Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 44

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Diesmal – das ging sowohl aus Ihrer Erklärung hervor, aber insbesondere natürlich auch aus dem Koalitionsübereinkommen, das Ihre Partei mit der Österreichischen Volkspartei abgeschlossen hat – haben Sie Ihren Partner ganz fest an die Brust genommen und ihn nach allen Regeln der Kunst an sich gebunden – und er hat sich auch binden lassen.

Die Frage wird natürlich sein, ob dabei nicht eine gewisse Schmerzgrenze überschritten wurde, eine Schmerzgrenze, die zum Beispiel Landeshauptmann Pröll in einem Interview so beschrieben hat: Eine Schmerzgrenze für die ÖVP wird dort sein, wo sie sich selbst nicht mehr findet und wo sie wesentliche Grundsätze, die da lauten: Sparen, Leistung, Familie, soziale Gerechtigkeit, nicht mehr wiederfindet. – Und es gibt Anzeichen dafür, daß führende Persönlichkeiten der ÖVP der Ansicht sind, daß diese Schmerzgrenze überschritten wurde.

Dazu kommt, daß Sie sich mit Ihren Sanierungs-, sprich Belastungsschritten über fast alle Rechte der Länder hinweggesetzt haben, insbesondere was die Begutachtung anlangt, und auch die Kompetenzmöglichkeiten, die der Bund nun einmal hat, voll ausgenützt haben.

Ich darf die Damen und Herren der ÖVP-Bundesratsfraktion ersuchen, sich in ihrem Klub dafür einzusetzen, daß der von freiheitlichen Nationalratsabgeordneten eingebrachte Antrag auf Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes, der ausdrücklich festschreibt, daß die Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern geteilt ist und daß an der Gesetzgebung und an der Vollziehung Bund und Länder mitwirken, im Nationalrat unterstützt wird. Diese Bestimmung soll durch eine Bestandsgarantie, die mit diesbezüglichen Vorschriften des deutschen Grundgesetzes vergleichbar ist, unabänderlich gemacht werden.

Mir ist es ein wirkliches Anliegen, und ich hoffe, daß diese Initiative im Nationalrat auf die Unterstützung der ja zahlreich in diesem Haus vertretenen überzeugten Anhänger eines föderalistischen Aufbaues unseres Staates stößt, daß Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei, sich in Ihrem Klub für diese berechtigten Anliegen mit entsprechendem Nachdruck einsetzen werden.

Bedauerlicherweise ist aber ein solches Denken nicht Allgemeingut, und ich darf hier auch auf den letzten Teil Ihrer Ausführungen, Herr Bundeskanzler, zu sprechen kommen, in dem Sie zwar von gemeinsamen Anstrengungen aller Gebietskörperschaften gesprochen, aber andererseits auch angekündigt haben, daß ein Mechanismus eingerichtet wird, um finanzielle beziehungsweise budgetäre Probleme und unvorhergesehene Belastungen einer jeweils anderen Gebietskörperschaft durch die Gesetzgebung zu verhindern.

Und da gibt es leider eine Reihe von negativen Beispielen in dem Sinne, daß man bestehende Einrichtungen – ich glaube, daß man vom Bundesrat wirklich als von einer bestehenden Einrichtung sprechen kann – einfach negiert und neue Gremien mit unterschiedlichen Bezeichnungen in die Welt setzen möchte.

Ich verweise hier auf die im Nationalrat eingebrachte Novelle zum Finanz-Verfassungsgesetz, Nr. 15 der Beilagen, die die Bildung eines eigenen Gremiums, dort Konsultativgremium genannt, vorsieht, das bei Einspruch des Bundes tätig werden soll. Es ist auch der Bundesrat genannt. Auch bei Einsprüchen des Bundesrates soll dieses Gremium tätig werden, aber in einer Zusammensetzung, in der Vertreter des Bundesrates überhaupt nicht aufscheinen, sondern nur Mitglieder des Nationalrates.

Bedauerlicherweise gibt es aber auch aus Kreisen der Österreichischen Volkspartei einen Vorschlag, nämlich vom Landeshauptmann Zernatto. Das Gremium sollte dann tätig werden, wenn sich die Länder durch Aktivitäten des Bundes betroffen fühlen. Daher wird es auch nicht Konsultations-, sondern Konsultativgremium genannt. Aber letztendlich läuft auch dieses Gremium darauf hinaus, den Bundesrat weiter in seiner Bedeutung zu schwächen. Landeshauptmann Zernatto spricht ausdrücklich davon, daß der Bundesrat hier überhaupt keine Möglichkeit hätte, einzugreifen. Er denkt aber nicht darüber nach, ob man dem Bundesrat nicht diese Möglichkeit geben könnte, was ja durchaus auch überlegenswert wäre. Aber es besteht leider auch bei den Landeshauptleuten keine Bereitschaft, darüber zu reden, geschweige denn im Kreise der Bundesregierung.


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