Parlamentskorrespondenz Nr. 784 vom 09.07.2020

Nationalrat beschließt ersten Schritt zur BVT-Reform

Spezialausbildung und Vertrauenswürdigkeitsprüfung für Bedienstete

Wien (PK) – Der Nationalrat hat zu Beginn seiner heutigen Sitzung mit einem mehrheitlichen Beschluss den ersten Schritt zur BVT-Reform geebnet. Die Opposition befürwortete in der Debatte zwar die geplanten Maßnahmen, pochte aber darauf den Hauptausschuss mit dem Kriterienkatalog für die Vertrauenswürdigkeitsprüfung zu befassen und diesen nicht alleine durch Verordnung des Ministers zu erlassen. SPÖ, FPÖ und NEOS konnte sich mit einem entsprechenden Abänderungsantrag allerdings nicht gegen die Regierungsparteien durchsetzen.

Einstimmig hingegen forderten die MandatarInnen vom Innenministerium wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen der COVID-19-Krise auf häusliche Gewalt zu Verfügung zu stellen.

Änderungen im Polizeilichen Staatsschutzgesetz beschlossen

Die mit dem Vollzug des Polizeilichen Staatsschutzes betrauten Bediensteten sollen - um den spezifischen Anforderungen des Aufgabengebiets gerecht zu werden - künftig neben einer neuen speziellen Ausbildung außerdem eine an die Sicherheitsüberprüfung angelehnte Vertrauenswürdigkeitsprüfung durchlaufen, wofür die Rechtsgrundlage im Polizeilichen Staatsschutzgesetz geschaffen wird. Mit der Planung, Organisation und Durchführung der Ausbildung, die nachrichtendienstliche Schwerpunkte sowie organisatorisches, juristisches und praxisrelevantes Spezialwissen vermitteln soll, wird die Sicherheitsakademie betraut. Durch die Vertrauenswürdigkeitsprüfung soll eine erhöhte Sensibilität in Bezug auf Verschwiegenheit, Integrität und Informationssicherheit gewährleistet werden. Im Vergleich zur bereits erforderlichen Sicherheitsüberprüfung handle es sich dabei um einen weitreichenderen Eingriff in die Privatsphäre des Bediensteten, heißt es in den Gesetzeserläuterungen. So beinhaltet die Vertrauenswürdigkeitsprüfung die Erhebung relevanter personenbezogener Daten – inklusive Informationen zu Eltern, Ehepartnern und im Haushalt lebenden erwachsenen Personen –, die Datenüberprüfung sowie eine mündliche Erörterung mit der bzw. dem Bediensteten. Das Bundesamt wird auch ermächtigt, diesbezügliche Auskünfte von den Gebietskörperschaften oder ausländischen Sicherheitsbehörden zu verlangen. Die Vertrauenswürdigkeitsprüfung ist alle sechs Jahre – bei Verdachtsfällen unverzüglich - zu wiederholen.

Das BVT habe als eine der wesentlichsten Säulen in der Sicherheitsarchitektur einer demokratischen Republik schwere Erschütterungen erlebt, so Innenminister Karl Nehammer. Nun müsse die Vertrauenswürdigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wieder hergestellt werden. Mit dem Anliegen der Opposition, den Hauptausschuss mit der Kriterienliste zu befassen, würde eine lex specialis für den Verfassungsschutz geschaffen, erklärte der Minister. Er betonte aber, den Entwicklungsprozess der Reform transparent darzustellen.  

Er könne dem grundsätzlichen Ansinnen etwas abgewinnen, eröffnete SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner die Debatte. Er ortete aber Probleme in der Umsetzung und kritisierte die Festlegung der Kriterien ohne Einbindung des Parlaments. So finde reine Parteipolitik ihren Fortgang, gab Einwallner zu bedenken. Ebenso positiv bewerteten die Freiheitlichen den grundsätzlichen Gesetzesentwurf betreffend der Vertraulichkeitsprüfung. Hannes Amesbauer (FPÖ) erklärte aber ebenfalls, dass er nicht verstehe, warum der Hauptausschuss nicht mit dem Kriterienkatalog befasst werden solle, da es hier um Transparenz gehe.

Stephanie Krisper von den NEOS erklärte, das BVT genieße noch nicht genug Vertrauen und begrüßte den Vorschlag als ersten kleinen Schritt zu einer BVT-Reform. Es gehe darum, die Vertrauenswürdigkeit auf ein neues Level zu heben, so Krisper. Auch sie plädierte dafür, den Hauptausschuss mit dem Kriterienkatalog zu befassen. Denn so würden auch Änderungen und Rücknahmen im Katalog im Ausschuss behandelt werden, erklärte Krisper. 

Die unangemessen durchgeführte Hausdurchsuchung im Jahr 2018 und deren Folgen habe es notwendig gemacht, das BVT neu aufzustellen und den MitarbeiterInnen Klarheit zu geben, erklärte der ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer. Dem Anliegen der Opposition, den Hauptausschuss mit dem Kriterienkatalog zu befassen, erteilte er eine Absage, da dies auch bei vergleichbaren Prüfungen wie etwa im Militärbefugnisgesetz ebenfalls nicht üblich sei. Außerdem verwies er auf die Einbindung der Sicherheitssprecher, der Ausschüsse und externer ExpertInnen in der BVT-Reform durch den Innenminister.

Der Sicherheitssprecher der Grünen, Georg Bürstmayr, sprach von einem ersten Schritt, was die Festlegung bestimmter Rahmenbedingung im Bereich der Personalrekrutierung betreffe. Parteipolitik, Günstlingswirtschaft und Inkompetenz sind in allen Bereich teuer und schlimm, im Nachrichtendienst kosten sie aber die Sicherheit der Republik und im schlimmsten Fall das Leben, so Bürstmayr. Aufgrund der Oppositionskritik der Intransparenz der Kriterienliste verwies er auf die Veröffentlichungspflicht von Verordnungen im Bundesgesetzblatt, womit die Kriterien für jede und jeden einsehbar werden, so der Sicherheitssprecher. 

Abgeordnete fordern Datenmaterial zu häuslicher Gewalt

Mit einer einstimmig beschlossenen Entschließung wurde Innenminister Nehammer von den MandatarInnen mit einer wissenschaftlichen Studie beauftragt, um zu erheben, aufgrund welcher Faktoren es im Rahmen der COVID-19-Krise zu einem Anstieg der Zahl an Fällen häuslicher Gewalt gekommen ist. Einfließen sollen die bisherigen Erfahrungen mit dem Annäherungsverbot und den sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen, sowie die Erfahrung der Opferschutzeinrichtungen. Evaluiert werden soll auch, welche gesetzlichen Maßnahmen die größtmögliche Sicherheit für gefährdete Personen einräumen. Die Entschließung basiert auf einem abgelehnten Vorstoß der SPÖ, in dem bessere Datenerhebung und Forschung für den Bereich häusliche Gewalt, insbesondere Gewalt gegen Frauen, gefordert worden war.

Mandatarin Selma Yildirim von der SPÖ, sieht die Beauftragung zur Studie positiv, da es in der Frage des Gewaltschutzes um Leben und Tod gehe. Es gelte, alles zu unternehmen, um häusliche Gewalt zu verhindern und betroffenen Frauen zu helfen, anstatt jeden Frauenhausplatz, jede Verbesserung jahrelang diskutieren zu müssen, gab sich Yildirim ungeduldig. Johanna Jachs (ÖVP) strich hervor, dass in der Zeit des Lockdowns, die Zahl der Annäherungsverbote, die es seit Anfang des Jahres gibt, gestiegen sei. In der Studie solle genau hingesehen werden, was Verbote gebracht haben, so Jachs. Rosa Ecker von den Freiheitlichen erklärte, dass steigende Gewaltzahlen, wenigen Maßnahmen gegenüberstünden und die Messung der Auswirkungen der Maßnahmen notwendig sei. Ebenfalls Unterstützung kam seitens der NEOS, denn nur was gemessen wird, findet offiziell auch statt und Gewalt gegen Frauen findet statt, erklärte Henrike Brandstötter (NEOS). Die Frauensprecherin der Grünen, Meri Disoski betonte in der Debatte, dass Gewalt gegen Frauen bereits bei sprachlicher und bildlicher Darstellung von Frauen beginnen und man dagegen gemeinsam vorgehen müsse.

Innenminister Karl Nehammer berichtete, dass die Studienergebnisse betreffend der Zeit des Coronavirus bereits im August vorliegen werden. (Fortsetzung Nationalrat) gun

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.