Parlamentskorrespondenz Nr. 535 vom 21.05.2015

Klage gegen AKW Hinkley Point laut Rupprechter bis Sommer fertig

Nationalrat spricht sich einhellig gegen EU-Förderungen für Atomprojekte aus

Wien (PK) - Österreichs Klage gegen staatliche Förderungen für die Erweiterung von Hinkley Point sei so gut wie fertig und werde fristgerecht bis Anfang Juli beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht, gab Umweltminister Andrä Rupprechter sich heute im Nationalrat zuversichtlich, dass die österreichische Anti-Atompolitik auf europäischer Ebene Erfolg zeigt. Luxemburg habe bereits zugesichert, sich der österreichischen Nichtigkeitsklage wegen Verletzung des Beihilferechts bei einem Ausbau des britischen Atomkraftwerks anzuschließen und bei den kommenden EU-Umweltministertreffen werde er gegen eine mögliche Finanzierung dieses Projekts im Rahmen des EU-Investitionspakets auftreten. "Das Ziel ist ein gesamteuropäischer Ausstieg aus der Atomkraft", betonte Rupprechter und fand darin Übereinstimmung mit allen sechs Parlamentsparteien.

Die Abgeordneten unterstützten das Vorgehen der Bundesregierung nicht nur in ihren generell positiven Wortmeldungen, sondern auch in einer einstimmig angenommenen Entschließung. Darin werden eine Finanzierung von Nuklearprojekten mit dem geplanten Europäischen Investitionspaket (EFSI) und jedwede Bevorzugung der Kernenergie in der Europäischen Union dezidiert abgelehnt.

Zudem drängt das Nationalratsplenum die Regierung in dem Entschließungsantrag, alle rechtlich und politisch möglichen Schritte zu setzen, um einen Ausbau der tschechischen Atomkraftwerke Temelín und Dukovany zu unterbinden, und weiter eine Neuausrichtung des EURATOM-Vertrags voranzutreiben. Die Europäische Atomgemeinschaft soll sich ausschließlich auf Sicherheitsaspekte konzentrieren und die Mitgliedstaaten bei einem geordneten Ausstieg aus der Atomkraft unterstützen, so das Ziel der Abgeordneten. Weiters seien mehr Mittel in Forschung im Bereich erneuerbare Energie zu investieren.

Basis dieser einstimmig angenommenen Forderungen bildete ein SPÖ-ÖVP-Vorstoß, der zuvor im Umweltausschuss auf Initiative aller sechs Fraktionen noch ergänzt worden war, und ein miterledigter FPÖ-Antrag zum AKW Temelín und zum EURATOM-Vertrag. Einhellig befürwortet wurde außerdem ein während der Debatte eingebrachter Aufruf der Freiheitlichen an die Regierung, entschlossen gegen Aus- und Neubau aller grenznahen Nuklearkraftwerke aufzutreten. Die Forderung der Grünen, die Europäische Kommission den Ausbau des ungarischen Atommeilers Paks ebenfalls beihilfenrechtlich prüfen zu lassen, wurde dagegen mehrheitlich abgelehnt. ÖVP-Mandatar Johannes Rauch erklärte dies mit dem Bedarf an gesicherten Informationen über das Projekt im östlichen Nachbarland, die noch einzuholen seien.

Österreichischer Konsens gegen Atomkraft vom Plenum mitgetragen

"In Österreich besteht eine breite Allianz gegen Atomkraft" brachte Abgeordneter  Johann Höfinger (V) die allgemeine Haltung in Politik und Zivilgesellschaft auf den Punkt. Der zweite Initiator des Antrags, in dem anlässlich der Jahrestage der Atomkatastrophen Tschernobyl und Fukushima die österreichische Anti-Atompolitik bekräftigt wird, betonte ebenfalls, das geeinte Bekenntnis der sechs Fraktionen unterstreiche den nationalen Konsens, die Energiewende in Europa ohne Atomstrom voranzutreiben. Beide Mandatare sind einig, die Zukunft der Energieversorgung liege in alternativen Energieformen, worin Österreich laut Höfinger mit seiner nachhaltigen Nutzung der Energieträger Sonne, Wind, Wasserkraft und mit nachwachsenden Rohstoffen Vorreiter sei. Johann Rädler (V) fügte an, die 32% an erneuerbarer Energie bildeten ein gutes Fundament für die Republik, ihre umweltfreundlichen Energieformen auszuweiten.

