sind, bezifferte der Minister mit 11.000. 113 AsylwerberInnen absolvieren derzeit eine Lehre.

Das verschärfte Lohn- und Sozialdumpinggesetz soll laut Hundstorfer am 21. Oktober in den Ministerrat kommen und voraussichtlich am 6. November im Sozialausschuss beraten werden. Durch die vorgesehene Gesetzesänderung sollen die Behörden nicht nur die Einhaltung des Grundlohns, sondern auch andere Gehaltsbestandteile wie Überstundenzuschläge und Gefahrenzulagen kontrollieren können. Vorgesehen ist auch eine Erhöhung der Verwaltungsstrafen für fehlende Lohn- und Gehaltsunterlagen.

Hinsichtlich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung kündigte Hundstorfer Verhandlungen mit den Ländern über gemeinsame Standards im ersten Quartal 2015 an. Durchschnittlich wird seinen Angaben nach 8 Monate lang Mindestsicherung bezogen, 25 % sind DauerbezieherInnen. Die durchschnittliche Bezugshöhe beläuft sich auf 310 €. Ein Großteil der MindestsicherungsbezieherInnen sind so genannte "Aufstocker", beziehen die Mindestsicherung also zusätzlich zu einem anderen Einkommen.

Abgeordnete Gertrude Aubauer (V) wurde von Hundstorfer darüber informiert, dass der Gesetzentwurf zur Teilpension im Frühjahr 2015 vorliegen soll. NEOS-Abgeordnetem Loacker teilte der Minister mit, dass bei privaten Pensionsversicherungen die KonsumentInnen umfassend über Prämien und Zusatzkosten zu informieren seien. Dafür gebe es klare Vorgaben. Loacker hatte zuvor kritisiert, dass viele private Versicherungen sehr intransparent seien. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs