Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 37

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anderen Seite um Preiskämpfe zwischen Kunden und Lieferanten geht. Das könnte in Summe doch unfair zu Lasten erfolgreicher Unternehmen ausgehen.

Von Kollegen Wöllert wurden die Mitarbeiter als Bilanzadressaten genannt. Das ist sicherlich ebenfalls legitim. Das könnte man aber auch über Betriebsräte oder andere Maßnahmen abwickeln, ohne daß gleich praktisch die gesamte Öffentlichkeit Einblick in Bilanzmaterial hat. Weiters denke ich da an Adressenverlage, Marketinginstitute, die sicherlich diesen Einblick für neue Geschäftsfelder nutzen werden. Ich halte das für einen Bereich, den wir nach einer Probezeit noch einmal beurteilen und einer Manöverkritik unterziehen müssen.

Die genannten Hoffnungen in Richtung Insolvenzfrüherkennung sind zwar da, aber wir sollten uns, so glaube ich, nicht allzuviel davon erwarten. Durch den raschen Strukturwandel stehen heute – ich weiß das aus leidvoller eigener Berufspraxis als Bankmitarbeiter – Firmen vor dem Konkursrichter, die noch vor zwei Jahren als gute Adressen gehandelt wurden. In Zerschlagungsbilanzen, in Insolvenzverfahren zerplatzen Aktiva, wie Lagerbestände, Forderungen, maschinelle Anlagen, Halbfabrikate et cetera, häufig wie Seifenblasen, und so kann im Grunde über Nacht eine Bilanz, die noch vor eineinhalb Jahren ein angemessenes Eigenkapital ausgewiesen hat, plötzlich eine gewaltige Überschuldung ausweisen. Vor derartigen Situationen wird uns keine wie immer geartete Publizitätsvorschrift schützen.

Kollege Dr. Linzer hat über die Klein- und Mittelbetriebe ausgeführt, daß diese besonders unter der Gesetzesflut und Regelungswut leiden. Ich stimme dem völlig zu, kann mir aber den Hinweis nicht verkneifen, daß dieser Appell besonders in Ihrer eigenen Partei gehört werden sollte. Es ist sicher positiv, wenn Sie zum Mitstreiter werden!

Insgesamt handelt es sich zweifellos um bedeutende Klarstellungen in einem Bereich, der sich äußerst trocken liest: die Regierungsvorlage mit vielen Seiten; es ist Spezialwissen erforderlich, um sich da zurechtzufinden, zumindest mußte ich dabei Spezialwissen einholen. – Insgesamt ist es eine bedeutende Reform, und es gibt aus freiheitlicher Sicht keinen Grund, dagegenzustimmen, und wir werden diesen Antrag unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.45

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. Ich erteile es ihm.

10.45

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da dies die größte Änderung des Handels- und Gesellschaftsrechtes in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg ist, möchte ich – trotz des offenkundig auch im Bundesrat herrschenden Gleichklangs – doch auch ein paar Worte zur Materie sagen.

Ich möchte schlagwortartig noch einmal herausheben, daß es im Hinblick auf die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung in einem sich zunehmend integrierenden Europa notwendig ist, zur Sicherung auch des eigenen Wirtschaftsstandortes die eigene Handels- und Gesellschaftsrechtslage an die EU-Standards anzupassen; auch wird innerhalb der EU weiterhin das Bedürfnis bestehen, fortgesetzt – um die Gesetzesflut hier gleich wieder anzukündigen – weitere Materien des Handels- und Gesellschaftsrechtes zu harmonisieren, denn nur bei einem größtmöglichen Gleichklang der wirtschaftsrelevanten Gesetze können die Freiheiten, die der gemeinsame Markt mit sich bringt, verwirklicht werden.

Es geht in der vorliegenden Materie insbesondere darum, gleichwertige Bestimmungen des Gläubiger- und Aktionärsschutzes zu schaffen, aber auch Bestimmungen, die der Sicherung und Erhaltung des Unternehmenskapitals dienen sollen. Dem dient, wie hier schon ausgeführt wurde, vor allem die Angleichung des Rechnungslegungsrechtes. Diese Bestimmungen über die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung der Jahresabschlüsse aller Kapitalgesellschaften wird eine bessere – auch internationale – Vergleichbarkeit der Einzel- und Konzernabschlüsse ermöglichen. Es wird mehr Aussagekraft bestehen, es wird eine größere Transparenz gegeben sein. Es wird auch zu einer besseren und früheren Eigeninformation der Unternehmer kommen, aber auch dem Schutz der Gesellschafter, der Gläubiger und auch der Arbeitnehmer des Unter


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