Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 21

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verschwunden, gelöst sind die Probleme aber nicht. Auch im Bereich der Gesundheitspolitik sind die strukturellen Probleme nicht wirklich einer Lösung nähergebracht worden. Eine zukunftsgerichtete Politik fehlt überhaupt.

Bei den sogenannten Einsparungen wurden vor allem auch die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Entwicklung stark betroffen. Als Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses macht mich das sehr betroffen. Ich will hier nicht den Studentendemonstrationen und den Streiks an den Universitäten, die in den vergangenen Tagen und Wochen abgehalten wurden, das Wort reden. Sicher waren diese Aktionen aber zum Teil von echter Sorge um die Güte und das Niveau der wissenschaftlichen Ausbildung in diesem Land getragen – leider aber nur zum Teil. Der Großteil dieser Aktionen hatte einen anderen Hintergrund. Sie hatten zum Teil echte gesellschaftspolitische Änderungen zum Gegenstand. Auch manche Äußerungen von Vertretern des Mittelbaus, der Professoren und der Rektoren in diesem Zusammenhang dürfen nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Sie zeigen aber dennoch, daß auch die Wissenschaftspolitik in diesem Land an einem Scheideweg angelangt ist. Die Vorgangsweise, die im Belastungspaket gewählt wurde, negiert die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Neuorientierung, daß man sich nämlich auch mit den wirklich heißen Eisen wie Studentenzahlen, Zugang zu den Universitäten, Anbot an Studienrichtungen, dem Niveau der Ausbildung und damit auch dem Niveau der Ausgebildeten auseinandersetzen muß.

Ein Land wie Österreich, dessen natürliche Ressourcen begrenzt sind, lebt vom Geistkapital, vom Wissensstand und den Fähigkeiten seiner akademisch ausgebildeten Führungskräfte und vom Wissen und den Fähigkeiten aller im Arbeitsprozeß eingebundenen Kräfte, nicht zuletzt auch von der Tüchtigkeit unserer Facharbeiter. In diesen Bereich zu investieren, lohnt sich, hier unüberlegt zu sparen, rächt sich hingegen über kurz oder lang. Eine falsche Politik auf diesem Gebiet gefährdet unsere Zukunft, unseren Wohlstand und die noch gute Position Österreichs unter den Wirtschaftsländern dieser Welt. Es bedarf daher einer wohlüberlegten Vorgangsweise und nicht einer auf Konfrontation angelegten Politik, die die Interessen der Betroffenen negiert.

Von der Öffentlichkeit bedauerlicherweise nur unzureichend aufgedeckt wurde seit Jahren eine Politik der ständigen Kürzung öffentlicher Investitionen betrieben. Trotzdem ist der Spielraum für konjunkturelle Maßnahmen fast vollständig vertan worden. Im Hinblick auf das Sparbelastungspaket und die Notwendigkeit der Maßnahmen zur Linderung der augenblicklichen konjunkturellen Situation – ich darf nur daran erinnern, daß wir in diesem Winter die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1945 hatten – ist der Spielraum äußerst gering.

Die Behauptung, daß das aus den Fugen geratene Budget 1993, bei dessen Vollzug bekanntlich ein um rund 50 Prozent höherer Abgang als präliminiert entstanden ist, zum Abfedern negativer konjunktureller Auswirkungen notwendig war, erweist sich einmal mehr als Schutzbehauptung für mangelnde Disziplin. Mit diesem Budget hat sich die heute das Belastungspaket erzwingende Entwicklung deutlich nach außen manifestiert.

Jetzt führen Sie zum Beispiel eine Mautvignette ein, mit deren magerem Nettoerlös in der Höhe von 1,5 Milliarden Schilling ein rund 37 Milliarden Schilling umfassendes Straßenausbauprogramm zu finanzieren sein wird. Sie beabsichtigen, 60 Milliarden Schilling – bei genauem Hinhören stellt sich heraus, daß die 60 Milliarden Schilling auf fünf Jahre verteilt ausgegeben werden sollen – für den Ausbau der Schieneninfrastruktur aufzubringen. Woher diese Mittel kommen sollen, ist und bleibt aber offen.

Die Forschungsmilliarde wird immer wieder strapaziert. Um die Schaffung von 40 000 Arbeitsplätzen, von denen noch bei einem Beschäftigungsgipfel im Februar die Rede war, ist es bedenklich ruhig geworden. Das ist auch eine Sand ins Auge streuende Aussage. Sie wollen das Selbständigwerden fördern, führen aber gleichzeitig eine Mindeststeuer für die GesmbHs ein, die prohibitiv wirkt. Sie sichern – zumindest Ihrer Behauptung nach – den Wirtschaftsstandort Österreich und beseitigen für den Unternehmungsbereich wichtige steuerliche Maßnahmen beziehungsweise gestalten sie um. Tatsächlich erreichen Sie damit aber nur, daß allfällige Investoren das letzte Vertrauen in eine berechenbare und gestaltbare Wirtschaftspolitik dieses Landes verlieren.


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