Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 23

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oder Währungspolitik betrieben. Im Verhältnis zu heute war der Staat praktisch schuldenfrei. Der österreichische Schilling war in dieser Zeit besser und stabiler als die D-Mark. Diese Behauptung, daß der Schilling die bessere Währung als die D-Mark sei, habe ich damals nicht in Österreich gehört, sondern von deutschen Finanzfachleuten. Trotzdem wurde in den Jahren vor 1970 von den Sozialisten im Parlament vehemente Kritik an der ÖVP-Finanzpolitik geübt. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, meine Damen und Herren, als der sozialistische Abgeordnete Benya 1968 oder 1969 hier im Parlament sagte: 9 Milliarden Staatsschulden und eine Arbeitslosenquote von 2,3 Prozent sind ein Wahnsinn! (Bundesrat Dr. Tremmel: Das war Kreisky!) – Nein, das war Benya.

Als dann die Sozialisten die Steuergelder der Österreicher verwalteten, wurde alles ganz anders. Finanzminister Androsch warf das Geld mit beiden Händen beim Fenster hinaus; natürlich mit Unterstützung der SPÖ-Regierungsmehrheit. Statt einer antizyklischen Finanzpolitik wurde eine prozyklische Finanzpolitik betrieben. Zudem wurden von SPÖ-Finanzminister Androsch die Steuergelder für Konsumation ausgegeben, anstatt Investitionen zu forcieren. Nach meiner Meinung war das insgesamt eine dumme und falsche Finanzpolitik, die uns in die heutige Situation geführt hat.

Grotesk wird diese Situation dann noch dadurch, daß der damalige Finanzminister Androsch uns heute sagen möchte, was eine gute Finanzpolitik ist, ein Mann, der mit dem Begriff "deficit spending" ein Volk darüber getäuscht hat, daß gemachte Schulden auch einmal zurückgezahlt werden müssen. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Die ÖVP hat seit dem Jahre 1970 immer wieder vor dieser Schuldenpolitik gewarnt, auch zu der Zeit, als sie Verantwortung trug. Es ist aber natürlich nicht besonders populär, eine verantwortungsvolle, sparsame Budgetpolitik einzumahnen. Trotzdem hat die ÖVP bis zum heutigen Tag davor gewarnt, zu hohe Schulden zu machen.

Der ehemalige ÖVP-Finanzminister Dr. Stephan Koren hat 1972 ganz vehement vor der Schuldenpolitik der SPÖ gewarnt. Er hat auch die heutige Situation, so wie sie jetzt herrscht, vorausgesagt, nämlich eine Staatsverschuldung, die keine Konjunkturmaßnahmen mehr zuläßt, und eine hohe Arbeitslosigkeit. Die SPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Kreisky machte es sich aber ganz einfach. Sie bezeichnete Stephan Koren damals kurzerhand als Kassandrarufer vom Dienst und hat ihn damit mundtot gemacht. Sie alle kennen den gut durchdachten Ausspruch von Bundeskanzler Kreisky zur damaligen Zeit: Ein paar Millionen Schilling Schulden bereiten mir weniger Kopfzerbrechen als ein paar tausend Arbeitslose. (Bundesrat Rauchenberger: Das gilt heute auch noch!) – Das war ein guter Gag, nicht mehr. Solche Aussprüche haben ebenso kurze Beine wie die sozialistische Finanzpolitik. Natürlich haben die Wahlerfolge der Prasser in diesem Staat Teile der ÖVP hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Politik verunsichert.

Das vorliegende Sparpaket der Koalitionsregierung, Strukturanpassungsgesetz genannt, beinhaltet auch Verfassungsbestimmungen. Es ist ein weiteres Verdienst der ÖVP, daß von den ursprünglich 31 Verfassungsbestimmungen, die im Entwurf enthalten waren, nur mehr 12 unbedingt notwendige Verfassungsbestimmungen im heute zum Beschluß vorliegenden Strukturanpassungsgesetz enthalten sind. Diese Verfassungsbestimmungen sind deshalb notwendig geworden, weil die Sozialdemokratische Partei mit ihrem Finanzminister vor einem halben Jahr noch keine Ahnung davon hatte oder die Augen davor verschloß, wie die Finanzsituation des Bundes tatsächlich aussieht.

Die ÖVP war 1995 nicht bereit, dem dilettantischen Budgetvoranschlag des SPÖ-Koalitionspartners die Zustimmung zu geben. Die deshalb notwendige Wahl hat das vorliegende Reformprogramm erst ermöglicht, und dieses Reformprogramm gibt uns die entsprechende Offensivkraft für die Zukunft. Das Budget 1996 beginnt am 1. Jänner 1996, und damit die Durchführbarkeit und die Wirksamkeit dieses Budgets gesichert sind, war es eben notwendig, diese zwölf Verfassungsbestimmungen in das Gesetz aufzunehmen. Ich bekenne mich dazu, denn dieses Reformprogramm gibt uns Kraft für die Gestaltung unseres Wirtschaftsstandorts und für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Absicherung unserer Familien und unserer Position in Europa, kurz: vor allem für Österreich.


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