Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 48

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Aufschwungperiode, der Beginn jener Zeit, die man auch im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über den EU-Beitritt der österreichischen Bevölkerung in Aussicht gestellt hat, eines ständigen Wachstums, einer von zusätzlichen Wachstumsimpulsen aufgrund des EU-Beitritts geprägten Zeit ist, sondern daß dieser EU-Beitritt mit 1. Jänner 1995 ganz andere Auswirkungen gehabt hat, als man ursprünglich angenommen hat; ursprünglich angenommen hat durch möglicherweise guten Glauben, möglicherweise wider besseren Wissens. Jedenfalls waren die strukturellen Auswirkungen, die sich negativ zeigten, stärker als die der Bevölkerung anläßlich der Kampagne zur Volksabstimmung sehr eindringlich vor Augen geführten positiven Auswirkungen.

Es zeigt sich vielmehr, daß eine Reihe von Versäumnissen, die von meiner Fraktion auch im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt immer wieder aufgezeigt wurden, von seiten der Regierungsparteien nicht wirklich ernstgenommen wurden, daß das bewußte Festhalten verschiedener Seiten an überholten Strukturen in Kombination mit der konjunkturellen Entwicklung doch in einer – fast ist man geneigt, so zu sagen – rezessiven Entwicklung der österreichischen Wirtschaft ihren Niederschlag gefunden hat und daß jene Belastungen, die man in Zeiten der guten und positiven Entwicklung der Wirtschaft zugemutet hat, in Zeiten der Rezession nicht mehr verkraftbar waren. All das hat zu den krisenhaften Erscheinungen der letzten Jahre und Monate geführt, die letztendlich in dem Belastungspaket, das diese koalitionäre Regierung der österreichischen Bevölkerung zugemutet hat, ihren Niederschlag gefunden hat, einem Belastungspaket, einem Paket von Belastungen, deren Auswirkungen sich erst jetzt sukzessive mit ihrem Wirksamwerden zeigen.

Bemerkenswert ist, daß heute – zwei Jahre nach der Volksabstimmung – durchaus Aussagen vertreten werden – meiner Meinung nach zutreffende Aussagen –, wonach der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht vorbereitet war. Nichts anderes haben wir Freiheitlichen aus der Opposition, in der wir uns befinden, gesagt und der Regierung vorgehalten, daß sie mehr Anstrengungen, mehr Aufwand in die tatsächliche Vorbereitung der österreichischen Wirtschaft – das meine ich jetzt im umfassenden Sinne dieses Begriffes, also sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite – investieren sollte als in eine Kampagne, mit der dem Volk vorgegaukelt wurde, daß nach dem 1. Jänner 1995 – ich übertreibe und sage es etwas überspitzt – das Paradies auf Erden Österreichs in der EU anbrechen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mitarbeiter dieser Institution, die durch ihre Vertreter heute verkünden, daß der EU-Beitritt nicht vorbereitet war, wurden seinerzeit in aller Öffentlichkeit dafür gescholten, weil sie die Beitrittskosten – wie sich jetzt herausstellt durchaus realistisch – wesentlich höher eingeschätzt haben, als man es seinerzeit offiziell hören wollte. Bei der engen Verflechtung eines modernen Wirtschaftssystems hat dieser Umstand, nämlich erhöhte Zahlungen an die EU, sofort mannigfache Rückwirkungen gehabt, und zwar letztendlich auch Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit.

Ich möchte Sie nicht mit einer Fülle von Zahlen konfrontieren, ganz ersparen kann ich es Ihnen aber nicht, vor allem deswegen nicht, weil kürzlich zu lesen war, daß eine erfreuliche Besserung der Beschäftigungslage eingetreten ist. Nur hat man diese erfreuliche Besserung daran gemessen, daß die Arbeitslosenzahlen im Mai niedriger waren als im Jänner, was natürlich bei der doch in Österreich immer noch sehr hohen Winterarbeitslosigkeit – heuer noch verstärkt durch einen extrem langen Winter – nicht überraschen kann. Vergleicht man die Zahlen der Arbeitslosen vom Mai 1996 mit denen vom Mai 1995, dann sieht man, daß diese Zahlen immer noch höher liegen und daß wir heuer im Mai eine Arbeitslosigkeit hatten, die um gute 3 Prozent höher war als jene im Jahr 1995. Immerhin ist im Vergleich von Jänner zu April 1996 eine Besserung eingetreten, denn in diesen vier Monaten lag die Arbeitslosigkeit im Schnitt noch um rund 11 Prozent höher. Aber ob diese Entwicklung anhält, ist im Augenblick nicht festzustellen. Das heißt, man kann im Augenblick noch nicht sagen, ob es sich um eine saisonbedingte Normalisierung handelt oder ob tatsächlich ein leichter konjunktureller Aufwärtstrend – nicht nur in Österreich, sondern in Europa überhaupt – festzustellen ist. Darüber sind sich die Experten noch nicht ganz im klaren.

Lassen Sie mich auch einige Worte zur Situation in Wien sagen, weil sich die von mir aufgezeigte negative Entwicklung besonders in Wien zeigt. Bei rund 760 000 Beschäftigten – davon


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite