Bundesrat Stenographisches Protokoll 611. Sitzung / Seite 13

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setze ist notwendig, um das Budget zu konsolidieren. In den siebziger und achtziger Jahren, in der Zeit der Hochkonjunktur, haben wir alle gemeinsam sehr gut gelebt. Vieles wurde gerade im sozialen Bereich neu erfunden. Heute bezahlen der Bund, die Länder und die Gemeinden dafür die Rechnung. Für keinen Politiker ist es angenehm, egal, von welcher Fraktion er kommt, den Menschen zu sagen, daß es so nicht weitergeht. Trotzdem gibt es immer wieder welche, die glauben, unbedingt die Menschen verunsichern zu müssen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen wo wir gegenwärtig eine Arbeitslosenrate von über 11 Prozent haben; aus einer Region, wo es die meisten Frühpensionisten gibt. Niemand fragt, ob diese Menschen glücklich sind. Viele dieser Menschen sind nicht freiwillig in die Frühpension gegangen, sondern man hat ihnen empfohlen, in die Frühpension zu gehen.

Unser Bundesland Steiermark hat eine Arbeitslosenrate von 11,7 Prozent. Vorreiter dieser Entwicklung ist natürlich das Desaster in der verstaatlichten Industrie. Eigentümer ist die Republik Österreich und niemand anderer. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Eigentümer hat auch die Verantwortung zu tragen. Gerade im Bereich der verstaatlichten Industrie sind Menschen im Rahmen der "Aktion 50" in die Langzeitarbeitslose und dann in die Frühpension geschickt worden. Das Bonus-Malus-System schafft nach meiner Ansicht nun für ältere Arbeitnehmer eine Chance, weiterhin im Betrieb beschäftigt zu werden. Das Auslaufen der Sonderunterstützung, die eigentlich die betroffenen Menschen nicht glücklich gemacht hat, ist einsichtig, genauso wie die Beschränkung der Sonderunterstützung auf "echte" – ich lege besonderen Wert auf die Betonung "echte" – Bergbetriebe. Unser Arbeitsleben wird anders werden. Ob es besser oder schlechter wird, liegt, meine sehr verehrten Damen und Herren, an uns im Hohen Haus.

In den sechziger Jahren hatten in Österreich 3 Prozent der Erwerbstätigen eine Teilzeitbeschäftigung. Heute sind es wesentlich mehr. Heute in der Früh haben wir im Radio gehört, 20 Prozent der Frauen und 3 Prozent der Männer sind teilzeitbeschäftigt. Und in Deutschland – das ist auch sehr interessant – sind es 30 Prozent, die teilzeitbeschäftigt sind.

Dieser Trend, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht neu. Allerdings hat der Gesetzgeber diese Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt.

Die finanziellen Mittel sind erschöpft, mit denen man diese Entwicklungen sozialverträglich begleiten hätte können. Viele! Wir können es uns nicht leisten, auf Kosten unserer Kinder und Enkel über die Verhältnisse zu leben und nichts zu tun. Der Bürger muß aber dennoch eine gewisse Sicherheit in seiner Lebensplanung haben. Ständige Veränderungen unterlaufen das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen. Das vorliegende Gesetz vermeidet es daher – das möchte ich schon erwähnen –, in bestehende Rechtsverhältnisse einzugreifen. Mit dieser Änderung sorgen wir aber auch dafür, daß das soziale System in Österreich langfristig finanzierbar bleibt. (Bundesrat Eisl: So schaut es aus!)

Ein menschenwürdiges Leben ist nach christlichen und sozialen Maßstäben in einer arbeitsteiligen, leistungsorientierten Industriegesellschaft ohne ein ausreichendes soziales Sicherheitssystem nicht denkbar. Soziale Sicherheit ist das Fundament für Menschlichkeit und ein hohes Maß an Freiheit und Stabilität in der Gesellschaft. Sozialpolitik muß den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel nach den Prinzipien der Gerechtigkeit und Humanität gestalten. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die sozialen Verhältnisse in einem Staat sind das Spiegelbild und der Gradmesser für die Menschlichkeit einer Gesellschaft.

Ich komme aus einer Region, Beschäftigte wären heute noch gerne bereit, Teilzeitbeschäftigungen anzunehmen, jedoch aufgrund der Einkommenssituation und des Lebensstandards ist dies nicht möglich. Die menschliche Phantasie hat Produkte hervorgebracht, die mehr leisten als viele Menschen. Da dieser Prozeß aber keine Grenzen findet, entgleitet den Menschen ein immer größerer Teil der Wertschöpfung. Sie werden nicht mehr gebraucht, auch wenn sie ihre Arbeitskraft zu geringerem Lohn zur Verfügung stellen. Die Rückkehrmöglichkeit von einer etwaigen Teilzeitbeschäftigung in den Vollerwerb muß jedoch gewährleistet sein.

Der öffentliche Dienst – und hier meine ich konkret den Bund, die Republik Österreich als Arbeitgeber – soll dem Beispiel der Länder folgen. In der Steiermark haben wir in der allgemeinen


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