Parlamentskorrespondenz Nr. 896 vom 09.10.2014

Arbeitslosenversicherung für Nebenerwerbslandwirte wird neu geregelt

Sozialausschuss erörtert Arbeitsmarktpolitik von Kollektivvertrag bis Schwarzarbeit

Wien (PK) – Nebenerwerbslandwirte sollten künftig leichter Arbeitslosengeld erhalten können. Bundesminister Rudolf Hundstorfer berichtete dem Sozialausschuss des Nationalrats über einen entsprechenden Gesetzesentwurf, mit dem auch bei geringen Einkommen aus der nebenerwerblichen Landwirtschaft die Arbeitslosenversicherung ermöglicht wird. Angestoßen hatte die Frage eine entsprechende Forderung der Freiheitlichen.

Auf Grundlage weiterer Oppositionsanträge nutzten die Abgeordneten die heutige Sitzung dafür, über das Sozialversicherungssystem und die damit einhergehenden Lohnnebenkosten sowie die heimische Arbeitsmarktpolitik zu diskutieren. Zwar wurden alle Initiativen von FPÖ, Grünen und Team Stronach mehrheitlich abgelehnt oder vertagt. Sie brachten jedoch den Ausschuss dazu, kontrovers das heimische Kollektivvertragssystem zu erörtern, wobei Grüne und FPÖ einmal mehr für die Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohns eintraten. Diesem Vorstoß hielten nicht nur die Koalitionsparteien, sondern auch NEOS und Team Stronach entgegen, Österreichs Wirtschaft fahre insgesamt gut mit den bestehenden kollektivvertraglichen Regelungen, daher seien diese beizubehalten.

Hundstorfer kündigt besseren Zugang zu Arbeitslosengeld für Nebenerwerbsbauern an

Erneut forderte heute die FPÖ eine gesetzliche Regelung, die sicherstellt, dass Nebenerwerbslandwirte mit geringem Einkommen aus der Landwirtschaft ihren Arbeitslosenbezug beibehalten (650/A(E)). Die auf dem Einheitswert basierende Bezugsgröße im Arbeitslosenversicherungsgesetz müsse dazu angehoben werden. Thematisiert hatten sie dies auch im Landwirtschaftsausschuss letzten Montag (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 869). Eine entsprechende Gesetzesänderung sei schon in Vorbereitung, erfuhren die Abgeordneten daraufhin von Minister Hundstorfer. Man werde sie in die Verschärfung des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes integrieren und rückwirkend in Kraft treten lassen. Noch Ende November sollte der Gesetzesentwurf ins Nationalratsplenum kommen, fügte ÖVP-Abgeordneter August Wöginger an, infolge dessen wurde der FPÖ-Antrag mit Mehrheit der Regierungsfraktionen vertagt.

Der Anregung von Grünen-Mandatarin Birgit Schatz, die Bezugsberechtigung des Arbeitslosengeldes völlig vom Einheitswert zu entkoppeln und jedenfalls auszuzahlen, wenn Nebenerwerbsbäuerinnen und -bauern kein anderes Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze beziehen, konnte Fritz Grillitsch (V) wenig abgewinnen. Immerhin bilde dieser Einheitswert auch die Bemessungsgrundlage für Steuern und andere Abgaben, dürfe also nicht einfach ad acta gelegt werden.

Eindeutig unzufrieden sind die Grünen mit dem im Juli beschlossenen neuen Arbeitslosenversicherungsgesetz. Anstatt die rechtliche Lage von KindergeldbezieherInnen hinsichtlich Bezugsdauer des Arbeitslosengelds zu verbessern, verschlechtere die Novelle die Position anderer Gruppen wie Präsenzdiener, Zivildiener, Wochengeldbezieherinnen und KrankengeldbezieherInnen, so die Kritik (610/A(E)). Der Verfassungsgerichtshof hatte beanstandet, dass im Arbeitslosenversicherungsgesetz BezieherInnen von Kindergeld benachteiligt würden, wodurch eine Gesetzesänderung notwendig wurde. Auf die Frage Judith Schwentners (G), ob hierzu endlich eine für alle Personengruppen zufriedenstellende Lösung in Aussicht ist, antwortete Bundesminister Hundstorfer, er befinde sich bereits in intensiven Verhandlungen zur Materie. Folglich vertagten die Regierungsparteien auch diesen Antrag.

Grüne blitzen mit Forderung nach Mindestlohn von 8,50 € ab

Eine heftige Diskussion über die österreichische Arbeitsmarktpolitik entspann sich auf Grundlage eines Entwurfs der Grünen für ein Mindestlohngesetz (144/A), den der Ausschuss mit breiter Mehrheit ablehnte. Abgeordnete Birgit Schatz und ihre FraktionskollegInnen fordern ab 2015 ein Mindestentgelt von 8,50 € pro Arbeitsstunde, das jährlich valorisiert werden soll. Im Jahr 2013 haben rund 540.000 Beschäftigte in Österreich diese Grenze unterschritten, geben sie im Antrag zu bedenken. Ein Mindestlohn von 8,50 € wäre nach Meinung von Schatz nicht nur angemessen, er würde auch die Lohnsteuereinnahmen erhöhen und durch höhere Konsumausgaben die Schaffung neuer Arbeitsplätze bewirken. Besonders im Niedriglohnsektor bedürfe es eines existenzsichernden Mindestlohns, schon damit ArbeitnehmerInnen nicht zu Überstunden gezwungen würden, um ihr Gehalt aufzubessern, gab Schatz zu bedenken.

Dementsprechend plädieren die Grünen in weiteren Anträgen für ein Maßnahmenbündel zur Eindämmung überlanger Arbeitszeiten (31/A(E)) und für ein Verbot von All-In-Verträgen (32/A(E)). Schatz schlägt in diesem Zusammenhang etwa eine Anhebung der Überstundenzuschläge bei gleichzeitiger Streichung der steuerlichen Begünstigung sowie eine klare gesetzliche Begrenzung von Durchrechnungszeiträumen zum Abbau von Zeitguthaben vor. Nicht zuletzt würde die Arbeit somit gerechter verteilt und letztlich die Kaufkraft in der Gesellschaft gestärkt.

Abgeordneter Markus Vogl (S) meinte zum Antrag gegen All-In-Verträge, hier sei eine faire Lösung anzustreben, die solche Arbeitsverträge nur für bestimmte Berufsgruppen zulässt. Sie gänzlich abzuschaffen, sei aber kein gangbarer Weg und daher abzulehnen, worin ihm ÖVP, FPÖ, Team Stronach und NEOS Recht gaben. Den Antrag auf Eindämmung der Überstunden wiederum vertagten SPÖ und ÖVP mehrheitlich, wobei der internationale Wettbewerb, in dem die heimischen Unternehmen stehen, ins Treffen geführt wurde. Für die Vertagung stimmte die rot-schwarze Ausschussmehrheit auch beim Grünen-Antrag, im Angestelltengesetz klar zu regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Dienstgeber MitarbeiterInnen, die sich im Krankenstand befinden, kontaktieren darf (453/A). Eine störungsfreie Genesungszeit für Beschäftigte müsse Vorrang haben, machte Abgeordnete Schatz geltend. NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker bekrittelte an dieser Forderung, damit dürften ArbeitgeberInnen ihren MitarbeiterInnen nicht einmal telefonisch Besserungswünsche überbringen.

Einem gesetzlichen Mindestgehalt konnte Loacker ebenfalls wenig abgewinnen. Die Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland etwa zeige, dass eine solche Maßnahme die Wirtschaft nicht stärke sondern vielmehr im Wachstum hemme, weil ja das Geld nicht automatisch in den nationalen Binnenkonsum fließe. Mit dem Beispiel Deutschland, wo es anders als in Österreich keine Tarifabstimmung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gibt, argumentierten auch Markus Vogl (S), Michael Hammer (V) und Johann Hechtl (S) gegen den Antrag auf Mindestlohn. Waltraud Dietrich (T) stieß sich besonders an der verlangten Erhöhung von Überstundenzahlungen und Gabriel Obernosterer (V) nutzte die Gelegenheit, zu einer Entrümpelung der Kollektivverträge aufzurufen, um in den Unternehmen flexiblere Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen.

Einzig die FPÖ trug die Mindestlohn-Forderung der Grünen mit, denn, wie die Freiheitliche Dagmar Belakowitsch-Jenewein sagte, viele BürgerInnen könnten derzeit nicht von ihren kollektivvertraglich ausverhandelten Gehältern leben. Der Antrag blieb damit in der Minderheit.