Wenn NEOS auch wie die anderen Fraktionen klar gegen die Nutzung, EU-Finanzierung und Förderung von Atomenergie auftrete, vermisse seine Partei doch eine evidenzbasierte Bewertung neuer Technologien zur Stromgewinnung, meinte Abgeordneter Michael Pock (N). Zudem forderte er im Einklang mit Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner, andere Mitgliedsländer der Europäischen Union beim Ausstieg aus der Atomkraft zu unterstützen, anstatt nur das "Abdrehen" der Reaktoren zu verlangen. Ländern wie Ungarn seien Alternativen zur Abdeckung des Energiebedarfs anzubieten, etwa mittels Windkraft wie im Burgenland, regte Brunner an und Pock nannte konkret Kooperationen in der Forschung, gerade im Bereich Akw-Sicherheit.

Entscheidend ist für ihn bei einer derartigen grenzübergreifenden Zusammenarbeit allerdings, Österreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) nicht aufzugeben, wie dies das Team Stronach will. Ulrike Weigerstorfer (T) hatte nämlich für einen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag plädiert, weil Österreich dadurch trotz hoher Beitragszahlungen kaum Mitspracherechte bei Sicherheitsfragen zu ausländischen "Schrottreaktoren" habe.

Eingedenk des Auftrags der Bevölkerung, "Österreich atomstromfrei zu halten", müsse die Regierung gegen Erweiterungen vor allem grenznaher Atomkraftwerke mobil machen, drängte Werner Neubauer (F) namens seiner Fraktion. Klarzustellen ist aus Sicht der FPÖ auf internationaler Ebene, dass Langzeitverlängerungen oder AKW -Neubauten – Stichwort Hinkley Point – keinen Ersatz für Alternativenergien bieten. Matthias Köchl (G) präzisierte das Anliegen mit der Warnung vor einem möglichen Ausbau des Nuklearkraftwerks in Paks, den die ungarische Regierung mit russischer Hilfe plane. Unglücklicherweise erfolge die Projektplanung sehr intransparent, kritisierte Köchl, wie überhaupt Atomkonzerne Veröffentlichungen über Betrieb und Endlagerung von Atommüll bei ihren Kraftwerken meiden. In puncto Entsorgung von Brennstäben bekräftigte Pock: "Ohne Endlagerungsstätte darf es keine Atomenergie geben!"

Rudolf Plessl (S) wies in diesem Zusammenhang auf den beträchtlichen Finanzaufwand bei Errichtung und Betrieb eines Atomkraftwerks hin. Hinkley Point etwa werde Analysen zufolge 34 Mrd. € an Baukosten erfordern, sei somit das "teuerste Atomkraftwerk der Welt", das wiederum von den britischen SteuerzahlerInnen finanziert werden müsse. Gewinnträchtig sei dieses Unterfangen ohne Preisstützen nicht, folgerte der SPÖ-Mandatar, der deswegen in der Klage gegen einen neuen Reaktor des Atommeilers in Großbritannien die richtige Entscheidung sieht.

Beihilfen für den geplanten Reaktor Hinkley Point C widersprächen klar dem EU-Recht, bestätigte Umweltminister Rupprecher. Derzeit befinde sich die diesbezügliche Nichtigkeitsklage Österreichs gegen die positive Beihilfenentscheidung der Europäischen Kommission im "Feinschliff", Ende Juni oder Anfang Juli gehe man damit beim Europäischen Gerichtshof in die Offensive. Konkret handelt es sich um einen gesicherten Abnahmepreis für den vom AKW Hinkley Point produzierten Strom, eine Finanzierungsgarantie und Beihilfen im Falle einer vorzeitigen Schließung des Kernkraftwerks. Rückendeckung signalisiere zwar bereits die luxemburgische Regierung, problematisch ist in Rupprechters Augen aber die derzeitige Neuformation der Atomlobby, nachdem die öffentliche Erinnerung an die letzten Nuklearkatastrophen mehr und mehr verblasse. "Es darf keine Sonderstellung oder außerordentliche Unterstützung für Atomenergie geben", appellierte er dafür, wachsam zu sein, vor allem hinsichtlich möglicher Gelder für Nuklearprojekte aus dem EU-Investitionsprogramm.

Zum geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Temelín drückte der Bundesminister sein Bedauern über die bereits erfolgte Genehmigung der neuen Reaktorblöcke durch Tschechien aus. Von seinem tschechischen Amtskollegen habe er jedoch erfahren, dass ein tatsächlicher Bau der Erweiterungen unsicher sei, zumal angesichts der erwarteten Nichtigkeitsklage gegen Hinkley Point Beihilfen für Temelín fraglich sind. Unbenommen dessen habe man zu bedenken, so Rupprechter, rechtliche Schritte zur Verhinderung von Atomkraftwerken in anderen Ländern gingen ins Leere, wenn alle Kriterien einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt sind. (Fortsetzung Nationalrat) rei