Parlamentskorrespondenz Nr. 565 vom 27.05.2015

Sozialversicherung: Meldepflichten für Unternehmen werden umgestellt

Tägliche Geringfügigkeitsgrenze wird 2017 abgeschafft

Wien (PK) – Die Anmeldung von ArbeitnehmerInnen bei der Sozialversicherung und das System der Übermittlung von Lohndaten an die Sozialversicherungsträger wird auf neue Beine gestellt. Der Sozialausschuss des Nationalrats billigte heute einen entsprechenden Gesetzesvorschlag von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Neu ist vor allem, dass der Sozialversicherung die Lohndaten künftig monatlich, statt wie bisher jährlich, bekannt zu geben sind, dafür kommt es zu bürokratischen Entlastungen bei der Erstanmeldung und anderen Meldepflichten. Außerdem werden mit dem Gesetzespaket die Verzugszinsen im Bereich des ASVG und der Gewerblichen Sozialversicherung ab 2017 halbiert und zum gleichen Zeitpunkt die tägliche Geringfügigkeitsgrenze abgeschafft.

Das Gesetzespaket wurde nicht nur von den Abgeordneten der Regierungsparteien positiv bewertet, es erhielt in weiten Teilen auch die Zustimmung der Opposition. Die Grünen lehnten allerdings das Aus für die tägliche Geringfügigkeitsgrenze und die Senkung der Verzugszinsen ab. Nur für diese beiden Teile des Gesetzentwurfs, aber gegen alle übrigen Punkte stimmten hingegen die NEOS.

Der Sozialversicherung beschert das so genannte Meldepflicht-Änderungsgesetz (618 d.B.) erhebliche Einnahmenausfälle. So wird den Berechnungen des Sozialministeriums zufolge allein die geplante Halbierung des Zinssatzes für Verzugszinsen von 8% auf 4% – plus Basiszinssatz – der Pensionsversicherung rund 25,9 Mio. € im Jahr 2017 kosten. Dazu kommen Mindereinnahmen im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung in der Höhe von 13,3 Mio. € und im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Ausmaß von 2,8 Mio. €.

Auch die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 31,17 € hat signifikante finanzielle Auswirkungen. Ab 2017 wird demnach nur noch die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (aktuell 405,98 €) gelten. Damit werden einige derzeit voll versicherte Beschäftigungsverhältnisse wegfallen. Dafür eröffnen sich für Arbeitslose und FrühpensionistInnen zusätzliche Zuverdienstmöglichkeiten. Das Sozialministerium geht nicht nur von Einnahmeausfällen im Bereich der Sozialversicherung, sondern auch davon aus, dass es bei der Arbeitslosenversicherung zu jährlichen Mehrkosten von rund 4,5 Mio. € kommen wird.

Ziel des neuen Meldesystems sind vor allem mehr Transparenz und weniger Bürokratie. So werden durch die monatliche Meldepflicht viele früher notwendige unterjährige Änderungsmeldungen entfallen. Außerdem ist damit zu rechnen, dass der oft zeitintensive Clearingbedarf zwischen Dienstgeber und Krankenversicherungsträgern deutlich geringer wird, wie die Erläuterungen zum Gesetzentwurf vermerken. Eine Berichtigung der gemeldeten Lohndaten wird innerhalb von sechs Monaten ohne nachteilige Rechtsfolgen möglich sein. Für geringfügig Beschäftigte kann auch eine jährliche Beitragsentrichtung vereinbart werden. Aufgrund der Umstellung der Meldepflichten auf monatliche Beitragsgrundlagen muss auch das Arbeitslosenversicherungsgesetz im Hinblick auf die Berechnung des Arbeitslosengeldes geändert werden.

Mit dem Beschluss des Sozialausschusses gelten Anträge der FPÖ (476/A(E)), der Grünen (764/A(E)) und der NEOS (702/A) zur Frage der Verzugszinsen als miterledigt. Gleiches gilt für einen Antrag der NEOS zur täglichen Geringfügigkeitsgrenze (944/A).

Grüne und NEOS lehnen Teile des Gesetzes ab

Während neben den Koalitionsparteien auch die FPÖ und das Team Stronach dem gesamten Gesetzentwurf zustimmten, wandten sich die Grünen gegen die Abschaffung der täglichen Zuverdienstgrenze und die Senkung der Verzugszinsen. Abgeordnete Judith Schwentner (G) befürchtet, dass das Aus für die tägliche Geringfügigkeitsgrenze dazu führen wird, dass Arbeitsverhältnisse missbräuchlich umgangen werden. Auch einer allgemeinen Senkung der Verzugszinsen kann sie nichts abgewinnen. Es wäre ihrer Meinung nach sinnvoller gewesen, bestimmte Gruppen wie etwa JungunternehmerInnen zu entlasten.

Kritik von ganz anderer Seite übte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Er erwartet sich von den geänderten Meldepflichten zusätzliche Bürokratie für die Unternehmen. Überdies sind ihm die hohen Säumniszuschläge bei verzögerten Beitragszahlungen ein Dorn im Auge, die sich seinen Berechnungen nach bei einem mittelgroßen Unternehmen rasch auf bis zu 50.000 € summieren könnten. Damit würde nicht nur die Senkung der Verzugszinsen konterkariert, meinte er. Vielmehr drohten bei kleinen Verfehlungen auch andere unverhältnismäßig scharfe Konsequenzen, etwa die Qualifizierung als Scheinunternehmen.

Unverständlich ist es für Loacker außerdem, dass es in der Entscheidung der einzelnen Krankenversicherungsträger liegt, wann eine An- und Abmeldung von nur fallweise beschäftigten Personen zu erfolgen hat. Das sei insbesondere für Arbeitgeber, die in mehreren Bundesländern ArbeitnehmerInnen beschäftigen, problematisch, argumentiert er. Ebenso wenig ist für ihn einsichtig, dass bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen der Kalendermonat – und nicht ein beliebiger 30-Tages-Zeitraum – als Bezugszeitraum herangezogen wird. Damit würden geringfügige Beschäftigungen, die innerhalb eines Kalendermonats liegen, gegenüber solchen, die eine Monatsgrenze überschreiten, ungleich behandelt. Ein von Loacker eingebrachter Abänderungsantrag wurde allerdings von keiner der anderen Fraktionen unterstützt. Ausdrücklich begrüßt wurde von Loacker die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze und die Senkung der Verzugszinsen.

Abgeordneter Peter Wurm machte geltend, dass die Initiative zur Senkung der Verzugszinsen ursprünglich von der FPÖ ausgegangen sei. Er forderte Sozialminister Hundstorfer auf, auch etwas gegen die "unanständig hohen Spannen" der Banken bei Kontoüberziehungen zu unternehmen. SPÖ-Abgeordneter Markus Vogl erwartet sich vom Gesetz mehr Transparenz und Beitragswahrheit sowie eine leichtere Geltendmachung von Ansprüchen durch ArbeitnehmerInnen.

Aubauer strebt rascheres Aus für tägliche Geringfügigkeitsgrenze an

ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer zeigte sich vor allem darüber erfreut, dass es durch die Abschaffung der täglichen Zuverdienstgrenze für FrühpensionistInnen künftig leichter wird, neben ihrer Pension etwas dazuzuverdienen. Aubauer hofft, dass es bis zum Beschluss des Gesetzes im Plenum noch gelingen wird, die Abschaffung auf das Jahr 2016 vorzuziehen. Die PensionistInnen werden jungen Menschen keine Arbeitsplätze wegnehmen, ist sie überzeugt.

FPÖ-Seniorensprecher Werner Neubauer gab demgegenüber zu bedenken, dass großzügige Zuverdienstmöglichkeiten für FrühpensionistInnen eher kontraproduktiv seien, wolle man, wie die ÖVP, Menschen länger im Erwerbsleben halten. Ihm ist vor allem eine gleiche Regelung für pensionierte BeamtInnen und ehemalige Beschäftigte in der Privatwirtschaft ein Anliegen.

ÖVP-Abgeordneter Gabriel Obernosterer nutzte die Debatte dazu, um eine unbürokratische Lösung für die freiwillige Mithilfe engster Familienangehöriger in Gaststätten zu fordern. Es komme immer wieder vor, dass Eltern, Großeltern oder Kinder mit Anzeigen konfrontiert würden, wenn sie wegen eines unerwartet regen Betriebs einspringen und aushelfen, schilderte er. Es gebe zwar ein Merkblatt für die Behörden, sagte Obernosterer, dieses biete aber keine ausreichende Rechtssicherheit.

Grüne gegen Kostenbeitrag bei Spitalsaufenthalt von Kindern

Mit den Stimmen aller anderen Fraktionen lehnte der Sozialausschuss die Forderung des Team Stronach ab, alle SchülerInnen ab dem 12. Lebensjahr zu regelmäßigen Reanimationsschulungen und Erste-Hilfe-Kursen zu verpflichten (638/A(E)). Man könne jungen Menschen den ungeheuren psychischen Druck und die  physische Kraftanstrengung, die eine Reanimation mit sich bringt, nicht zumuten, argumentierte SPÖ-Abgeordneter Dietmar Keck. Schließlich sei jeder, der einen Kurs absolviert habe, verpflichtet, nach seinen Möglichkeiten Hilfe zu leisten. Auch FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein wertete Reanimationsschulungen für Kinder als überschießend.

Eine Initiative der Grünen (1008/A), die sich gegen die Einhebung eines Kostenbeitrags bei einem Spitalsaufenthalt für Kinder wendet, wurde an den Gesundheitsausschuss weitergeleitet. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs