Parlamentskorrespondenz Nr. 89 vom 05.02.2015

Bundesrat: FPÖ blitzt mit Veto gegen Fortpflanzungsgesetz-Novelle ab

Kein Einspruch im Bundesrat; weiteres Thema: Zusatzqualifikation für MasseurInnen

Wien (PK) – Ein von den Freiheitlichen beantragter Einspruch der Länderkammer gegen die kontrovers diskutierte Novelle zum Fortpflanzungsmedizingesetz wurde mit 8 Ja- und 51 Nein-Stimmen vom Bundesratsplenum abgelehnt. Mit der Entscheidung des Bundesrats, keinen Einspruch zu erheben, nahm das Fortpflanzungsmedizingesetz damit heute ihre letzte parlamentarische Hürde.

Durch die neuen Bestimmungen sollen Eizellenspenden ermöglicht werden, darüber hinaus werden Samenspenden Dritter bei der In-Vitro-Fertilisation erlaubt, lesbische Paare wiederum erhalten Zugang zu Samenspenden. Weiter verboten bleibt hingegen die Leihmutterschaft. Die Untersuchung einer bereits befruchteten Eizelle wird in Hinkunft unter bestimmten äußerst restriktiven Voraussetzungen möglich sein.

FPÖ: Mit diesem Gesetz wird die Natur völlig auf den Kopf gestellt

Das Fortpflanzungsmedizingesetz ist nicht mit ethischen und moralischen Grundsätzen vereinbar und geht zu weit. So die Kritik der FPÖ gegenüber der Novelle. Damit werde die Natur völlig auf den Kopf gestellt. Das Gesetz eröffne die Möglichkeit, eine Auswahl zwischen wertem und unwertem Leben zu treffen, außerdem werde das Kindeswohl vollkommen außer Acht gelassen.

Natürlich müsse man einem Höchstgerichtsurteil Folge leisten, bei so einem wichtigen Gesetz wäre es aber notwendig gewesen, länger und intensiver darüber zu diskutieren, sagte Monika Mühlwerth (F/W). Man habe aber in aller Schnelle ein Gesetz gebastelt. Die Natur habe es so eingerichtet, dass zur Zeugung eines Kindes Mann und Frau gebraucht werden, Homosexuelle könnten eben keine Kinder bekommen, meinte Mühlwerth und forderte dementsprechende Grenzen ein. Die SPÖ und die Grünen würden ein Gesellschaftsmodell verfolgen, in dem das klassische Familienbild aufgehoben wird. Überrascht sei sie, Mühlwerth, außerdem, dass die ÖVP für das Gesetz eintritt. Zudem war die Freiheitliche der Ansicht, dass das Wohl des Kindes vollkommen außer Acht gelassen wird. Alle unterschriebenen UN-Konventionen, die das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen, würden damit ad absurdum geführt.

Auch ihr Fraktionskollege Gerd Krusche (F/St) wandte sich, so wie er sagte, aus vollster Überzeugung gegen das neue Fortpflanzungsgesetz. Was die Präimplantationsdiagnostik betrifft, verwies der Bundesrat darauf, dass es Selektion in Österreich bereits vor einigen Jahrzehnten gegeben habe. "Wir öffnen mit diesem Gesetz die Büchse der Pandora und ebnen den Weg in diese Richtung", sagte Krusche und warnte davor, aufgrund einer genetischen Disposition "zwischen wertem und unwertem Leben zu entscheiden". Das habe nichts mehr mit Moral und Ethik zu tun und man verschanze sich dabei hinter einem Gerichtsurteil, warf er SPÖ und ÖVP vor. Der medizinische Fortschritt sollte seiner Meinung dazu dienen, Kranken zu helfen und nicht, wie Krusche formulierte, "um lieber Gott zu spielen".

"Wo ist der Wert eines Menschenlebens?", war die Frage von Christoph Längle (F/V) an das Bundesratsplenum, der die Novelle so wie seine Fraktionskollegen mit moralischen und ethischen Grundsätzen unvereinbar wertete. Das Gesetz sei in kürzester Zeit abgesegnet worden, auch die Begutachtungsfrist sei viel zu kurz bemessen gewesen. Es scheine, so Längle, dass die Verantwortlichen keine öffentliche Debatte wollten. Geht es nach den Freiheitlichen, wäre es demokratischer gewesen, wenn die vielen ablehnenden Stimmen des Volkes gehört worden wären. Es könne nicht sein, dass eine Eizelle zur Handelsware wird oder ein Kind zwischen einer biologischen und einer genetischen Mutter steht.

SPÖ: Modernes Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich notwendig

Gegen eine Polarisierung im Zusammenhang mit dem Fortpflanzungsmedizingesetz und für ein selbstbestimmtes, entscheidungsautonomes Leben argumentierten die beiden SP-Bundesrätinnen Johanna Köberl (S/St) und Ana Blatnik (S/K).

Im Parlament habe sich bestimmt niemand die Entscheidung bei einem heiklen Thema wie diesem leicht gemacht, entgegnete Köberl der Kritik der Freiheitlichen gegenüber ihrer Fraktion. Jeder habe zu den verschiedenen Punkten, die das Gesetz behandelt, aufgrund der eigenen Geschichte und Erlebnisse andere Meinungen, deswegen werde es gerade auch hier nicht die eine richtige Antwort geben. Ein modernes Fortpflanzungsmedizingesetz, das den gesellschaftspolitischen und medizinischen Entwicklungen entspricht und den Menschen Sicherheit gibt, sei ein notwendiger Beschluss. Um diesen Bereich noch weiter zu entwickeln, bedürfe es noch konstruktiver Diskussionen. Dabei ist Köberl überzeugt, dass das Gesetz mit großer Sorgfalt umgesetzt wird.

"Es geht um ein sensibles Thema, aber bitte lassen wir es nicht zu, dass damit polarisiert wird", so die eingehende Bitte von der ehemaligen Bundesratspräsidentin Ana Blatnik an die Länderkammer. Auch den Vergleich zwischen Präimplantationsdiagnostik und der Selektion unter den Nationalsozialisten von Seiten der Freiheitlichen lehnte sie strikt ab. Sie selbst stehe für Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung jedes Einzelnen ein. Das Modell Vater-Mutter-Kind sei zudem noch immer kein Garantieschein auf ein funktionierendes Kindeswohl. Ein zentraler Punkt der Novelle sei, den veränderten Lebensformen und gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht zu werden.

ÖVP: Kein Beschluss würde rechtsfreien Raum bedeuten

Hinter die vorliegenden Änderungen im Fortpflanzungsrecht stellten sich auch die Bundesräte der ÖVP. Zum einen folge die Novelle einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs, zum anderen sei das, was darin kritisiert wird, explizit vom Gesetz herausgenommen. Das Gesetz trage grundsätzlich die Überschrift der "medizinischen Indikation", meint man seitens der ÖVP.

Er würde sich nicht hinter einem Höchstgerichtsurteil verschanzen, dieses aber nicht umzusetzen, schaffe einen rechtsfreien Raum, sagte Klaus Fürlinger (V/O). Die Folge von dem, was die FPÖ predige, sei demnach, dass alles erlaubt ist. "Das Gesetz hat eine grundsätzliche Überschrift, diese heißt medizinische Indikation", so Fürlinger. Was die Präimplantationsdiagnostik betrifft, müsse man einer Frau nach mehreren Fehlgeburten das Recht ermöglichen, ein Kind unter medizinischer Betreuung zur Welt bringen zu können.

Mit der heutigen Novelle hat die ÖVP bewiesen, wie breit sie aufgestellt ist, resümierte sein Fraktionskollege Ferdinand Tiefnig (V/O). "Gott sei Dank sind wir in unserer Gesellschaft so weit, dass wir diesen Beschluss vollziehen können", sagte er und verwies auch auf die Bioethikkommission, die in den letzten Jahren darauf hingearbeitet habe. Er selbst, Tiefnig, verstehe es nicht, dass man dagegen sein könne, wenn Leben ermöglicht werden soll. Es sei wichtig, das Gesetz so darzustellen, wie es den BürgerInnen tatsächlich zugutekommt, nicht aber, wie es von manchen populistisch interpretiert wird.

Dass unterschiedliche ethische und moralische Vorstellungen in einer Gesellschaft nebeneinander gelebt werden können, ist essentiell, so das Fazit von Harald Himmer (V/W). Auch mit der vorliegenden Novelle lasse es der Gesetzgeber jeder Familie und jedem Menschen offen, weiterhin nach seinen Vorstellungen zu leben. Auch trotz des Gesetzes werden viele aus religiösen und moralischen Gründen handeln, wie sie bis jetzt gehandelt haben und die Änderungen nicht in Anspruch nehmen, so die Prognosen Himmers.

GRÜNE: Wichtiger Schritt von Diskriminierung zur Gleichstellung

Die Grünen wollen das klassische Familienmodell nicht abschaffen, sondern eine Gleichstellung und Gleichwertigkeit für alle Familienformen. Das machten einmal mehr auch die grünen BundesrätInnen in der Diskussion um das Fortpflanzungsmedizingesetz deutlich. Positive Worte bekamen SPÖ und ÖVP für die sachliche Debatte.

Es geht um eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, sagte Marco Schreuder (G/W) und rief die Arbeit der Bioethikkommission ins Bewusstsein, die sich Jahrzehnte lang mit dem Thema beschäftigt habe und deren Ergebnis mit dem vorliegenden Gesetz umgesetzt werde. Für "bemerkenswert" hielt es Schreuder, wenn der Familienbegriff ausschließlich für heterosexuelle Familien gedacht wird. Die Gesellschaft sei vielfältig, meinte er, "bitte FPÖ, hört auf mit diesem Argument der Natur", so sein Anliegen.

Das Gesetz sei ein wichtiger Schritt weg von der Diskriminierung hin zu einer Gleichstellung, lautete das Urteil von Nicole Schreyer (G/T). Die Grünen wollen das klassische Familienmodell nicht abschaffen, sondern die Gleichstellung und Gleichwertigkeit für alle Familienformen wie AlleinerzieherInnen, Patchworkfamilien und Familien mit gleichgeschlechtlichen Paaren, machte sie geltend. "Wir wollen, dass Kinder glücklich sind, mehr wollen wir nicht", so Schreyer. Der Normalfall, dass Vater, Mutter und Kind eine Familie bilden, entspreche einfach nicht mehr der Realität.

Heinisch-Hosek hofft auf nächste Schritte  

Mit der Novelle zum Fortpflanzungsmedizingesetz nähere man sich Schritt für Schritt einer Lebensrealität im 21. Jahrhundert, sagte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und verwies auf die gesellschaftspolitische und gesundheitspolitische Mehrdimensionalität der Materie. Die Ministerin sprach sich in diesem Zusammenhang für Samenspenden für alleinstehende Frauen sowie die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aus. Vielleicht seien diese nun die nächsten Schritte, so die optimistische Hoffnung der Frauenministerin.

Neue Spezialqualifikation "Basismobilisation" für MasseurInnen

Der Bundesrat stimmte mehrheitlich einem Beschluss des Nationalrats zu, Medizinischen MasseurInnen und HeilmasseurInnen eine 80-stündige Zusatzausbildung für "Basismobilisation", also den richtigen Umgang mit Gehhilfen, zugänglich zu machen. Dazu kommen Vereinfachungen im medizinisch-technischen Dienst sowie der Einsatz von OrdinationsassistentInnen in nicht bettenführenden Stationen.

Kritik an den Gesetzesänderungen kam von Seiten der FPÖ. Gerd Krusche (F/St) sah eine versäumte Gelegenheit, den "Wildwuchs" im Bereich der medizinisch-technischen Berufe endlich zu bereinigen. Ihm sei unverständlich, wie eine Reduzierung von Ausbildungsstunden für MasseurInnen argumentiert werde. Die Anforderungen an medizinische Berufe würden in Hinblick auf eine ganzheitliche Betrachtung von Gesundheitsfragen schließlich immer größer, meinte er. Kritik an dem Gesetz, die von VertreterInnen der Gesundheitsberufe kam, sei nicht berücksichtigt worden, sagte der FPÖ-Bundesrat.

Die gesetzlichen Änderungen stellen notwendige Anpassungen an die Praxis der medizinisch-technischen Berufe dar, hielt Johanna Köberl (S/St) Krusche entgegen. So wird es in Zukunft etwa gewerblichen MasseurInnen erleichtert, eine Zusatzausbildung als HeilmasseurInnen zu machen. Die Durchlässigkeit zwischen den Berufsgruppen werde gefördert, stellte Köberl fest. Bisher war diese Zusatzqualifikation aufgrund der langen Dauer berufsbegleitend kaum zu bewältigen. Auch Bundesrat Günther Novak (S/K) verwies auf die Erfahrungen der Praxis und hielt fest, es gebe heute ein breites Spektrum an Angeboten im Bereich Massage. Hier müsse der Forderung nach dem Wirkungsnachweis Rechnung getragen werden. Es sei zudem für Gesundheitsberufe notwendig, sich neuen Entwicklungen zu stellen. Der Bereich "Basismobilisation" biete ein Angebot für den Umgang mit älteren Menschen, sagte Novak. Man reagiere damit einerseits auf einen Bedarf, der durch die demographische Entwicklung gegeben ist, und eröffne zudem neue Berufsfelder für MasseurInnen.

Auch Andreas Köll (V/T) widersprach den von Krusche vorgebrachten Bedenken. Zwar habe es Kritik an Details gegeben, sagte er, aber grundsätzlich würden die Änderungen von den Betroffenen als sinnvoll erachtet. Der Bundesrat verwies auf EU-Vorgaben und die Notwendigkeiten der Gesundheitsreform, die die gesetzlichen Änderungen notwendig machen. Es müsse einerseits mehr Spezialisierung ermöglicht werden, aber auch mehr Durchlässigkeit zwischen den Sparten geben.

Heidelinde Reiter (G/S) kündigte an, dass ihre Fraktion zustimme, auch wenn sie nicht mit allem zufrieden sei. Die unterdessen unübersichtlichen Bestimmungen darüber, was MasseurInnen dürfen und was nicht, erfahren eine gewisse Straffung. Es sei wichtig, klare Berufsbilder zu schaffen, da dieser Berufsstand sonst unter den unübersichtlichen Bestimmungen leiden würde, argumentierte sie. So sei es für in Österreich ausgebildete MasseurInnen wichtig, auch Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. (Fortsetzung Bundesrat) keg/sox


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