Vertagt wurden schließlich die restlichen mitverhandelten Anträge der Grünen Fraktion. Konkret drängt die Oppositionspartei darauf, Zeiten der Elternkarenz vollständig bei Lohneinstufungen zu berücksichtigen (390/A(E)) sowie Theater-Betriebsräte durch eine verpflichtende Entsendung in den Aufsichtsrat zu stärken (526/A). Zu letzterem Antrag brachte Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl in der Sitzung einen Abänderungsantrag ein, der berücksichtigt, dass es in manchen Theaterbetrieben zwei oder mehrere Betriebsräte, z.B. für technisches und künstlerisches Personal, gibt. Er strebe mit seinem Antrag lediglich an, erläuterte Zinggl im Ausschuss, eine gesetzliche Gleichstellung von Theaterunternehmen mit anderen Betrieben, wo Betriebsräte automatisch im Aufsichtsrat ihren Platz haben, zu erreichen. Sozialminister Hundstorfer sicherte dem Kultursprecher zu, die nötigen Gespräche zu dieser Problematik hätten bereits begonnen. Zur Anrechnung der Elternkarenz als Vordienstzeit äußerten sich die Koalitionsparteien grundsätzlich positiv, sie vertagten aber den diesbezüglichen Antrag der Grünen. SPÖ-Mandatar Vogl gab zu bedenken, das Problem der Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern dürfe nicht auf die mangelnde Vorrückung durch Karenzzeiten reduziert werden.

Sozialabgaben bleiben auf der politischen Agenda

Teils vertagt, teils abgelehnt wurden auch die übrigen Oppositionsanträge, mit denen sich der Sozialausschuss heute befasste. Die Sozialabgaben und der Kampf gegen Lohndumping bzw. Schwarzarbeit sind die Kernpunkte der Forderungen, die FPÖ und Team Stronach stellten.

Entlastung bei den Sozialabgaben für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) bzw. für gemeinnützige Organisationen fordern die Freiheitlichen ein. So wollen sie die Verzugszinsen im Bereich der Sozialversicherung stark gesenkt wissen (476/A(E)), zudem sollten ehrenamtliche Tätigkeiten von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen werden (507/A(E)). Die Absenkung der Verzugszinsen habe man im Regierungsprogramm vorgesehen, betonte Hundstorfer, allerdings sei hier auf die Anliegen der Versichertengemeinschaft Bedacht zu nehmen, die mit geringeren Zinsen weniger Geld zur Verfügung hätte. Der Antrag wurde in Folge von SPÖ und ÖVP vertagt. Abgelehnt wurde indes der Antrag auf das Streichen der Sozialversicherung bei Freiwilligenarbeit, weil unbezahlte Leistungen davon ohnehin nicht betroffen sind, wie es hieß.

Die regionale Wertschöpfung ist dem Team Stronach ein Anliegen, das sich deswegen dafür ausspricht, bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand das Bestbieter- anstelle des Billigstbieterprinzips zu berücksichtigen (487/A(E)). Davon würden heimische Unternehmen gegenüber ausländischen Firmen mit Billigarbeitskräften profitieren. Die FPÖ will durch sektorale Zuzugsbegrenzungen für ausländische Arbeitskräfte Österreichs Arbeitslosenzahlen in bestimmten Bereichen, speziell im Baugewerbe, eindämmen (648/A(E)) und die Schwarzarbeit bei öffentlichen Veranstaltungen wie dem Donauinselfest unterbunden sehen (654/A(E)). Gemeinsam mit der monatlichen Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich solle der Sozialminister außerdem einen Statusbericht zur Budgetsituation von Arbeitslosenversicherung und Arbeitsmarktservice (AMS) veröffentlichen, urgiert die freiheitliche Partei weiters (649/A(E)). Sie befürchtet wegen der explodierenden Arbeitslosenzahlen eine wachsende Budgetnot beim AMS, für deren Linderung wohl zusätzliche Bundesmittel würden fließen müssen.

Die auf EU-Ebene angestoßene Novelle des Bundesvergabegesetzes werde voraussichtlich ökologische, soziale und nachhaltige Aspekte berücksichtigen, begründete Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (S) die Vertagung des Team Stronach-Antrags. Dadurch könne Österreich in Übereinstimmung mit den Prinzipien des europäischen Binnenmarkts Lohn- und Sozialdumping einen Riegel vorschieben. Die FPÖ erhielt für ihren Antrag auf Kassasturz bei der Arbeitslosenversicherung und beim AMS nur Unterstützung von Grünen und Team Stronach, und blieb damit ebenso in der Minderheit wie mit den Forderungen betreffend Zuzugsbeschränkung und Schwarzarbeit, denen sich nur Waltraud Dietrich (T) namens ihrer Fraktion anschloss. (Schluss Sozialausschuss) rei


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